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DARK PLACES

Ron Corbett

Preisgegeben

Aus dem Amerikanischen von Sven Koch
Herausgegeben von Jürgen Ruckh

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Die deutsche Übersetzung wurde ermöglicht durch die freundliche Unterstützung des Canada Council for the Arts.

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Originaltitel: Ragged Lake. A Frank Yakabuski Mystery
Copyright: Ron Corbett 2017

Published by arrangement with ECW Press, Toronto

Deutsche Erstausgabe, 1. Auflage 2020
Aus dem Amerikanischen von Sven Koch
Mit einem Nachwort von Ulrich Noller

© 2020 Polar Verlag e.K., Stuttgart
www.polar-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) oder unter Verwendung elektronischer Systeme ohne schriftliche Genehmigung des Verlags verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Andrea Stumpf, Gabriele Wehrbeck

ISBN: 978-3-948392-04-8
eISBN: 978-3-948392-05-5

For Frank Kuiack

Inhalt

Anmerkung des Verfassers

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Leuchtkäfer im Schnee

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Leuchtkäfer im Schnee II

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Leuchtkäfer im Schnee III

Kapitel 36

Epilog

Jäger, Räuber, Sammler, Mörder: Wem gehört das Land?

Anmerkung des Verfassers

Dieses Buch ist ein Roman, alle Figuren und Orte sind frei erfunden. Obwohl die Handlung in der Region der Nördlichen Wasserscheide verortet ist, schildert das Buch keine reale Stadt oder Siedlung.

A violent order is a disorder; and
great disorder is an order. These
two things are one (Pages of illustrations)
.

»Connoisseur of Chaos«
Wallace Stevens

1

Die Hütte war am Oberlauf des Springfield River errichtet worden – nicht weit vom Five Mile Camp entfernt, einem Arbeiterlager, in dem früher die bei O’Hearn Forestry Products beschäftigten Cree gelebt hatten. Das Gebiet gehörte zur Nördlichen Wasserscheide, der Northern Divide, wo die Flüsse sowohl nach Süden wie nach Norden fließen und alle Bäume Nadelbäume sind. Ein Land dichter grüner Wälder und großer und kleiner Wasserläufe: so viel fließendes Wasser, dass die meiste Zeit des Jahres ein leises Rauschen in der Luft liegt.

Eine Familie hatte die Hütte gebaut: ein Mann, eine Frau und ein Mädchen, die eines Frühlings gekommen waren und damit angefangen hatten, aus dem verlassenen Camp Holz wegzuschleppen. Als O’Hearn von dem Diebstahl erfuhr, schickte er zur Überprüfung einen seiner Arbeiter, doch als der Mann nach Springfield zurückkam, riet er der Firma, die Sache abzuhaken. Die Familie sei coco – ein bisschen plemplem, aber harmlos. Tragwerk und Dachstuhl der Hütte seien primitiv zusammengefügt worden, der First deswegen schief und verzogen wie bei einem schlechten Hexenhaus. Die Tür bestehe aus roh behauenen Brettern, die Fenster seien alle verschieden groß. Aber das Allerseltsamste sei das Dach: die Schindeln nichts als plattgedrückte Bier- und Coladosen. Aus der Entfernung, sagte der Arbeiter und lachte bei der Erinnerung, sehe die Hütte aus wie ein bloß am Wipfel geschmückter Weihnachtsbaum, der jeden Moment umkippen könnte.

»Die sind in einem Jahr wieder weg«, versprach er O’Hearn. »Den Anwalt können Sie sich sparen, der kostet nur Zeit und Geld. Vergessen Sie diese komischen Vögel.«

Die Familie verließ kaum einmal die Hütte und den Wald darum. Nur manchmal gingen sie in die nächste Siedlung, Ragged Lake, um den Scheck einzulösen, der dem Mann postlagernd in die Mattamy Fishing Lodge geschickt wurde. Auch ihre Lebensmittelvorräte kauften sie dort. Außer zu diesen beiden Anlässen – um in der Lodge beim Barmann den Scheck einzulösen und vom Koch Lebensmittel zu kaufen – schien die Familie keinen Umgang mit anderen zu haben.

»Wollen Sie diesen Monat noch was anderes?«, fragte der Koch manchmal. »Eier kann ich Ihnen günstiger geben. Oder Whisky. Wollen Sie Whisky? Wenn ich’s dem Barmann sag, kriegen Sie welchen.«

»Eier bring ich nicht heil nach Hause«, antwortete der Mann jedes Mal, »und Whisky brauch ich keinen.«

»Wer hier oben braucht keinen Whisky?«

»Tut einem nicht gut.« Dabei deutete der Mann auf seinen Kopf und machte ein Geräusch wie ein Pistolenschuss. »Bläst einem das Hirn weg.«

»Das holt man sich dann mit mehr Whisky wieder zurück«, erwiderte der Koch. »Genau dazu ist Whisky ja da.«

Aber der Mann kaufte nie Whisky. Nur Trockenmilch, Red-River-Porridge, Kaffee, Zucker, Mehl und andere haltbare Lebensmittel, die er alle sorgfältig in einem Rucksack verstaute. Den schulterte er und marschierte die ganze Strecke zurück zu seiner Hütte. Er war ein Mann mittleren Alters, seine langen blonden Haare waren ungewaschen und verfilzt. Im Sommer hingen Kriebelmücken und Sumachknospen darin, im Winter Eis und Schneeklümpchen. Er war groß und schlank, und meist trug er Latzhose und Flanellhemd. Seine Haut war wettergegerbt und ledrig wie die eines alten Mannes. Die Frau war hochgewachsen und schön. Das Mädchen sah aus wie die Mutter.

Niemand aus Ragged Lake besuchte die Familie, und nachdem Five Mile Camp schon lange verlassen war, kam auch kaum jemand an der Hütte vorbei. Sie lag an keiner Schneemobilroute. Der Oberlauf des Springfield River galt allgemein als schlechtes Angelrevier, besser wurde es erst ein paar Kilometer südlich, wo er breiter wurde. Die Hütte war von anderen Menschen und ihrem Alltag so weit entfernt wie eine archäologische Ruine, die erst entdeckt werden musste.

Aus diesem Grund konnte keiner aus Ragged Lake mit Sicherheit sagen, wann die Familie ermordet worden war.

Entdeckt hatte die Toten ein Schlagauszeichner von O’Hearn, der in der Gegend die Kiefern markierte, die geschlagen werden sollten, und dabei auf die auf keiner Karte verzeichnete Hütte stieß. Beim Näherkommen roch der junge Mann etwas Warmes, Beißendes, einen durchdringend süßlichen Geruch an einem Tag, der ihm bis dahin nur die scharfen spröden Gerüche des Winters geboten hatte. Kiefernharz und gefrorenes Wasser. Fichten und Schneefall.

Der junge Mann betrat die Hütte erst gar nicht. Blickte nur kurz durch ein Fenster hinein und machte sich sofort auf den Weg nach Ragged Lake, wo er nach einer angesichts seiner Schneeschuhe beachtlich kurzen Zeit dem Barmann der Mattamy Lodge erzählte, dass am Oberlauf des Springfield etwas Schlimmes passiert war. Etwas, das dort überhaupt nicht hätte passieren sollen, weil im Holzrevier von O’Hearn keine Hütte stehen sollte. Aber es war etwas passiert, und es war schlimm.

