Absturz des Phoenix - Chronik der Sternenkrieger #32

Alfred Bekker's Chronik der Sternenkrieger, Volume 32

Alfred Bekker

Published by Alfred Bekker, 2018.

Inhaltsverzeichnis

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Chronik der Sternenkrieger 32 | Absturz des Phoenix | von Alfred Bekker

Captain Allan Fernand, Captain der PHOENIX II, | persönliches Logbuch

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Chronik der Sternenkrieger 32

Absturz des Phoenix

von Alfred Bekker

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Ein CassiopeiaPress E-Book

Die abweichende Original-Printausgabe erschien in der Romanreihe „STERNENFAUST“ unter dem Titel „Der Flug der PHOENIX“.

© 2005,2008,2013 by Alfred Bekker

© der Digitalausgabe 2014 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich (Westf.)

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

>+++<

Mitte des 23. Jahrhunderts werden die von Menschen besiedelten Planeten durch eine kriegerische Alien-Zivilisation bedroht. Nach Jahren des Krieges herrscht ein brüchiger Waffenstillstand, aber den Verantwortlichen ist bewusst, dass jeder neue Waffengang mit den Fremden das Ende der freien Menschheit bedeuten würde. Zu überlegen ist der Gegner.

In dieser Zeit bricht die STERNENKRIEGER, ein Raumkreuzer des Space Army Corps, unter einem neuen Captain zu gefährlichen Spezialmissionen in die Weite des fernen Weltraums auf...

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ALFRED BEKKER schrieb die fesselnden Space Operas der Serie CHRONIK DER STERNENKRIEGER. Seine Romane um DAS REICH DER ELBEN, die GORIAN-Trilogie und die DRACHENERDE-SAGA machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er schrieb für junge Leser die Fantasy-Zyklen ELBENKINDER, DIE WILDEN ORKS, ZWERGENKINDER und ELVANY sowie historische Abenteuer wie DER GEHEIMNISVOLLE MÖNCH, LEONARDOS DRACHEN, TUTENCHAMUN UND DIE FALSCHE MUMIE und andere. In seinem Kriminalroman DER TEUFEL VON MÜNSTER machte er mit dem Elbenkrieger Branagorn eine Hauptfigur seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einem höchst irdischen Mordfall. Im November 2012 erschien mit DER SOHN DER HALBLINGE sein nächster großer Fantasy-Epos bei Blanvalet.

>+++<

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Captain Allan Fernand, Captain der PHOENIX II,

persönliches Logbuch

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Wir sind in einer verzweifelten Lage.

Ich bin gezwungen, diese Aufzeichnungen mit der Logbuchfunktion meines Kommunikators zu erstellen. Das Gerät ist nicht sehr komfortabel und funktioniert auch nicht mehr einwandfrei, aber es wird auch so gehen müssen. Es ist offenbar bei der harten Landung, die wir auf dem Planeten der Wyyryy hinter uns haben, in Mitleidenschaft gezogen worden, so wie die meisten Geräte an Bord. Wir befinden uns in der Küstenregion des Südkontinents und sind gerade im Begriff, langsam in einem Sumpf zu versinken. Sämtliche Bordsysteme sind ausgefallen, abgesehen von den automatischen Antigrav-Landekissen, die uns vor einem Zerschellen an der Oberfläche bewahrt haben und durch eigenständige Energiezellen gespeist werden.

Unsere Verluste sind hoch. Die überlebenden Mitglieder unserer Crew sind damit beschäftigt, die Ausrüstungsgegenstände zusammenzusuchen, deren Energieversorgung autark ist. Sie versuchen außerdem, eine zumindest notdürftige medizinische Versorgung der Verletzten sicherzustellen. Unser L.I. kümmert sich darum, herauszufinden, ob noch irgendeine Möglichkeit besteht, die Energie erzeugenden Aggregate der Triebwerkssektion zu reaktivieren. Maria Ibeira ist zwar sehr fähig, aber ich habe trotzdem wenig Hoffnung, dass ihr dies gelingt.

Wir müssen damit rechnen, dass unsere durch Energiezellen gespeisten Ausrüstungsgegenstände – darunter auch die Logbuchfunktion dieses Kommunikators – nach und nach den Betrieb einstellen. Ich weiß also nicht, wie lange ich diese Aufzeichnungen noch fortsetzen kann.

