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Nr. 169

– Im Auftrag der Menschheit Band 136 –

 

Das Treffen der Einsamen

 

Der Lordadmiral und sein Sohn auf Arkon I – im Bann des Ischtar-Memory

 

von Ernst Vlcek

 

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Auf den Stützpunkten der USO, den Planeten des Solaren Imperiums und den übrigen Menschheitswelten schreibt man Oktober des Jahres 2843.

Lordadmiral Atlan, der seit seinem Besuch auf Komouir, dem auf der galaktischen Eastside gelegenen Fundort wertvoller Schwingkristalle, gerade eine Serie von lebensgefährlichen Abenteuern hinter sich hat, die ihn und seine Begleiter zu hilflosen Spielbällen im Strudel unheimlicher Kräfte machten, entscheidet sich, kaum dass er die Sicherheit seines Hauptquartiers erreicht hat, erneut auf die Reise zu gehen – und zwar diesmal allein und als »Privatmann«.

Grund für das Unternehmen Atlans ist das Wirken eines geheimnisvollen Fremden namens Chapat, der dem Lordadmiral sehr ähnlich sieht und der seit seiner Auffindung auf dem Mond Gostacker schnell von sich reden macht, als er auf Kantanong, dem Show-Planeten der Galaxis, erstmals auftritt.

Lordadmiral Atlan fliegt nach Kantanong, um den Fremden zu treffen, doch er kommt zu spät. Chapat ist verschwunden.

Atlan folgt der Spur des Flüchtigen. Er findet Chapat im Bann der Träume und wird selbst in diesen Bann geschlagen.

Dies wiederum führt zum TREFFEN DER EINSAMEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Atlan – Der Lordadmiral im Bann des Ischtar-Memory.

Chapat – Atlans Begleiter in die ferne Vergangenheit.

Orbanaschol III. – Unrechtmäßiger Herrscher von Arkon.

Arbantola – Organisator des »Treffens der Einsamen«.

Ethan-Khor – Ein zwielichtiger Arkonide.

Perpeteon – Ein glückloser Komiteeführer.

1.

 

Er fand sich plötzlich in einem seltsamen Garten wieder. Doch es war kein Garten, wie er ihn kannte.

Seine Erinnerung sagte ihm, dass er sich gerade noch an Bord der TRAUMPALAST befunden hatte, bedrängt von Zharadin und seinen Leuten, die ihn mit Gewalt unter die Haube der Illusionsmaschine steckten ...

Und jetzt träumte er von diesem seltsamen Garten, der ganz und gar unwirklich war. Da war, wie schon gesagt, die Fremdartigkeit der Pflanzen. Aber auch, wie sie arrangiert waren und die Tatsache, dass sich einige Meter über ihm eine Decke spannte, ließen ihm diese Umgebung unrealistisch erscheinen.

Dazu kam noch die Musik. Und vereinzelt waren andere Geräusche zu hören, die aber immer verstummten, wenn er lauschte. So als wolle sich jemand vor ihm verstecken.

Was war das für ein Traum?

Eine Hoffnung keimte in ihm auf, entflammte vehement. Er wusste, dass die Illusionsmaschine durch sein Ischtar-Memory programmiert worden war.

»Mutter?«, fragte er in die Stille hinein, die nur von einschmeichelnden Klängen unterbrochen wurde.

Warum bekam er keine Antwort? Er war sicher, dass da noch jemand außer ihm war. Andererseits – wenn es sich bei seinem Erlebnis nur um einen Traum handelte, war es, der Unlogik der Träume gehorchend, ganz normal, dass er keine Antwort erhielt.

Er streckte den Arm nach einer handtellergroßen Blume aus, berührte zaghaft ein rosafarbenes Blütenblatt. Die Blüte bot einen leichten Widerstand.

Plötzlich verkrampfte sich seine Hand. Er umschloss damit die Blüte, riss sie vom Stängel, zerquetschte sie in seiner Hand.

Die Blüte war real!

Er öffnete die Hand und blickte auf die zerknitterte Blume. Es war nicht seine Absicht gewesen, sie zu verstümmeln. Es war eine Affekthandlung gewesen. Impulsiv, wie ein Ertrinkender nach einem Strohhalm, hatte er nach der Blume gegriffen. Und jetzt fühlte er sie. Konnte man so real träumen?

Plötzlich ertönte von irgendwo eine Stimme. Jemand rief etwas Unverständliches. Chapat wirbelte herum. Er sah niemand. Aber dann bemerkte er hinter einem Strauch eine Bewegung.