Deswegen mussten sie dringend telefonieren.

2

Der Anruf ging am ersten Dienstag im Februar um 18:17 Uhr in der Dienststelle Cork’s Town der Springfield Regional Police ein. Ein älterer Disponent nahm ihn entgegen, stellte einige Fragen, griff dann nach einem Berichtsformular und wiederholte die meisten seiner Fragen. Laut Protokoll endete das Telefonat um 18:29 Uhr. Danach drückte der Disponent eine Computertaste, und auf dem Bildschirm erschien eine Liste mit Namen und Telefonnummern. Er wählte die dritte Nummer auf der Liste.

Als abgenommen wurde, sagte der Disponent: »Yak, ich weiß, du hast schon Feierabend, aber ich hab eben einen Anruf von einem Barmann in einer Lodge oben in Ragged Lake reinbekommen. Er glaubt, es wurden mehrere Menschen ermordet.«

Frank Yakabuski rieb sich die Augen und sah sich in der kleinen Wohnung um. Als sein Handy geklingelt hatte, hatte sich sein Vater in die Küche verzogen, und jetzt ließ er Wasser in einen Kocher laufen. Yakabuski hielt einen Finger in die Höhe, und sein Vater nickte hinter der geöffneten Tür.

»Ermordet? Ist das dein Ernst, Donnie?«

»Ich hab’s nicht ganz verstanden, Yak. Du musst selbst mit ihm sprechen. Die Mattamy Fishing Lodge. Von dort rief er an, hat er gesagt. Ich hab die Telefonnummer.«

»Die Mattamy Lodge? Oben in Ragged? Seit wann kriegen wir die Notrufe aus Ragged Lake?«

»Schon seit vier Jahren, Yak. Hast du das Memo nicht gelesen? Ach natürlich, du bist ja bei Major Crimes. Bitte um Verzeihung, Senior Detective Frank Yak-a-Freakin’-Buski.«

»Ich frag ja nur, Donnie. Liegt das daran, dass sie die Dienststelle in High River dichtgemacht haben?«

»Gut kombiniert. Merkt man gleich, dass du Detective bist.«

»Schon recht. Gib mir einfach die Nummer.«

»Liegt hier vor mir. Wie geht’s übrigens Billy?«

Yakabuski sah zu seinem Vater. Sein Dad blickte aus dem Küchenfenster, während er darauf wartete, dass das Wasser kochte. Auf seinen Knien lag eine Hudson’s-Bay-Decke, auf seinem Schoß ein aufgeschlagenes Taschenbuch. Vor drei Jahren war sein Vater in High River zur Stedmans-Filiale gegangen, weil er ein Moskitonetz für seine Jagdhütte kaufen wollte. Kurz darauf betrat ein auf Raubüberfälle spezialisiertes Trio aus Springfield das Kaufhaus. Yakabuskis Vater sah sie hereinkommen. Ein Mann positionierte sich an der Tür, die anderen beiden liefen ins Büro im hinteren Gebäudeteil. Sein Vater folgte ihnen und rief: »Polizei! Heben Sie die Hände so, dass ich sie sehen kann!«

Er war eben vom alten Schlag. Gehörte einer Generation an, die glaubte, wenn ein Cop »Hände hoch« rief, würden die Hände in die Höhe gehen. Aber die beiden Männer drehten sich einfach um und sahen ihn verwundert an, dann zogen sie die abgesägten Schrotflinten unter ihren Mänteln hervor und schossen. Yakabuskis Vater überlebte nur wegen seiner Größe. Statt in die Brust trafen ihn die Schüsse in Bauch und Hüfte. Trotzdem lag er im nächsten Moment in der Spielzeugabteilung auf dem Boden, und Teenage-Mutant-Ninja-Turtle-Figuren prasselten auf ihn nieder. Aber er kam mit dem Leben davon.

»Danke, alles okay.«

»Leichter wird’s nicht, oder? Wenn Linda und ich irgendwas tun können, brauchst du’s nur sagen, Yak. Das weißt du, oder?«

»Weiß ich, Donnie. Danke.«

»Du musst das nicht alles alleine schultern. Hier gibt’s haufenweise Leute, die deinen Dad sehr schätzen. Du könntest jede Menge Hilfe kriegen, wenn du nur –«

»Wie wär’s mit der Telefonnummer?«

»Richtig. Also, hier ist sie.«

Yakabuski ging in die Küche und sah seinen Vater weiter aus dem Fenster starren. Das Wasser begann zu kochen, der Kocher schaltete ab.

»Musst du telefonieren?«

»Ja.«

»Kannst du gern von hier aus machen.«

»Kann ich aber auch vom Auto aus.«

»Ist das nicht lästig?«

»Ich wüsste nicht, warum.«

Sein Dad nickte, über sein Gesicht huschte ein Lächeln. Er wendete den Rollstuhl, um seinen Sohn anzusehen.

»Seit wann bekommt ihr denn die Notrufe aus Ragged Lake?«

»Donnie sagt, seit vier Jahren. Seit die Feds ihre Dienststelle in High River dichtgemacht hat. Offenbar landen jetzt alle Schwerverbrechen bei uns. Ein Barmann aus der Mattamy Lodge behauptet, bei ihnen oben wären mehrere Leute umgebracht worden.«

Ragged Lake lag weit im Norden, sechshundert Kilometer von Springfield entfernt und direkt an der Northern Divide.

»Wie?«

»Donnie wusste es nicht.«

»Wie viele Opfer?«

»Wusste er auch nicht.«

»Was für eine Schlafmütze. Wie soll man um die Jahreszeit überhaupt nach Ragged Lake kommen? Auf den Holzfällerpisten braucht man’s jetzt mit dem Auto gar nicht versuchen.«

»Wenn die Lodge aufhat, geht vielleicht ein Flugzeug.«

»Vielleicht.«

Auf der anderen Flussseite versank die Sonne hinter den niedrigen, direkt ans Steilufer gebauten Apartmenthäusern. In der vergangenen halben Stunde hatte sie lange Schatten über die Straßen und Sozialsiedlungen, Eisenbahngleise und gläsernen Bürotürme in der Stadtmitte wandern lassen. In den Glastürmen spiegelte sich das letzte Licht. Kurz sah es aus, als schlügen die letzten Flammen eines verlöschenden Feuers daraus. Dann war die Sonne verschwunden, und über die Stadt senkte sich eine Dunkelheit, die sich innerhalb von Sekunden von Grau über Kobaltblau zu Pechschwarz wandelte.

»Ich geh dann mal telefonieren.«

3

Yakabuski ließ seinen Jeep an und fuhr los in Richtung Highway 7. Er wollte noch zu seiner Eisanglerhütte, bevor er nach Hause fuhr. Die Quappen bissen gerade sehr gut, und wenn an dem Notruf etwas dran war, dann würde er für mehrere Tage nicht zum Angeln kommen.

