Ein Fremder in der Stadt

Alfred Bekker

Published by BEKKERpublishing, 2018.

Ein Fremder in der Stadt

von Alfred Bekker

––––––––

Ein Prediger, ein Spieler , eine rothaarige Hure und ein Revolverheld... Ihre Schicksale sind auf unbarmherzige Weise miteinander verwoben.

Der Dunkle Prediger kommt nach Lincoln – doch nicht, um das Wort Gottes zu verkünden. Stattdessen will er eine alte Rechnung begleichen und seine Mauser-Pistolen sprechen lassen.

Doch auch zwischen dem Town-Marshal und dem Saloonbesizer gibt es offene Rechnungen.

Es kommt der Tag, an dem die Colts sprechen...

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Inhaltsverzeichnis

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Dunkler Prediger

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Der Prediger kommt nach Lincoln

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Grainger und das blutige Dutzend

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Der Spieler

Ein Reiter aus dem Nirgendwo

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Dunkler Prediger

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von Alfred Bekker

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CARSON CITY IST EINE Stadt wie jede andere, eine Stadt voller Laster, Geheimnisse, Betrügereien und auch vor Mord wird hier nicht zurückgeschreckt. Doch als der Dunkle Prediger in die Stadt kommt, ist nicht sicher, ob das Gute oder Böse siegt...

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Er ist ein Bote des Todes.

Und der Rache.

Er sieht aus wie ein Prediger.

Der knielange, eng geschnittene Gehrock ist schwarz.

Der Hut auch.

Ebenso das Hemd und die Hose. Selbst seine Augen sind schwarz und die Pupillen scheinen kaum Platz für das Weiße zu lassen. 

Nur der Kragen ist weiß, wie man es von einem Reverend kennt. So blütenweiß, dass man sich fragen kann, wie er es schafft, ihn bei all dem Staub, der in der Luft liegt, auch nur einen Tag lang so sauber zu halten. Aber wenn er den Gehrock öffnet, kann man den Gürtel mit dem Spezialholster sehen. Zwei Pistolen vom Typ Mauser C96 stecken darin - mit dem Magazinkasten vor dem Abzug, in den bis zu zwanzig Patronen geladen werden können. Ungewöhnliche Waffen sind das hier im Westen. Ungewöhnliche Waffen mit einer ungewöhnlich großen Feuerkraft.

Selbst eine Winchester hat nicht so ein großes Magazin. Wer die beiden Mauser gesehen hat, ahnt dass für diesen Prediger die Barmherzigkeit nicht unbedingt das höchste Gebot ist.

Der linke Ärmel wird etwas ausgebeult, wenn er den Arm anwinkelt. Manchmal, wenn der Ärmel etwas zurückrutscht, kann man den Griff eines Wurfdolchs erkennen.

Der Prediger lenkt sein Pferd an diesem grauen Abend irgendwann im Jahr 1901 vor den HAPPY SINNER SALOON, das einzige Hurenhaus von Carson City, Nevada.

Der Prediger steigt von seinem Rappen und bindet ihn an der Querstange fest.

Dann geht er durch die Schwingtüren.

Gleich sind alle Augen auf ihn gerichtet.

Der Prediger lässt den Blick durch den Raum schweifen. 

Sein Blick bleibt an einem der Saloon Girls hängen. Sie trägt ein Kleid mit tiefem Ausschnitt. Ihr Haar ist rot. Ihre Augen grün wie der Schwefel der Hölle.

Sie senkt unwillkürlich den Blick, als er sie ansieht.

Sonst ist sie nicht schüchtern und so schnell lässt sie sich von Niemandem was sagen. Aber diesem Blick kann sie nicht standhalten. Ein Blick, der ihr bis in das tiefste Innere ihrer Seele zu gehen scheint.

“Einen Drink, Prediger?”, fragt der Barmann.

Der Prediger wendet den Kopf.

Sein Blick ist so durchdringend wie der Schuss aus einem 45er aus einer Entfernung von nicht mehr als einer Handspanne.

“Nur Wasser”, sagt der Prediger.

Seine Lippen bewegen sich kaum, während er spricht.

Der Barmann hebt die Augenbrauen

“Wasser?”

“Hat der Herr dir keine Ohren wachsen lassen, um zu hören?”

“Doch, doch...”

“Was fragst du dann!”

“Ist ja schon gut!”

Der Keeper stellt das Wasser auf den Schanktisch.

Der Prediger nimmt es.