Die STERNENKRIEGER müsste eigentlich inzwischen im Wyyryy-System eingetroffen sein. Ob auch das Schiff von Captain Sunfrost angegriffen wurde, entzieht sich natürlich unserer Kenntnis. Die mobilen Ortungsgeräte, auf die wir im Moment angewiesen sind, haben eine zu geringe Reichweite, um darüber irgendeine Aussage machen zu können.

Aber in der Hoffnung, dass uns da draußen doch jemand hört, haben wir mit einem der noch funktionsfähigen Kommunikatoren eine Sendung mit voller Energieleistung abgeschickt und durch ein paar Modifikationen die Reichweite etwas erhöht. Die Energiezelle des Gerätes ist jetzt dafür auf einem Minimalstatus, der kaum noch die Aufrechterhaltung der Standby-Funktion gewährleistet. 

Ich kann nur hoffen, dass man da draußen wenigstens von unserem Schicksal Notiz genommen hat und möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt mit stärkeren Space Army Corps-Verbänden zurückkehrt, falls die STERNENKRIEGER den Angreifern zu unterlegen war, um eingreifen zu können.

NACHTRAG: Der Entschluss, den Planeten der Wyyryy noch vor dem Eintreffen der STERNENKRIEGER am vereinbarten Rendezvous-Punkt anzufliegen, war ein Fehler, wie sich spätestens seit dem Angriff gezeigt hat. Wir wollten ohne das Space Army Corps nach den Wurzelbüchern der Wyyryy suchen, die möglicherweise das Wissen der Alten Götter enthalten. Ich lehne für dieses Vorgehen jede Verantwortung ab und möchte an dieser Stelle folgendes festhalten: Die Initiative, auf diese Weise unsere Kooperationspartner vom Space Army Corps vor vollendete Tatsachen zu stellen, ging nicht von mir aus. Die Anweisung dafür stammte von Franz Jack selbst und da er der Konzernsprecher ist, hat er gegenüber dem Captain eines Far Galaxy-Schiffs eine sehr weitgehende Weisungsbefugnis. Vermutlich stammt die Idee dazu, das Space Army Corps bei dieser eigentlich gemeinsam geplanten Mission mehr oder weniger kaltzustellen, von noch höherer Ebene. Jack ist schließlich auch nur ein Rad im großen Getriebe von Far Galaxy – wenn auch ein viel größeres, als ich es bin.

An der Tatsache, dass es falsch war, ändert das aber nichts. Die Vorgehensweise war zwangsläufig übereilt. Möglicherweise wären wir unter dem Schutz eines Sondereinsatzkreuzers wie der STERNENKRIEGER gar nicht erst so tief in die Bredouille gekommen, da es möglich gewesen wäre, den Angriff abzuwehren.

So waren wir bereits kampfunfähig, kurz nachdem die Attacke begonnen hatte. Sie kam so plötzlich und mit einer dermaßen zielsicheren Präzision, dass wir keine Chance hatten.

Wie auch immer – dass unsere Konzernführung das in den Wurzelbüchern der Wyyryy vermutlich gespeicherte Wissen der Alten Götter am liebsten für sich haben und sich für dessen Ausbeutung eine strategisch günstige Position verschaffen wollten, dafür habe ich Verständnis.

Schließlich bin ich als Captain der PHOENIX II letztlich ein Angestellter des Konzerns und ihm zu einer gewissen Loyalität verpflichtet.

Aber was mir übel aufstößt, ist die Tatsache, dass dieses Vorgehen Menschenleben gekostet hat. Das meines Ersten Offiziers Gus Ashrawan beispielsweise, der seine letzte Ruhe noch immer nicht gefunden hat und der nach wie vor hier auf der Brücke liegt. Ich habe ihm inzwischen wenigstens die Augen geschlossen.

Für mehr war einfach noch keine Zeit.

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DAS GOLDEN SCHIMMERNDE Metall der pyramidenförmigen Schiffswände platzte auseinander, nachdem sich ein wie aus dem Nichts kommender greller Strahl ins Innere des Schiffes hineingefressen hatte.

Eine unglaubliche Wendigkeit und Schnelligkeit zeichnete die angreifenden Objekte aus.

