Für meine Frau Ute, ohne die es dieses Buch nicht geben würde.
Danke für deine unermüdliche Unterstützung.

Und für meine Töchter
Sophie und Emelie,
die mir gezeigt haben, was bedingungslose Liebe ist.

Dieses Buch ist für eure Zukunft.

„Emotionale Intelligenz ist der Kitt, der unsere Beziehungen zusammenhält.
Und unsere Beziehungen sind es, die die Welt zusammenhalten.

Unsere Beziehungen sind unsere Zukunft.“

Vorwort von Al Weckert

Das Erkennen von Mimik und Körpersprache ist aus meiner Sicht die wichtigste Grundfähigkeit in der Kommunikation. Mimik und Körpersprache stellen auf unverfälschte Art und Weise zwischenmenschliche Verbindung her. Sie sind das machtvollste Hilfsmittel beim Verstehen der Gefühle und Bedürfnisse unserer Mitmenschen. Das Spiegeln von Gesichtsausdrücken ist die erste Sprache, die wir als Baby erlernen. Im weiteren Verlauf der Persönlichkeitsentwicklung ist die Fähigkeit zur Mimikresonanz die bedeutendste „Übersetzungssoftware“ beim Erkennen der Handlungsabsichten unserer Umwelt.

Als ich hörte, dass Dirk Eilert ein Buch über Gesichtsausdrücke und deren Deutung schreibt, war ich froh und enttäuscht zugleich. Enttäuscht, weil ich den gleichen Plan hegte und sogar schon ein passendes Exposé verfasst hatte. Froh, weil ich mir keinen besseren Autor als Dirk Eilert für dieses Buch vorstellen kann.

Ich kenne Dirk Eilert als einen Mann der Tat und als Top-Experten auf seinem Gebiet. Aus Leidenschaft hat er das Fach der Mimikdeutung nach Deutschland geholt, wo es im Unterschied zu den USA noch bis vor kurzer Zeit ein Schattendasein fristete. Dirk Eilert, der wie ich ein Bewunderer der Arbeiten von Paul Ekman ist, analysierte minutiös sämtliche Originalquellen zur Emotions- und Gesichterforschung. Schließlich entwickelte er unter dem Titel „Mimikresonanz“ ein Konzept, das die Errungenschaften der Trainingssysteme seiner Vorgänger aufgreift und einen entscheidenden Schritt weitertreibt. Sein ergänzendes internetbasiertes Trainingssystem ist vom Standpunkt der Benutzerfreundlichkeit und dem Preis-Leistungsverhältnis konkurrenzlos.

Als Mediationsausbilder und Trainer für Gewaltfreie Kommunikation empfehle ich das Trainingsportal und die Mimikresonanz-Ausbildungen von Dirk Eilert allen Menschen, die professionell und privat die Gefühlsäußerungen ihrer Mitmenschen, Klienten und Kollegen besser verstehen wollen. Das tägliche Training der Wahrnehmung von Gefühlsäußerungen steigert spürbar die eigene Empathiefähigkeit. Indem Sie die Emotionen anderer Menschen besser erkennen und zuordnen, schulen Sie auch die Achtsamkeit für eigene Gefühle. Das Training der Mimikresonanz unterstützt Sie dabei, die Stimmungen anderer pro-aktiv aufzugreifen und anzusprechen, aber auch sich selbst klarer zu artikulieren.

Das vorliegende Buch liefert Ihnen zahlreiche Informationen, um in dieses Training einzusteigen und den Blick für Gefühle, Stimmungen und Handlungsabsichten anderer zu schärfen. Ich bin mir sicher, dass Dirk Eilerts Buch besser geworden ist, als das, welches mir vorschwebte. Denn wenn ich tief in mich hineinhöre, hätte ich dieses Buch nur geschrieben, weil es bislang auf dem deutschen Markt fehlte und ich mir ein solches Tool als wichtigen Bestandteil beim Training einer empathischen Führungskultur dringend gewünscht habe. Deshalb ist meine Enttäuschung inzwischen dieser speziellen Art von Dankbarkeit gewichen, der Dirk Eilert in seinem Vorwort eine Ode gewidmet hat.

Al Weckert
Diplomvolkswirt, Organisationsentwickler und Autor
http://www.empathie.com

Eine Ode an die Dankbarkeit

Dieses Buch handelt von emotionaler Intelligenz, die eng mit unserer emotionalen Gesundheit verwoben ist. Wissenschaftliche Studien der positiven Psychologie haben gezeigt, dass keine Fähigkeit unsere emotionale Gesundheit so stark beeinflusst wie Dankbarkeit. Auch ist sie eine der Grundlagen für eine empathische Kommunikation, bringt sie uns doch in Kontakt mit unserem Herzen. Und darum geht es im Besonderen in diesem Buch: Menschen besser zu verstehen, um empathischer kommunizieren zu können.

Gleichzeitig ist Dankbarkeit traurigerweise in der heutigen Zeit ein Gefühl, das meist nur sehr kümmerlich gepflegt wird. Wenn wir etwas neu haben – egal ob einen Job, eine Beziehung, ein Auto oder etwas anderes –, wissen wir es zu schätzen und freuen uns oft jeden Tag darüber. Einige Zeit später jedoch beginnt der Fokus sich zu verschieben. Uns fallen mehr und mehr die Dinge auf, die uns stören. Dabei ist meist das Einzige, was sich geändert hat, die Richtung unserer Aufmerksamkeit. Das Gute aber ist: Wir können uns Dankbarkeit zur Gewohnheit machen, indem wir uns kleine Rituale aneignen, um sie zu kultivieren. Und es lohnt sich, gleich damit zu beginnen, denn wie oft zeigen wir Dankbarkeit erst dann, wenn das, wofür wir dankbar sind, nicht mehr da ist. Ich möchte deshalb gleich zu Beginn dieses Buches all den Menschen Danke sagen, die mich in seinem Entstehungsprozess unterstützt und das Buch somit möglich gemacht haben.

