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Kryex-Rebellion - Ein schmutziger Krieg


Kryex-Rebellion - Ein schmutziger Krieg


1. Auflage

von: Thomas Marsek, U. D. Marsek

6,49 €

Verlag: VSS-Verlag
Format: EPUB
Veröffentl.: 17.09.2022
ISBN/EAN: 9783961272990
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 547

Dieses eBook erhalten Sie ohne Kopierschutz.

Beschreibungen

Die Menschheit hat sich weit in der Galaxie ausgebreitet – vielleicht zu weit. Als man auf die aus ihrer Heimat vertriebenen Caithra trifft, kommt es zu einem blutigen Konflikt.
Nolan will eigentlich nur seine Ruhe. Von der Regierung, die mit Geheimdienstmethoden und Propaganda die Bevölkerung kontrolliert, hält er genauso wenig wie von den Separatisten, die mit Terroranschlägen dagegen rebellieren. Als man ihn zwingt, Soldat zu werden, lässt er sich auf ein schmutziges Geschäft ein, damit man ihn und seine kleine Truppe auf einen ruhigen Posten versetzt. Doch in dem aufkommenden Sturm, der die Galaxie erschüttert, gibt es keinen sicheren Ort mehr…

Die Autoren sind zwei Brüder aus Niedersachsen, die auf den ersten Blick wenig gemeinsam haben: Der eine hat Geschichte studiert und sammelt alte Bücher, der andere hat einen technischen Hintergrund und fährt gerne Rallye. Politisch sind sie selten einer Meinung und auch erzählerisch haben sie oft unterschiedliche Perspektiven. Das gemeinsame Schreiben ist eine ständige Suche nach kreativen Lösungen. Trotzdem hat ihnen die Arbeit an ihrem Debütroman unerwartet viel Spaß gemacht.
Nolan wachte auf, weil jemand gegen die Tür hämmerte. Wer immer das war, Nolan wünschte sich, er würde damit aufhören.
Um sein Gehirn kreisten mehrere Pulsare. In seinem Mund steckte aus irgendeinem Grund ein pelziger toter Fisch. So fühlte es sich an.
»Sie haben neue Nachrichten.«
Wie schön. Die VI hatte gemerkt, dass er wach war. Jemand hämmerte immer noch gegen die Tür.
»Boss?«
Das war die Stimme von Scapy. Ganz eindeutig, das war Scapy. Wer auch sonst.
Nolan wälzte sich herum und zog sich die Decke über den Kopf. Konnte er nicht einfach liegen bleiben und in Ruhe sterben? Oder vorher noch mal richtig kotzen.
»Sie haben neue Nachrichten.«
Letzte Nacht… Abgesehen von seinem Mageninhalt, kamen auch ein paar Erinnerungen hoch. Es war eine von diesen langen Nächten gewesen. Sehr lang. Und er hatte sie allein für sich gehabt. Die Nacht und eine ganze Flasche Luciffa Venom.
Also ergab doch alles einen Sinn.
Vielleicht war noch was übrig.
»Boss!«
Ohne die Augen zu öffnen, streckte Nolan versuchsweise den linken Arm aus. Das war schon eine Anstrengung. Er merkte, dass seine Finger ins Leere griffen. Irgendwie erschreckte ihn das. Die Leere, das Nichts. Ihn überkam ein Gefühl von Verlorenheit.
Natürlich lag das an seinen Synapsen. Die waren noch ziemlich angefeuert. Diese Leere, das war eindeutig nur der Rand von seinem Bett.
Ein beruhigender Gedanke.
Er schob sich vorwärts, bis er mit der Hand den Fußboden erreichen konnte. Ein guter, solider Fußboden. Alles hatte seine Richtigkeit. Er fühlte mehligen, feinen Staub und körnigen Dreck an seinen Fingerspitzen.
»Boss! Kundschaft!«
Nolan tastete auf dem Boden herum. Da lagen Dinge. Seine Schuhe. Zumindest einer davon. Eine sehr schwere, sehr große Schrotflinte. Man musste auf sich aufpassen. Er tastete weiter und stieß auf Glas. Hartes, glattes, kühles Glas. Vielleicht hatten noch nicht alle Götter ihn verlassen. Es war das einzig Gute an diesem Dreckloch von einem Planeten: Solches Zeug wie Luciffa Venom war hier auf Ubayd legal.
Unbeholfen hob Nolan die Flasche auf. Er hatte jetzt kein gutes Gefühl mehr. Sie war so leicht. Blinzelnd öffnete er ein Auge. Sonnenlicht, das ihm unerträglich grell vorkam, blendete ihn.
