Der Zwerg Friedrich

Herr Mockinpott lernte Friedrich am Dienstag kennen, als er am frühen Abend seinen Biomüll in der Biotonne entsorgen wollte. Da kannte er Friedrichs Namen allerdings noch nicht.

Die Tonne war übervoll wie immer am Dienstag. Geleert wurde sie erst am Mittwoch. Deshalb stellte Herr Mockinpott seine Papiertüte neben die Tonne auf den Steinboden. Da standen schon zwei volle Tüten und daneben ein Gartenzwerg. Während er noch überlegte, ob Gartenzwerge wohl in die Biotonne oder in den Restmüll gehören, sah er zu seiner Verblüffung, dass der Zwerg sich bewegte. Gerade stellte der kleine Mann sich auf die Zehenspitzen und spähte in eine der vollen Papiertüten.

»Ein Zwerg!«, rief Herr Mockinpott verblüfft.

»Ich bin kein Zwerg, auch wenn mich die Menschen ständig als solchen bezeichnen«, sagte der Kleine missmutig. »Am liebsten würde ich mir ein Schild an die Mütze stecken mit der Aufschrift Kein Zwerg und drei Ausrufezeichen dahinter: Kein Zwerg!!!«

Herr Mockinpott hätte ja sagen können: Wie soll man sonst jemanden nennen, der nicht mal so hoch ist wie ein Regenschirm? Aber er wollte nicht unhöflich sein und sagte stattdessen: »Entschuldigung, da habe ich Sie vielleicht etwas zu klein eingeschätzt. Das muss an meiner Brille liegen. Sie ist neu.«

Der kleine Mann sagte: »Steht dir nicht besonders gut, die Brille. Damit siehst du aus wie eine zu groß geratene Eule!« Er fand seine Bemerkung anscheinend so witzig, dass er anfing, meckernd darüber zu lachen.

Herr Mockinpott fand das nicht gerade höflich. Außerdem fand er es unpassend, dass ihn der Kleine einfach duzte. Schließlich kannten sie sich gerade mal drei Minuten. Deswegen sagte er: »Aber trotz dieser Eulenbrille kommt es mir so vor, als wären Sie kaum größer als ein Zwerg. Als was würden Sie sich denn selbst bezeichnen?«

»Jedenfalls nicht als Zwerg«, knurrte der Kleine.

»Sondern?«, fragte Herr Mockinpott weiter.

»Als Heinzelmann.«

»Heinzelmann? Kommen Sie zufällig aus Köln?«, fragte Herr Mockinpott.

»Was für eine alberne Idee!«, sagte der Heinzelmann.

»Damals in der Schule haben wir mal ein Gedicht gelesen, das hieß Die Heinzelmännchen von Köln. Ich erinnere mich noch an die Schlusszeile«, sagte Herr Mockinpott. »Und eh ein Faulpelz noch erwacht, war all sein Tagwerk schon gemacht. Die Heinzelmännchen in dem Gedicht haben den Menschen die Arbeit abgenommen. Machen Sie so was auch?«

»Warum fragst du?«, sagte der Heinzelmann. »Bist du etwa ein Faulpelz?«

»Nein, nein«, versicherte Herr Mockinpott schnell.

»Ich kenne dieses dumme Gedicht. Alles gelogen!«, sagte der Heinzelmann. »Außerdem hast du es falsch in Erinnerung. Es heißt nicht Tagwerk, sondern Teigwerk. Da hat mal ein Heinzelmännchen einer Frau geholfen, den Kuchenteig zu kneten, und schon erzählt man sich solche Geschichten. In Wirklichkeit haben die Menschen immer den Heinzelmännchen gedient.«

»Davon habe ich noch nie etwas gehört«, sagte Herr Mockinpott. »Wie soll das gehen?«

»Man nimmt den Heinzelmann mit in seine Wohnung und gibt ihm Joghurt zu essen«, sagte der Kleine. »Heinzelmännchen mögen Joghurt mit Fruchtgeschmack. Am liebsten Erdbeere, Waldfrucht und Birne. Blaubeere geht aber auch. Nur nicht Mango oder Maracuja.«

»Weshalb keine Maracuja?«, fragte Herr Mockinpott.

»Darüber können wir uns gerne in deinem Wohnzimmer unterhalten«, sagte der Heinzelmann.

Herr Mockinpott erschrak. »Sie meinen doch nicht etwa, dass ich Sie mit in meine Wohnung nehmen soll?«, fragte er.