Beginnen möchte ich mit meinen Eltern, von denen ich gelernt habe, wie wichtig es ist, bei dem was man tut, seinem Herzen zu folgen. Ihnen habe ich es neben vielen anderen Dingen zu verdanken, dass ich heute mit ganzem Herzen einen Beruf ausübe, den ich liebe. So dass es mir häufig wie Steven Spielberg geht, der einmal gesagt hat: „Wenn ich morgens aufwache, bin ich so begeistert, dass ich nicht frühstücken kann.“

Danken möchte ich auch meiner Frau für ihre unermüdliche Unterstützung und ihre unendliche Liebe, die sie mir jeden Tag schenkt. Manchmal unterstützt sie sichtbar im Seminar oder Coaching, oft aber auch macht sie – unbemerkt im Hintergrund – möglich, was da ist, und lässt meine Kreativität lebendig werden.

Ich danke auch meinen beiden Töchtern, Sophie (5) und Emelie (3), dass sie da sind und mein Leben in jedem Augenblick bereichern. Sophie ist eine wahre Meisterin im Erkennen von Mikroexpressionen und kann die sieben Basisemotionen, die wir uns unter anderem in diesem Buch anschauen werden, schon sehr gut malen. Das Malen von Gefühlsausdrücken ist übrigens eine gute Herangehensweise, um schon den Kleinen dieses Thema spielerisch nahezubringen. Hier sehen Sie eines ihrer Kunstwerke, das Sophie extra für dieses Buch gemalt hat – und bekommen gleich eine Möglichkeit, schon an dieser Stelle Ihre Wahrnehmung für die Gefühle in der Mimik zu schärfen. Welche Emotionen erkennen Sie in den Gesichtern?

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Und auch Emelie, unsere Kleinste, hat ein paar Gesichtsausdrücke für dieses Buch gemalt. Welche Emotionen sehen Sie in den Mimiken?

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Im geordneten Chaos des Alltags wäre die Umsetzung dieses Buches nur schwer möglich gewesen. Deswegen habe ich mich – im kältesten März seit der Wetteraufzeichnung – zurückgezogen in die warme Sonne des Südens. Aus diesem Grund möchte ich auch meinen Schwiegereltern für ihre Gastfreundlichkeit danken. In ihrem Haus in Spanien habe ich den Großteil meiner Gedanken und Gefühle in mein MacBook fließen lassen.

Bedanken möchte ich mich auch bei zwei Menschen, die meinen Lebensweg entscheidend beeinflusst haben: bei meinem NLP-Trainer Karl Nielsen, der mich in die Welt der Neurolinguistischen Programmierung eingeführt hat und bei Susanne Kleinhenz, die mir im richtigen Moment die richtigen Worte gesagt und an mich geglaubt hat. Ohne die Inspiration dieser beiden wunderbaren Menschen wäre ich heute nicht da, wo ich bin.

Für die Fotos in diesem Buch ein herzliches Dankeschön an die Fotografin Bettina Volke, die in ihrer Arbeit die seltene Fähigkeit hat, das Besondere sichtbar zu machen und digital einzufangen.

Zu guter Letzt bedanke ich mich auch bei meinen Seminarteilnehmern und insbesondere bei den Mimikresonanz-Trainern der ersten und zweiten Stunde, die mit ihren Ideen zu diesem Buch beigetragen haben und die immer noch dazu beitragen, dass Mimikresonanz das ist, was es ist, sich ständig weiterentwickelt und in die Welt getragen wird. Danke an Dennis Potreck, Michael Meudt, Dennis Rabe, Violetta Hermann-Rauer, Barbara Kuster, Margarete Stöcker, Silke Meyer, Verena Schmidt-Völlmecke, Frank Meinhardt, Nair Schröder, Annette Lindinger, Gabriele Lieser, Bianca Grünert, Peter Roch, Simone Schneider, Britta Full, Stefanie Eggers, David Holzer, Robert Körner, Dagmar Dollinger, Isabella Herzig, Janine Holt und Silke Gerat.

Berlin und Jávea (Spanien) im Frühjahr 2013
Dirk W. Eilert

Einführung: Emotionale Intelligenz und Mimikresonanz

Nach diesem Kapitel können Sie die folgenden Fragen beantworten:

Was ist emotionale Intelligenz?

Bevor wir uns genauer anschauen, was emotionale Intelligenz ist, lassen Sie uns kurz einen Blick darauf werfen, was Emotionen eigentlich sind und warum wir sie haben. Für beides, so denkt man, sollte die Wissenschaft doch schon längst Antworten gefunden haben. Doch dem ist nicht so – zumindest gibt es keine einheitliche Antwort. Es gibt unzählige Definitionen davon, was Emotionen sind, und mindestens genauso viele Ideen, warum wir sie haben. Fakt ist und bleibt: Wir alle haben sie. Und auch wenn es manchmal Situationen gibt, in denen man sich wünscht, nicht mehr zu fühlen, so würde ein Leben ohne Emotionen furchtbar trist sein. Emotionen geben unserem Leben Farbe und einen Sinn. Denn Emotionen bewegen uns. Sie lassen uns lachen und auch weinen, lieben und hassen, umarmen und wegschubsen. Sie sind der Motor des Fortschritts wie auch der Zerstörung. Sie lassen uns zweifeln, aber auch hoffen. Sie sind unser Zugang zur Spiritualität. Sie halten uns zusammen. Und nahezu alles, was wir tun, tun wir, um bestimmte Emotionen zu erleben oder zu vermeiden. Kurz: Emotionen bedeuten Leben. Und unsere Fähigkeit mit ihnen umzugehen – mit den eigenen wie mit denen der anderen – hat großen Einfluss darauf, ob wir Glück und Erfolg in unserem Leben finden oder nicht. Und genau dies ist der Kern der emotionalen Intelligenz.