»Mutter?«, fragte er wieder. Und: »Ischtar?«

Atmen. Das Scharren von Füßen. Er rannte zu dem Strauch. Sah eine Gestalt in einem bunten Umhang flüchten. Er hielt an. Er wollte den Unbekannten nicht erschrecken, indem er ihn verfolgte.

»Mutter, wenn du es bist ...«

Chapat vollendete den Satz nicht.

Er vernahm in seinem Rücken raunende Stimmen. Er lauschte und stellte fest, dass sich die Stimmen in einer unbekannten Sprache unterhielten. Nur – seltsam, dass er dennoch einige Wortfetzen verstand. Es dauerte nicht lange, dann hatte sich sein Gehör so weit verfeinert, dass er einen ganzen Satz aufschnappen konnte.

»Eine ganz verkorkste Seele, der alte Knabe ...«

»Mutter?«, fragte er jetzt in der anderen Sprache. »Ich bin es, dein Sohn.«

Er lauschte. Jemand kicherte schrill. Jemand anderer, zweifellos ein männliches Wesen, sagte:

»Ja, das mit der verkorksten Seele ist unbedingt richtig. Wenn ein so alter Knabe nach seiner Mutter ruft, dann stimmt einiges mit ihm nicht. Wenden wir uns einem anderen zu ...«

Chapat wurde bewusst, dass mit »alter Knabe« nur er gemeint sein konnte. Denn er trug immer noch die Maske, die ihn zu einem alten, bärtigen Mann machte.

Er sah in der Richtung eine Bewegung, aus der die zwei verschiedenen Stimmen gekommen waren. Machte einen Schritt in sie. Blieb wieder stehen. Zwei grotesk anzusehende Wesen waren dort aufgetaucht, warfen ihm, Grimassen schneidend, seltsame Blicke zu, entfernten sich.

Beide waren sie humanoid – Menschen. Grotesk wirkten sie nur durch ihre Maskerade. Das eine Wesen war eine Frau. Sie trug überhaupt keine Kleider, sondern war am ganzen Körper raffiniert geschminkt. Das Gesicht war eine Maske aus leuchtendem Rot und Grün, die Augen waren gelb eingefasste Ovale. Der Mann trug einen Phantasiehelm, an dem überall sinnlose Mechanismen in Bewegung waren. Sein Gewand war lang und wallend, vom unteren Saum hingen kleine, goldene Glöckchen, die melodisch bimmelten. Er trug eine Halskrause, die mechanische Elemente aufwies und mit dem Helm verbunden war.

Als hätten diese beiden das Startzeichen gegeben, tauchten jetzt überall ähnlich seltsame Gestalten aus Verstecken auf. Chapat wurde von ihnen mehr oder weniger ignoriert. Die Blicke einiger erwiderte er herausfordernd und angriffslustig. Das brachte ihm aber nur ein, dass man ihm aus dem Wege ging und die Augen vor ihm senkte.

In welche skurrile Gesellschaft war er da geraten? Was für einen unsinnigen Traum bescherte ihm sein Ischtar-Memory?

Mutter, was bezweckst du mit diesem Traum!, riefen seine Gedanken intensiv.

Keine Antwort. Und so kam er immer mehr zu der Überzeugung, dass diese Geschehnisse nur bedingt mit Ischtar zu tun hatten. Zharadins Illusionsmaschinen hatten die Entfaltung irgendwelcher Kräfte in dem Ischtar-Memory bewirkt und sie wahrscheinlich entartet.

War das wirklich nur ein Traumerlebnis?

Die Blume hatte er berühren können. Und wie stand es mit den Menschen?

Da war ein großer, schlanker Jüngling, der Chapat verstohlen beobachtete, aber erschrocken wegblickte, als er sich ertappt fühlte. Er trug ein enganliegendes, weißes Gewand. Sein Gesicht, die Hände und die unter dem Hosensaum hervorschauenden nackten Füße waren dagegen grellbunt geschminkt. Sein Mund war schmal, aber nach oben gewölbte Striche mit roter Farbe gaben ihm den Ausdruck eines Grinsens. Bunte Ringe verliehen den melancholisch blickenden Augen einen Funken von Fröhlichkeit.

Chapat ging auf ihn zu. Der Junge begann leicht zu zittern. Es sah aus, als wolle er flüchten, bringe aber die Kraft dazu nicht auf. Als Chapat bis auf einen Schritt an ihn herangekommen war, erstarrte der Junge zur Bewegungslosigkeit. Sein Mund war verkrampft.