Die Flasche war leer, wie der Raum zwischen den Sternen.
»Boss! Da will einer was kaufen!«
»Dann verkauf es ihm!« ächzte Nolan heiser in Richtung Tür. »Wofür bezahl ich dich.«
»Es gibt vielleicht ein Problem«, sagte Scapy. Er hörte auf, gegen die Tür zu hämmern.
Die Stille fühlte sich herrlich an.
»Sie haben neue Nachrichten.«
In Nolans Verstand formte sich ein einzelner Gedanke, mit großer Klarheit und Intensität. Es war der Gedanke an die absolute Unmöglichkeit, einer VI jemals begreiflich zu machen, wie vollkommen egal ihm seine Nachrichten waren und wie wenig er zu dieser oder jeder anderen Zeit an einer Unterhaltung mit ihr interessiert war.
Und leider konnte er diese VI nicht einfach stumm schalten.
»Boss?«
»Was ist denn?« fragte Nolan genervt.
Scapy senkte die Stimme. Durch die Tür, die Nolan mit Metallplatten verstärkt hatte, war er kaum noch zu verstehen:
»Er sucht einen Schlüssel.«
»Was?«
Nolan konnte den Worten, die er hörte, keine Bedeutung zuordnen. Nicht dass es ihn interessiert hätte. Er fragte nur, damit Scapy nicht wieder anfing, Lärm zu machen. Die Pulsare, die verdammten Kopfschmerzen, wurden schlimmer.
Auf der anderen Seite der Tür war es für einen Moment still. Dann raunte Scapy:
»Einen Schlüssel. Er sucht einen Portalschlüssel.«
»Sag das noch mal«, verlangte Nolan.
»Da ist ein Kunde«, wiederholte Scapy langsam, jedes Wort einzeln betonend, »und der sucht einen –« Er brach ab.
»‒ einen Schlüssel«, ergänzte Nolan.
»Ja.«
Nolan spürte, wie das Blut sich plötzlich in seiner Halsschlagader staute. Seltsam, dachte er.
»Boss?«
»Ja, ja.«
Nolans Verstand begann zu arbeiten, wenn auch träge. Seit zehn Jahren saß er auf Ubayd fest. Das hier war vielleicht die Chance, auf die er die ganze Zeit gewartet hatte.
Er kroch aus dem Bett, zuerst auf Händen und Füßen. Um in eine senkrechtere Lage zu kommen, musste er sich an der Wand abstützen. Als er erst einmal aufrecht stand, ging es besser. Nur die Pulsare. Sie pulsierten. Sie kreisten nicht mehr. Es war eher so, als würden ein paar achtarmige Götter damit Pingpong in seinem Gehirn spielen.
»Hast du ihn überprüft?« fragte er.
Irgendwo musste doch seine Hose liegen.
»Ja«, antwortete Scapy. »Er heißt Garv Harris, Kapitän des Raumfrachters Fiona.«
»Hat er das gesagt?«
»Nein. Er hat nichts weiter gesagt. Ich bin die Liste der Schiffe durchgegangen, die im Raumhafen liegen, und habe die biometrischen Holos der Kommandanten in den Akten verglichen. Er ist entweder Garv Harris oder sein Zwillingsbruder.«
»Die Kommandanten? Wie bist du denn da drauf gekommen?« fragte Nolan, während er sich weiter anzog. Er befand sich gerade nicht in optimaler geistiger Verfassung, aber wenn sich jemals ein Raumschiffkommandant in seinen Laden verirrt hätte, würde er sich bestimmt daran erinnern. Zu ihm kamen Mechaniker, selten mal ein Bordingenieur. Händler wie er machten eine Drecksarbeit, die sich kaum lohnte. Sie umkreisten den Raumhafen wie hungrige Aasfresser und suchten sich aus dem Schrott, der abfiel, das heraus, was irgendwie noch wieder brauchbar gemacht werden konnte, bevor der Rest in die Schmelzöfen wanderte. Niemand kam dabei auf seine Kosten, wenn er sich streng an die Regeln hielt. Aus Sicht der Planetaren Regierung trug Nolan dazu bei, die Effizienz der Ressourcenverwertung zu erhöhen. Deshalb wurde er geduldet, aber mehr auch nicht.
»Mir kam es so vor, als ob er in eigener Sache hier ist«, sagte Scapy. »Deshalb dachte ich, dass er vielleicht ein Schiff hat. Wofür braucht er sonst einen Schlüssel?«
Auch wieder wahr.