Auf dem Highway tippte er die Nummer, die ihm Donnie gegeben hatte, ins Handy. Schon beim ersten Klingeln wurde abgenommen.

»Mattamy Fishing Lodge.«

»Detective Frank Yakabuski von der Springfield Regional Police. Jemand bei Ihnen hat uns angerufen und berichtet –«

»Das war der Kleine.«

Und dann herrschte Schweigen. Ein paar Sekunden später war eine andere Stimme zu hören. Yakabuski stellte sich erneut vor und sagte: »Also, was ist da oben passiert?«

»Tote, Sir. Das ist passiert.«

»In der Lodge?«

»Nein, Sir, in der Nähe eines alten Indianerlagers am Oberlauf des Springfield. Wo’s überhaupt keine Hütte geben sollte und auch keine Leute.«

»Und was hast du da gemacht?«

»Für O’Hearn Kiefern ausgezeichnet. Das muss die Hütte von irgendwelchen Squattern sein. Als ich sie entdeckt hab, bin ich hin und hab nachgesehen. Ich dachte, das sollte die Firma wissen. Ich hab nur Kiefern ausgezeichnet und dann … Mann … Mannomann.«

»Jetzt lass dir noch mal was zu trinken geben, Junge.«

»Wie bitte?«

»Du sollst dir noch was zu trinken geben lassen, und dann erzählst du mir, was du gesehen hast.«

»Danke, Sir.«

Als er wieder am Telefon war, klang die Stimme des jungen Mannes schon fester. »Ich hab für O’Hearn Bäume zum Schlagen ausgezeichnet, in den Wäldern um Ragged Lake. Am späten Nachmittag kam ich zu einem alten Arbeitercamp und hab die Hütte gesehen. Also, die ist wirklich irre, so was hab ich noch nie gesehen. Jedenfalls geh ich hin und klopf an die Tür, aber es rührt sich nichts. Deswegen hab ich durchs Fenster geschaut – ich bin einfach neugierig, das war schon immer so, und ich hatte deswegen auch schon ’ne Menge Ärger. Einmal, in Elmira, da hab ich ’nen Holzlaster gefahren und komm –«

»Trink noch einen Schluck, Junge.«

»Äh, wie?«

»Trink einfach mal von dem, was da vor dir steht. Und dann erzähl mir, was du gesehen hast.«

»Danke, Sir.«

Als der Schlagauszeichner weitersprach, berichtete er, dass er zunächst nicht erkannt hatte, was in der Hütte war. Aber sobald sich seine Augen an das schlechte Licht gewöhnt hatten, sah er eine Couch, einen Kaminofen und bodenlange Vorhänge, die er für einen Raumteiler hielt. Und dann auf dem Fußboden einen Mann. Einen Mann ohne Brustkorb.

»Nein, das stimmt nicht ganz. Vielleicht hatte er einen Brustkorb, genau kann ich das nicht sagen. Es ist nur, dass … er war …«

»Er war zweigeteilt.«

»Genau! Das ist es, Sir. Verdammt, er war zweigeteilt!«

»Du hast von Toten gesprochen. Hast du noch was gesehen?«

»Ich hab eine Frau gesehen, die lag hinter der Couch. Eine nackte Frau. Also, ich weiß nicht, ob sie ganz nackt war, aber sie hatte keine Hose an. Ich hab ihre Beine gesehen. Und überall Blut.«

»Bist du reingegangen?«

»Bin ich verrückt? Ich wusste ja nicht, was da drin los ist. Ich bin so schnell ich konnte nach Ragged Lake. Ans Telefon hier, um Sie anzurufen.«

Yakabuski schwieg einen Moment. Er war erst einmal in Ragged Lake gewesen, zum Angeln mit seinem Vater. Er erinnerte sich, dass sie Tage gebraucht hatten, um dorthin zu gelangen. Dann fiel ihm ein, dass sie vorher noch am Goyette Reservoir geangelt hatten, also konnten sie gar nicht so lange gebraucht haben.

»Gib mir bitte mal den Barmann.«

»Gern.«

Nun meldete sich die erste Stimme wieder. Yakabuski fragte: »Kennen Sie den Jungen?«

»Nein. Der markiert nur Bäume für O’Hearn. Der ist nicht von hier.«

»Wissen Sie, wer in der Hütte wohnt, von der er redet?«

»Squatter. Ein Mann und eine Frau. Manchmal sind sie hier im Ort aufgetaucht.«

»Kennen Sie ihre Namen?«

»Nein.«

»Kennt vielleicht jemand anderes die Namen?«

»Glaub ich nicht. Wie gesagt, das sind Squatter. Die waren illegal hier.«

»Wie kommt man um die Jahreszeit am besten nach Ragged Lake?«

»Im Winter ist keine Straße offen. Sie könnten ein Buschflugzeug nehmen oder den Zug von High River. Der fährt jeden zweiten Tag.«

»Und was macht man, wenn man kein Buschflugzeug hat und nicht in High River ist?«

»Dann fährt man am besten mit dem Schneemobil an der alten Trasse der S & P. Von da, wo Sie sind, brauchen Sie so zehn Stunden, schätz ich.«

4

Yakabuski verließ den Highway 7 und kam in die engen Straßen von Cork’s Town, wo Springfield seinen Ursprung hatte, wo sich die ersten Siedler niedergelassen hatten. Jetzt zog jeder von hier weg, sobald er konnte. Was Yakabuski nicht ganz verstand, wenn er sich ansah, wohin die Leute zogen. In Vororte in der Senke des Flusstals, wo bei jedem Frühjahrshochwasser die Häuser überflutet wurden und manche diesen modrigen Geruch im Inneren nie loswurden. In den Sozialwohnungen der Nosoto Projects auf der Flussseite gegenüber. Oder dreißig Kilometer flussabwärts in die streng bewachten schicken Wohntürme, die angespült wirkten wie gestrandete Fische.

Er passierte aufgelassene Lagerhallen und Frachthäuser und fuhr durch eine Straße mit alten Holzfällerhäuschen, die aus unerfindlichem Grund nie abgerissen worden waren. Nach wenigen Minuten hatte er Cork’s Town hinter sich gelassen und kam an eine der breitesten Stellen des Springfield River, wo sich der Schnee führende Fluss in einer langgezogenen Biegung wie eine Rauchfahne durch die Landschaft schlängelte. Mehrere Kilometer lang folgte Yakabuski dem Fluss, dann bog er scharf nach links ab. Er hielt, um das Tor zu einem um diese Jahreszeit geschlossenen Trailerpark aufzusperren, und fuhr auf eine Eisstraße. An der Entrance Bay gab es eine kleine Kolonie von Eisanglerhütten, und wie jedes Jahr hatte Yakabuski die Hütte am Ende der Straße.

Wahrscheinlich häusliche Gewalt. Das jedenfalls sagte er sich beim Parken. Selbst wenn man nicht den Teufel an die Wand malte und die Situation nüchtern betrachtete, konnte man sagen, dass jemand das Schicksal herausforderte, wenn er in eine kleine Hütte ein paar Kilometer außerhalb eines Geisterstädtchens zog – und nichts anderes war Ragged Lake heute, nachdem vor mehr als zehn Jahren die Holz- und Papiermühle dichtgemacht hatte. Nach zwei Wintern da oben konnte jeder durchdrehen.