»Du kapierst ziemlich schnell«, lobte der Heinzelmann. »Das denkt man gar nicht, wenn man dich so anschaut. Also, gehen wir! Ich hoffe, du wohnst in einer Erdgeschosswohnung. Wie du dir vielleicht vorstellen kannst, steige ich nicht gern fünf Treppen hoch.«

»Ich wohne im dritten Stock«, sagte Herr Mockinpott schnell. »Viel zu weit oben für einen Zwerg, ich meine, für einen Heinzelmann wie Sie!«

»Wie kommt jemand auf die dumme Idee, sich eine Wohnung im dritten Stock zu mieten?«, schimpfte der Heinzelmann. »Da muss er ja jeden Tag die ganzen Treppen hochsteigen.«

Herr Mockinpott sagte: »Nein, es gibt ja einen Fahr…« Schnell hörte er auf zu sprechen. Zu spät.

Der Heinzelmann lachte. »Einen Fahrstuhl! Da hast du dich aber verraten. Also: auf zum Fahrstuhl!«

Und schon setzte er sich mit schnellen, kleinen Schrittchen in Richtung der Haustür in Bewegung.

»Moment, Moment!«, rief Herr Mockinpott. »Ich kenne Sie ja gar nicht. Wieso sollte ich Sie mit in meine Wohnung nehmen?«

»Na gut, dann machen wir uns eben erst bekannt«, sagte der Heinzelmann. »Ich heiße Friedrich.«

»Und wie noch?«, fragte Herr Mockinpott.

»Krominobuttelscherian«, sagte der Heinzelmann. »Mit Doppel-t in der Mitte.«

»Ich glaube, ich werde Sie nur Friedrich nennen«, sagte Herr Mockinpott.

»Warum? Gefällt Ihnen mein Familienname etwa nicht?«, fragte der Heinzelmann.

»Doch, doch, ich finde ihn sehr interessant. Allerdings ein bisschen lang«, sagte Herr Mockinpott.

»Ist deiner denn kürzer?«, fragte Friedrich.

»Ich heiße Walter Mockinpott!«, sagte Herr Mockinpott.

»Na schön, Mockinpott. Nachdem wir uns jetzt näher kennen, können wir ja in deine Wohnung fahren.«

»Wieso fahren?«, fragte Herr Mockinpott.

»Du kannst vielleicht dumme Fragen stellen, Mockinpott!«, rief Friedrich. »Natürlich mit dem Fahrstuhl. Hast du das schon wieder vergessen?«

Was blieb Herrn Mockinpott anderes übrig, wollte er nicht unhöflich erscheinen? Er nahm Friedrich mit sich in den Fahrstuhl und fuhr mit ihm nach oben.

Vor der Wohnungstür blieb Friedrich kopfschüttelnd stehen. »Nicht zu fassen! Mockinpott, was hast du dir dabei gedacht?«

»Was ist, bitte schön, nicht zu fassen?«, fragte Herr Mockinpott, während er die Tür aufschloss.

»Das Namensschild. Das ist ja derartig hoch angebracht, dass es unsereiner kaum lesen kann. Ich hätte glatt Sockenpott oder Mückenpott von hier unten gelesen, wenn ich nicht wüsste, dass du Mockinpott heißt.«

Der Heinzelmann zeigte auf eine Stelle ungefähr auf Kniehöhe von Herrn Mockinpott. »Da schraubst du das Schild hin, ja? Ich hoffe, du hast Schrauben in der Wohnung.«

»Nein, ich habe keine Schrauben, und ich denke auch nicht daran, das Schild da unten hinzuschrauben«, sagte Herr Mockinpott. »Wenn es Ihnen nicht passt, können Sie ja draußen bleiben.« Er war jetzt ein wenig böse.

Friedrich spürte das und sagte schnell: »War ja nur ein Vorschlag!« Er drängte sich an Herrn Mockinpott vorbei in den Flur und von dort aus ins Wohnzimmer. Als er sich dort umgesehen hatte, stützte er die Hände in die Hüften und blickte Herrn Mockinpott vorwurfsvoll an. »Und was hast du dir gedacht, wie ich auf das Sofa kommen soll?«, fragte er.

»Weshalb aufs Sofa?«, fragte Herr Mockinpott.

»Wie ich gehört habe, lassen Menschen ihre Gäste auf dem Sofa Platz nehmen«, sagte der Heinzelmann. »Ich schlage vor, du kippst einen Stuhl um und legst ihn schräg an das Sofa. Dann kann ich hinaufklettern, während du einen Joghurt aus der Küche holst.«

»Erstens habe ich keinen Joghurt in der Küche, zweitens würde ich sowieso nicht erlauben, dass jemand Joghurt auf meinem guten Sofa isst«, sagte Herr Mockinpott.

