Anni Lechner

Meine geliebte Sennerin
Niemals wird er mir gehören
Schwiegersohn gesucht

Anni Lechner: Band 20, Meine geliebte Sennerin ... und zwei weitere spannende Romane

Copyright © by Anni Lechner

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Verlagsagentur Lianne Kolf.

Überarbeitete Neuausgabe © 2017 by Open Publishing Verlag

Covergestaltung: Open Publishing GmbH – Mathias Beeh

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Erlaubnis des Verlags wiedergegeben werden.

eBook-Produktion: Datagroup int. SRL, Timisoara

ISBN 978-3-95912-229-0

Meine geliebte Sennerin

Stefan Reitlinger fühlte sich beinahe in ein schlechtes Stück in einem Bauerntheater versetzt. Es war allerdings auch ein peinlicher Zufall, dass seine Tanten Veronika und Kreszenz ausgerechnet zur gleichen Zeit auf seinen Hof gekommen waren, um ihm ein Mädchen aus ihrer angeheirateten Verwandtschaft als mögliche Braut zu präsentieren.

»Na Bauer, welche der beiden Schönheiten gefällt dir denn besser, die Dicke oder die Dürre?«, fragte Stefans Wirtschafterin Theres so laut, dass alle es hören konnten.

Kreszenz warf ihr einen bitterbösen Blick zu. »Ich wüsst ned, wer dich nach deiner Meinung gefragt hätt. Hast du nix Besseres zu tun, als da herinnen Maulaffen feilzuhalten?«

»Eigentlich ned. Meine Arbeit ist getan und am Sonntagnachmittag sitz ich meistens in der Stube, les ein bisserl oder nähe«, antwortete die Wirtschafterin spöttisch.

Inzwischen zog Veronika ihre junge Begleiterin ein wenig nach vorn, um sie ihrem Neffen zu präsentieren. »Du kennst ja die Damhuber Mirl, Stefan. Ihr habt ja schon miteinander getanzt. Eine bessere Bäuerin wie sie kriegst du ned.«

Stefan kam sich vor wie auf dem Viehmarkt, denn seine Tante bot ihm das gut gepolsterte Mädchen an wie eine Kuh, die er kaufen sollte.

Kreszenz wollte nicht hinter ihrer Schwester zurückstehen und schob ihre Begleiterin nach vorn. »Die Antonia passt viel besser zu dir als die dicke Mirl, Stefan. Außerdem ist ihr Vater Kreisrat und hat seine Verbindungen bis nach München hinein. Besser kannst du es gar ned treffen.«

Stefan seufzte innerlich, denn weder Mirl, die mit ihren eins siebzig mindestens achtzig Kilo wog, noch die hagere Antonia sagten ihm zu. Es schien den beiden auch nichts auszumachen, ihm wie eine Ware angeboten zu werden, denn sie starrten ihn mit sehnsüchtigen Augen an. Stefan wusste, dass er gut aussah, das hatte man ihm oft genug gesagt. Daher war es kein Wunder, dass die beiden Mädchen bereit waren, sich auf Anhieb in ihn zu verlieben.

»Hat’s dir die Sprach verschlagen, Bauer? Bei dem Angebot ist das auch kein Wunder«, stichelte seine Wirtschafterin weiter.

»Theres bitte, es sind immerhin unsere Gäste«, wies Stefan sie zurecht.

Die Wirtschafterin verzog höhnisch ihr Gesicht. »Sie sind gekommen, ohne gerufen zu werden. Also können sie sich auch anhören, was wir über sie denken.«

Obwohl Stefan Theres’ Meinung über die beiden Mädchen teilte, mochte er nicht, wie sie sich über Mirl und Antonia lustig machte. »Eine gewisse Höflichkeit schadet nie, Theres, das solltest du dir merken. Außerdem hast du selber gesagt, dass es für mich an der Zeit wär, zu heiraten.«

»Ja, das hab ich schon«, gab Theres zu, um dann aber sofort aufzutrumpfen. »Deswegen musst du aber ned gleich die Nächstbeste nehmen, die dir unterkommt.«

Die Gesichter der beiden Mädchen wurden rot vor Wut. »Ich bin ned die Nächstbeste, sondern die Damhuber Mirl aus Piedling«, fauchte Mirl.

»Und ich die Berndl Antonia von Weichs«, setzte Antonia giftig hinzu.

»Stefan, tu was! Von einem Dienstboten brauchen sich die beiden Madln ned beleidigen lassen«, war sich Kreszenz in diesem Punkt mit ihrer Schwester einig.

Veronika trat schließlich an die Tür und öffnete sie. »Ich glaub, es ist besser, du gehst jetzt, Theres.«

Die Wirtschafterin zuckte nur mit den Schultern und stand auf. »Von mir aus, aber deswegen werden die beiden faden Nocken auch ned schöner.«

Mirl fuhr fauchend auf sie zu und wollte sie schlagen. Ein leiser, aber scharfer Ruf Veronikas ließ sie innehalten. »Was soll denn der Stefan von dir denken?«

Mirl nickte und zauberte ein Lächeln auf ihre Lippen. »Du hast einen wunderschönen Hof, Stefan. Es muss herrlich sein, hier zu leben.«

»Einen schöneren Hof wie den deinen gibt’s im ganzen Gäu ned«, wollte auch Antonia nicht zurückstehen.

»Na ja, man kann ihn lassen«, antwortete Stefan, obwohl ihn dieses Lob freute. Er hätte mit keinem anderen Bauern im Landkreis tauschen wollen. Der Reitlinger-Hof mochte alt sein, lag aber malerisch an der hier flach abfallenden Südflanke des Rautkogels und seine Bausubstanz würde gewiss noch etliche Generationen überdauern. Stefans Blick ruhte auf den beiden Mädchen, die aussahen, als würden sie am liebsten bleiben und ihm die Nacht versüßen.

»Wollt ihr einen Kaffee und einen Kuchen oder ist euch eine Brotzeit lieber?«, fragte er in dem Bemühen, höflich zu sein.