Emotionale Intelligenz ist die Fähigkeit, eigene und fremde Gefühle richtig wahrzunehmen, zu verstehen und zu beeinflussen. Sie hilft dabei, uns selbst besser zu verstehen, aber auch andere. In einer Welt, die immer schneller zu werden scheint, sind unsere Beziehung zu uns selbst und die Beziehung zu unseren wichtigsten Bezugspersonen zwei der wenigen stabilen Konstanten, die der Veränderung standhalten. Fragt man den 78-jährigen Psychiater und Harvard-Professor George Vaillant, dann ist Empathie – ein elementarer Bestandteil der emotionalen Intelligenz – der wichtigste Faktor für ein erfolgreiches und glückliches Leben. Und er muss es wissen. Vaillant übernahm 1967 die Leitung einer der längsten Studien zum Thema Glück – die Grant-Studie. Und er leitet sie noch heute. Eine Studie, die 1939 begann und an der u. a. 268 Harvard-Absolventen der Jahrgänge 1939 bis 1945 bis zu ihrem 80. Lebensjahr teilnahmen. In einem Interview mit dem Süddeutsche Zeitung Magazin (2013) antwortete Vaillant auf die Frage „Können Sie die Definition von Glück prägnant in einem Satz formulieren?“ mit folgender Aussage: „Glück ist, nicht immer alles gleich und sofort zu wollen, sondern sogar weniger zu wollen. Das heißt, seine Impulse zu kontrollieren und seinen Trieben nicht gleich nachzugeben. Die wahre Glückseligkeit liegt dann in der echten und tiefen Bindung mit anderen Menschen.“ Dies liest sich wie ein Rezept mit den wichtigsten Zutaten emotionaler Intelligenz. In mittlerweile unzähligen weiteren Studien wurde nachgewiesen, dass die emotionale Intelligenz den beruflichen Erfolg und das empfundene Lebensglück weitaus mehr beeinflusst als zum Beispiel der IQ. Auch Zusammenhänge zwischen Gesundheit und emotionaler Intelligenz wurden dokumentiert. Dass sie darüber hinaus eine bedeutende Einflussgröße auf unsere Beziehungsqualität hat, liegt nahe, ist sie doch ausschlaggebend für unsere Fähigkeit, eine Verbindung zu anderen Menschen herzustellen.

Das alles klingt danach, als sei die emotionale Intelligenz eine Art Super-Fähigkeit. Doch ist sie das wirklich? Man könnte sie als eine Art Meta-Fähigkeit bezeichnen, von der es abhängt, wie wir unsere übrigen Fähigkeiten einsetzen. Durch sie gelingt es uns, unser Potenzial zu entfalten.

Doch leider ist sie eine Fähigkeit, die in unserer heutigen Welt gefährdet ist. Denn mit emotionaler Intelligenz werden wir nicht geboren, sie muss sich entwickeln. In der Schule lernen wir darüber meist nichts. Und wie sieht es in den Familien aus? In einer Welt, in der es normal ist, dass schon die Vierjährigen mit Videokonsolen spielen, Stunden vor dem Fernseher verbringen und der echte zwischenmenschliche Austausch immer kürzer kommt, verkümmert unsere Fähigkeit, mit Gefühlen angemessen umzugehen, zunehmend. Kommuniziert wird mehr und mehr über E-Mail oder Facebook, echten Kontakt gibt es immer weniger. Doch der Kitt, der unsere Beziehungen zusammenhält, ist die emotionale Intelligenz, bei der sich drei Hauptelemente ausmachen lassen: Empathie, Emotionsmanagement und kommunikative Kompetenz. Und alle drei beeinflussen sich gegenseitig.

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Abbildung 1: Zusammenspiel der Teilbereiche der emotionalen Intelligenz

Wenn wir die Gefühle anderer Menschen wahrnehmen (Empathie), löst dies auch in uns Gefühle aus. Hier spielen unter anderem die Spiegelneuronen eine entscheidende Rolle; dazu später mehr. Wenn wir in einem Gespräch ressourcenvoll agieren möchten, ist es auch wichtig, dass wir mit den eigenen Gefühlen wirkungsvoll umgehen können (Emotionsmanagement). Durch ein optimales Zusammenspiel dieser beiden Elemente kann sich das dritte Element voll entfalten: die persönliche kommunikative Kompetenz.

Schwerpunkt dieses Buches ist die Empathie. Es geht darum, unsere Wahrnehmung für die Gefühle unserer Mitmenschen zu schärfen – für die deutlichen, aber vor allem für die subtilen –, um so andere Menschen besser zu verstehen und eine beziehungsfördernde und wertschätzende Kommunikation zu fördern. Als Teil der emotionalen Intelligenz ist die Empathie – die Fähigkeit, sich in andere Menschen einzufühlen – die Grundlage aller Menschenkenntnis und das Fundament zwischenmenschlicher Beziehungen. Je stärker unsere Empathie ausgeprägt ist, je besser wir erkennen, wie sich andere Menschen fühlen, desto schneller und treffgenauer können wir herausfinden, was sie brauchen und wollen. Diese Fähigkeit ist die Grundlage und unverzichtbare Voraussetzung dafür, mit den Gefühlen anderer Menschen angemessen umzugehen und in nahezu allen beruflichen Situationen die Basis für eine harmonische und erfolgreiche Zusammenarbeit. Gleichermaßen ist sie die Voraussetzung für Vertrauen und Wertschätzung in unseren Beziehungen zu anderen Menschen.

