cover
Elsa Bein, Valentina Day

Liebesgeflüster - Herzschlag im Galopp

Liebesroman





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Herzschlag im Galopp

 

 Liebesgeflüster

 

Elsa Bein

 

Kapitel 1

Markus lag in seiner dunklen hässlichen Studentenbude auf dem Bett und betrachtete das Auf und Ab seiner Zimmerdecke, die nicht aus festem Material, sondern aus zusammengeklebtem Packpapier bestand. Sie wölbte sich vom Windzug, der durch das ungedämmte Dach strich, mal nach oben, mal nach unten. Den ganzen Tag knisterte und knatterte es.

Es war Samstag zu Beginn seines ersten Semesters Medizin in Münster und er war allein zurückgeblieben. Alle Freunde und Kommilitonen waren wie jedes Wochenende nach Hause gefahren. Er hätte das auch tun können, aber zu Hause zu sein, hieß Stress zu haben. Deswegen war er in seiner Bude geblieben. Antriebslos und einsam dachte er über den Beginn seines Studiums nach.

Die Zulassung zum Medizinstudium an der Uni Münster hatte er sehr spät erhalten. Deshalb hatte er sich erst vor Kurzem um ein Zimmer kümmern können. Es gab keine vernünftigen mehr.

So war Markus in diesem dunklen Loch bei einer Vermieterin gelandet, die man hervorragend als Hexe bei Hänsel und Gretel hätte einsetzen können.

Als er seine zukünftige Bleibe betreten hatte, war er erschrocken. Das war kein Zimmer. Das war ein Loch, in dem man sich allenfalls auf einer Flucht verstecken konnte. Vor dem Fenster stand ein Baum, sodass kaum Licht hineinfiel. Zwei dunkel gebeizte Schränke verdeckten die schmuddeligen Tapeten an den Wänden.

Eines wurde Markus bewusst: Vor dem nächsten Semester musste er unbedingt ein neues Zimmer finden. Hier unter dem löchrigen Dach ohne wirkliche Zimmerdecke und mit dem kleinen Ofen als einzige Heizmöglichkeit würde er an kalten Tagen erfrieren.

Markus hatte sich darauf eingestellt, dass er kaum einen Kommilitonen kennen würde und sich zunächst einen Bekanntenkreis aufbauen müsste. Als er sich bei seiner ersten Vorlesung im Hörsaal umsah, entdeckte er jedoch eine ganze Reihe Leute, die er schon kannte. So hatte er gleich viel mehr Kontakt, als er gehofft hatte. Eine Sorge weniger.

So war er in der Woche eigentlich nie allein, nicht während der Vorlesungen und Seminare, nicht in der Mittagszeit in der Mensa und es fand sich auch abends immer jemand, mit dem er ein Bier trinken gehen konnte.

Aber die Wochenenden waren öde und einsam: Es gab niemanden, mit dem er sich treffen konnte. Deshalb saß er trübselig in seiner trostlosen, dunklen Bude, machte mal eine Fahrradtour, ging auch mal allein ins Kino, las, lernte und versuchte, mit möglichst viel Schlaf die Zeit totzuschlagen.

Markus hatte den dringenden Verdacht, dass seine Vermieterin ihn beobachtete. Anders konnte er sich die Zeitpunkte ihrer Besuche nicht erklären. Aber ein Loch in der Wand fand er nicht.

Wenn sie ihn mal in Ruhe ließ, träumte er davon, sich zu verlieben, eine feste Freundin zu haben. Diese Fantasien und Träume begleiteten ihn auch bei seinen Fahrradtouren und weiten Spaziergängen über die Felder am Stadtrand von Münster, ebenso während der Vorlesungen, denn er war dort kein guter Zuhörer.

Warum tust du dich so schwer mit den Frauen, fragte er sich. Du hast eine fast panische Angst, einen Korb zu bekommen und noch mehr vor enttäuschten Gefühlen, die dich umhauen und dich wochenlang beschäftigen. Es gibt über hundert Studentinnen in deinem Semester und da soll keine für dich dabei sein? Das kann ja wohl nicht sein, schimpfte er mit sich selbst.

Markus war kein Schlappschwanz. Wenn es um Sport ging, war er immer vorne dabei. Er war der beste Schwimmer und beste Turner seiner Schule gewesen, der zweitbeste Leichtathlet, ein guter Basket- und Volleyballspieler, der Torwart der Schulmannschaft im Fußball, überhaupt im Sport vielseitig begabt. Wenn es um Gerechtigkeit ging, kämpfte er mutig und offen gegen die Macht der Obrigkeit an. Das hatte er als er Schulsprecher bewiesen.

Aber ein Mädchen zu einer Party einzuladen oder gar ihr Herz zu erobern, das bereitete ihm Angst. So verbrachte er einsam Wochenende für Wochenende in dem dunklen Loch und dachte darüber nach, wie zu einer Freundin kommen konnte.

Am ehesten wäre das beim Sezieren möglich gewesen. Zum Medizinstudium gehörte das Präparieren von echten, einbalsamierten, wie Wachspuppen wirkenden Leichen. Hier mussten die Studenten einzelne Muskeln, Nerven und Blutgefäße freilegen, um zu lernen, wo sie lagen und wie sie verliefen. Sechs bis acht Studenten und Studentinnen arbeiteten an einer Leiche und bildeten eine Gruppe. Eigentlich eine gute Gelegenheit, eine Studentin näher kennenzulernen, jedoch nicht für Markus.

Er hatte ziemlich genaue Vorstellungen, wie seine Traumfreundin auszusehen hatte und welche Gefühle sie bei ihm auslösen sollte. Er entdeckte aber unter seinen Kommilitoninnen keine, die für ihn in Frage kam.

Der Sezierkurs war schon eine Weile gelaufen, als ihn plötzlich ein Blitz durchzuckte. An der Nachbarleiche präparierte eine Studentin, die er noch nie gesehen hatte. Wo kam sie nach so langer Zeit her? Sie gefiel ihm: Kurze, blonde Haare, etwas betonte Wangenknochen und einen halben Kopf kleiner als Markus, sportliche Figur, sportlich auch ihre Art sich zu bewegen und immer ein schelmisches Lächeln im Gesicht. Sie war sehr hübsch und wirkte dabei nicht arrogant.

Er überprüfte, ob es jemanden im Saal gab, der ihr näher stand. Sie war immer mit zwei Kommilitoninnen zusammen, es gab aber keinen Studenten, der engeren Kontakt zu ihr hielt. Da sie an der Nachbarleiche arbeitete, spitzte er die Ohren, und es dauerte nicht lange, bis er ihren Namen erfuhr: Katharina.

Wenn er den Hörsaal betrat, suchte er den Platz, auf dem sie mit ihren Freundinnen saß. Das war immer ganz vorn in der ersten Reihe. Er setzte sich so, dass er sie beobachten konnte. Lars und Peter, mit denen sich Markus angefreundet hatte, bemerkten nichts. Auch sein frühes Erscheinen bei den Vorlesungen fiel ihnen nicht auf.

Markus hatte keine Vorstellung, wie der sich der Frau seiner Sehnsüchte nähern sollte. Dürfte er sich einfach so an ihre Leiche stellen und sich etwas von ihr erklären lassen? Nee, er befürchtete, dass jeder gleich den wahren Grund merken und sie und ihn gespannt anstarren würde. Vermutlich zitterte er vor Aufregung, würde rot werden und kein Wort mehr herausbekommen. Das wäre peinlich!