»Ich hätt nix gegen eine handfeste Brotzeit«, antwortete Mirl, bevor Veronika sie bremsen konnte.

»Also, mir wär ein Kaffee und ein Stückerl Kuchen schon lieber«, wandte Antonia ein.

»Ich werd schauen, was sich machen lässt.« Stefan verließ aufatmend die gute Stube und eilte in die Küche. Er war froh, wenigstens ein paar Minuten seine Ruhe zu haben und ließ sich daher mehr Zeit, als er gebraucht hätte, bis er mit einem vollen Tablett ins Wohnzimmer zurückkehrte.

»Du hättest dem Stefan ruhig helfen können«, wies Kreszenz Antonia zurecht. Der Blick, mit dem ihre Schwester Veronika Mirl streifte, besagte das Gleiche. Die beiden Mädchen ärgerten sich sichtlich, weil es ihnen nicht eher eingefallen war. Was sollte Stefan von ihnen halten, wenn sie ihn in der Küche werkeln ließen, während sie selbst faul in der guten Stube saßen.

»So, lasst es euch schmecken.« Stefan trat einen Schritt zurück und sah zu, wie Mirl und Antonia sich gegenseitig die Teller aus den Händen rissen. Sie benahmen sich fast wie kleine unartige Kinder. Die Gesichter seiner Tanten sahen entsprechend empört aus.

»Könnt ihr euch ned benehmen?«, zischte Veronika Mirl an. Doch erst, als auch Kreszenz mahnend auf den Tisch klopfte, ebbte der Streit zwischen den beiden Mädchen ab. Sie beharkten sich jedoch über den Tisch hinweg mit giftigen Blicken und sorgten dafür, dass Wurst, Senf und Brot immer außerhalb der Reichweite der anderen waren.

Mirl aß ihrem Aussehen entsprechend mit gutem Appetit, doch auch Antonia langte wacker zu. Stefan hatte inzwischen den Schock über die unerwartete Heimsuchung verdaut und beschloss, das Ganze von der humoristischen Seite aus zu betrachten. Seine Tanten und die beiden Mädchen begannen eine stockende Unterhaltung, der er sich mehr und mehr entziehen konnte. Er blickte durch das Fenster ins Freie, bewunderte die grünenden Wiesen um den Hof und die Berge, die das Tal im Osten begrenzten, und überlegte, wie das Mädchen beschaffen sein musste, das er einmal zur Frau nehmen wollte. So wie die beiden hier gewiss nicht, dachte er lächelnd.

Kreszenz musterte ihren Neffen verkniffen und fühlte, dass sie für heute ihr Pulver verschossen hatte. Veronika hingegen wagte einen letzten Angriff. »Du, Stefan, für einen jungen Bauern wie dich ist’s heutzutag fei ned leicht, eine Bäuerin zu finden. Den meisten Madln ist die Arbeit auf einem Bauernhof zu viel. Die wollen nimmer mit den Hühnern aus dem Bett und bis in die Nacht hinein arbeiten, und das ohne Wochenend und Urlaub. Da müsstest du um ein Madl wie die Mirl froh sein. Die will nämlich noch Bäuerin werden.«

»Da hast du schon recht, Tante Vroni. Aber ehrlich gesagt, so pressiert’s mir mit dem Heiraten auch wieder ned. Außerdem muss ich die Madln ja auch besser kennenlernen.« Stefan hoffte, Veronika damit den Wind aus den Segeln zu nehmen, doch sie erwies sich heute als besonders hartnäckig.

»Dann lad die Mirl doch für den nächsten Samstag zu einem Ausflug ein, damit du sie kennenlernst.«

Stefan blickte seine Tante lächelnd an. »Ich tät’s ja gern, Tante Vroni. Aber grad nächsten Samstag kalbt unsere Scheck und da kann ich ned vom Hof fort.« Es war eine Lüge, denn die genannte Kuh hatte bereits vor einem Monat gekalbt. Als Bäuerin konnte Veronika sich diesem Argument jedoch nicht entziehen.

»Dann geht’s gewiss ein anderes Mal. Aber ich glaub, es hat eben drei Uhr geschlagen. Meinst du ned, dass wir jetzt wieder gehen sollten, Kreszenz?« Veronika sah ihre Schwester auffordernd an, da sie nicht vor ihr das Feld räumen wollte.

Auch Kreszenz beschloss, auf eine günstigere Gelegenheit zu warten, um mit ihrem Neffen reden zu können und nickte. »Von mir aus können wir gehen, Veronika. Der Stefan weiß jetzt, woran er ist und kann sich unter der Woch‘ das Ganze überlegen.«

Stefan seufzte innerlich, denn in seinen Augen hieß dies, dass seine Tante nicht aufgeben wollte. Da Veronika ein ebenso entschlossenes Gesicht machte wie Kreszenz, richtete er sich auf das Schlimmste ein. Das Dumme war nur, dass er wirklich bald heiraten musste. Seine Wirtschafterin wollte nämlich noch in diesem Herbst zu dem Witwer ziehen, denn sie im letzten Jahr bei einer Kur kennengelernt hatte. Er hätte sich jedoch eine attraktivere Braut gewünscht als die beiden Mädchen, die ihm einen letzten, hingebungsvollen Blick schenkten und dann seinen Tanten wie Lämmer ins Freie folgten. Er begleitete sie hinaus und sah zu, wie sie in die Autos stiegen.

»Pfia Gott miteinander, und kommt gut heim«, wünschte er ihnen.

»Pfiat di, Stefan. Und denk über das nach, was ich dir gesagt hab«, rief Veronika aus ihrem Auto heraus.

»Lieber ned, sonst gerätst du noch an die Falsche«, bellte Kreszenz zurück. Für einen Augenblick sah es so aus, als würden die beiden Schwestern zu streiten anfangen, dann startete Veronika schnaubend den Motor und fuhr los. Bereits nach wenigen Schritten hielt sie jedoch wieder an und drehte sich zu Kreszenz um.