Ein Portal war ein ringförmiges Tor im Weltall, das ein Wurmloch öffnete und dadurch interstellare Reisen ermöglichte. Man konnte entweder einen beliebigen Punkt im Raum ansteuern, bis zu einer gewissen Entfernung, oder ein anderes Portal, das mit dem Netz verbunden war. Die Reichweite erhöhte sich dann beträchtlich. Das Portalnetz unterstand der Kontrolle des Militärs. Die Flotte hatte immer Priorität. Wenn ein ziviles Schiff die Portale benutzen wollte, brauchte es dafür einen Schlüssel.
»Sag ihm, ich komme gleich.«
»Er wartet schon ziemlich lange, Boss.«
Scapy ging. Nolan wischte eine Dreckschicht von dem Spiegel an der Wand. Nein, der Spiegel war nicht sein Freund. Er versuchte, sein Äußeres in einen etwas weniger erbärmlichen Zustand zu bringen. Die Finger dienten ihm als Kamm. Allerdings war das kein Ersatz für eine Dusche, eine Rasur, einen Haarschnitt und eine Ausnüchterungskur. Nach ein paar Versuchen gab er es auf.
Er tippte den aktuellen Code in das Zeitschloss an seiner Wohnungstür. Das musste er langsam machen, weil dabei ein Tiefenmuster seines Fingers genommen wurde, einschließlich Pulskontrolle und Fingerabdruck. Die massiven Riegel schnappten zurück und die Tür öffnete sich. Er wohnte nun einmal nicht in der besten Gegend.
Noch unsicher auf den Beinen, folgte er Scapy die Treppe hinunter in den Laden. Ansonsten machten ihm nur die Kopfschmerzen zu schaffen, und ein latenter Brechreiz. Etwas in seinem Magen wollte unbedingt hochschwappen. Noch einmal tief durchatmen, dann betrat er seinen Verkaufsraum.
In den Regalen an den Wänden stapelten sich Teile von Raumschiffen: Eine Membranpumpe, die vor der letzten irdischen Eiszeit mal ihren Dienst in einer Steuerdüse geleistet hatte, eine nur ganz leicht gerissene Turbinenschaufel, bei niedrigen Umdrehungen noch gefahrlos einsetzbar, jede Menge Kabel, Stecker und Schläuche, Schutzbleche und elektronische Komponenten, bei denen Nolan selbst nicht gewusst hätte, ob sie aus einem Gyroskop stammten oder aus einer Vakuumtoilette. Alles gebraucht, ohne Garantie, Preis Verhandlungssache. Was klein genug war, um es in die Tasche zu stecken und damit wegzulaufen, lag hinter Gittern.
Durch die schmalen, ebenfalls vergitterten Fenster fiel das Licht der rötlichen Sonne in langen Streifen, die den Raum insgesamt in ein Dämmerlicht tauchten. Der Laden war eine kleine Festung.
Nolan hätte einfach tun können, was andere Ladenbesitzer taten: Sie zahlten Schutzgeld an die richtigen Leute, damit nicht dauernd bei ihnen eingebrochen wurde. Das ging Nolan gegen den Strich. Er hatte stattdessen in monatelanger Arbeit Titanstahl mit einem Schweißbrenner aus dem Wrack eines Raumschiffs geschnitten, sich daraus Gitter, Riegel, Panzerplatten und andere Verstärkungen hergestellt und den ganzen Laden damit verrammelt. Er hatte auch die besten Sicherheitsschlösser eingebaut, die er sich leisten konnte, und er hatte sich eine Waffe gekauft. Bis jetzt funktionierte es.
Scapy saß hinter dem Tresen und tat so, als wäre er beschäftigt, während seine ganze Beschäftigung in Wirklichkeit darin bestand, den einzigen Kunden, der sich im Laden aufhielt, im Auge zu behalten.
Das war also Kapitän Harris, dachte Nolan. Zuerst fiel ihm sein Gesicht auf. Es wirkte blass. Auf Ubayd erkannte man daran die Außenweltler und die Raumfahrer. Seine Kleidung war staubverkrustet, wie alles auf diesem dreckigen Planeten, von den Arbeitsstiefeln bis zu der abgewetzten Jacke mit altmodischen Messingknöpfen. Auch sein Haar war staubig und vom Wind zerzaust, denn Harris trug keine Kopfbedeckung. Das war ungewöhnlich. Kaum jemand ging aus dem Haus, ohne sich auf irgendeine Weise gegen die sengenden Strahlen der Riesensonne und den Staub in der Atmosphäre zu schützen. Wenn er ein Raumkapitän war, trug er sonst wahrscheinlich eine Mütze mit Rangabzeichen und hatte sie abgenommen, um nicht erkannt zu werden.