Was ist Mimikresonanz?

Mimikresonanz ist ein praxisorientiertes Konzept, um die Fähigkeit zu verbessern, in guten Kontakt mit unseren Gesprächspartnern zu kommen und deren Gefühle und Wünsche noch besser wahrzunehmen. Es kann sowohl im beruflichen als auch im privaten Umfeld eingesetzt werden: sei es in Beratungsgesprächen, in der Mitarbeiterführung, im Bildungswesen, Service, Coaching, in der Mediation. Aber auch in der Partnerschaft oder in der Elternrolle.

Mimikresonanz bedeutet, mimische Signale zu erkennen, richtig zu interpretieren und angemessen mit ihnen umzugehen. Das Mimikresonanz-Konzept vervollständigt damit den Bereich der reinen Mimikdeutung durch ein zusätzliches praktisches Training, um die in einem Gespräch durch präzise Beobachtung gewonnenen Informationen auch angemessen und zielführend zu nutzen.

Unter anderem aufbauend auf den Forschungsergebnissen des amerikanischen Psychologen Paul Ekman habe ich das Mimikresonanz-Training im Jahr 2011 entwickelt. Es setzt sich aus drei Bereichen zusammen:

  1. Mimikscouting
  2. Mimikcode
  3. Resonanztraining

Mimikscouting: die „Spuren der Mimik“ lesen

Sie trainieren, das, was Sie in der Mimik Ihrer Gesprächspartner sehen, auch bewusst wahrzunehmen. Der Bereich des Mimikscouting nutzt dafür bewährte wissenschaftliche Systeme, wie zum Beispiel das Facial Action Coding System (FACS).

Mimikcode: die Mimik entschlüsseln

Sie trainieren, die mimischen Signale richtig zu interpretieren, um so die Gefühle und Wünsche Ihrer Gesprächspartner zu erkennen – auf der Grundlage neuester Erkenntnisse aus der Emotionsforschung, sowie der Persönlichkeits- und Motivationspsychologie. Die mimischen Signale werden ergänzt durch andere nonverbale Kanäle, wie Körpersprache und Stimme, die wichtig dafür sind, um präzise einzuschätzen, wie sich unser Gegenüber fühlt.

Resonanztraining: ressourcenvoll agieren

Sie trainieren angemessen und zielführend mit den Informationen, die Sie durch präzises Beobachten gewonnen haben, umzugehen. Hier liefert unter anderem die moderne Gehirnforschung wertvolle Impulse für eine ressourcenvolle und beziehungsfördernde Kommunikation.

Einsatzfelder von Mimikresonanz

Mimikresonanz lässt sich in allen Bereichen einsetzen, in denen eine Kommunikation von Angesicht zu Angesicht eine Rolle spielt. Im Folgenden werden einige konkrete Beispiele angeführt:

Als Coach oder Psychotherapeut bekommen Sie besser mit, welche Emotionen Ihre Klienten / Patienten bewegen und wo Ansatzpunkte für einen erfolgreichen Veränderungsprozess sind. Sie sehen schneller, welche Themen emotional aufgeladen sind und können den Erfolg der Veränderungsarbeit noch präziser an der nonverbalen Reaktion ablesen. Aber nicht nur das bessere Erkennen der Gefühle des Klienten beeinflusst den Coaching- oder Therapieerfolg. Studien haben gezeigt, dass dieser auch durch die mimischen Signale beeinflusst wird, die man als Coach / Therapeutin während der Sitzung aussendet. Deshalb ist auch Achtsamkeit für die eigenen mimischen Signale wichtig.

Als Kundenberater oder Verkäufer bekommen Sie schneller Zugang zu den Wünschen und Motiven Ihrer Kunden. Dies steigert Kundenzufriedenheit und -bindung sowie den Umsatz. Darüber hinaus erkennen Sie präzise die emotionale Wirkung, die Sie bei Ihren Kunden mit Ihrer Präsentation erzeugen und können so im Bedarfsfall gegensteuern. Sie sehen auch besser, ob Ihr Kunde einen realen Einwand oder nur einen Vorwand äußert.

In Verhandlungen erkennen Sie leichter, welche Punkte für Ihre Gesprächspartner besonders wichtig sind. Dies unterstützt Sie dabei, einen wirklichen Konsens zu finden, bei dem alle Verhandlungspartner gewinnen. Weil Sie noch klarer erkennen, wie das Ergebnis emotional angenommen wird, lassen sich mögliche spätere Probleme im Ansatz erkennen und gegebenenfalls vermeiden. Gefühle klarer zu sehen bedeutet auch, dass Sie in einer Verhandlung besser erkennen, wenn Ihr Gegenüber nur blufft.

In Führung und Management ist Ihr Blick geschärft für die Stimmung im Team und die Gefühle Einzelner. So können Sie als Führungskraft mit den Gefühlen der Mitarbeiter noch angemessener und zielführender umgehen. Nicht nur in Mitarbeitergesprächen und in Meetings sehen Sie dadurch besser, wie Informationen und Entscheidungen auf emotionaler Ebene aufgenommen werden. In Bewerbungs- und Rekrutierungsgesprächen hilft Mimikresonanz Ihnen, Ihre Gesprächspartner schneller und präziser einzuschätzen.

Der Service im Dienstleistungsbereich wird maßgeblich durch empathische Fähigkeiten beeinflusst. Je besser und schneller die Gefühle der Kunden / Gäste wahrgenommen werden, desto leichter kann auf deren Wünsche eingegangen werden. Die eigene Kommunikation kann auf die Stimmung des Gegenübers abgestimmt werden. Ein wichtiger und besonders heikler Bereich ist hier das Beschwerdemanagement. Mimische Signale zu erkennen und richtig zu interpretieren, hilft dabei, angemessen mit Beschwerden umzugehen und diese erfolgreich zu managen. Und ein Kunde, dessen Beschwerde erfolgreich zu seiner Zufriedenheit gelöst wurde, ist Studien zufolge treuer als ein Kunde, dessen Beschwerde nicht aufgelöst wird.