„Wollen Sie Ihren Entschluss, diese Objekte nicht unter Feuer zu nehmen, tatsächlich aufrechterhalten, Captain?“, meldete sich Waffenoffizier Lieutenant Commander Robert Ukasi beunruhigt zu Wort.

Captain Rena Sunfrost antwortete nicht sofort, sondern blickte nachdenklich zum Panaroma-Bildschirm auf der Brücke der STERNENKRIEGER. Der Bildausschnitt fing gerade ein, wie eines der letzten flüchtenden Schiffe der Nostan-Föderation Araskor explodierte. Es sah ganz so aus, als wären diese merkwürdigen Kugelraumer auf der Seite der STERNENKRIEGER. Die Schäden auf dem Sonder-Einsatzkreuzer waren immerhin durch den Angriff der ominösen Nostan-Föderation Araskor und ihrer pyramidenförmigen Schiffe entstanden – die durch die immer noch feuernden Kugelobjekte mittlerweile vor den Augen von Captain Sunfrost und den anderen Besatzungsmitgliedern jetzt völlig aufgerieben wurden.

Dass Ukasi der Stillhalte-Befehl des Captains von Anfang an nicht behagt hatte, war ihm die ganze Zeit über anzusehen gewesen. Seine Finger zuckten nervös auf der Kante seiner Konsole. Abgesehen von Gauss 3, das von den Strahlenschüssen der Nostan-Schiffe völlig zerstört worden war, hielt er nach wie vor alle anderen Geschütze feuerbereit.

Wie die Analysen von Steven Van Doren allerdings gezeigt hatten, waren die Waffen der Kugelobjekte mindestens ebenso wirkungsvoll. Sonst wäre es wohl auch kaum möglich gewesen, dass diese Drohnen die Araskor-Nostan jetzt so rasend schnell ausschalteten.

Erbarmungslos gingen sie dabei vor.

Eins war klar: Wenn sie das gewollt hätten, wäre die STERNENKRIEGER längst aus dem All gepustet worden.

„Mein Befehl bleibt in Kraft, Lieutenant Commander“, bestimmte Rena Sunfrost jetzt. „Diese Kugelobjekte haben bisher nicht das Feuer auf uns eröffnet und ich schätze unsere Überlebenschance als wesentlich höher ein, wenn es gar nicht erst zu einem Gefecht kommt!“

„Immerhin gibt das vielleicht unserem Plasma-Schirm die Gelegenheit, sich ein bisschen zu erholen“, sagte Van Doren. „Und wir könnten die Hüllenbrüche in der Schiffswand wenigstens ordentlich versiegeln.“

„Mehr als einen Schuss aus diesen Energiewaffen würde der Plasma-Schirm ohnehin nicht aushalten“, warf Ukasi düster ein.

„Ich nehme an, dass es sich um Drohnen handelt“, meldete sich Wiley Riggs zu Wort. Der Ortungsoffizier der STERNENKRIEGER befand sich an seiner Konsole und blickte mit angestrengtem Gesicht auf die Anzeigen seines Displays. Hin und wieder tippte er mit dem Zeigefinger der rechten Hand auf dem Touchscreen herum. „Ansonsten müssten die Insassen dieser Schiffe wahre Zwerge sein.“ 

„Es wäre ja auch nicht das erste Mal, dass wir auf vollautomatische Verteidigungssysteme der Alten Götter oder ihrer Hilfsvölker stoßen“, kommentierte Sunfrost.

„Das ist wahr – und Form und Materialbeschaffenheit weisen Gemeinsamkeiten mit den Objekten auf, die uns im Heptagon-System begegneten. Nur die Größe weicht erheblich ab. Diese sind viel kleiner und wendiger. Aber mit Sicherheit können wir keine Parallelen annehmen, auch wenn die Materialbeschaffenheit das vermuten lässt. Außerdem scheinen sie über ein höheres Energielevel zu verfügen. Jedenfalls sind ihre Strahlenwaffen stärker als alles, was uns bisher in dieser Hinsicht begegnet ist!“

„Sonst noch irgendwelche Gemeinsamkeiten?“

„Leichte 5-D-Emission“, erklärte Van Doren. „Nichts, was uns beunruhigen müsste. Und außerdem auch in einem anderen Frequenzbereich als es bei unseren bisherigen Begegnungen mit Hinterlassenschaften der Erhabenen der Fall war.“