Chapat räusperte sich und fragte:

»Darf ich Sie berühren?«

Er sagte es in der anderen Sprache, so dass er verstanden werden konnte. Doch anscheinend hatte ihn der Junge missverstanden. Er taumelte, riss den Mund krampfartig auf, ein Röcheln kam aus seiner Kehle. Seine Glieder begannen konvulsivisch zu zucken.

Die Umstehenden wichen erschrocken zurück. Als Chapat den Stürzenden auffangen wollte, schrie jemand:

»Nicht berühren! Er würde es nicht überleben.«

Der Junge fiel in ein Blumenbeet. Chapat wurde von starken Armen zur Seite gezerrt. Es waren zwei Roboter, die den Jungen auf eine Bahre legten und mit ihm verschwanden.

Die Neugierigen verstreuten sich wieder in alle Richtungen, verschwanden hinter den Blumenarrangements, tuschelten miteinander. Kein Zweifel, dass sie den Vorfall diskutierten.

»Er hat sich übernommen, der arme Junge«, hörte Chapat eine Frau ohne besondere Anteilnahme sagen.

»Es wird noch mehr Opfer geben«, sagte jemand anderer. »Ich finde, wenn man sich nicht in der Lage fühlt, unter Menschen gehen zu können, sollte man lieber zu Hause bleiben. Nicht wahr, meine Liebe?«

»Ja, ja. Diese Seelendemaskierungen sind, wie soll ich sagen, irgendwie obszön. Mein Oglund nennt alle, die daran teilnehmen, pervers – und schließt sich in seinen eigenen Wänden ein.«

»Ihr Oglund ist dekadent!«

»Freilich, das ist er. Darum höre ich nicht auf ihn.«

»Man kann zu diesen Treffen stehen, wie man will. Ein gesellschaftliches Ereignis sind sie auf jeden Fall. Man sieht Leute, die sonst das ganze Jahr über kaum aus ihren Unterkünften kommen ...«

Chapat belauschte das Gespräch nicht weiter. Er sah zwischen den Pflanzen einen weißhaarigen Mann mit albinotischem Aussehen, der wie er selbst ungeschminkt war.

Er erschien ihm wie ein rettender Engel: Der einzige normale Mensch in einer Horde Verrückter. Chapat eilte auf ihn zu. Der andere hatte ihn ebenfalls längst entdeckt, taxierte ihn mit intelligenten Augen. Als Chapat ihn erreicht hatte, sprach der andere ihn in Interkosmo an.

»Chapat? Ich bin Atlan.« Er packte Chapat während des Sprechens am Arm und führte ihn durch den künstlich angelegten Garten.

»Wir erregen bereits einiges Aufsehen. Komm, wir suchen uns einen verschwiegenen Platz, wo wir unsere Lage ungestört besprechen können.«

2.

 

»Wo sind wir hier? Was sind das für Leute, die sich schminken wie Clowns? Träumen wir nur? Oder sind diese Erlebnisse Realität? Sind Sie in Fleisch und Blut hier? Oder bilde ich mir das nur ein?«

Atlan machte eine beschwichtigende Handbewegung.

»Eines nach dem anderen. Gehen wir methodisch vor und untersuchen wir eine Frage nach der anderen.«

Sie hatten hinter dem künstlichen Garten einen Korridor gefunden und waren ihm gefolgt. Sie probierten ihr Glück an einer Reihe von Türen, bis sie einen wohnlich eingerichteten, aber verlassenen Raum fanden. Der Inhaber dieser Wohnung »vergnügte« sich wahrscheinlich mit den anderen Maskierten im Garten.

»Gut«, stimmte Chapat zu, »beschäftigen wir uns also zuerst mit einer Frage. Wo sind wir?«

»Ich ahne es bereits«, erwiderte Atlan. »Aber ich möchte mir zuerst Gewissheit verschaffen, bevor ich darüber spreche. Gehen wir noch weiter zurück. Wie sind wir überhaupt hergekommen?«

Chapat erzählte Atlan, wie Zharadin ihm das Ischtar-Memory entwendete und er auf Broelgir flüchtete und sich bei dem Mädchen Kerilla Vhotan versteckte. Nachdem er Maske gemacht hatte, kehrte er an Bord der TRAUMPALAST zurück, fiel Zharadin in die Hände und wurde in die Illusionsmaschine gesteckt, deren Programmierung auf dem Ischtar-Memory beruhte.