»Was ist los, willst du ned auch fahren?«

Kreszenz gab ihr keine Antwort, sondern ließ ihren Wagen anrollen und erreichte nach gut hundert Metern die Hauptstraße. Dort bog sie nach links ab, während Veronika die andere Richtung wählte.

*

Stefan schlug das Kreuzzeichen, als die Autos seiner Tanten verschwunden waren, und kehrte ins Haus zurück. Er war kaum im Wohnzimmer, als auch schon Theres zur Tür hereinschoss. »Na, sind die zwei mit ihren beiden Prachtstücken wieder weg?« Es klang so bissig, dass Stefan sie erstaunt ansah.

»Ich hab mir denkt, du willst, dass ich bald heirate, damit du zu deinem Witwer kannst?«

»Na freilich will ich das, aber ich möcht dich ned als armes Opfer deiner Tanten zurücklassen, Stefan. Du hast eine bessere Bäuerin verdient, als die zwei sie dir zubringen wollen. Vielleicht wüsst ich sogar eine, die dir gefallen könnt.« Theres tat ein bisschen geheimnisvoll und kam näher auf ihn zu. In dem Augenblick verdunkelte ein Schatten das Fenster und kurz darauf schoss ein junger Bursche mit einem fröhlichen Grinsen herein.

»Servus miteinander. Was ist, Stefan, kann ich mir schon den Frack und den Zylinder für deine Hochzeit besorgen?«

»Depp, als wenn wir Bauern je anders als in Tracht heiraten würden«, antwortete Stefan aus vollem Herzen. Er war wahrscheinlich der Einzige, der so mit Toni Schwarz reden durfte. Sie waren als Nachbarskinder zusammen aufgewachsen und die besten Freunde, die man sich denken konnte. Doch während Stefan nach dem Tod seiner Eltern seinen Hof allein bewirtschaften musste, besaß Toni noch Vater und Mutter und lebte daher etwas unbeschwerter als sein Freund. Jetzt sah er Stefan mit einem listigen Blinzeln an.

»Meinen Respekt übrigens. Gleich zwei Bräute auf einmal anzuschleppen, das haben noch ned einmal meine Tanten geschafft, und ich hab da doch ein paar mehr als du. Aber für welche der zwei Hübschen schwärmst du denn?«

Für keine, wollte Stefan schon sagen, da huschte ein spöttischer Ausdruck über sein Gesicht. »Das sind eigentlich zwei patente Madln, und da ich bloß eine heiraten kann, hab ich meinen Tanten eine Doppelhochzeit vorgeschlagen. Ich nehm die Mirl und du die Antonia. Die passt schon vom Namen her gut zu dir.«

Toni schluckte bei diesen Worten erst einmal, begriff dann aber, dass Stefan ihn nur auf den Arm nehmen wollte, und lachte schallend. »Gegen eine Doppelhochzeit hab ich nix, eher gegen die mir vorgeschlagene Braut. Mein Schatzerl muss da schon ein wengerl mehr auf den Rippen haben als die dürre Antonia.« Er hielt sich die schalenförmig gebogenen Hände vor die Brust, um anzuzeigen, was er sich so wünschte.

Jetzt lachte auch Stefan. »Ich tret dir die Mirl gern ab und nehm die Antonia.«

»Nein, bittschön ned. Ganz so vollbusig ist denn auch wieder ned mein Geschmack. Es sollt schon hübsch in der Mitte sein.« Toni sah Stefan dabei treuherzig an und warf dann einen kurzen Seitenblick auf die Tür, die zur Küche führte.

»Ich hätt nix gegen eine Halbe Bier, wenn du eine übrig hast.«

»Warum soll ich keine übrig haben? Komm mit, wir holen uns zwei Flaschen und Gläser und setzen uns draußen auf die Hausbank. Dort können wir weiterreden.« Stefan holte zwei Bierflaschen aus dem Kühlschrank. Toni besorgte unterdessen die Gläser, während Theres wie ein düsterer Schatten danebenstand. Für sie war Toni im denkbar falschesten Augenblick gekommen, denn sie hatte mit Stefan über eine mögliche Braut reden wollen. Jetzt musste sie es verschieben, bis der Nachbarssohn wieder verschwunden war.

Während Stefan die Bierflaschen öffnete, lauschte Toni dem Zischen, das dabei entstand. »Das Geräusch ist mir lieber als der Klang von Hochzeitsglocken«, meinte er grinsend.

»Bei dir drängt’s ja auch ned, aber wenn die Theres wirklich geht, brauch ich eine Bäuerin ...«, begann Stefan.

»Oder eine neue Hausmagd. Die kannst du nämlich entlassen, wenn sie dir ned passt, was bei der Ehefrau ned so leicht möglich ist«, unterbrach Toni ihn lachend.

»Da hast du schon recht, aber du hast meine Tanten vergessen! Die geben ned eher auf, bis ich an der Kette hänge.« Stefan stöhnte bei dem Gedanken und hob dann sein Glas. »Zum Wohlsein, Toni. Der Tag ist zu schön, um in Trübsal zu versinken.«

»Da hast du recht. Schöner als heut kann’s nirgends sein.« Tonis Blick flog dabei über das sanfte grüne Tal mit dem hübschen Dörfchen, das von der St. Kajetanskirche mit ihrem von einer kupferbeschlagenen Zwiebel gekrönten Turm beherrscht wurde, und glitt dann weiter über die Almen und den Bannwald bis zu den grauen Bergriesen empor.

»Unser Herrgott muss einen guten Tag gehabt haben, als er unser Bayernland geschaffen hat.« Noch während er es sagte, sah Stefan einen jungen Mann auf den Hof zueilen.

»Ist das ned der Senn, denn du heuer eingestellt hast?«, fragte Toni neugierig.

Stefan nickte verwundert, denn er hatte den Burschen oben auf der Alm vermutet. Doch jetzt sah es so aus, als hätte sein Senn alle Zelte hinter sich abgebrochen. Er trug einen modernen, prallgefüllten Rucksack und wirkte abgehetzt.