„Warum sollten nicht verschiedene Varianten der Alte Götter-Technologie existiert haben?“, meldete sich nun Bruder Guillermo zu Wort. Der Olvanorer-Mönch und wissenschaftliche Berater der STERNENKRIEGER-Crew war über Interkom aus Kontrollraum C zugeschaltet, von wo aus er zusammen mit Professor Yasuhiro von Schlichten seine Analysen durchführte. „Bei einer Zivilisation, die möglicherweise über für uns unvorstellbar lange Zeiträume hinweg eine herausragende Rolle in diesem Teil des Universums gespielt hat, wäre die Wahrscheinlichkeit für einen hohen Reichtum an Varianten doch sehr groß.“

Auf der Positionsanzeige war jetzt zu erkennen, dass die Objekte sich zu zwei Formationen regelmäßiger Siebenecke zusammenfanden.

Rudergänger John Taranos schaltete die Positionsanzeige auf einen größeren Zoomfaktor, sodass nun die Lage der Drohnen innerhalb des mehr oder minder chaotisch zu nennenden Subsystems von zahllosen Asteroiden, die den Wyyryy-Planeten umkreisten, deutlicher wurde.

„Die Heptagon-Formation kann ja wohl kein Zufall sein“, meinte Taranos.

„Captain, wir messen jetzt erhöhte Werte an Strahlung mit 5-D-Komponenten“, meldete Ortungsoffizierin Lieutenant Susan Jamalkerim. „Das geht einher mit gepulsten Resonanzphänomenen höherdimensionaler Ordnung, die ziemlich genau den Signalen entsprechen, die bisher von Anlagen der Alten Götter emittiert wurden.“

Captain Sunfrost erhob sich von ihrem Platz.

„Kommunikationsströme?“, fragte sie.

„Möglich, Captain“, bestätigte Jamalkerim.

Die über Interkom zugeschalteten Wissenschaftler waren da sehr viel eindeutiger in ihrer Stellungnahme.

„Es handelt sich tatsächlich um Kommunikation“, erklärte Bruder Guillermo. „Da bin ich mir ganz sicher.“

„In diesem Punkt stimme ich dem Kollegen absolut zu“, ergänzte Professor Yasuhiro von Schlichten. Der Kopf des Wissenschaftlers und ehemaligen Entwicklungschefs von Far Galaxy erschien auf einem anderen Nebenbildschirm, so dass der Eindruck entstand, als würde von Schlichten am Captain vorbeisehen. „Die Frequenzen und Pulsfolgen entsprechen nicht dem, was wir bisher eindeutig als Signale der Erhabenen-Technologie identifiziert haben“, meinte Bruder Guillermo noch. „Aber die strukturelle Übereinstimmung ist so signifikant, dass wir diese Erkenntnis als sicher voraussetzen können.“

„Strahlungsniveau steigt“, meldete Ortungsoffizier Lieutenant Wiley Riggs. „Die 5-D-Emissionen haben etwa vierzig Prozent des Grenzwertes erreicht, ab dem mit Beeinträchtigungen des Kommunikationssystems oder der Sandström-Aggregate zu rechnen ist.“

„Können Sie die Kommunikationsströme veranschaulichen, Lieutenant?“, fragte Captain Sunfrost an Jamalkerim gerichtet.

„Kein Problem, Captain.“

Susan Jamalkerim ließ ihre schlanken Finger über die Sensorflächen des Touch Screens tanzen. Die bereits vorhandene Positionsanzeige, die bisher etwa ein Viertel der Fläche des Panorama-Schirms einnahm, wurde vergrößert, sodass sie nun die Hälfte beanspruchte. Gleichzeitig veränderte sich der Zoomfaktor und der Datenausschnitt. Gezeigt wurden jetzt nur noch die beiden übereinander gelagerten Siebeneck-Formationen der Kugel-Drohnen, deren Form mit den teleskopartigen Erweiterungen an den ersten irdischen Satelliten Sputnik erinnerten. Nur, dass dessen Außenhülle ganz gewiss nicht golden geschimmert hatte. Diese Positionssicht aus der Nahperspektive machte erst deutlich, mit welch unglaublicher Präzision sich die einzelnen Drohnen positionierten. Die Abstände der einzelnen Objekte zueinander wurden eingeblendet. Sie wichen nur mit geringfügigen Werten von der geometrischen Idealform ab.