»Du kannst ja ein paar Becher Joghurt kaufen gehen«, sagte Friedrich. »Du weißt: mit Fruchtgeschmack.«

»Jetzt am Abend haben die Läden schon geschlossen«, sagte Herr Mockinpott. »Ich kann Ihnen höchstens eine Scheibe Brot mit Butter anbieten.«

»Weißbrot?«, fragte der Heinzelmann.

»Nein, Vollkornbrot«, antwortete Herr Mockinpott.

»Nein, danke. Da lege ich mich lieber hungrig schlafen«, sagte Friedrich. »Wo geht es hier zum Schlafzimmer?«

»Sie wollen die Nacht bei mir verbringen?«, fragte Herr Mockinpott erschrocken. »Ich hatte eher mit einem kurzen Besuch gerechnet.«

»Ich finde es nicht korrekt, dass du ständig auf meine Größe anspielst«, sagte der Heinzelmann sauer.

»Wieso auf Ihre Größe?«

»Hast du gerade etwa nicht von einem Kurzen-Besuch gesprochen? Das war ja wohl eine Anspielung!«

»Das ist ein Missverständnis«, beruhigte Herr Mockinpott den Kleinen. »Ich meinte: einen nicht sehr lange dauernden Besuch.«

»Na gut, ich nehme deine Entschuldigung an«, sagte der Heinzelmann. »Und jetzt will ich schlafen.«

»Aber nicht im Schlafzimmer!«, sagte Herr Mockinpott entschieden. »Sie können bis morgen meinetwegen hier auf dem Sofa übernachten.«

»Hast du keine Decke zum Zudecken?«, fragte Friedrich.

Herr Mockinpott holte seufzend eine Wolldecke aus dem Schlafzimmer und deckte den Heinzelmann damit zu.

»Keine Kamelhaardecke?«, fragte der Heinzelmann. »Kamelhaardecken sind gemütlich.«

»Nein, ich habe keine Kamelhaardecke!«, sagte Herr Mockinpott bestimmt.

»Dann brauche ich nur noch ein etwas weicheres Kissen!«, sagte Friedrich. »Das hier ist mir zu dick gepolstert.«

»Ich habe auch kein dünner gepolstertes Kissen«, sagte Herr Mockinpott. »Und wenn ich eines hätte, würde ich es Ihnen nicht bringen. Langsam habe ich nämlich genug von Ihren Sonderwünschen.«

Er hatte beschlossen, etwas entschiedener mit dem Kleinen umzugehen. Höflichkeit hin oder her! Streng sagte er: »Gute Nacht. Ich gehe jetzt schlafen und wünsche keine weiteren Störungen mehr.« Dann wurde er doch wieder etwas versöhnlicher, lachte und fragte: »Und eh ich aus dem Schlaf erwacht, ist dann mein Tagwerk schon vollbracht?«

»Ich habe schon bessere Witze gehört«, knurrte der Heinzelmann und wandte Herrn Mockinpott den Rücken zu.

 

Herr Mockinpott hatte gedacht, dass am nächsten Tag das Heinzelmann-Abenteuer ausgestanden wäre.

Da hatte er sich aber sehr getäuscht.

Friedrich dachte nicht daran, sich zu verabschieden. Und nicht nur das: Auch häuften sich merkwürdige Vorfälle, seitdem der kleine Mann sich bei Herrn Mockinpott einquartiert hatte.

»Musst du denn nicht zur Arbeit gehen?«, fragte der Heinzelmann am Mittwochmorgen. »Ich dachte, Menschen gehen unter der Woche ins Büro oder in die Fabrik?«

»Normalerweise arbeite ich werktags im Fundbüro«, sagte Herr Mockinpott. »Aber ich habe gerade Urlaub.«

»Wie schön für dich!«, sagte Friedrich. Es klang aber nicht sehr begeistert. Eher so, als hätte er die Wohnung lieber für sich allein gehabt.

Als Herr Mockinpott dann am Mittag aus der Stadt zurückkam, wo er ein paar Erledigungen gemacht hatte, stand vor der Wohnungstür ein Karton mit zwölf Joghurtbechern. Darauf lag eine Rechnung, die an ihn adressiert war.

Herr Mockinpott ahnte, wer ihm diese Lieferung beschert hatte, eilte ins Wohnzimmer und stellte den Heinzelmann zur Rede. »Haben Sie etwa diesen Joghurt bestellt?«

»Ach, dann sind sie wohl endlich angekommen«, sagte Friedrich. »Ich dachte es mir schon, als es an deiner Tür geklingelt hat. Ich konnte ja nicht aufmachen. Die Klinke ist viel zu hoch. Sonst hätte ich die Becher schon in den Kühlschrank gestellt.«

»Wie kommst du dazu, in meinem Namen Joghurt zu bestellen? Und wie hast du das überhaupt geschafft?« In seinem Zorn hatte Herr Mockinpott tatsächlich angefangen, seinen Gast zu duzen.