Er trinkt es in einem Zug.

Er verzieht das Gesicht, als würde es bitter schmecken oder in der Kehle beißen wie hochprozentiger Whiskey. Dann stellt er das Glas wieder hin. Das klirrende Geräusch hat etwas Durchdringendes. Ein Laut, der durch Mark und Bein geht.

Er geht auf die junge Frau zu.

"Wie heißt du?"

"Madeleine."

"Wie heißt du wirklich?"

Sie macht die Augen schmal. Ihren schwefelhöllengrünen Augen scheinen dadurch noch mehr zu leuchten. "Hey, Mann..." Sie sieht ihn an und wird ganz blass. "Kennen wir uns irgendwoher?"

"Wie heißt du wirklich?", fragt er. Sein Gesicht ist so regungslos, als sei es aus Granit geschlagen worden. Sein Blick so durchdringend wie der Stich eines Dolchs.

"Okay, wenn es dir Spaß macht: Betty."

"Ich bin deinetwegen hier, Betty."

"Ach, wirklich? Sollen wir gleich hoch aufs Zimmer gehen?"

"Ja."

“Für einen Prediger hast du es aber ganz schön eilig.”

“Gehen wir”, sagt der Prediger. Und so, als wolle er über diesen Punkt keine Missverständnisse aufkommen lassen, fügt er noch hinzu: “Jetzt!”

Sie seufzt. "Dann bringen wir es hinter uns", meint sie.

Eine der anderen Frauen grinst dreckig. Das hätte sie besser bleiben lassen, denn sie hat faule Zähne. Aber mit geschlossenem Mund sieht sie ganz passabel aus. Und Betty? Die scheint sich kaum darüber zu freuen, was ihr bevorsteht.

Der Prediger folgt ihr die Treppe hinauf.

"Wer hätte das gedacht", sagt der Keeper  "Ein Prediger, der so aufs Ganze geht!" Er kann sich ein Grinsen nicht verkneifen.

"Ja, so kann man sich täuschen!", grinst die Schöne mit den schlechten Zähnen.

"Lass den Mund zu", sagt der Keeper. "Dein Mundgeruch vertreibt uns sonst noch die letzten Kunden.”

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Betty liegt nackt auf dem breiten Bett. Der Prediger hat sich die Jacke ausgezogen und den Hosenschlitz geöffnet, während er sie genommen hat. Mehr hat er nicht abgelegt. Selbst die Holster mit den Mauser-Pistolen nicht.

“Du erinnerst mich an jemanden”, sagt sie.

“Kann sein.”

“Nein, im Ernst. Du siehst jemandem ähnlich, den ich mal...”

Er dreht sich um.

Sein Blick ist durchdringend.

Stechend.

Er sagt kein Wort.

Sie schluckt. “Oh, mein Gott”, sagt sie.

“Du sollst den Namen des Herrn nicht missbrauchen oder unnütz im Mund führen”, sagt der Prediger. “Hast du davon noch nichts gehört?”

Sie ist so bleich wie die Wand geworden. “Du siehst jemandem ähnlich.”

Das ist eine Eigenschaft, die er hat. Es geschieht dem Prediger nicht zum ersten Mal, dass ihm Ähnlichkeiten mit irgendwem nachgesagt werden.

“Mit wem?”, fragt er.

“Das ist schon lange her.”

“Sag es.”

“Macht dich das an, oder was?”

“Sag es einfach.”

Sie zögert, setzt sich nun auf. “Da war mal ein Mann, der hieß Frank Bolan, der hatte hier in der Gegend viel Geld gemacht, weil er Gold gefunden hatte. Der... starb hier.. Mein Gott, du siehst aus, als würdest du ein Bruder von ihm oder so etwas Ähnliches sein.... Wie aus dem Gesicht geschnitten.”

“Erzähl mir mehr über Frank Bolan.”

“Nein, das will ich nicht.” Sie schüttelt den Kopf. “Ich weiß auch gar nicht, weshalb ich überhaupt damit angefangen habe.”

“Weil es dich erleichtert.”

“Wie bitte?”

“Du hast mich genau verstanden.”

Sie winkelt ihre Knie an, schlingt ihre Arme darum, sodass ihre schweren Brüste sich dagegen drängen. Sie sieht aus, als wolle sie sich schützen.

“Wo ist Frank Bolan jetzt?”, fragt der Prediger.

“Er ist tot”, sagt sie.

“Starb er hier, im HAPPY SINNER?”