Susan Jamalkerim strich sich das Haar zurück und berührte ein letztes Mal ihre Touchscreen.

Die Signalströme wurden eingeblendet.

Das Ergebnis war sehr eindrucksvoll.

„Jede der Drohnen dieses Verbandes steht mit jeder anderen im Dauerkontakt!“, stellte Rena Sunfrost verblüfft fest.

„Aber es gibt keinen Kommunikationsstrom zu irgendeiner Zentrale oder dergleichen“, meinte Van Doren. „Zumindest kann ich so etwas nicht erkennen.“

„Es scheint sich um ein sich selbst organisierendes System zu handeln“, vermutete Bruder Guillermo. „In der Frühzeit der irdischen Forschung über künstliche Intelligenz hat man Roboter nach sehr einfachen Regeln zum Beispiel Fußball spielen lassen und hat dabei festgestellt, dass sie in ihrer Gesamtheit durchaus in der Lage waren, komplexe Spielsituationen abzubilden beziehungsweise darauf zu reagieren.“

„Und Sie meinen, wir haben hier etwa Vergleichbares?“, fragte Sunfrost. In ihrem Tonfall klang eine erhebliche Portion Skepsis mit. Immerhin hatten sie es hier mit den Alten Göttern zu tun – der mächtigsten Rasse, die nach den Erkenntnissen der Humanen Welten jemals das Universum bevölkert hatte. Und das waren nicht gerade irgendwelche Halbwüchsige, die in einer Gleiter-Garage an ein paar Robotern herumschraubten.

„Das Komplexitätsniveau der 5-D-Strahlung ist unterschiedlich, ansonsten haben wir ein ähnliches Phänomen“, meldete sich Professor von Schlichten zu Wort.

„Halten Sie es für möglich, diese Signale zu entschlüsseln?“, fragte Sunfrost. „Ich meine, wenn es sich doch um ganz einfache Verhaltensregeln dieser Mechanismen handelt...“

„Simplizität und Komplexität sind sehr relative Begriffe“, dozierte von Schlichten. „Und alles, was während bisheriger Expeditionen im Zusammenhang mit Hinterlassenschaften der Alten Götter versucht wurde, ist gescheitert. Wir kennen zwar ihre Schrift, aber ich fürchte, selbst die geballte Computerkapazität der gesamten Humanen Welten würde nicht ausreichen, um auch nur ein einziges dieser 5-D-Signale wirklich zu entschlüsseln, zumal wir ja auch nur die im Einsteinuniversum registrierbare Resonanz erfassen können.“

„Vielleicht findet ja ein genialer Geist wie Sie irgendwann mal eine Lösung dafür“, sagte Sunfrost – und zwar ganz ohne irgendeinen sarkastischen Unterton.

Von Schlichten schien das allerdings trotzdem so aufzufassen. Er verzog das Gesicht.

Rena war genervt. Vielleicht sollte man nur noch Olvanorer zu Kommandanten von Space Army Corps Schiffen machen, dachte sie. Dann würde zwar nie wieder ein Gauss-Schuss abgegeben, aber dafür hätte man dann Kommandanten, die die Empfindlichkeiten sensibler und für die Mission wichtiger Wissenschaftler diplomatisch elegant umschiffen...

*

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AUF DER BRÜCKE HERRSCHTE angespannte Stille.

Die Kommunikationsströme zwischen den kugelförmigen Drohnen wurden unverändert aufrechterhalten. Die Frage, worüber sich diese Drohnen nun eigentlich unterhielten, stand ungesagt, aber greifbar im Raum. Waren diese Mechanismen am Ende sogar von einer Komplexität, die der Komplexität intelligenter Lebensformen gleichkam? Hatten die Drohnen deswegen einen so immensen Kommunikationsbedarf? Oder handelte es sich um eine Art Kommunikationsstandleitung, die nur ständig in Bereitschaft gehalten wurde?

Rena ging ein paar Schritte auf den Panorama-Schirm zu und kam dann wieder zurück.

„Signaldichte erhöht sich“, meldete Jamalkerim plötzlich. „Um den Faktor dreißig innerhalb einer Minute.“

„Betrifft das das gesamte Signalaufkommen oder nur die Kommunikation zwischen einzelnen Drohnen?“, fragte Sunfrost.