Er sperrte die Tür seiner Hütte auf, legte etwas Kleinholz in den Kaminofen und zündete es an. Nachdem er das Brett von dem ins Eis gebohrten Loch gehoben hatte, holte er seine Angelausrüstung, und als das Feuer brannte, steckte er den Schwanz eines Weißfisches auf einen Sechserhaken. Er wickelte die Leine bis zu einer Tiefe von acht Metern ab, nahm eine Handvoll Fischschwänze aus dem Ködereimer und warf sie ins Loch. Beim Sinken blitzten die Schuppen im schwarzen Wasser silbrig schimmernd auf, und für einen Moment kamen sie ihm wie ein kleiner Kometenschauer vor.

Frank Yakabuski war seit zwölf Jahren bei der Springfield Regional Police und seit acht Jahren bei Major Crimes. Er stammte aus High River, wo er mit der halben Stadt verwandt war. High River war die älteste polnische Siedlung in Kanada, auch wenn der Name nicht darauf hindeutete. Die Kleinstadt lag im Upper Springfield Valley nahe dem westlichen Rand der Northern Divide und hieß bereits High River, ehe die Polen kamen.

Wie sein Vater war Yakabuski groß. Schon mit sechzehn maß er einen Meter fünfundneunzig und wog hundertzehn Kilo. Er überragte seine Schulfreunde, seine Cousins – eigentlich alle in High River. Die meisten gingen davon aus, dass er nach der Highschool seinem Vater in den Polizeidienst folgen oder wie seine Onkel bei O’Hearn anheuern würde, wo ihm Körpergröße und Nachname praktisch garantierten, dass er noch vor seinem dreißigsten Geburtstag ein Waldlager leitete.

Doch er tat weder das eine noch das andere. Kaum einen Polnischstämmigen aus dem Upper Springfield Valley überkam die Wanderlust, aber Frank Yakabuski war die berühmte Ausnahme von der Regel. Er wollte etwas von der Welt sehen, deshalb ging er nach der Highschool zur Army und trat einem Bataillon leichter Infanterie im äußersten Westen bei, möglichst weit von der Northern Divide entfernt. Im 3rd Battalion gab es noch immer Offiziere, die behaupteten, er sei der beste Leichtinfanterist gewesen, der unter ihnen gedient hatte. Der geborene Soldat. Sein Durchhaltevermögen war legendär, er gewann jeden Ironman-Wettbewerb in der Garnison. Im Feld konnte er tagelang ohne Wasser und Essen marschieren, jede Fährte lesen und das Wetter fast auf die Minute vorhersagen. Im Kampf Mann gegen Mann konnte es keiner mit ihm aufnehmen. Er war der Erste seines Bataillons, der auf Auslandseinsätze nach Bosnien und Afghanistan geschickt wurde. Dann wurde er in eine schnelle Eingreiftruppe der Vereinten Nationen befördert und erhielt Belobigungen. Wegen seines »Heldenmuts«, was so ziemlich das Höchste der Gefühle in Militärberichten ist, auch wenn keine Einzelheiten angeführt wurden.

Es schien, als würde es Yakabuski in der Army weit bringen. Dennoch schied er nach elf Jahren aus. Seiner Familie gegenüber begründete er diesen Schritt nie richtig. Ein Jahr später lebte er in Springfield und arbeitete bei der Polizei. Wieder wurde er schnell befördert, und dieses Mal kam er zu einer Sondereinheit der Bundesbehörden, die während der Rockerkriege in Quebec eingerichtet worden war. Yakabuski war die perfekte Wahl, da er in Montreal und Buffalo unbekannt war, und als er sich die Haare wachsen ließ, in eine Lederkluft schlüpfte und zu lächeln aufhörte, sah er aus wie aus dem Bilderbuch: ein hünenhafter, Furcht einflößender Biker.

Während Yakabuski den Haken im Wasser tanzen ließ und in der Hütte umherblickte, belustigte ihn die Vorstellung, dass Papa Paquette hier neben ihm saß und Quappen angelte. Papa hatte für die Natur nicht das Geringste übrig. Wie die meisten Biker. Er nannte Yakabuski immer Waldkauz und Yakabuski ihn Asphalt-Dandy. Aber nur bis Yakabuski gegen ihn aussagte. Von da an bedachte der Anführer der Popeyes seinen früheren Kumpel mit anderen Namen. Fast drei Jahre hatte Yakabuski undercover gearbeitet. Bei seiner Rückkehr nach Springfield wurde er zu Major Crimes versetzt und zum Senior Detective befördert.

In Springfield würde er wohl nie richtig heimisch werden. Es war eine Stadt des Nordens mit knapp einer Million Einwohnern, gegründet am Zusammenfluss dreier Flüsse in einem weiten Mäandertal, in dem alles Treibgut, jeder irrlaufende Baumstamm und jede verlorene Seele aus einem Umkreis von siebenhundert Kilometern stranden musste. Springfield, der tiefste Punkt des Tales, war das Sammelbecken für alles und jeden. Ein chaotischer, aufgekratzter, gewalttrunkener Schmelztiegel am Rande des riesigen nordamerikanischen Nadelwaldgürtels. Inzwischen empfand Yakabuski eine Hassliebe zu der Stadt.

Kurz vor Mitternacht holte er die Leine ein und verschloss das Loch mit dem Brett. Nicht ein Fisch hatte angebissen. Erst zwei Nächte zuvor hatten die Quappen wie wild gebissen, und er hatte mehr als ein Dutzend rausgezogen. Er dachte kurz nach, dann schüttelte er den Kopf über sich selbst. Es war dummer Aberglaube, dass ein schlechter Fang unmittelbar vor einer Reise ein ungünstiges Vorzeichen sein sollte. Anglerlatein. Und selbst wenn es früher einmal richtig gewesen sein mochte, so glaubte heute niemand mehr an Omen und Zeichen.

Der Anruf ging an ein Wegwerfhandy fast viertausend Kilometer von Springfield entfernt. Der Mann, der ihn entgegennahm, saß auf einem Liegestuhl neben einem Infinity Pool mit Blick auf den Golf von Mexiko. Er war mittleren Alters, gutaussehend, mit kräftigen, muskulösen, von Tätowierungen bedeckten Armen und spindeldürren Beinen. Er hatte viele Namen, wurde jedoch meist Cambio genannt. Er wartete, bis nach einer kurzen Pause eine Stimme sagte: »Wir könnten ein Problem kriegen.«

Cambio erwiderte nichts, sondern starrte weiter auf ein Kreuzfahrtschiff, das in der kleinen Bucht vor Anker ging, und betrachtete die Touristen in bunter Urlaubskleidung, die das Vordeck sprenkelten. In seiner Kindheit hatte es an diesem Ort kein einziges Hotel gegeben. Er hielt sich nicht für alt, begann aber schon, wie ein alter Mann zu denken und das Vergangene zu vermissen.

Der Mann am anderen Ende der Leitung räusperte sich. »Jemand hat mehrere Leute umgebracht. Squatter, die im Wald eine Hütte gebaut hatten. Die Cops sind schon unterwegs.«

Cambio verlagerte seine Position und verfolgte, wie ein Beiboot den ersten Trupp Touristen an Land brachte.