“Ja.” Ihre Stimme ist tonlos geworden.

“In deinem Bett?”

“Was?”

“Du weißt genau, was ich meine.”

“Ja, aber...”

“Es ist sinnlos, etwas vor mir verbergen zu wollen.”

Sie schluckt.

“Du weißt es?”

“Erzähl mir einfach alles!”

“Warum sollte ich das tun?”

“Weil du deine Sünden bekennen solltest, bevor du vor den Herrn trittst.”

Sie weicht vor ihm zurück, als habe sie nicht einen Mann Gottes, sondern den leibhaftigen Satan vor sich.

Sie sieht ihn an und die Furcht leuchtet in ihren Augen. Wer zum Teufel ist dieser Mann?, geht es ihr durch den Kopf. Sein Gesicht... Es ist seltsam! Es sieht aus wie Frank Bolans Bruder oder ein naher Verwandter! Oder sein Geist...

“Was willst du von mir?”, fragt sie.

“Die Wahrheit.”

Er weiß alles!, denkt sie. Alles über diesen Narren namens Frank Bolan. Alles darüber, wie ich ihn um die zwanzigtausend Dollar aus den Satteltaschen genommen habe, als er noch schlief. Und alles darüber, dass er dann erwachte, aufstand, mich zur Seite stieß... Sie blickt unwillkürlich zu der Kommode. Auf die mittlere Schublade.

Sie schnellt hoch.

Greift in die Schublade, holt den Derringer heraus und richtet den Lauf der Waffe auf den Prediger.

“War das die Waffe?”, fragt er.

“Woher wissen Sie das alles?”, fragt sie. “Und was wollen Sie von mir?”

“Erzähl mir genau, wie es mit Frank Bolan war.”

“Warum sollte ich das tun?”

“Wer seine Sünden bekennt, dem vergibt der Herr.”

“Da fahre ich lieber in die Hölle, du Bastard! Und nun verschwinde.”

“Niemand kann dem Fluch seiner Tat entgehen, Betty.” Er macht einen Schritt nach vorn. Dann wiederholt er: “Niemand.”

Der Finger krümmt sich um den Abzug des Derringers. Zwei Schüsse hat die zierliche Pistole. Die sollten ausreichen, um selbst diesen Teufel zum Schweigen zu bringen!, geht es ihr durch den Kopf.

Sie drückt ab.

Der Schuss geht daneben, fährt in das Holz des Türrahmens.

Der zweite Schuss trifft auch nicht. Sie ist keine geübte Schützin. Aber Frank Bolan hat sie schließlich auch getroffen. Und es ist fast unmöglich, auf diese Entfernung nicht zu treffen... Das kann nicht sein! Sie weicht zurück.

Ihre Brüste wippen dabei.

Ihr Gesicht ist vollkommen weiß geworden.

“Ich sagte doch, ich bin deinetwegen gekommen, Betty.”

Sie schluckt.

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Als wenig später eine Fensterscheibe im Obergeschoss des HAPPY SINNER zerspringt und der nackte Körper einer Frau hinaus auf die Straße fliegt, kommen schnell Leute zusammen. Mit einem dumpfen Geräusch kommt der Frauenkörper auf und bleibt in eigenartig verrenkter Haltung liegen. In der rechten Hand befindet sich der Derringer, den Betty auch jetzt noch umklammert. Und ihre grünen Augen sind vor Entsetzen weit aufgerissen, ihr Blick zu einer Maske des Schreckens gefroren.

Wenig später kommt der Prediger durch die Schwingtüren und tritt ins Freie.

Unter den Menschen, die sich versammelt haben, bildet sich eine Gasse.

Der Prediger wirft einen Blick auf die Frau und sagt: “So spricht der Herr: Mein ist die Rache.”

Dann dreht er sich.

“Heh, Prediger!”, ruft einer der Männer. Ein großer Rothaariger mit Sommersprossen und einem dichten Bart. Und er trägt einen Revolver mit dem Griff nach vorn.

Der Prediger geht weiter.

Er beachtet den Rufer nicht.

“Prediger! Hörst du nur die Stimme Gottes oder auch das, was in der Welt gesagt wird?”

Er reagiert noch immer nicht.

“Oder hast du einfach nur Dreck in den Ohren?”

Jetzt bleibt er stehen. Langsam dreht er sich um.

Der Blick seiner dunklen Augen mustert den Mann von oben bis unten.

Aber er schweigt.