»Grüß Gott, Herr Reitlinger. Es tut mir leid, dass ich so hereinplatze, aber ...«, rief er schon von Weitem.

»Grüß dich, Jens! Was gibt’s denn so Wichtiges, dass du von der Alm heruntergekommen bist?«, fragte Stefan.

Der andere druckste ein wenig herum. »Ich muss weg. Meine Mutter ist krank, wird vielleicht sterben. Sie verstehen ...«

»Ich geb dir gern ein paar Tag Urlaub«, bot Stefan an, obwohl er nicht wusste, wer in der Zeit das Vieh auf der Alm hüten sollte.

»Nein, keinen Urlaub! Ich ... Doch, das wär ganz nett. Da ist die Adresse, wo Sie meinen Restlohn hinüberweisen können. Aber jetzt muss ich mich beeilen, um noch den Bus in die Stadt zu erwischen.« Damit drückte der Bursche Stefan einen Zettel in die Hand und eilte mit langen Schritten davon.

Toni sah seinen Freund ganz verdattert an. »Was ist denn in den gefahren? Das mit der Mutter war doch gewiss gelogen.«

Stefan stellte sein Bierglas ab und nickte. »Das kannst du laut sagen. Nach meinem Gefühl hat er gemerkt, dass ihm die Arbeit auf der Alm ned taugt. Es ist bloß ärgerlich, weil ich jetzt mitten im Jahr einen neuen Senn suchen muss.«

»Wie wär’s mit einer jungen und hübschen Sennerin, in die du dich verliebst und sie schließlich heiratest«, warf Toni lachend ein.

Stefans Gesicht drückte Ärger aus. »Depp, so was gibt’s bloß im Roman.«

»Was willst du denn machen?«, fragte Toni, ohne beleidigt zu sein.

»Ich werd jetzt hochsteigen und nachschauen, ob mit meinem Jungvieh was passiert ist, weil’s dem Jens grad so pressiert hat. Außerdem muss ich mit der Cilly von der Schuster-Alm reden, ob sie ned ein paar Tag auch auf mein Vieh aufpassen kann. Danach muss ich mich um einen neuen Senn kümmern.«

»Darauf sollten wir den letzten Schluck Bier trinken, der noch in der Flasche ist und dann steigen wir auf die Alm. Aber da oben gibt’s heut gewiss keine Sünd, weil mir die Cilly dafür zu alt ist«, antwortete Toni lachend.

*

Als Stefan und Toni die Schuster-Alm erreichten, fanden sie die Tür verschlossen. Ein Zettel mit der Aufschrift »Bin auf der Reitlinger-Alm« wies ihnen jedoch den Weg. Sie hatten noch eine gute halbe Stunde bis dorthin zu gehen, doch hier in der freien Natur galten Zeit und Entfernung wenig. Sie durchquerten ein Stück Wald und dann kam Stefans eigene Alm in Sicht. Schon von Weitem sahen sie die gesuchte Sennerin vor der Hütte arbeiten. Als Cilly die beiden jungen Männer entdeckte, winkte sie und kam ihnen entgegen.

»Mei, bin ich froh, dass du kommst, Reitlinger«, rief sie ganz aufgeregt. »So ein Hundling, ein miserabler. Mich so anzulügen.«

»Was ist denn los?«, fragte Stefan verblüfft.

»Ich mein deinen Senn, den Jens! Mir erzählt er, seine Mutter liegt im Sterben, damit ich seine Arbeit mitmach und als ich vorhin in eure Almhütte geschaut hab, ist der Brief unter dem Tisch gelegen.« Cilly reichte Stefan ein Blatt Papier. Dieser überflog es und fluchte leise.

»Was steht da?«, brachte Toni sich in Erinnerung.

»Der Brief kommt von der angeblich todkranken Mutter. Sie schreibt, dass es dem Vater vom Jens doch noch gelungen ist, ihm einen Studienplatz zu besorgen und er deswegen so schnell wie möglich heimkommen soll. Na ja, was soll’s.« Stefan zuckte mit den Schultern und steckte den Brief ein. Im Gegensatz zu Cilly, die vor Empörung schäumte, tat er ihn mit einer kurzen Handbewegung ab.

Toni schüttelte verwundert den Kopf. »Warum ist der Kerl überhaupt Senn geworden, wenn er studieren hat wollen?«

»Ich könnt dir erzählen, was er zu mir gesagt hat, aber ich glaub, das ist auch erlogen. Wenn ich’s so anseh, bin ich direkt froh, dass er weg ist. Das Problem ist bloß, dass ich jetzt dringend jemand für die Alm brauch. Die Cilly kann sich ned um ihre und meine zugleich kümmern.«

»Für ein paar Tag geht’s schon«, bot die Sennerin an.

»Da bin ich dir auch dankbar dafür. Aber trotzdem muss ich so schnell wie möglich jemand anderes finden.« Stefan sah nicht besonders optimistisch drein, doch da hob Cilly die Hand.

»Du, Reitlinger, wenn ich einen Vorschlag machen dürfte. Mein Patenkind, die Waldmann Susi hat schon früher einmal als Sennerin gearbeitet. Aber wie’s bei jungen Leuten so ist, hat sie vom Leben was haben wollen und ist in die Stadt gezogen. Aber da taugt’s ihr ned so recht und sie sehnt sich nach dem Landleben zurück. Sie könnt von einem Tag auf den anderen kündigen, weil sie bei ihrer jetzigen Arbeitsstell noch in der Probezeit ist. Ich tät schon ein Aug auf sie haben, da brauchst du keine Angst ned zu haben.«

Stefan überlegte kurz und nickte. »Von mir aus gern, Cilly. Es ist alles besser als jetzt.«

»Dann werd ich heut noch zur Almwirtschaft hinabsteigen und sie von dort aus anrufen. Dort haben sie ein Telefon.«

Stefan merkte Cilly an, wie sehr es sie drängte, mit ihrer Verwandten zu sprechen. »Dann geh am besten gleich. Das bisserl Aufräumen können der Toni und ich auch erledigen.«

Von Toni kam ein entsetztes Keuchen, das jedoch weder Cilly noch Stefan beachteten. Die Sennerin nickte eifrig und wandte sich dann zum Gehen. Nach ein paar Schritten drehte sie sich noch einmal um. »In die Almwirtschaft kommt ja auch unsere Post. Wenn ich daran denk, dass ich den Brief für den Jens selber heraufgebracht hab, weil meine Alm näher an der Wirtschaft liegt, könnt ich mich schwarzärgern.«

»Sei doch froh, dass er weg ist, denn jetzt kannst du dein Patenkind hierherholen«, erklärte Toni grinsend und stellte dann die Frage, die ihm schon die ganze Zeit auf der Zunge lag. »Wie alt ist denn diese Susi eigentlich?«

»Vor zwei Monaten ist sie vierundzwanzig geworden«, berichtete die Sennerin und hastete dann mit einem gemurmelten »Pfia Gott!« davon.