Noch etwas fiel Nolan an den Haaren auf. Kapitän Harris war auf dem Kopf schon ziemlich grau. Das sah man selten. Gegen graue Haare konnte man Pillen schlucken. Die meisten Leute machten das. Vielleicht war Harris nicht eitel. Oder das Grau gefiel ihm. Oder er kam gerade aus dem All zurück und hatte noch keine Gelegenheit gehabt, sich darum zu kümmern.
»Was kann ich für sie tun?« fragte Nolan.
»Sagen Sie es mir.«
Die Stimme des Kapitäns klang trocken und sachlich. Weder ein Zeichen von Ungeduld noch Verärgerung darüber, dass er so lange hatte warten müssen.
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich richtig verstanden habe, worum es geht«, sagte Nolan.
»Was haben Sie denn verstanden?« fragte Harris.
»Dass wir über etwas sprechen, das nicht ganz billig ist.«
»Manche Dinge haben ihren Preis.«
Nolan war vollkommen klar, was er jetzt eigentlich tun sollte. Er sollte vorsichtig sein. Am besten wäre es, wenn er Harris den Vorschlag machte, dass er sich wegen der Sache mal umhören würde. Bei einem zweiten oder dritten Treffen konnte man vielleicht über den Preis sprechen. Und dann musste man weitersehen. Geduld. Vorsicht. Auch ein Raumkapitän konnte für die Planetare Sicherheit arbeiten.
Es war nur so, dass er viel zu schlimme Kopfschmerzen hatte, um sich darüber Sorgen zu machen. Außerdem war es ihm in diesem Moment ganz einfach egal. Das hier war seine Chance, genug Geld für eine Passage zu verdienen. Genug Geld, um von Ubayd wegzukommen.
»Ich habe etwas im Lager, das ich Ihnen zeigen kann«, sagte er.
»Gut.«
Harris war keine Emotion anzumerken, keine Freude, keine Überraschung, kein Misstrauen. Nolan fiel es schwer, ihn einzuschätzen.
Auf jeden Fall wollte er diese Sache nicht im Verkaufsraum erledigen. Er hielt es auch für besser, wenn Scapy nicht dabei war. Das würde für alle Beteiligten sicherer sein, falls später mal jemand Fragen stellte.
»Hier entlang.«
Er führte den Kapitän durch die Hintertür, an der Werkstatt vorbei, zur Kellertreppe.
»Nach Ihnen.«
Ohne zu zögern, als wäre er bei alten Bekannten, stieg der Kapitän vor Nolan die steile Treppe hinunter. Im Keller befand sich das Lager. Sehr groß war es nicht. Es roch nach Schmiermitteln und versengtem Isolierschaum. Das schwache künstliche Licht hätte in den dunkleren Ecken kaum ausgereicht, um eine Beschriftung zu entziffern, was ziemlich egal war, weil Nolan sich nie die Mühe gemacht hatte, hier unten etwas zu beschriften.
»Warten Sie.«
Nolan ging allein weiter, an den vollgepackten Regalen vorbei, und blieb bei einer unscheinbaren Kiste stehen. Bevor er sie öffnete, vergewisserte er sich, dass Harris ihn nicht sehen konnte.
Die Kiste diente als Tarnung für einen Tresor, der sich darunter befand. Er war fest im Fundament des Gebäudes verankert. Nolan hatte ihn eigentlich in seiner Privatwohnung über dem Laden aufstellen wollen, aber es war einfacher gewesen, das schwere Ding die Treppe herunter als herauf zu schaffen. Und es machte sowieso keinen Unterschied. Bis auf eine einzige Sache lag in dem Tresor nichts Wertvolles.
Er öffnete ihn, wozu er zwei zeitabhängige Codes eingeben musste, und holte einen kleinen Gegenstand hervor, der in ein Tuch eingewickelt war. Den Tresor ließ Nolan offen. Vorsichtshalber stellte er die Tarnung durch die Kiste wieder her, bevor er zu Harris zurückkehrte.
»Lassen Sie sehen«, drängte der Kapitän.