Keinen Ton sagt er.

“Warst du nicht mit der Toten auf dem Zimmer, Prediger?”, fragt der Rothaarige. “Und kaum bist du fertig mit ihr, fliegt sie aus dem Fenster!”

Das Gesicht des Predigers bleibt unbewegt. Vollkommen regungslos, sieht man einmal vom Zucken eines nervösen Muskels unterhalb seines linken Auges ab.

“Der Herr wird sich ihrer Seele erbarmen.”

“Ach, ja?”

“Ja.”

Der Prediger sagt dieses letzte Ja auf dieselbe Weise, auf die er vielleicht nach einem Gottesdienst ‘Amen’ sagt. Zumindest in der Zeit, da er noch aktiv gewesen war. Und wie lange das genau her ist, darüber schweigt er.

“Du hast sie umgebracht!”, stößt der Rothaarige hervor. Dessen Gesicht hat schon beinahe die Farbe seiner Haare angenommen. Gesund sieht das nicht gerade aus.

“Was Sie nicht sagen”, murmelt der fremde Mann zwischen den Zähnen hindurch und ohne kaum den Mund zu bewegen.

“Du scheinst ein Teufel zu sein! Ein Teufel im Predigerrock!”

“Mein ist die Rache, spricht der Herr.”

“Und du bist der Herr, ja? Der Herr über Leben und Tod? Bisschen aufgeblasen für einen dahergelaufenen Kerl.”

Einen Augenblick lang herrscht jetzt Schweigen.

Und der Prediger wendet ganz langsam den Blick zu dem Mann, der zu ihm gesprochen hat und der jetzt ganz bleich wird. Ein schöner Gegensatz zu seinen feuerroten Haaren. Der Rothaarige muss schlucken.

Der Prediger fragt: "Was hast du gesagt?"

"Ich sagte: Ein bisschen aufgeblasen für einen dahergelaufenen Kerl oder so ähnlich. Scheiße, wie soll ich mich an jedes Wort erinnern?" Er versucht lässig zu wirken.

Locker.

Souverän.

So als würde ihm das alles gar nichts ausmachen.

Als sei es ihm gleichgültig.

Aber das ist es nicht. Und alle spüren das.

Der Prediger aber weiß es sowieso.

Seine Augen werden schmal und die Daumen des Rothaarigen rutschen hinter die Schnalle seines Revolvergurts, so als müsse er sich daran festhalten.

"Wie heißt du, mein Sohn?", fragt der Prediger.

"Ich heiße Saul Lawson", sagt der Rothaarige. "Und wer bist du, Prediger?"

"Das weißt du doch", erwidert der Prediger.

Und sein Blick fixiert Saul Lawson auf eine Weise, die diesen schaudern lässt.

Sein Gesicht!, durchfährt es Lawson. Sein Gesicht sieht aus wie...

Er wagt es nicht, den Gedanken zu Ende zu denken.

Plötzlich hat Saul Lawson ein Gefühl, als ob sich eine kalte Hand auf seine Schulter legt.

Und er ahnt plötzlich, dass er dem Tod sehr nahe ist. 

“Du wolltest noch etwas sagen?”, fragt der Prediger.

Und seine Stimme klirrt wie Eis, als er das sagt.

Aber nicht nur das. Sie klingt auch wie die Stimme von jemand anderem.

Jemandem, den Saul Lawson kannte und dessen Gesichtszüge er im Gesicht des Predigers wiederzuerkennen glaubte.

Hast du was mit Frank Bolan zu tun?, würde Saul Lawson am liebsten fragen.

Aber das tut er nicht.

Denn dann müsste er das begründen.

Er müsste erklären, was er mit Frank Bolan zu tun hat, der mit seiner Tasche voll Geld hier her kam.

Der Prediger sagt schließlich: “Nein, ich bin nicht der Herr. Aber der Herr schickt mich. Manchmal sendet er ein Schaf unter die Wölfe, so wie unseren Herrn Jesus Christus. Aber manchmal sendet er auch einen Wolf unter die Wölfe. Einen Wolf, der sie alle zerreißt. Einen nach dem anderen. Denn manchmal, so spricht der Herr, muss die Zahl der Wölfe reduziert werden. Verstehst du mich?”

“Komisch, von dieser Bibelstelle habe ich noch gar nichts gehört”, sagt der Rothaarige.

Der Prediger verzieht das Gesicht.

“Ach, wirklich?”

“Ja.”