In Mediation und Paarberatung können Sie die Gefühle der (Konflikt-)Partner schon besser wahrnehmen, während sie entstehen. Kritische Momente lassen sich auf diese Weise schneller entschärfen bzw. sogar vermeiden und positive Momente und vorhandene Beziehungsressourcen bewusst verstärken. Das richtige Deuten mimischer Signale lässt Sie auch präzise erkennen, wie entwickelte Lösungen emotional angenommen werden. Darüber hinaus erkennen Sie zum Beispiel sogenannte kalibrierte Schleifen schneller und können so noch gezielter intervenieren. Kalibrierte Schleifen sind unbewusste sich wiederholende Kommunikationsabläufe, in der eine Person automatisiert auf den Auslöser einer anderen Person reagiert.

Nicht nur im Gesundheitswesen ist der Einfluss emotionaler Faktoren auf die Gesundheit und den Heilungsprozess bekannt. Als Arzt oder Pfleger die Gefühle der Patienten besser wahrzunehmen und damit angemessen und wertschätzend umzugehen, erhöht das Wohlbefinden auf beiden Seiten. Da im beruflichen Alltag leider meist nicht viel Zeit für jeden Patienten zur Verfügung steht, ist eine Möglichkeit, die Gefühle möglichst schnell richtig zu erkennen, umso wichtiger.

Auch im Journalismus wird Mimikresonanz erfolgreich eingesetzt, denn wenn es in Gesprächssituationen darum geht, mit dem Gegenüber eine vertrauensvolle Atmosphäre aufzubauen, kann das Erkennen von wahren Gefühlen sehr hilfreich sein. Ist der Interviewpartner durch Kamera und Mikrofon gestresst? Hat er Angst vor unangenehmen Fragen? Steht er unter Zeitdruck? Was sind „heiße“ Themen? Neben dem gesprochenen Wort erhält man durch eine geschärfte Wahrnehmung viele zusätzliche Informationen, aus denen sich nützliche Rückschlüsse für das weitere Gespräch ziehen lassen.

Sicherheitskräfte können ebenfalls davon profitieren, schneller und genauer zu erkennen, wie sich ihr Gegenüber fühlt. In brisanten Situationen unterstützt diese Kompetenz sie darin, frühzeitig und angemessen zu reagieren. So lassen sich Konfliktsituationen oft schon im Ansatz erkennen und eine Eskalation lässt sich vermeiden. Das durch Mimikresonanz vermittelte Wissen und die Fähigkeiten können auch genutzt werden, um besser zu erkennen, ob jemand lügt.

Auch als Schauspieler oder Regisseur kann Mimikresonanz Ihnen wertvolle Einblicke geben. Denn wenn Sie sich bewusst sind, welche mimischen Bewegungen für bestimmte Emotionen stehen, können Sie diese noch gezielter und feiner darstellen bzw. eine genauere Anleitung dafür geben. Durch das sensorische Feedback der Mimik ergibt sich die Resonanz mit der zu spielenden Rolle automatisch.

Und auch wenn Sie in der Marktforschung tätig sind, können Sie die Erkenntnisse aus diesem Buch gewinnbringend einsetzen. Sei es, dass Sie herausfinden möchten, wie Ihre Zielgruppe gefühlsmäßig auf einen neuen Werbespot reagiert oder welche Emotionen zum Beispiel beim Bedienen eines neu entwickelten Smartphones auftreten. In allen Situationen, in denen es darum geht, zu erfassen, wie sich ein Mensch fühlt, bringt Ihnen eine nonverbale Analyse – insbesondere der Mimik – wertvolle Einsichten.

Als Eltern sehen Sie, wie Ihre Kinder sich wirklich fühlen, wenn sie zum Beispiel sagen, dass es in der Schule schön war. So können Sie Ihre Kleinen (oder auch die Größeren) besser ermutigen, zu lernen, ihre Gefühle auszudrücken. Und Sie erkennen, wann Sie ihnen besser ihre Privatsphäre lassen. Da das Fundament für emotionale Intelligenz in der Familie gelegt wird, können wir durch unser Verhalten die Entwicklung positiv fördern.

Aus den genannten Beispielen erkennen Sie, dass es im Wesentlichen um die Antworten auf die folgenden drei Fragen geht:

Wenn Sie die Erkenntnisse aus diesem Buch trainieren und anwenden, erhalten Sie die Antworten auf diese Fragen und können Ihre Gesprächsführung auf diese Weise situativ anpassen bzw. wertvolle Einblicke in Emotions- und Beziehungsdynamiken erhalten.

Exkurs: Emotionserkennung bei Stress und psychischen Störungen

Über die oben genannten Einsatzfelder hinaus gibt es noch ein anderes wichtiges Anwendungsgebiet: das Training der Emotionserkennungsfähigkeit bei Stress und psychischen Störungen. Nicht nur bei Autismus ist die Fähigkeit eingeschränkt, Gefühle bei anderen Menschen richtig zu erkennen. In einer Studie (Benecke, Bock, Peham, Koschier & Biebl 2008) wurde gezeigt, dass auch durch andere Störungen diese Fähigkeit abnehmen kann. Untersucht wurden in diesem Zusammenhang fünf verschiedene psychische Störungen:

Faszinierend an den Ergebnissen ist, dass die Schwere der Störung das Ausmaß der Einschränkung nur unerheblich beeinflusst. Nach dieser Studie ist für die Emotionserkennungsfähigkeit also nicht ausschlaggebend, ob zum Beispiel eine Depression schwer oder nur leicht ist.