Behutsam wickelte Nolan den Gegenstand aus. Er war flach, rechteckig und etwa so groß wie seine Hand. Auf der Oberfläche, die je nach Einfallwinkel des Lichts schwarz oder dunkelviolett schimmerte, zeichneten sich komplexe Strukturen ab. Sie verschwammen vor Nolans Blick, aber er wusste, dass sie da waren. Sie mussten da sein. Ein verwirrendes Spiel sich kreuzender Linien.
»Funktioniert er?« fragte Harris.
»Ich habe keine Möglichkeit, ihn zu testen«, antwortete Nolan. Das entsprach der Wahrheit. »Aber er sieht gut aus, oder nicht? Saubere, glatte Linien, keine Lücken. Die Versiegelung ist noch intakt.« Er hörte auf zu reden. Ihm war so verflucht schlecht.
Portalschlüssel arbeiteten mit Quantenverschränkungen, ließen sich also weder fälschen noch kopieren. Die Linien auf der Oberfläche dienten dazu, eine mögliche Degeneration der Versiegelung rechtzeitig sichtbar zu machen, bevor es zu einer Verunreinigung kam oder kritische Atome entwichen. Falls es dazu kam, war es zu spät. Dann konnte man sich das Ding höchstens noch als Dekoration an die Wand hängen.
Harris nahm den Schlüssel, hielt ihn sich dicht vor die Augen und drehte ihn etwas zum Licht, um die Oberfläche nach Anzeichen für eine Beschädigung abzusuchen. Die Linien, die auf ähnliche Weise entstanden wie Asterismen auf manchen Edelsteinen, schienen intakt zu sein. Die einzige Abweichung wies der Schlüssel an einem kleinen Metallinlay auf, wo die Seriennummer so fein säuberlich ausgetilgt worden war, dass es aussah, als wäre er fabrikneu und hätte nie eine Seriennummer gehabt.
Es ging hier um sehr viel Geld. Nolan hatte keine Ahnung, wie hoch der offizielle Preis für einen Portalschlüssel lag. So etwas wurde in Hinterzimmern ausgehandelt. Die Summen mussten enorm sein, denn auf diesem Weg wurde der interstellare Handel an den Kosten für das Portalnetz beteiligt. Leisten konnten sich das nur große Konzerne. Was die einmal in den Händen hatten, gaben sie nicht wieder her, schon gar nicht, wenn sie es so teuer bezahlt hatten. Es gab keinen Markt für gebrauchte Portalschlüssel. Es sei denn, es tauchte mal einer auf, der gestohlen war.
Nolans Laden hatte wenig Ähnlichkeit mit der Zentrale eines interstellaren Konzerns. Kapitän Harris konnte unmöglich glauben, dass Nolan auf legalem Weg in den Besitz dieses Schlüssels gelangt war.
Harris ließ sich Zeit mit der Begutachtung. Endlich sagte er:
»Ich trage also das Risiko, dass er defekt ist.«
»Ja«, sagte Nolan offen heraus. »So ist es. Sie könnten auch einen Schlüssel bei der Flotte kaufen. Ansonsten ist dieser hier der Einzige, den Sie auf Ubayd finden werden. Das kann ich Ihnen garantieren.«
In dem Punkt war er sich völlig sicher. Ubayd war im Grunde nur ein Flottenstützpunkt. Es gab den Raumhafen, der überwiegend militärisch genutzt wurde, und die Stadt, die daneben entstanden war. Weil es die einzige Stadt auf dem Planeten war, und weil phantasielose Bürokraten über so etwas entschieden, hieß sie ebenfalls Ubayd. Es gab da draußen noch ein paar einsame Bergwerke, aber das war’s auch schon. Die gesamte Einwohnerzahl von Ubayd belief sich auf knapp 300.000 Menschen. Wenn mal ein interstellares Handelsschiff eintraf, war das ein Ereignis.
Der Umstand, dass der Schlüssel gestohlen war, machte ihn nicht automatisch wertlos. Nolan war Mechaniker, kein Physiker. Er wusste darüber nur das, was allgemein bekannt war: Quantenverschränkungen konnte man nicht auslesen, ohne sie zu zerstören. Deshalb war es physikalisch unmöglich, einen gestohlenen Schlüssel von der Portalseite her zuverlässig zu sperren. Man konnte ihn über die Verschränkungen nicht von anderen Schlüsseln unterscheiden.
»Nennen Sie mir Ihren Preis«, sagte Harris.

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