»Das sind zwei Fragen auf einmal«, sagte der Heinzelmann. »Erstens: Ich war so freundlich, dir Joghurt-Nachschub zu bestellen, weil dein Kühlschrank gähnend leer war. Dafür hätte ich eher ein Dankeschön erwartet, aber ich will dir keinen Vorwurf machen. Zweitens: Ich habe ganz einfach telefoniert und zwölfmal Joghurt für Mockinpott vorbeibringen lassen.«

»So was wirst du nie wieder tun!«, sagte Herr Mockinpott, während er das Telefon auf den Schrank stellte. »So! Jetzt ist ein für alle Mal Schluss damit.«

 

Da hatte Herr Mockinpott sich aber getäuscht. Am nächsten Tag klingelte der Paketbote und lieferte ein großes, nicht sehr schweres Paket für ihn ab.

Herr Mockinpott unterschrieb den Lieferschein und ging erwartungsvoll mit dem Paket in die Küche. Friedrich hatte alles mitbekommen und stand neben ihm, als er die Verpackung mit der Küchenschere aufschnitt.

»Es könnte ein verspätetes Geschenk sein«, sagte Herr Mockinpott. »Letzten Donnerstag hatte ich nämlich Geburtstag.«

»Glückwunsch!«, sagte der Heinzelmann.

»Was soll das denn?«, rief Herr Mockinpott gleich darauf und zog eine Kamelhaardecke heraus. Zusammen mit einer Rechnung über zweihundertsiebzig Euro, ausgestellt auf den Namen Mockinpott.

»Warst du das etwa schon wieder?« Nun wurde er richtig laut. »Wie konntest du die Decke bestellen? Das Telefon steht doch auf dem Schrank!«

»Das sind mal wieder zwei Fragen auf einmal«, sagte Friedrich. »Erstens: Ja, ich habe dir diese schöne Decke bestellt. Du hast ja selbst gesagt, dass Kamelhaardecken gemütlich sind.«

»Das hast du gesagt, nicht ich!«, rief Herr Mockinpott.

»Zweitens: Ich habe mir erlaubt, dafür deinen Computer zu benutzen«, sagte der Heinzelmann ungerührt. »Du hattest ihn ja auf das kleine Tischchen im Wohnzimmer gestellt. Genau in Heinzelmann-Höhe.«

»Mein Laptop!«, rief Herr Mockinpott, während er das Gerät neben das Telefon auf den Schrank stellte. »Mit diesem Unsinn ist jetzt Schluss!«

Von wegen! Denn Friedrich hatte nicht nur die Decke bestellt, wie sich kurz darauf herausstellte. Im nächsten Moment klingelte nämlich der Briefträger und gab einen dicken, braunen Briefumschlag an der Wohnungstür ab.

»Eine DVD?«, wunderte sich Herr Mockinpott. »Ich weiß gar nicht mehr, wann ich die bestellt hatte.«

Aber als er den Titel sah, wusste er Bescheid.

»Schneewittchen und die sieben Zwerge?«, las er vor. »Das ist ja wohl ebenfalls deine Bestellung!«

»Ja, ja. Wollen wir uns den Film zusammen ansehen?«, fragte der Heinzelmann. »Er soll sehr spannend sein.«

Herr Mockinpott stöhnte. »Wann werde ich dich nur wieder los?«, fragte er. »Wann gehst du endlich?!«

»Könnte man sagen, dass du nicht sehr gastfreundlich bist?«, fragte der Heinzelmann. »Ja, das könnte man sagen. Ich mache dir aber keinen Vorwurf deswegen. Das muss an deiner Erziehung liegen.«

Herr Mockinpott ließ ihn einfach stehen und ging aus dem Zimmer. Er musste sich beruhigen. Es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte seinen Gast angebrüllt. »Wenn das so weitergeht, ist dieser Heinzelmann noch hier, wenn mein Urlaub längst vorbei ist«, klagte er halblaut. »Den kriege ich wohl nie mehr los!«

 

Da hatte Herr Mockinpott sich aber wieder getäuscht.

Denn am nächsten Morgen gegen zehn Uhr vierzig klingelte es stürmisch an seiner Wohnungstür.

Er öffnete. Draußen standen einige Zwerge.