»Wart ihr das?«, fragte er.

»Was? Scheiße, nein. Wir haben nichts damit zu tun.« Eine längere Pause folgte. Wieder räusperte sich der Anrufer. Holte mehrmals tief Luft, ehe er fortfuhr. »Wir waren das nicht. Ehrlich. Wir wissen überhaupt nicht, was passiert ist. Die Leute waren irgendwelche Squatter. Wir kannten die gar nicht. Hatten nur von ihnen gehört. Jetzt kommen morgen die Cops.«

Das Beiboot näherte sich der Anlegestelle. Cambio stellte sich vor, wie er mit einem Granatwerfer den Bug beschoss, und sah die Explosion vor sich, die darauf folgende Rauchwolke. Alle Touristen futsch. Ein Klacks.

»Squatter?«

»Ja, so illegale Siedler. Haben sich in einem verlassenen Camp ein paar Kilometer vor Ragged Lake niedergelassen.«

»Und ihr wart es nicht?«

»Nein, ich sag’s doch.«

»Weiß euer Freund in Springfield, was passiert ist?«

»Ja. Ich hab’s ihm schon gesagt. Ich wollte aber, dass du es auch erfährst.«

»Glaubst du, dass er’s mir nicht sagen würde?«

»Weiß ich nicht. Aber das hab ich auch nicht gemeint. Ich dachte nur, dass ich dir’s sagen sollte.«

»Okay. Ihr unternehmt nichts. Haltet die Füße still. Aber ich will wissen, was die Polizei tut, wenn sie da ist.« Nach dem Auflegen kratzte sich Cambio mit dem Telefon unter dem Kinn und fragte sich, ob er belogen wurde. Das fragte er sich sowieso fast den ganzen Tag.

Kurz vor Sonnenuntergang wählte er eine der gespeicherten Nummern. Als der Klingelton verstummte, hörte er Bargeräusche. Das Klappern von Billardkugeln. Das Gelächter betrunkener Männer. Aber niemand sprach.

»Möglicherweise musst du für mich nach Ragged Lake«, sagte Cambio. »Stell schon mal ein Team zusammen.«

In einem Nachtclub in Springfield schob ein Mann sein Handy wieder in die Tasche seines Winterparkas, strich sich lächelnd die Haare zurück und bestellte ein weiteres großes Bier.

5

Der Verkehr, der sich an diesem Morgen nach Springfield hineinquälte, glich dem in jeder anderen Stadt des Nordens Mitte Februar. Limousinen neueren Baujahrs mit Salzspuren um die Radkästen. Minivans und Pick-ups. Kleintransporter mit grellen Schriftzügen auf der Seite. Gelegentlich ein Schwerlaster, auf dessen Ladefläche die Baumstämme so hoch getürmt waren, dass sie die schrägstehende Wintersonne verdeckten und das am Rand des Highways postierte Grüppchen Cops in Schatten tauchten.

Die beiden Männer neben Yakabuski waren jung, vielleicht die jüngsten Cops beim Forensic Identification Department. Wofür Yakabuski Verständnis hatte. Mitten im Winter zur Northern Divide zu müssen – das waren die Fälle, denen ein erfahrener Cop dadurch aus dem Weg ging, dass er spätnachts das Telefon nicht abhob. Das taten nur die unerfahrenen Jungs von Ident. Die beiden Constables hießen Buckham und Downey und stammten aus der Gegend. Buckham war sogar so eng mit ihr verbunden, dass die Ortschaft, von der sie heute Vormittag starten wollten, nach seiner Familie benannt war. Buckham’s Bay.

Die Springfield Regional Police hatte vier Polaris-Schneemobile, und die drei davon, die sie benötigten, wurden jetzt von einem Lastwagenanhänger abgeladen. Damit würde es auf den Schneemobilrouten für mehrere Tage kaum Patrouillen geben. Aber das kam von Zeit zu Zeit vor. Im Einsatzgebiet der Springfield Police waren einige Orte im Winter schwer zu erreichen, und der Standort der Schneemobile wechselte.

»Ich muss sagen, Yak, so richtig sinnvoll kommt mir das nicht vor.«

Yak sah den jungen Constable an und hoffte, dass ihm dessen Vorname wieder einfiel. Er war der Größere von beiden und vielleicht ein Jahr älter. »Was denn?«

»Nur wegen eines Anrufs nach Ragged Lake zu fahren. Wir wissen ja nicht mal, ob ein Verbrechen passiert ist, stimmt’s? Da ruft irgendwer von ’ner Bar an, und schon brettern wir rauf zur Divide?«

Matt. Der Kleinere hieß Donnie. Beide sprachen mit dem Akzent des Springfield Valley. Sie verschluckten die Konsonanten und die Betonung am Satzende, ohne in Singsang zu verfallen. Yakabuski stellte sich vor, wie sie als Söhne und Enkel von Arbeitern in den Arbeiterstädten entlang des Springfield River aufgewachsen waren und jetzt ebenfalls Arbeiter wären, wenn es noch Fabrikjobs gäbe. Aber es gab keine mehr. Also wurden sie Sanitäter. Gingen zur Feuerwehr. Zur Polizei. Beide hatten die Haare so kurz geschnitten, dass es ihn an den weichen Flaum auf Kiwis erinnerte.

»Ragged Lake fällt bei schweren Straftaten in unseren Zuständigkeitsbereich, Matt. Das ist so, seit sie die Dienststelle in High River dichtgemacht haben. Nervig, aber wahr.«

»Das ist mehr als nervig. Wir sind mindestens zwei Tage weg. Kann denn nicht vorher einer nachschauen, ehe wir den ganzen Weg rauffahren? Damit wenigstens feststeht, dass es ein Verbrechen war?«

»Und wer sollte das machen?«

»Ach komm, Matt, sieh’s positiv«, sagte Buckham. »Schau dir doch die Flitzer an. Fast neu. Macht sicher Spaß, drauf rumzurocken.«

»Gegen Schneemobilfahren hab ich ja nichts«, sagte Downey. »Ich will nur nicht meine Zeit verdaddeln. Findest du’s denn richtig? Wegen eines Anrufs aus Ragged Lake fahren wir zu dritt da rauf? Dann können wir auf dem Rückweg ja noch kurz am Nordpol vorbeischauen.«

»Das ist einfach unser Job«, sagte Yakabuski. »Also hören wir auf, Zeit zu verquatschen, und starten wir.«

»Fuck. Kann dieser Schlagauszeichner nicht wenigstens ein Foto schicken? Wetten, dass das bloß ein saublöder Witz ist.«

»Und wenn er schon dabei ist, schreibt er auch gleich den Polizeibericht, oder?«

»Sag ich doch gar nicht.«

»Ich glaub, du weißt gar nicht, was du sagst, Matt.« Yakabuski sah ihn grimmig an. »Wir können keinen Schlagauszeichner bitten, für uns zu ermitteln. Vergiss es. Wenn es Mord war, läuft der Mörder noch frei rum. Ist dir überhaupt klar, was du von dem Jungen verlangst?«

Die Männer, die die Schneemobile abluden, hatten zu sprechen aufgehört und starrten in den Wald, als hätten sie gerade ein seltenes Tier gesehen. Downey starrte auf seine Schuhe. Buckham suchte mit dem Blick nach etwas, das er anstarren konnte. Keiner der beiden kannte Yakabuski näher. Sie kannten nur seinen Ruf. Als der Mann, der Papa Paquette festgenagelt hatte. Er war eine große Nummer. Und wütend. Sie starrten.