Toni drehte sich zu Stefan um und zwinkerte ihm zu. »Vierundzwanzig ist doch ein schönes Alter, meinst du ned auch? Vielleicht gefällt dir das Dirndl und du bist die Suche nach einer Bäuerin los.«

»Ach geh«, winkte Stefan ab, konnte aber nicht verhindern, dass er plötzlich auf diese junge Sennerin neugierig war.

*

Stefan und Toni mussten sich beeilen, um noch vor der Stallarbeit wieder im Tal zu sein. An der Einfahrt zum Reitlinger-Hofe verabschiedeten sie sich voneinander, und während Toni munter pfeifend zu seinem Elternhaus weiterging, trat Stefan ins Haus. Theres wartete bereits im Stallgewand auf ihn und atmete sichtlich auf, als sie ihn sah.

»Ich hab schon Angst gehabt, du wärst aufgehalten worden, Stefan, und ich müsst die Stallarbeit allein machen.«

»Aber geh, Theres. Hab ich bis jetzt einmal gesäumt?«, fragte Stefan lachend.

»Das ned, aber es hätt ja sein können. Wie ich da den Stadtwaschl gesehen hab, den du als Senn eingestellt hast, hab ich doch Angst gekriegt.«

»Seien wir froh, dass er weg ist. Wir kriegen jetzt eine richtige Sennerin. Susi heißt sie und ist das Patenkind der Cilly von der Schuster-Alm«, berichtete Stefan.

Bei Theres schellten alle Alarmglocken. Sie hatte Susi schon einmal bei ihrer Verwandten gesehen und wusste, dass sie ein ausnehmend hübsches Mädchen war. Daher beschloss sie, Stefan vor vollendete Tatsachen zu stellen.

»Du, Stefan, was ich noch sagen wollt: Ich hab heut noch einmal mit meinem Karl telefoniert. Er hat sich eine Sommergrippe eingefangen und braucht dringend jemand, der ihn pflegt. Du hast gewiss nix dagegen, wenn ich morgen früh losfahr. Ich ruf dann gleich mein Nichterl Tina an, damit sie mich vertritt. Sie lebt ja noch daheim und kann von heut auf morgen bei dir einstehen.«

»Jetzt braucht bloß noch der Peter zu kündigen, dann habt ihr mich alle verlassen«, antwortete Stefan mit einem gewissen Ärger. Er lächelte aber sofort wieder und nahm den Worten dadurch ihre Schärfe.

»Ist schon gut Theres. Ich wünsch dir alles Gute mit deinem Witwer.«

»Die Tina ist fei ein sauberes Dirndl und die kennt sich in der Landwirtschaft aus wie keine Zweite«, lobte Theres ihre Nichte.

Jetzt klingelte es auch bei Stefan. Nicht nur seine Tanten, sondern auch seine Wirtschafterin wollte ihn anscheinend verkuppeln. Er erinnerte sich an Tonis Vorschlag, junge, unverheiratete Frauen einzustellen und grinste. Diese Tina sollte ruhig kommen. Wenn sie ihm gefiel, war es gut, wenn nicht, würde er sie eben ersetzen. Er behielt diesen Gedanken jedoch für sich und zog sich zur Stallarbeit an. Da Peter, sein Knecht, seinen freien Sonntag hatte, mussten Theres und er die Arbeit allein erledigen. Theres war zwar keine direkte Stallmagd, kannte sich aber mit Kühen aus, daher wurden sie um einiges eher fertig, als wenn Stefan alles allein hätte tun müssen. Einige Zeit später saßen sie zusammen auf der Hausbank und bewunderten das Farbenspiel, in das die untergehende Sonne die Berggipfel tauchte. Theres brachte die Rede geschickt auf ihre Nichte und gab sich dabei alle Mühe, Stefans Interesse zu wecken. Dabei hätte es ihre Lobeshymnen gar nicht gebraucht, denn der junge Bauer war durchaus interessiert. In seinen Augen würde sich jedes andere Mädchen besser als seine Frau eigenen als die beiden Bauerntöchter, die ihm seine beiden Tanten am frühen Nachmittag vorgestellt hatten. Dabei kam es ihm nicht nur auf das Aussehen an, sondern auch auf Charakter und Fleiß. Sowohl die Damhuber Mirl wie auch Antonia Berndl hatten heraushängen lassen, dass sie sich als große Bauerntöchter fühlten, und galten auch nicht gerade als besonders arbeitseifrig.

Daher lächelte Stefan Theres erleichtert zu. »Also, ich freu mich auf die Tina.«

»Du wirst ned enttäuscht sein, Bauer, gewiss ned«, sagte sie mit der sanften Stimme einer Hausfrau, die ein Kätzchen zur Milchschale locken will.

*

Tina tauchte am nächsten Morgen gleich nach der Stallarbeit auf und wurde, bevor Stefan sie überhaupt sah, erst einmal von ihrer Tante in deren Zimmer gezogen und über die Verhältnisse auf dem Reitlinger-Hof aufgeklärt. Theres nannte ihr nicht nur Stefans Lieblingsgerichte, sondern auch die Dinge, die er nicht mochte, und drängte sie zudem, stramm auf ihr Ziel zuzusteuern.