Im Bereich Autismus wurde bereits nachgewiesen (Schlitt 2010), dass ein Training im Erkennen von Gefühlsausdrücken zu deutlichen und stabilen Verbesserungen der Emotionserkennungsfähigkeit führt. Hier lohnt es sich aus meiner Sicht weiter zu forschen, denn mit einer Verbesserung der Emotionserkennungsfähigkeit im Feld der psychischen Störungen kann so mancher Leidensdruck in der sozialen Interaktion und der Kommunikation gelindert werden.

Die Tatsache, dass die Schwere der psychischen Störung nicht entscheidend für eine Verminderung der Emotionserkennungsfähigkeit ist, lässt die Frage aufkommen, inwiefern ein hoher Stresspegel auch die Empathie bei gesunden Menschen beeinflusst. Denn Stress und Depressionen stehen neurobiologisch betrachtet in einem engen Zusammenhang (Benkert 2005). Malcolm Gladwell (2005) schreibt dazu in seinem sehr empfehlenswerten Buch Blink!: „Ich behaupte, dass wir uns in Momenten, in denen wir unter Zeitdruck geraten, zeitweise in Autisten verwandeln.“ Damit meint er, dass wir in Momenten emotionalen Stresses gefühlsblind werden. Wir erkennen dann die Gefühle anderer nicht mehr treffsicher. Dies gilt auch für Menschen, die unter normalen Bedingungen über hohe empathische Fähigkeiten verfügen. Für alle, die darauf angewiesen sind, auch unter Druck die Gefühle anderer richtig einzuschätzen, ist das eine wichtige Erkenntnis. Warum? Nehmen wir an, Sie arbeiten im Sicherheitsbereich, kommen in eine Gefahrensituation und müssen schnell entscheiden, ob eine andere Person gewaltbereit oder friedlich ist. Ist Ihre Emotionserkennungsfähigkeit in diesem Moment eingeschränkt, kann das über Leben und Tod entscheiden. Doch auch in nicht offensichtlich lebensbedrohlichen Situationen kann der Stresspegel ansteigen. Manchmal reicht es, dass das psychische Wohlbefinden in Gefahr ist, wie zum Beispiel in Konfliktgesprächen oder im Umgang mit Kundenbeschwerden. Wollen wir solche Gespräche wirkungsvoll führen, sind wir darauf angewiesen, die Emotionen unserer Gesprächspartner richtig einzuschätzen. Umso fataler, wenn gerade diese Fähigkeit durch den aufsteigenden Stress gehemmt wird. Zum Glück kann hier ein gezieltes Wahrnehmungstraining helfen, denn durch Übung und Erfahrung lernen wir, auch unter Stress bessere Spontanentscheidungen zu treffen.

Ziel dieses Buches ist es, Ihnen Wissen und praktische Tipps zu nonverbaler Kommunikation und dem angemessenen, zielführenden Umgang mit Emotionen zur Verfügung zu stellen, damit Sie Ihre Wahrnehmungs- und Kommunikationsfähigkeiten trainieren und noch weiter ausbauen können. Lassen Sie uns im Folgenden die Stationen dieser Reise im Überblick anschauen.

Das erwartet Sie in diesem Buch

Im nächsten Kapitel – Warum die Mimik? – werden wir uns mit den wissenschaftlichen Grundlagen der Mimikresonanz beschäftigen. Dabei schauen wir uns an, warum die Mimik prädestiniert dafür ist, die Gefühle eines Menschen zu erkennen. Und wir werden uns auf einer kleinen Reise durch die Zeit die Anfänge und die Geschichte der Mimikforschung ansehen.

Im Kapitel 2, Mimikscouting: die „Spuren der Mimik“ lesen, beginnen wir damit, in die Faszination des Mimik-Lesens einzutauchen. Dieses Kapitel verfolgt drei Ziele: zu lernen, anderen genauer ins Gesicht zu schauen; zu trainieren, auch schnelle Signale wahrzunehmen und die allgemeine Aufmerksamkeit für nonverbale Veränderungen zu schulen.

Das Kapitel 3, Der Mimikcode: die Mimik entschlüsseln, beschreibt das Herz der Mimikresonanz. Hier geht es um die Dinge, welche die Mimik uns verraten kann und Sie lernen alles über bewusst, aber auch über unwillentlich gesteuerte Gesichtsausdrücke und wie Sie diese voneinander unterscheiden. Wenn Sie dieses Kapitel durchgearbeitet haben, werden Sie die zehn wichtigsten Emotionen präzise erkennen, auch wenn sie nur subtil auftreten. Und Sie werden wissen, was die Mimik über die Persönlichkeit eines Menschen verrät.

Durch das Kapitel 4, Das Ganze wahrnehmen: Was Körper und Sprechen verraten, erweitern Sie Ihre Wahrnehmung um Signale des Körpers und aus der Sprachstruktur eines Menschen. Dies hilft Ihnen, mimische Signale noch sicherer und genauer zu lesen.

Nach dem fünften Kapitel In Resonanz mit dem Gesprächspartner werden Sie die Natur der Emotionen noch besser verstehen und darauf aufbauend gelernt haben, wie Sie angemessen und zielführend mit nonverbalen Signalen umgehen.

Im Kapitel 6, Sich mit Mimikresonanz schützen: Wie man Lügen erkennt, geht es darum, wie Sie die bisherigen Erkenntnisse nutzen können, um Täuschungshinweise in einem Gespräch zu erkennen.

Das siebte Kapitel, Mimikresonanz in der Praxis, liefert Ihnen Ideen und Ansätze, wie Sie Mimikresonanz einsetzen können.