Ihr Unbehagen nutzend, sagte Yakabuski: »Los jetzt, fahren wir. Ich wär gern noch diesen Nachmittag an der Hütte.«

Die Gleise der S & P, die von Springfield nach Portsmouth führten, waren zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts von dem Holzbaron James Rundle Bath verlegt worden, der eine Bahnlinie durch das Springfield Valley und weiter die gesamte Northern Divide entlang bis zum Lake Superior gewollt hatte. Sein Plan war, von dort Holz und Zeitungspapier bis in den Mittleren Westen der USA zu schaffen. Als 1903 der Bau der Eisenbahnlinie begonnen wurde, war Bath der drittreichste Mann Nordamerikas. Die Bahntrasse der Springfield & Portsmouth wurde zu einem Zeugnis für harte Arbeit und den Irrsinn, der folgen kann, wenn ein Mensch immense Reichtümer anhäuft.

»Im Winter bin ich noch nie mit der S & P gefahren«, sagte Buckham beim Aufsitzen auf seinen Polaris und startete den Motor. »Mein Dad ging zwar von Zeit zu Zeit am Lac Claire fischen, aber wir sind immer mit dem Truck hin, nie mit dem Zug.«

»Da hast du nichts verpasst«, sagte Yakabuski. »Mit dem Truck wart ihr vermutlich schneller.«

Der ursprünglich auf drei Jahre veranschlagte Bau der Trasse benötigte bis zur Fertigstellung mehr als ein Jahrzehnt. Kein Streckenmeter im Gebiet der Northern Divide konnte ohne Sprengung verlegt werden. Kein Streckenabschnitt wirkte plausibel, wenn man ihn auf der Karte betrachtete und nach dem schnellsten Weg von A nach B suchte. Die Route orientierte sich an Baths Besitz und wand sich in Schlangenlinien durch unbesiedeltes Land, von Camp zu Camp, von Schlagkonzession zu Schlagkonzession, bis der Zug geradezu unvermittelt um eine Kurve bog, den Wald hinter sich ließ und das Ufer des Lake Superior erreichte.

Am Tag nach Fertigstellung der Bahnlinie erhoben Minnesota, Michigan und North Dakota eine fünfundzwanzigprozentige Importsteuer auf Weichholz, und Bath verkaufte nicht einmal einen einzigen Festmeter in den Mittleren Westen. Angeblich hatte sich der Holzbaron nie beschwert und gegen die Abgabe gewehrt, die Sache schien ihn nicht im Geringsten zu belasten. Inzwischen war Bath der zweitreichste Mann im britischen Teil Nordamerikas.

»Wann bist du denn mit dem Zug gefahren?«, fragte Buckham.

»Mein Dad ging auch am Lac Claire fischen. Er war Cop und durfte kostenlos fahren. Als Junge bin ich ein paarmal mit ihm gefahren.«

»Kann mir nicht vorstellen, dass mit dem Zug je viele Leute gefahren sind.«

»Im Frühjahr schon. Damit sind die ganzen Angler aus den Staaten in die Lodges nach Norden gekommen. Und im Herbst die Jäger.«

Die Anglerhotels machten als Erstes dicht. Erst eins, dann das nächste, aber am Schluss dauerte es nicht mal zehn Jahre, bis alle verschwunden waren. Die Little Joe Lodge. Das Arrowhead. The Northern Inn. Letzteres gehörte Bath selbst und hatte fast das gleiche Geschirr von Royal Doulton, das Queen Elizabeth bei offiziellen Staatsbanketten benutzte. Aber die Lodges kamen nicht gegen die ausgebauten Parkplätze, Motels, Campingplätze und guten Highways an, die ab Mitte der sechziger Jahre auch den Norden erreichten. Sie konnten die Arbeiterfamilien nicht daran hindern, plötzlich neben einer Lodge ihr Zelt aufzuschlagen und sich neben einen Industriellen aus Pittsburgh zum Angeln ans Ufer zu stellen.

Als Nächstes schlossen die Fabriken. Zunächst waren die Sägewerke dran, die mit dem Versand von Schnittholz von der Northern Divide kein Geld mehr verdienten, als unten im Süden auf Zehntausenden Hektar aufgeforstet und Weichholz gepflanzt wurde, das mit Sattelzügen innerhalb von wenigen Stunden bei den Abnehmern ankam. Als Nächstes verschwanden die Papiermühlen und Zellstofffabriken. Schließlich, nach einem Jahrzehnt des Fahrens auf Abruf, stellte auch der Irrsinn selbst den Betrieb ein. O’Hearn war das letzte Unternehmen gewesen, das die Eisenbahn zum Transport von Zeitungspapier aus der Fabrik in Ragged Lake nutzte, vorausgesetzt es kamen ausreichend Bestellungen zusammen.

Eine Weile blieb die Strecke noch bestehen, während die Leute abwarteten, ob die Fabriken ihre Tore wieder öffneten. Vor fünf, sechs Jahren waren die Gleise dann herausgerissen und das Gleisbett in einen Freizeitpfad umgewandelt worden, der im Sommer von Wanderern und Radfahrern und im Winter von Skilangläufern und Schneemobilfahrern genutzt wurde. Wegen Baths Schlangenlinienstrecke konnten die Cops ihre Fahrtzeit gegenüber der Bahn um mehr als zwei Stunden verkürzen, wenn sie von Buckham’s Bay aufbrachen, das nicht einmal dreißig Autominuten von Cork’s Town entfernt lag. Und wenn sie zwischen Kowalski Lake und Palmer’s Junction die S & P-Trasse verließen und sich durchs Gelände schlugen, sparten sie weitere zwei Stunden. Dennoch lag eine sechs- bis siebenstündige Schneemobilfahrt vor ihnen.

Gestern hatte es einen Sturm gegeben, der fünfzehn Zentimeter Neuschnee auf dem alten Gleisbett hinterlassen hatte. Die Welt hatte die pudrige Frische, die sich manchmal nach Winterstürmen einstellt. Alle drei Cops holten tief Luft, dann lenkte Yakabuski sein Schneemobil in Richtung der ersten Pfadmarkierung, ein dreieckiges rot gestrichenes Stück Blech, das ungefähr einhundertfünfzig Meter weiter nördlich an den Stamm einer Rot-Zeder genagelt war.