»Wenn du auf dem Hof da Bäuerin werden willst, darfst du dich ned zieren. Die Konkurrenz schläft nicht«, schärfte sie Tina ein.

Das Mädchen nickte eifrig und ließ dabei ihren Blick durch den Raum wandern. Für eine Dienstbotenkammer war Theres’ Zimmer, in dem sie vorerst wohnen würde, sehr gut ausgestattet. Außerdem besaß sie ein Badezimmer für sich allein.

»Das schaut ned schlecht aus. Jetzt muss mir bloß noch der Bauer gefallen«, meinte sie mit zufrieden.

Theres winkte lachend ab. »Wenn dir der Stefan ned gefällt, hast du den Geschmack eines alten Gummistiefels.«

»Ich hätt nix dagegen, wenn er fesch ist. Wenn du mich ned gerufen hättest, hätt ich mir überlegt, den Griebelsberger Sepp zu nehmen, und der schaut wirklich aus wie ein Paar eingeschlafene Füß«, antwortete Tina eifrig.

Ihre Tante war über diese Worte fast empört. »Du kannst doch den Stefan ned mit dem Griebelsberger vergleichen.«

»Mir soll’s recht sein«, erwiderte ihre Nichte und spähte dabei durch das Fenster in den Hof hinab, wo eben der Knecht Peter aus dem Stall trat. Beim Anblick des untersetzten Mittdreißigers mit seinem runden Kopf verzog sie ein wenig das Gesicht.

»Na ja, so besonders schaut er ja ned aus, der Bauer.«

Theres folgte ihrem Blick und schüttelte lachend den Kopf. »Das ist auch ned der Stefan, sondern unser Knecht Peter. Der Stefan kommt dort.« Sie zeigte in die entsprechende Richtung und lächelte zufrieden, als Tina einen keuchenden Laut ausstieß.

»Der könnt mir gefallen«, rief das Mädchen mit glitzernden Augen, während sie Stefan fast mit den Augen verschlang. Er war groß und breitschultrig – mit einer Taille, die kein Gramm Fett aufwies. Dunkelblondes Haar beschattete ein schmales, angenehmes Gesicht mit einem energisch wirkenden Mund und einer leicht gebogenen Nase. Stefan war zu weit weg, dass sie seine Augenfarbe erkennen konnte, doch Tina schwor Stein und Bein, dass sie blau sein mussten.

»Wollen wir ihn ned begrüßen?«, fragte sie ihre Tante.

Theres nickte zustimmend. »Das sollten wir tun. Dann solltest du ihn auch gleich von deinen Fähigkeiten als Wirtschafterin überzeugen und ihm ein Frühstück vorsetzen, wie ein Mannsbild es haben will. Keine Angst, ich helf dir dabei.« Sie sah dabei auf die Uhr und merkte, dass sie schon ein bisschen spät dran waren. Daher winkte sie ihrer Nichte, ihr zu folgen, und eilte in die Küche. Erst als der Kaffee aufgebrüht war und der Duft frisch gebratener Pfannkuchen durch die offene Küchentür in den Flur hinauszog, war Theres bereit, Stefan Tina vorzustellen.

Der junge Bauer kam gerade aus dem Badezimmer im Erdgeschoss, wo er sich Hände und Gesicht gewaschen hatte, als seine Wirtschafterin, mit ihrer Nichte im Schlepptau, auf ihn zu trat.

»Das ist die Tina, Stefan.« Sie beobachtete Stefan dabei lauernd, um zu sehen, welchen Eindruck ihre Nichte auf ihn machte.

Stefan betrachtete die junge Frau, die etwa in seinem Alter sein mochte. Sie war etwas über dem Durchschnitt groß, schlank, ohne jedoch mager zu wirken und sah ganz passabel aus. Ihn störten jedoch ihre etwas scharf gezeichneten Gesichtszüge und der berechnende Blick ihrer blassen Augen.

»Grüß dich Stefan«, sagte sie leise und streckte ihm die Hand entgegen.

»Grüß dich Tina. Du bist also der Theres ihr Nichterl.« Stefan ergriff ihre Hand und drückte sie mit Absicht etwas fester als nötig.

»Hast du aber einen Griff«, stöhnte Tina und musterte ihn dabei abschätzend. Ihre Tante hatte ihr nichts davon gesagt, dass der junge Bauer zu der eher groben Sorte zählte. Tina beschloss, ein wenig aufzupassen, denn sonst lief sie hier noch mit zerquetschten Fingern und blauen Flecken herum.

»Willst du ned frühstücken?«, fragte Theres, die nicht ganz begriff, was zwischen den beiden jungen Menschen vor sich ging. Sie ärgerte sich über ihre Nichte, die ein Gesicht machte, das einen jungen Burschen wie Stefan eher abschrecken als anlocken konnte.

»Und ob ich das will. Ich hab nämlich einen Hunger, dass ich einen Bären verspeisen könnt.« Stefan lachte laut auf und klopfte Tina dabei auf die Schulter, dass das Mädchen leise aufstöhnte. Dann trat er an den beiden Frauen vorbei in die Küche und setzte sich an seinen Platz.

»Die Tina hat dir was ganz was Besonderes zum Frühstück gemacht, nämlich Pfannkuchen mit Blaubeermarmelad«, erklärte Theres.

»Schaut ned schlecht aus.« Stefan legte sich den ersten Pfannkuchen auf den Teller und begann zu essen. Obwohl er Blaubeerpfannkuchen gern mochte, schmeckte es ihm diesmal nicht so besonders. Er hatte die Absicht der beiden Frauen auf Anhieb erkannt, ihn der jüngeren in die Arme zu schieben. Er wollte sich jedoch nicht so einfach verkuppeln lassen, sondern das Mädchen, das er einmal heiraten wollte, selbst aussuchen. Tina war es auf jedem Fall nicht, das wusste er sofort. Er musste nur zusehen, sie so rasch wie möglich wieder loszuwerden.