„Die Signaldichte ist gleichmäßig verteilt“, erklärte Jamalkerim.

„Irgendeine Theorie, was das zu bedeuten haben kann?“

„Negativ, Captain.“

„Und Sie Bruder Guillermo?“, wandte sich Sunfrost an den Olvanorer.

„Möglicherweise herrscht unter den Drohnen eine gewisse Unklarheit über die Beurteilung irgendeines unvorhergesehenen Faktors“, vermutete Bruder Guillermo.

„Und dieser Faktor könnten wir sein, habe ich recht?“

„Das ist anzunehmen, Captain.“

„Wäre es möglich, auf einer unserer Frequenzen mit diesen Mechanismen Kontakt aufzunehmen?“ 

„Man könnte eine Transmission auf einem Breitband-Signal abschicken“, schlug Jamalkerim vor.

„Die Erfolgsaussichten sind sehr gering“, mischte sich von Schlichten ein. „Die Struktur der Außenhülle könnte den Empfang unserer Botschaften sogar verhindern, sofern sich Empfangsgeräte innen befinden“, erklärte von Schlichten. „Und davon gehe ich aus. Die teleskopartigen Erweiterungen sind meines Erachtens Waffen.“

„Welche Alternative schlagen Sie vor?“, hakte Van Doren nach.

„Ich denke, dass nur ein Sandström-Signal überhaupt für diese Drohnen empfangbar wäre“, vermutete von Schlichten.

„Lassen Sie die Kontaktaufnahme besser bleiben“, unterbrach Bruder Guillermo die Spekulationen. Er wandte sich direkt an den Captain.

Rena Sunfrost sah sein Abbild auf dem Nebenschirm erstaunt an.

Hatte sie das richtig verstanden? Der diplomatisch hochbegabte, einem auf friedliche Verständigung mit allen Lebensformen ausgerichteten Wissenschaftler-Orden angehörende Guillermo schlug vor, die diplomatischen Bemühungen im Hinblick auf einen potentiellen Gegner gar nicht erst zu beginnen? Das klang etwas verworren, aber andererseits war sie immer gut damit gefahren, auf den Rat des Olvanorers zu hören. Er war ja bekannt dafür, Dinge einfach intuitiv früher zu erfassen, als sie den anderen, vielleicht eher rational veranlagten Spezialisten wie von Schlichten klar vor Augen standen.

„Denken Sie, dass es keinen Sinn hat, sich eventuell mit Künstlichen Intelligenzen verständigen zu müssen?“, hakte Van Doren nach. „Wenn es wirklich die Alten Götter selbst waren, die diese Mechanismen konstruierten und nicht irgendein Nachfolge- oder Hilfsvolk, dann brauchen wir uns glaube ich, keine Sorgen darüber zu machen, dass sie dazu in der Lage wären!“

„Nein, es ist einfach...“ Bruder Guillermo zögerte. Er hielt inne. Auf seiner Stirn erschien eine tiefe Furche, die den Eindruck von Ernsthaftigkeit, der dem junge Mann ohnehin schon anhaftete, noch verstärkte. „Nennen Sie es eine Ahnung, aber Sie sollten keinen Kommunikationsversuch unternehmen. Schon gar nicht mit einem Sandström-Sender.“

„Captain, wir empfangen auf einmal ein starkes Signal von der Oberfläche des Wyyryy-Planeten“, meldete Jamalkerim.

Und Lieutenant Riggs ergänzte: „Es handelt sich um etwas, das den 5-D-Signalen der Alten Götter-Technik sehr... ähnlich ist, um es mal vorsichtig auszudrücken.“

In Kontrollraum C wirkte von Schlichten plötzlich wie elektrisiert. Von einem inneren Impuls angetrieben, nahm er in rascher Folge Dutzende von Schaltungen und Einstellungen an den Ortungssystemen vor, und versuchte der Sache auf den Grund zu gehen.

Er wirkte ziemlich hektisch dabei.

„Es kommt von der Planetenoberfläche“, meldete Jamalkerim. „Südlicher Kontinent. Die Signatur ist seltsam, aber...“

„Es ähnelt einem 5-D-Impuls“, mischte sich Van Doren ein.