6

Nachdem sie den Gürtel aus Rot-Zedern und Kiefern, die den ringförmig um Buckham’s Bay gerodeten Wald zurückeroberten, passiert hatten, fuhren die drei Cops an einer Reihe alter Farmhäuser vorbei, immer entlang an Steinmauern, die seit fast zwei Jahrhunderten den mageren Boden schützten. Als die Sonne über die Baumwipfel stieg, wandten sie sich vom Springfield River ab und folgten einem seiner Zuflüsse, dem direkt nach Norden fließenden Matagami. Kurz danach wichen die Rot-Zedern Laubwald, in dem sich ein paar letzte Blätter an den Bäumen festhielten und wie verblichene Fahnen im Wind schaukelten. Die Cops kamen an Cobden und Grimsly vorbei, dann an der Geisterstadt All Bright, in den späten 1890ern von Mormonen gegründet, die den weiten Weg von Salt Lake City auf sich genommen hatten, um hier am Südrand der Northern Divide eine Landkommune zu gründen. Zehn Jahre später zogen sie wieder ab – von Hunger, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit vertrieben wie die meisten, die dieses Land bestellen wollten oder sich allein auf ihren blinden Glauben verließen. Die Missionare stiegen in den Zug nach Springfield, wo die Frauen Arbeit in Bordellen fanden und die Männer wegen ihrer Tracht auf der Stelle umgebracht wurden. Alles, was von All Bright übrig war, als die drei Cops vorbeifuhren, war das Gerüst eines alten Holzsilos und die Reste von Windschutzmäuerchen.

Sie bogen von der Bahntrasse in das Hinterland von Wilco ab und nahmen den Highland Hiking Trail, dem sie mehr als eine Stunde lang folgten, immer bergauf bis zur Kammlinie einer Hügelkette, die so hoch lag, dass dort nur noch Büsche und Gestrüpp wuchsen. Die Seen tief unter ihnen schienen in einem fernen Land zu liegen. Kleine Nebelfetzen erweckten den Eindruck, als würden sie über den Wolken fahren. Alle drei waren froh, als sie den Weg von den Hügeln hinab in ein Tal mit Weymouth-Kiefern nahmen, einen dichten alten Wald mit Baumstämmen, mächtig wie die Beplankung eines Holzseglers. Sobald sie den Schatten der gigantischen Bäume erreichten, ließ sie die plötzliche Kälte frösteln. Am Ufer des Kowalski Lake querten sie eine kleine Eisstraße und kamen in die winzige Siedlung Palmer’s Junction.

Palmer’s Junction war einst eine Pelzhandelsstation, dann eines von Baths Arbeitercamps zum Bau der S & P gewesen. Jetzt lag es an der Strecke der BMR, der Buffalo-Montreal Railway, die am Nordufer des Kowalski Lake verlief. In der Ortschaft gab es ein halbes Dutzend dauerhaft bewohnter Häuser, dazu ein paar Wohnwagen für die Arbeitsteams, drei große Blechschuppen und eine Tankstelle. Der Kraftstoff dort war eigentlich nur für BMR-Fahrzeuge bestimmt, aber er wurde jedem verkauft, der kam und darum bat. So hoch im Norden war das ein ungeschriebenes Gesetz. Die Tankwarte in Palmer’s Junction wechselten häufig, eine rasche Abfolge von Bremsern kurz vor dem Ruhestand, verkrüppelten Gleisbauern und schweren Trinkern.

»Hier kommt kaum mal ’n Cop vorbei«, meinte der alte Mann, der an diesem Vormittag die Zapfsäulen bediente. Es klang nicht nach einer Klage. »Wo wollt ihr Jungs hin?«

»Ragged Lake«, sagte Yakabuski.

»Was wollt ihr denn da?«

»Erzähl ich Ihnen auf dem Rückweg.«

Der alte Mann zuckte die Schultern und fragte nicht weiter. Aus zwei Häusern im Ort stieg Rauch aus dem Kamin. In einem der beiden Häuser wurde während des Tankens ein Vorhang auf- und zugezogen. Im anderen rührte sich nichts. Als es ans Bezahlen ging, brachte der Tankwart ein altes Kreditkartenlesegerät heraus und rieb mit einem Finger, der so schwarz und gehärtet aussah wie ein Meißel, über die Rückseite von Yakabuskis Karte.

»Sie sagen Schnee an«, sagte der alte Mann, als er Yakabuski die Quittung reichte.

»Aber erst für morgen, oder?«

»Ja, für morgen.«

Sie fuhren weiter. Die Ebene um Palmer’s Junction war in den siebziger und achtziger Jahren von Holzfirmen zum größten Teil abgeholzt worden. Das Kiefernjungholz war noch so niedrig, dass sie unter freiem blauem Himmel weiterfuhren. Wolken, kaum mehr als zarte Federn, standen hoch in der Atmosphäre. Als die drei Cops Lac Claire am Oberlauf des Matagami erreichten, folgten sie der Uferlinie, weil der große See in der Mitte nicht zugefroren aussah. Dann kamen sie an eine weitere Erhebung, diesmal aber keine Endmoräne eines zurückweichenden Gletschers, sondern Resultat der tektonischen Plattenverschiebung an der Northern Divide. Um sie herum gab es nun so viele gefrorene Flüsse und Bäche, dass es schwierig wurde, dem Trail zu folgen. Das gefrorene Wasser schien so chaotisch aus dem Wald hervorgebrochen zu sein, als wären Adern geplatzt. Sie fuhren an Seen vorbei, die offenbar aus allen vier Himmelsrichtungen von Flüssen gespeist wurden. Flüssen, die im Kreis flossen. Als sie den Old Duck River erreichten, hielten sie an.

Trotz der gleißend hellen Sonne am Himmel war es ein kalter Tag. Yakabuski holte eine Thermoskanne aus dem Gepäckfach seines Schneemobils und reichte sie Buckham. Nachdem sich alle drei einen Becher eingegossen hatten, stellten sie sich nah zusammen, um sich vor dem Wind zu schützen.

»Scheiße, ist das kalt«, sagte Downey.

»Wir fahren gleich weiter«, sagte Yakabuski. Er hatte einen Fäustling ausgezogen und tippte eine Nummer in sein Satellitentelefon. Der Barmann hob beim zweiten Klingeln ab.

»Mattamy Fishing Lodge.«

»Wie kommen wir denn zu dieser Hütte?«

»Haben Sie Karten?«

»Ja.«

»Sind Sie am Old Duck, da wo er die S & P kreuzt?«

»Ja, genau dort, wo ich gesagt habe, dass wir halten.«

»Okay, dann müssen Sie jetzt in Richtung Westen fahren. Immer dem Fluss nach, nicht dem Pfad in die Stadt folgen. Das alte Camp liegt am Südufer des Old Duck. Bis dahin sind es noch ungefähr zwanzig Kilometer. Die Hütte liegt ein, zwei Kilometer westlich, am Cap Lake. Gibt auch einen Indianernamen dafür, der vermutlich auf der Karte steht, aber hier in der Gegend heißt er nur Cap Lake.«

»Lake Capimitchigama.«

»Genau der. Die Hütte steht am Nordufer.«

»Sobald wir da fertig sind, kommen wir zu Ihnen in die Lodge.«

»Die Zimmer sind schon bereit.«

»Prima.«

Vor dem Auflegen hörte Yakabuski noch undeutliches Gemurmel. Der Barmann sprach mit jemandem. Er verstand aber nicht, was gesagt wurde. Dann hörte er: »Der Schlagauszeichner meint, die Hütte ist nicht zu verfehlen.«

Yakabuski sah die Hütte schon aus einem Kilometer Entfernung. Das Dach war rot, blau und grün und wirkte inmitten des Waldes wie eine Markierungsboje.