Atlan nickte.

Er erzählte seinerseits, wie er Chapat auf eigene Faust bis nach Broelgir gefolgt war. Als er mit Zharadin konfrontiert wurde, wollte er den Besitzer der TRAUMPALAST bluffen. Doch dieser wusste, dass Atlan ohne Wissen der USO handelte und überließ ihn dem gleichen Schicksal wie zuvor Chapat.

»Die Frage, ob wir träumen oder die Realität erleben, lässt sich wohl nicht hundertprozentig beantworten«, fuhr Atlan fort. »Zharadins Illusionsmaschinen können nur Traumerlebnisse vermitteln, aber durch das Ischtar-Memory ist ein unbekannter Faktor hinzugekommen, der diese Träume unwahrscheinlich realistisch erscheinen lässt. Wenn ich einen Gegenstand dieser Traumwelt berühre, dann kann ich ihn spüren. Ich fühle, ob er kalt oder warm ist. Ich kann mir die Finger daran verbrennen. Wenn ich ihn in die Hand nehme, dann hat er für mich Gewicht.«

Atlan klopfte gegen die Wand.

»Sie ist so fest, als bestünde sie aus Materie. Wenn ich mit aller Wucht dagegenschlage, kann ich mir die Knöchel brechen. Die Wand ist für mich undurchdringlich.«

»Also Realität!«

Atlan wiegte den Kopf.

»Ganz möchte ich mich nicht festlegen. Sagen wir es lieber so, dass diese Wand, alles in dieser Welt, auch die Lebewesen, der Gesetzmäßigkeit unserer Körper unterworfen sind.«

Chapat betastete seinen Körper.

»Warum bemühen Sie sich, die Dinge zu umschreiben? Glauben Sie etwa, dass wir nicht in unseren eigenen Körpern hier sind?«

»Auch darauf kenne ich keine endgültige Antwort«, sagte Atlan ausweichend. »Als mich Zharadins Leute zur Illusionsmaschine zerrten, da sah ich dich – deinen Körper – unter der zweiten Traummaschine liegen. Obwohl du zu diesem Zeitpunkt gleichzeitig auch schon hier warst. Einigen wir uns also darauf, dass wir mit unserem Ich-Bewusstsein hier sind. Der Körper, in dem unser Ich ist, könnte auch eine naturgetreue Materieprojektion sein.«

»Daran könnte etwas Wahres sein«, meinte Chapat. Plötzlich erhellte sich sein Gesicht. »Angenommen, wir sind wirklich nicht in unseren ureigensten Körpern hier – und Ihre Beobachtung scheint das zu bestätigen. Angenommen, unser Bewusstsein wurde nur in eine Materieprojektion verpflanzt. Dann brauchen wir nur diese Scheinkörper aufzugeben, und unser Bewusstsein würde sofort wieder in unsere Körper in den Illusionsmaschinen zurückkehren.«

Atlan runzelte die Stirn.

»Darauf würde ich mich lieber nicht verlassen. Zharadin hat diesbezüglich einige Andeutungen gemacht. Er sagte mir, dass einer der Techniker bei einem Experiment in der Traumwelt den Tod fand. Und Zharadin warnte mich, dass, wenn ich im Traum mein Leben verlieren würde, auch in der Realität tot wäre.«

»Ein Bluff!«, behauptete Chapat.

»Möglich«, gab Atlan mit süßsaurem Lächeln zu. »Aber die Probe aufs Exempel möchte ich nicht machen. Wir haben es hier mit einem Phänomen zu tun, das durch das Ischtar-Memory ausgelöst wurde. Ich jedenfalls weiß nicht genügend über das Ischtar-Memory Bescheid, um Spekulationen über seine Möglichkeiten anstellen zu können.«

Während er das sagte, beobachtete er Chapat.

Dieser wich Atlans Blick aus.

»Das alles bringt uns nicht weiter«, rief er schließlich ungehalten aus. »Lassen wir das Ischtar-Memory aus dem Spiel, es kann uns nicht weiterhelfen. Für mich sind diese Geschehnisse phantastisch, geradezu unfassbar. Aber dennoch habe ich das Gefühl, dass alles Realität ist.«

»Mir ergeht es ebenso«, sagte Atlan. »Dann gehen wir eben von der Voraussetzung aus, dass wir für jede unserer Handlungen die Konsequenzen wie in der Realität tragen müssen. Ein falscher Schritt kann den Tod bedeuten. Seien wir also auf der Hut.«

»Damit stehen wir wieder am Anfang – bei der Kardinalfrage. Wo sind wir?«

Atlan betrachtete ihn zweifelnd.