»Ja, bitte?«, sagte Herr Mockinpott. »Wer sind Sie, und was wollen Sie?«

»Wer wir sind? Das kann ich Ihnen genau erklären«, sagte einer der Zwerge. Er war drei oder vier Zentimeter größer als die anderen. Wahrscheinlich der Zwergen-Chef!

»Wie konnten Sie überhaupt klingeln?«, fragte Herr Mockinpott weiter. »Das Klingelschild ist ziemlich weit oben. Und Sie sind ja alle ein wenig kurz, wenn ich das so sagen darf.«

»Dürfen Sie«, erlaubte der Zwergen-Chef. »Bonifaz hat sich auf die Schulter von Adalbert gestellt, und Christopher ist auf die Schulter von Bonifaz geklettert und hat geläutet. Wie Sie sehen: kein Problem.«

»Ah, ja«, machte Herr Mockinpott. »Wollen Sie mir nicht endlich erklären, wer Sie sind?«

»Das wollte ich. Aber Sie lassen mich ja nicht zu Wort kommen«, sagte der Oberzwerg. Die anderen Zwerge nickten bestätigend. Ihr Chef fuhr fort: »Also gut, Adalbert, Bonifaz und Christopher habe ich ja schon genannt. Könnt ihr bitte mal vortreten, damit der Herr sieht, wer ihr seid?«

Drei Zwerge machten einen Schritt nach vorne und verbeugten sich.

»Dann haben wir hier noch Dieter, Emil und mich, Gustav«, sagte der Zwerg. »Mit anderen Worten: Wir sind die sieben Zwerge.«

»Wenn ich richtig mitgezählt habe, sind Sie aber nur sechs Zwerge«, sagte Herr Mockinpott.

»Sie haben richtig gezählt. Das ist ja gerade das Problem. Ist Ihnen bei unseren Namen etwas aufgefallen?«, fragte der Zwergen-Chef.

»Es sind ganz gebräuchliche Namen. Manche klingen etwas veraltet. Wollen Sie darauf hinaus?«, fragte Herr Mockinpott.

»Nein, das meine ich nicht«, sagte Gustav. »Ich hoffe, Sie kennen das Abc.«

»Sie meinen das Alphabet?«, fragte Herr Mockinpott.

»Ich meine die Reihenfolge der Buchstaben im Abc«, sagte der Oberzwerg.

»Ach, so«, sagte Herr Mockinpott und fing an: »A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K …«

»Sie müssen nicht das ganze Abc aufsagen. Wir glauben Ihnen ja schon, dass Sie es können«, unterbrach ihn der Zwergen-Chef schnell. »Jetzt hören Sie noch mal genau hin, wenn ich unsere Namen aufzähle: Adalbert, Bonifaz, Christopher, Dieter, Emil, Gustav. Na?«

»Das F fehlt! Ein Name mit F fehlt«, rief Herr Mockinpott.

»Genau!« Der Oberzwerg nickte. »Welcher Name könnte das sein?«

»Ich weiß nicht«, sagte Herr Mockinpott. »Vielleicht Felix oder Franz oder Florian?«

»Wie wäre es mit Friedrich?«, fragte Gustav.

»Friedrich?«, wiederholte Herr Mockinpott. Langsam ging ihm ein Licht auf. Aufgeregt fragte er: »Sprechen Sie etwa von diesem Friedrich in meiner Wohnung? Aber das ist kein Zwerg. Das ist ein Heinzelmann!«

»Heinzelmann! Hä, hä, Heinzelmann!«, riefen die Zwerge durcheinander und lachten sich schief.

»So, so. Hat er sich Ihnen gegenüber als Heinzelmann ausgegeben?«, fragte der Oberzwerg. »Kürzlich hat er behauptet, er sei ein Wichtelmann, dieser Hochstapler. Dieser Faulpelz! Arbeitsverweigerer!«

»Arbeitsverweigerer, Arbeitsverweigerer!«, riefen die anderen Zwerge im Chor.

»Sie gestatten, dass wir Ihre Wohnung betreten?«, fragte der Zwergen-Chef.

Die Zwerge warteten Herrn Mockinpotts Antwort gar nicht erst ab und stürmten an ihm vorbei in die Wohnung. Schnell verteilten sie sich in alle Zimmer, während sie schrien: »Komm raus, Friedrich! Wo steckst du?«

Bevor Herr Mockinpott zur Wohnungstür gegangen war, um zu öffnen, hatte Friedrich am Küchentisch gesessen und aus einem Becher Joghurt der Marke Himbeertraum gelöffelt. Jetzt war er spurlos verschwunden.

Aber nicht lange. Der Zwerg Emil zog ihn kurz darauf an den Ohren aus der Bodenvase, in der er sich versteckt hatte.