»Hast du so was schon mal gesehen, Yak?«, fragte Buckham, als die drei Cops davorstanden und sahen, dass das Dach aus alten Getränkedosen – Coca-Cola, Molson- und Laker-Bier – bestand, deren Farben zum Teil schon verblichen waren.

»Definitiv nicht.«

»Was für eine zusammengeschusterte Bruchbude!«, sagte Downey.

»Stimmt«, pflichtete Yakabuski bei. »Aber ein paar Onkels von mir wären von der echten Handarbeit begeistert.«

Sie begutachteten nicht nur die Hütte, sondern auch das Land ringsum – den kleinen zugefrorenen See und ein Tannendickicht, das vermutlich das ganze Jahr über Schatten warf. Seltsam, sich ausgerechnet an dieser Stelle eine Hütte zu bauen, wenn das Land am Südufer schon gerodet war. Sie stiegen die drei Stufen zur Tür hinauf. Hielten vor dem Eintreten inne. Warteten womöglich auf ein Signal, weil sie meinten, eine sinnvolle Welt müsste ihnen ein Zeichen geben, ehe sie einen Mordschauplatz betraten. Irgendein Tier, das davonstob. Ein widerlicher Gestank, der aus der Hütte drang. Aber es war ein klirrend kalter Tag, also gab es nichts davon. Nach einer respektvollen Pause stieß Yakabuski die Tür auf.

Den toten Mann sahen sie sofort. Er lag vor der Couch auf dem Boden, von einer großen Blutlache umgeben. Das Blut war gefroren, weswegen es etwas schwierig war, sich in der Hütte zu bewegen. Schlurfend wie auf einer Eisbahn tat Yakabuski die ersten vorsichtigen Schritte, ehe er den Constables bedeutete, beim Eintreten aufzupassen.

Der Mann war allerdings nicht zweigeteilt, was Yakabuski von Anfang an bezweifelt hatte. Er lag nur seltsam verdreht da, der Oberkörper nach links abgeknickt, fast rechtwinklig, nicht so, wie es ein Körper von sich aus tat. Wegen dieser unnatürlichen Haltung hatte der Schlagauszeichner gemeint, dass der Mann zweigeteilt auf dem Boden lag. Yakabuski hatte so etwas schon bei seinem Telefonat mit dem Jungen vermutet. Auch wenn es keiner Bestätigung bedurfte, platzte Downey damit heraus: »Der wurde erschossen, Yak. Schrot. Aus nächster Nähe. Hat fast die komplette Ladung in die Brust bekommen.«

Yakabuski ging um die Couch herum, um sich die Frau anzusehen.

»Hier das Gleiche«, sagte Buckham mit Blick auf die Frau, die mindestens fünfzehn Jahre jünger war als der Mann. Sie war vermutlich Mitte zwanzig, hatte lange schwarze Haare und ein hübsches Gesicht, die Hosenbeine waren hochgekrempelt. In der Körpermitte, wo ihr Rumpf sein sollte, war nichts als eine blutige Masse zu sehen.

»Das ist eine Cree«, sagte Buckham.

Die drei Cops wussten, dass sie morgen zu einer gründlichen Tatortaufnahme zurückkommen mussten, und machten sich nicht die Mühe, jetzt schon die Ausrüstung von ihrem Gepäckschlitten zu holen. Alles, was sie anfassten und nicht sauber aufnehmen konnten, wäre vor Gericht als Beweismittel unzulässig. Daher schlitterten sie durch den Raum und machten sich nur ein allgemeines Tatortbild. Ein Kaminofen. Ein gedrechseltes Aufsatzregal mit Müslischalen und Tellern. Ein Spülbecken unter einem Fenster mit Blick auf den See, daneben ein Eimer mit gefrorenem Wasser. An der hinteren Wand stand eine Werkbank, die aus einer alten Tür gefertigt war. Der Schlafbereich war mit einem Vorhang abgetrennt, dort standen ein Holzschrank und ein Eisenbett. Yakabuski betrachtete das Bett, das mit glattgezogenen, exakt gefalteten Decken wie von einem Zimmermädchen gemacht aussah, als Downey rief.

»Yak, komm mal, das musst du dir ansehen.«

Schon am Ton der Stimme erkannte er, dass sich etwas verändert hatte. Er ging zu den beiden jungen Cops am anderen Ende der Hütte. Sie hatten einen weiteren Vorhang beiseitegeschoben. Überall Blut. Vor lauter Blut ließ sich fast nicht ausmachen, ob auf dem Bett Bettzeug lag. Nur eine gefrorene mattrote Eisschicht, wo eigentlich eine Decke liegen sollte.

Durch das Eis blickte ihnen das Gesicht eines kleinen Mädchens entgegen.

Sie blieben noch eine halbe Stunde, in der sie auf Händen und Knien herumkrochen, mit Taschenlampen unter die Couch, die Anrichte, den Küchentisch, die beiden Betten leuchteten und spürten, wie die Luft in der Hütte immer kälter wurde, die kleinen Atemwolken, die um ihre Köpfe waberten, immer dichter wurden, ehe sie sich verflüchtigten. Yakabuski hatte schon in ähnlichen Fällen ermittelt. Er vermutete, dass die zwei anderen das ebenfalls getan hatten. Es waren die Art Fälle, bei denen man abends nach Hause ging und seine Kinder in den Arm nahm, seine Freundin umarmte, den Nachbarn und jeden, den man erwischte, und schwor, bei welchem Gott auch immer, bei allem, was einem heilig war: Nie, niemals würde man sein Leben so weit in die Brüche gehen lassen, dass man es für eine gute Idee halten könnte, von diesem albernen Planeten abzutreten und alle, die man liebte, dabei mitzunehmen.

Schließlich erhoben sich die drei Cops. Sie blieben in dem immer trüber werdenden Licht stehen, bis Buckham aussprach, was alle dachten.

»Yak, hier ist keine Waffe.«

7

Auf einer alten Holzfällerstraße, die Yakabuskis Karten zufolge auf direkterem Weg nach Ragged Lake führte als eine Rückkehr zur alten Bahnstecke, fuhren sie in tiefer Dunkelheit auf ihr Ziel zu. Mit Yakabuski an der Spitze überquerten sie gefrorene Flüsse und kamen durch dichte Fichtenbestände. Zum Schutz vor dem Wind saß Downey geduckt und mit eingezogenem Kopf auf dem Schneemobil, während dem kleineren Buckham die Kälte weniger auszumachen schien: Er saß aufrecht und blickte ständig umher. Auf einer von alten Kiefern bestandenen Anhöhe sahen sie die unter Sternen liegende Northern Divide vor sich – eine zerklüftete, verdrehte Felslinie, die sich durch die Nacht wand und zu beiden Seiten Schatten warf. In der Ferne lag die riesige Wasserfläche des Ragged Lake, der sich wie ein Binnenmeer nach Norden ausdehnte.