„Warum haben wir das nicht früher geortet?“

„Ich nehme an, es hängt direkt mit der Frequenz zusammen, mit der die Drohnen untereinander kommunizieren. Jetzt, wo die 5-D-Strahlung abebbt, nehmen wir auf einmal diese Signatur wahr. Sie ist anders als die Strahlung, die seit Beginn der Schlacht vorherrscht.“

„Das ist die PHOENIX“, stellte von Schlichten fest. „Ich bin mir sicher.“

„Woher wollen Sie das wissen?“, fragte Bruder Guillermo erstaunt. „Zwar kommt der Impuls aus dem Gebiet, von wo wir auch den Ursprung des Kommunikatorsignals erwarteten, aber dass muss ja nicht bedeuten, dass beide denselben Ursprung hatten.“

„Doch, in diesem Fall schon“, erklärte von Schlichten.

„Könnten Sie uns Normalbegabten das etwas näher erläutern, Professor?“, fragte jetzt Sunfrost etwas ungeduldig. Sie hatte den Wortwechsel zwischen Bruder Guillermo und von Schlichten über die Interkom-Konferenzverbindung mitbekommen.

„Gehen Sie davon aus, dass es die PHOENIX ist, Captain“, erwiderte Professor von Schlichten. „Ich unterhalte mich gerne unter vier Augen mit Ihnen darüber, aber nicht über einen Kanal, bei dem die halbe Schiffsbesatzung mithören kann!“

„Professor, für diese Spielchen haben wir hier keine Zeit. Dies ist eine Geheimmission und ich bin überzeugt davon, dass sämtliche Mitglieder der STERNENKRIEGER-Crew sich entsprechend verhalten werden. Also, jetzt heraus mit der Sprache! Was wissen Sie?“

Sunfrost war von ihrer eigenen Entschlossenheit überrascht. Aber von Schlichtens Herumtaktiererei ging ihr gehörig auf den Geist. Falls der Wissenschaftler irgendwelche für die Fortsetzung der Mission relevanten Fakten kannte, dann war es seine verdammte Pflicht, sie dem Captain der STERNENKRIEGER auch mitzuteilen! Und dabei spielte es - zumindest moralisch gesehen – für die Kommandantin der STERNENKRIEGER nicht die geringste Rolle, dass von Schlichten keinerlei Rang im Space Army Corps bekleidete und er streng genommen gar kein Teil der Befehlskette war.

Von Schlichten atmete tief durch. „Auf der Phoenix war offenbar ein System installiert, dessen Aufgabe es war, die 5-D-Strahlung zu neutralisieren und zu verhindern, dass sie sich negativ auf die Bordsysteme und vor allem die Sandström-Aggregate auswirken kann“, sagte er langsam. „Es funktioniert so ähnlich wie bei einander überlagernder Wellenformen, die sich gegenseitig neutralisieren.“

„Wie wäre es gewesen, wenn Sie uns das früher mitgeteilt hätten, Professor von Schlichten?“, meinte Sunfrost verärgert. Und Yngvar hat wahrscheinlich auch davon gewusst – deshalb war er bisher so zurückhaltend!

„Früher, früher... Sie haben gut reden! Ich wusste es ja nicht sicher. Schließlich bin ich gegenwärtig nicht mehr für den Konzern tätig und da sagt man auch mir gegenüber auf den Fluren nicht mehr alles, was man so denkt... Ich habe mehr inoffiziell davon gehört und hatte keine Ahnung, dass man schon so weit gewesen ist, ein derartiges System in die PHOENIX zu integrieren.“

Eine schwache Rechtfertigung, fand Captain Sunfrost. Aber das sprach sie nicht laut aus. Gleichgültig, ob von Schlichten nun gerade in einem Angestelltenverhältnis zu Far Galaxy stand oder nicht, er blieb wohl auf seine Art immer ein Kind des Konzerns. Diese Firma hatte ihn – neben seinem unbestreitbar großen Talent – groß werden lassen. Er hatte die Möglichkeiten bekommen, an bedeutenden Forschungsprojekten teilzunehmen und einige von ihnen sogar zu leiten, das allein verband ihn schon mit dem Konzern. Seine zeitweilige Funktion als Entwicklungschef kam noch hinzu. Sie hatte ihm gestattet die gesamte Forschungsausrichtung des bedeutenden Konzerns im Bereich Militär- und Raumtechnik maßgeblich zu bestimmen.