»So, Bauer, wenn du nix dagegen hast, geh ich jetzt, damit ich noch den Bus in die Stadt krieg. Mein Zug fährt um Zehne.« Theres wollte die Küche verlassen, um ihren Koffer aus ihrem Zimmer zu holen. Tina eilte ihr sofort nach.

»Aber Tanterl, ich kann dich doch zum Bahnhof fahren.«

Theres schüttelte fast unmerklich den Kopf. »Das brauchst du ned tun. Immerhin bist du jetzt dem Stefan seine Wirtschafterin und musst in erster Linie auf ihn schauen.«

Tina hatte ihr Angebot eh nicht ernst gemeint, sondern es nur deswegen gesagt, um Stefan gegenüber die liebende Nichte spielen zu können. Jetzt nickte sie eifrig und warf dabei dem jungen Bauern einen koketten Blick zu. »Da hast du schon recht, Tanterl. Zuerst kommt der Stefan und dann lang nix.«

»Jetzt stell mich ned als Ungeheuer hin, das seinem Gesinde keinen freien Atemzug mehr gönnt. Du kannst die Theres freilich zum Bahnhof fahren«, wandte der junge Bauer lachend ein.

Theres war anzusehen, dass sie dieses Angebot gerne angenommen hätte, doch Tina schüttelte eifrig den Kopf.

»Nein Stefan, das geht ned. Sonst wird womöglich das Mittagessen ned fertig. Heut gibt’s Schweineschnitzel mit Kartoffelsalat.«

»Zum Frühstück Blaubeerpfannkuchen, zum Mittagessen Schnitzel. Jetzt fehlen fürs Abendbrot grad noch die Schmalznudeln, um das Herz unseres Bauern glücklich zu machen.« Peter war in die Küche getreten und hatte die letzten Worte gehört. Er hatte Theres’ Nichte eben zum ersten Mal gesehen und konnte nicht behaupten, dass sie ihm besonders sympathisch war. Hoffentlich macht der Bauer keinen Fehler, dachte er, während er sich an den Tisch setzte.

Tina musterte Peter mit einem bösen Blick. Sie hatte zum Abendessen tatsächlich Schmalznudeln backen wollen, um gleich am ersten Tag mit ihren Kochkünsten Furore zu machen. Jetzt überlegte sie, ob sie dafür nicht etwas anderes auf den Tisch bringen sollte. Dann aber warf sie den Kopf in den Nacken. Wen interessierte es schon, was so ein einfacher Knecht zu sagen hatte. »Freilich gibt’s heut Abend Schmalznudeln. Was der Bauer mag, soll er kriegen.« Sie lächelte Stefan dabei so vielsagend an, dass Peter sich kaum mehr das Lachen verkneifen konnte.

Der Knecht holte es später nach, als er und Stefan die letzten Arbeiten im Stall verrichteten. »Bei der musst du dich vorsehen, Bauer. Ich tät dir fast raten, in der Nacht deine Kammertür zu versperren, sonst wachst du am Morgen auf und siehst die Tina neben dir liegen.«

»Jetzt mal den Teufel ned an die Wand.« Stefan schüttelte ärgerlich den Kopf, denn Peter hatte gerade das ausgedrückt, was ihm eben selbst durch den Kopf geschossen war. Dann aber zwinkerte er Peter verschwörerisch zu.

»Wir zwei werden doch mit diesem Frauenzimmer noch fertigwerden können.«

»Und wenn ned, holen wir uns noch den Toni als Unterstützung hinzu«, lachte der Knecht fröhlich auf.

Im selben Moment steckte Toni den Kopf zur Stalltür herein. »Bei was soll ich euch unterstützen?«

»Unsere neue Hauserin zu vertreiben«, berichtete der Knecht.

Toni sah ihn mit großen Augen an. »Ihr habt eine neue Wirtschafterin? Ja, sag bloß, die Theres hat mit ihrem verwitweten Kurschatten ernst gemacht?«

Peter nickte ihm eifrig zu. »Sie hat dafür das Feld ihrer Nichte überlassen, die schnurstracks darauf zusteuert, Bäuerin auf unserem Hof zu werden.«

Stefan winkte ärgerlich ab. »So schlimm ist’s noch ned. Schließlich ist die Tina erst ein paar Stunden auf dem Hof.«

»Das sind für meinen Geschmack schon ein paar Stunden zu viel«, warf Peter grinsend ein.

»Tina heißt sie. Ist sie wenigstens hübsch?«, wollte Toni wissen.

»Wie du weißt, ist Schönheit Geschmackssach. Du musst sie dir aber schon selber anschauen, um dir ein Bild von ihr zu machen.« Stefans Antwort klang etwas schärfer als gewollt, doch Toni lachte nur darüber.

»Das werd ich jetzt auch tun, Stefan. Und du weißt, mein Urteil ist unbestechlich.« Er brachte seinen Freund damit doch noch zum Lachen. Stefan sah Toni kopfschüttelnd nach, wie er über den Hof ging und im Haus verschwand, dann wandte er sich wieder seine Arbeit zu. Keine Minute später gellte ein lauter Ruf über den Hof.

»Stefan, Besuch ist da!«

Peter steckte den kleinen Finger ins rechte Ohr und rüttelte daran. »Sakra, hat die ein Organ. An der ist ja glatt ein Feldwebel bei der Bundeswehr verloren gegangen.«

»Wenn du schreist, hört es sich auch an wie die Posaunen von Jericho«, wies Stefan ihn zurecht. Er erledigte noch einen letzten Handgriff und trat dann ins Freie. Tina stand heftig winkend neben der Tür und deutete auf Toni, der Mühe hatte, seine ernsthafte Miene beizubehalten.

»Grüß dich Stefan, sag bloß, ihr habt die Theres runderneuert, weil sie auf einmal so viel jünger ist?«, fragte er munter.

»Ich bin ned die Theres, sondern ihre Nichte!« Tina bedachte Toni mit einem giftigen Blick und rauschte mit wehenden Röcken ins Haus zurück.

»Wenn man bei der ein bisserl bohrt, merkt man rasch, dass sie ein hantiges Wesen hat«, sagte Toni spöttisch zu Stefan.