Abschließend schauen wir uns in einem Ausblick an, wie Sie Mimikresonanz in Ihren Alltag integrieren können, so dass Sie optimal von Ihren Erkenntnissen profitieren.

Der Anhang dient Ihnen als Wissenspool während der Lektüre. Dort finden Sie unter anderem eine Beschreibung der Gesichtsbereiche, die 20 wichtigsten mimischen Bewegungseinheiten und ein Glossar, in dem die zentralen Fachbegriffe erläutert werden.

1. Warum die Mimik?
Die wissenschaftlichen Grundlagen der Mimikresonanz

Nach diesem Kapitel können Sie die folgenden Fragen beantworten:

Die Geschichte der Mimikforschung beginnt mit keinem Geringeren als dem Evolutionsbiologen Charles Darwin. In seinem Grundlagenwerk „Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren“ (1877) schreibt er: „Die Bewegungen der Mimik enthüllen die Gedanken und Absichten eines Menschen mehr als Worte.“ Darwin war einer der ersten, der den nonverbalen Ausdruck von Gefühlen bei Mensch und Tier eingehend studiert und beschrieben hat. In der Tat ist die Mimik heute das wissenschaftlich am besten untersuchte Feld im Bereich der nonverbalen Kommunikation. Wir blicken hier auf einen langen Zeitraum der Forschung zurück, mit vielen Erkenntnissen, die Sie nutzbringend in Ihrer Praxis einsetzen können; sei es im beruflichen Kontext, wie in Kunden- oder Mitarbeitergesprächen, oder im privaten Umfeld. Auf diesem Gebiet stellen speziell die Mikroexpressionen einen spannenden und sehr wirksamen, bisher aber von vielen Menschen unberücksichtigten Zugang dar.

Zu der soliden wissenschaftlichen Grundlage kommt hinzu, dass an keinem anderen Körperbereich Emotionen so deutlich und konkret werden wie im Gesicht. Die übrige Körpersprache (wie zum Beispiel Körperhaltung und Gestik) hat zwar einen zusätzlichen Einfluss auf den nonverbalen Ausdruck von Emotionen – manche Gefühle, zum Beispiel Ärger, zeigen sich auch an einer Bewegung des Körpers nach vorne oder Angst an einem Zurückweichen –, aber nur die Mimik kann ohne weitere Zusätze das volle Spektrum der Emotionen ausdrücken. Während uns also das Gesicht verrät, welche konkrete Emotion jemand gerade spürt, ist die Körpersprache hier weniger genau. Sie können anhand des Körpers zwar sagen, ob jemand gerade entspannt oder emotional gestresst ist, Sie können aber nur schwer beurteilen, ob es sich bei diesem Stress um Angst, Trauer, Ärger oder Ekel handelt. Sobald das Gesicht als Informationsquelle dazukommt, ist dies leicht möglich. Das Gesicht ist sozusagen das im Mittelpunkt stehende Soloinstrument einer Symphonie. Es kann alleine die Melodie eines Musikstückes tragen und die anderen Instrumente unterstützen es dabei. So kann die Mimik zum Beispiel alleine Trauer oder Angst ausdrücken. Meist wird sie dann im Ausdruck durch die Körpersprache unterstützt und die dadurch übermittelte Emotion noch deutlicher.

Wie wichtig das Gesicht als Informationsquelle in einem Gespräch ist, können Sie an folgendem Beispiel merken. Stellen Sie sich einmal vor, Sie möchten mit einem Freund über ein wichtiges, möglicherweise gar brenzliges Thema sprechen. Telefonieren Sie mit ihm oder ziehen Sie ein persönliches Gespräch von Angesicht zu Angesicht vor? Wahrscheinlich werden Sie wie die meisten von uns das persönliche Gespräch bevorzugen, weil Sie den anderen dann sehen können. So weit so gut. Jetzt stellen Sie sich vor, Sie treffen sich, aber während der Unterhaltung hat Ihr Freund eine Sonnenbrille auf. Im Regelfall wird Sie dies verunsichern, denn Ihnen fehlt auf einmal eine wichtige Informationsquelle, um einschätzen zu können, was in Ihrem Gegenüber vorgeht – die Augenregion. Die ist, wie wir später noch sehen werden, der zuverlässigste Bereich im Gesicht, um zu erkennen, wie sich ein Mensch fühlt.

1.1 Der mimische „Draht“ zum limbischen System

Aber warum ist nun gerade die Mimik so prädestiniert dafür, unsere Gefühle auszudrücken? Einer der Hauptgründe dafür ist, dass unsere mimische Muskulatur direkt mit unserem limbischen System verknüpft ist. Dadurch werden Emotionen im Gesicht besonders deutlich. Das limbische System ist ein entwicklungsgeschichtlich sehr alter Teil des Gehirns, der sich aus mehreren Strukturen zusammensetzt (zum Beispiel Amygdala und Hippocampus), die alle in irgendeiner Form mit der Emotionsverarbeitung zu tun haben.

In Untersuchungen konnte aber noch mehr nachgewiesen werden: Unsere Mimik drückt nicht nur unsere Gefühle aus, sie beeinflusst sie auch. In einer Studie (Hennenlotter et al. 2009) wurde gezeigt, dass eine Aktivität der mimischen Muskulatur – zum Beispiel das Zusammenziehen der Augenbrauen – zu einer unmittelbaren Aktivität im limbischen System führt. Je stärker die Mimik, desto aktiver das limbische System; je schwächer die Mimik, desto weniger aktiv das limbische System. Dieses Phänomen wird auch als Facial-Feedback-Hypothese bezeichnet.