»Weißt du es wirklich nicht? Du beherrscht doch die Sprache dieser Leute.«

»Das schon, aber ich weiß nicht, um welche Sprache es sich handelt. Könnte ich Rückschlüsse auf unseren Aufenthaltsort ziehen, wenn ich es wüsste?«

»Allerdings«, antwortete Atlan. Er setzte sich in Richtung Tür in Bewegung. »Sehen wir uns etwas um, solange wir noch die Möglichkeit dazu haben. Irgendwann wird man entdecken, dass wir Fremde sind, und wird uns unter die Lupe nehmen. Bis dahin möchte ich wenigstens herausgefunden haben, wo genau – und in welcher Zeit wir uns befinden.«

Chapat folgte ihm auf den Korridor hinaus.

»Wollen Sie mir denn nicht verraten, um welche Sprache es sich handelt?«

»Arkonidisch.«

3.

 

Als sie den leicht geschwungen verlaufenden Korridor entlanggingen, kamen ihnen Maskierte entgegen. Es waren Einzelgänger, die untereinander auf Distanz blieben und sich abwandten, als sie an Atlan und Chapat vorbeikamen.

Nur einer, ein Mann mit einer violetten Perücke und einem Spiegel vorm Gesicht, blieb stehen und kehrte ihnen sein Spiegelgesicht zu, als sie an ihm vorbeikamen.

»Sie suchen Kontakt?«, erkundigte er sich mit gedämpfter Stimme.

»Zumindest suchen wir nicht die Einsamkeit«, antwortete Atlan im Vorübergehen.

Als sich Atlan nach einer Weile umdrehte, stand der Unbekannte mit der Spiegelmaske immer noch da und starrte ihnen nach.

Sie erreichten den Lift. Die Kabine hielt. Drinnen stand ein von Kopf bis Fuß in einen Kapuzenmantel verhülltes Wesen. Als sie zustiegen, flüchtete die vermummte Gestalt mit einem spitzen Schrei in den Korridor.

»Ist das ein Irrenhaus?«, wunderte sich Chapat, als sie im Lift hinauffuhren.

»Ja und nein«, sagte Atlan knapp.

»Ein Irrenhaus auf einer Arkon-Welt?«, bohrte Chapat weiter.

Atlan zuckte die Schultern.

»Wenn man will, kann man vermutlich den ganzen Planeten als Irrenhaus bezeichnen. Richtiger ist aber, dass wir die eigenwillige Mentalität dieses Volkes nicht verstehen.«

Sie stiegen auf dem Dach des Gebäudes aus dem Lift. Auch hier war ein kunstvoller Park angelegt worden. Es war Nacht. Am wolkenlosen Himmel bildeten die Sterne unbekannte Konstellationen.

Atlan blieb stehen, blickte zum Nachthimmel hoch.

»Eigentlich hätte ich erwartet, bekannte Sternbilder zu sehen«, sagte er beunruhigt. »Aber anscheinend ist es schlimmer mit uns gekommen, als ich dachte. Nicht nur der Raum bildet eine Barriere zu unserer Realität, sondern auch die Zeit ...«

»Sie sprechen dauernd in Rätseln«, meinte Chapat ungehalten. »Wissen Sie nun, wo wir sind, oder nicht?«

Atlan setzte sich wortlos in Bewegung. Chapat folgte ihm mit verkniffenem Gesicht. Er sah in diesem Moment wie ein schrulliger, mürrischer alter Mann aus. Zwischen den Büschen und Sträuchern tauchten gelegentlich Maskierte auf, manchmal zu zweit und zu mehreren, zumeist aber allein; sie warfen ihnen scheue Blicke zu.

Atlan begab sich mit Chapat zum Rand des Daches. Eine fünf Meter hohe Panzerglaswand, die oben noch zusätzlich durch eine Energiebarriere abgesichert war, trennte sie vor dem Abgrund. Atlan setzte sich auf einen großen Felsbrocken aus Urgestein, hinter dem in einem schmalen Rinnsal ein künstlicher Bach gurgelte. Chapat stellte sich an die Panzerglaswand, stützte die Hände darauf und blickte auf das herrliche Panorama hinaus, das sich ihm bot.