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Abbildung 2: Mimische Muskulatur und limbisches System – ein zusammenhängendes System

Die Facial-Feedback-Hypothese oder: Wie Achtsamkeit für die eigene Mimik glücklich macht

Die Facial-Feedback-Hypothese sagt aus, dass unsere Mimik Gefühle nicht nur nach außen kommuniziert, sondern auch nach innen. Wenn wir zum Beispiel bewusst einen ärgerlichen Gesichtsausdruck aufsetzen, werden auch entsprechend Ärger-Gefühle in uns aktiviert. Die Mimik aktiviert und verstärkt also unsere Gefühle.

Das können Sie ganz leicht überprüfen und auch für Ihr Selbstmanagement einsetzen: Wenn Sie sich das nächste Mal ärgern, entspannen Sie doch einmal bewusst Ihr Gesicht (insbesondere die Augenbrauen) und achten Sie darauf, was mit dem Ärger-Gefühl passiert. Sie werden merken: Mit entspannten Augenbrauen fällt Ärgern wirklich schwer.

Zur Facial-Feedback-Hypothese gibt es mittlerweile einige interessante Studien. Entdeckt wurde dieses Phänomen durch Zufall. Als der amerikanische Psychologe Paul Ekman in den 1970er-Jahren gemeinsam mit seinem Kollegen Wallace Friesen das Facial Action Coding System (FACS)[1] entwickelte, machte er eine unerwartete Entdeckung. Um zu untersuchen, wie bestimmte mimische Bewegungen den Gesichtsausdruck verändern, spannte er nacheinander jeden Gesichtsmuskel an. Die Muskeln, die er nicht bewusst ansteuern konnte, aktivierte er mittels Nadeln durch Elektrostimulation. Ekman und Friesen begannen mit einem Muskel und steigerten sich dann soweit, bis sie mehrere Muskeln gleichzeitig anspannen konnten. Dabei fiel ihnen auf, dass jedes Mal, wenn sie einen Gesichtsausdruck originalgetreu entsprechend einer bestimmten Emotion nachstellten, automatisch das Gefühl dazu auftrat. Die beiden begannen nachzumessen, wie der Körper reagierte, wenn sie eine bestimmte Emotion mimisch darstellten. Und sie fanden heraus, dass der Gesichtsausdruck ausreichte, um eindeutige emotionsspezifische Veränderungen im autonomen Nervensystem zu erzeugen. Diese Entdeckung nannte Ekman „Facial Feedback“ – die Idee, dass die Mimik nicht nur nach außen, sondern auch nach innen kommuniziert. Die Gesichtsmuskulatur gibt also Rückmeldung, sodass im Gehirn die Emotion erzeugt wird, die zur momentanen Mimik passt.

1988 sollte mithilfe einer Studie geklärt werden, ob man sich bewusst sein muss, dass man gerade lächelt, um dadurch angenehme Gefühle zu erleben. Zunächst galt es das Problem zu lösen, wie man einen Menschen zum Lächeln bringt – ohne dass dieser merkt, dass er gerade lächelt. In der psychologischen Forschung bedient man sich einer sogenannten Cover-Story: Man erfindet eine Geschichte, um vom eigentlichen Forschungsgrund abzulenken. Die Cover-Story für dieses Experiment lautete wie folgt: „Es soll die Fähigkeit untersucht werden, unterschiedliche Aufgaben mit Körperteilen auszuführen, die normalerweise für diese Aufgaben nicht benutzt werden. Diese Aufgaben beziehen sich auf körperliche Fähigkeiten, wie zum Beispiel Linien zeichnen, aber auch auf alltägliche mentale Aktivitäten wie Lesen.“ Gruppe 1 (Kontrollgruppe) wurde gebeten, während der Aufgaben einen Stift mit der nicht-dominanten Hand zu halten. Gruppe 2 sollte den Stift mit den Lippen und Gruppe 3 mit den Zähnen (ohne dass die Lippen ihn berühren) festhalten (vgl. Abbildung).

Wenn Sie wie Gruppe 3 den Stift mit den Zähnen festhalten – ohne ihn mit den Lippen zu berühren –, dann müssen Sie einen Muskel anspannen, der Zygomaticus major (großer Jochbeinmuskel) heißt. Diesen Muskel benutzen Sie, wenn Sie lächeln. Wenn Sie hingegen den Stift wie Gruppe 2 mit den Lippen festhalten, wird dabei der Orbicularis oris (Ringmuskel des Mundes) angespannt, was die Anspannung des Lächelmuskels verhindert. Den Teilnehmern der Studie wurden vier Aufgaben gestellt, wobei Aufgabe eins bis drei lediglich Bestandteile der Cover-Story waren. Die Versuchspersonen mussten mit ihren jeweiligen Stifthalte-Techniken Linien ziehen, Punkte verbinden und Buchstaben unterstreichen. Es war die vierte Aufgabe, für die sich die Forscher interessierten. Die Probanden sollten sich vier Cartoons von Gary Larson anschauen und sie anschließend auf einer Lustigkeits-Skala von 0 (gar nicht lustig) bis 9 (sehr lustig) bewerten. Und in der Tat bestätigte sich die Ausgangsvermutung: Gruppe 3 (Lächelmuskel-Gruppe) stufte die Cartoons im Durchschnitt mit einem Lustigkeitsfaktor von 5,14 ein. Gruppe 2, die durch die Lippen-Haltung des Stiftes am Lächeln gehindert wurde, kam nur auf 4,32 Lustigkeitspunkte. In der Kontrollgruppe ergab sich mit 4,77 ein Wert, der zwischen den beiden anderen Gruppen lag. Mit diesem Experiment konnte die Forschergruppe nachweisen, dass die Gesichtsmuskulatur wirklich einen Einfluss auf die Stimmung hat – und das ohne vermittelnde kognitive Prozesse, das heißt, ohne dass die Probanden sich bewusst waren, dass sie gerade lächelten.