»Damit wär sie genau das Richtige für dich, denn du brauchst eine, die dich am Nasenring führen kann.«

Toni verdrehte vorwurfsvoll die Augen. »Du wirst mir so ein Freund sein. Da brauch ich wirklich keinen Feind nimmer.«

Stefan lachte kurz, wurde aber schnell wieder ernst. »Tatsach ist, dass ich die Tina so schnell wie möglich loswerden will. Ich hab gehofft, du hilfst mir dabei.«

»Helfen tu ich dir gern, aber für dich opfern tu ich mich ned«, rief Toni rasch. Dann winkte er Stefan zu sich. »Komm her, dass ich mit dir reden kann, ohne dass es die Ohren am Küchenfenster mithören können.« Er zeigte dabei verstohlen auf Tina, die eben am offenen Küchenfenster aufgetaucht war, sich nun aber hinter dem Vorhang versteckte.

*

Gabi Andrä sah den bittenden Blick ihrer Mutter auf sich gerichtet und ärgerte sich darüber. Schließlich hatte nicht sie diesen Streit begonnen, sondern ihre Schwägerin Marie. Die Frau ihres Bruders ließ sich nun einmal bei jeder Gelegenheit heraushängen, dass sie nun die Bäuerin auf dem Hof war und sie, Gabi, nur die im Grunde überflüssige Schwester ihres Mannes.

»Du hättest dir schon längst einen Hochzeiter suchen können. Jede andere Bauerntochter hätt’s getan, damit sie ihren eigenen Haushalt hat, bevor ihr Bruder heiratet«, stichelte Marie weiter.

»Erstens bin ich sieben Jahre jünger als mein Bruder und hab schlecht mit sechzehn heiraten können. Und zweitens nehm ich ned den nächstbesten Trottel, bloß damit du mich loswirst.« Der Ärger brachte Gabi dazu, ihrer Schwägerin Kontra zu geben, auch wenn es ihrer Mutter und ihrem Bruder nicht gefiel. Gabi wusste, dass Korbinian es gerne sehen würde, wenn sie eher heute als morgen einen Bräutigam finden und den Hof verlassen würde. Doch bis jetzt hatte noch kein Verehrer Gnade vor ihren Augen gefunden.

»Der Griebelsberger Sepp tät dich sofort nehmen«, fauchte Marie sie an.

»Das tät dir so passen!« Gabi schüttelte sich, als sie an diesen Großbauern dachte, für den außer seinem Reichtum nichts sprach.

»Du wärst aber Bäuerin auf einen größeren Hof wie dem unsrigen«, wandte die Mutter vorsichtig ein.

Sofort zog Marie ein saures Gesicht, denn daran hatte sie noch nicht gedacht. Die Bäuerin des Griebelsberger-Hofes stand vom Ansehen her nun einmal über der Herrin auf dem Andrä-Hof. Trotzdem war sie bereit, ihrem Stolz dieses Opfer zu bringen, nur um die verhasste Schwägerin loszuwerden. Seit Marie auf den Hof gekommen war, machte ihr Gabis Anblick jeden Tag aufs Neue klar, wie durchschnittlich sie doch selbst war. Gabi hingegen stellte eine Schönheit dar, wie man sie nur selten findet. Ihre schlanke, aber wohlproportionierte Figur und ein ebenmäßiges Gesicht mit großen, fröhlich blickenden Augen und herrlich glänzendes Haar ließen sie weit über die anderen Mädchen der Umgebung hinausragen.

Um Unterstützung zu erhalten, stieß Marie ihren Mann unter dem Tisch mit dem Fuß an. »Sag doch jetzt auch einmal was, Korbinian. Wir waren uns doch gestern Abend einig.«

Das Gesicht des jungen Bauern nahm einen verkniffenen Ausdruck an. Es war leichter, seiner Frau nach ein paar angenehmen Minuten im Bett etwas zu versprechen, als es am nächsten Tag auch zu halten. Da er jedoch aus Erfahrung wusste, dass Marie ihm in der Nacht den Rücken zudrehen und sich nicht mehr erweichen lassen würde, sah er seine Schwester mit einem schicksalsergebenen Seufzer an. »Ich bin mit der Marie zu der Überzeugung gekommen, dass es so nimmer weitergehen kann. Solang du auf dem Hof bist, herrscht einfach kein Frieden mehr.«

Gabis Kopf ruckte ein wenig hoch. »Was heißt das?«

»Wir wollen, dass du gehst. Du kannst den Griebelsberger heiraten oder einen anderen Bauern. Oder du suchst dir irgendwo einen Dienst.« Marie genoss es förmlich, ihrer Schwägerin diese Worte ins Gesicht schleudern zu können. Doch damit brachte sie die Altbäuerin gegen sich auf.

»So weit käm’s noch, dass eine Andrä-Tochter als Dienstbote gehen müsst!«

Gabi winkte jedoch nur ab. »Lass sie, Mama! Der Korbinian und seine Frau haben schon dafür gesorgt, dass ich unseren Hof nimmer als meine Heimat ansehen kann. Ich bin überall lieber als hier, und wenn ich als Magd oder Sennerin irgendwo einstehen muss.«

Maries Augen flammten triumphierend auf, während Korbinian ein betretenes Gesicht machte. Wenn Gabi wirklich irgendwo als Dienstbote anfing, würde dies seinem eigenen Ruf schaden. Der Frieden zu Hause und im ehelichen Bett war ihm aber dann doch lieber, als ein Kratzer auf seinem Ansehen.

*

Auf dem Reitlinger-Hof versuchte Tina unterdessen, sich mit aller Macht einzunisten und ging dabei vor wie ein Kuckuck, der jede Konkurrenz aus dem Nest warf. Als Stefans Tante Veronika anrief und ihren Neffen sprechen wollte, erklärte Tina ihr freundlich, aber bestimmt, dass der Bauer ihr aufgetragen hätte, ihn nicht zu stören.

»Weißt du, ihm gehen die andauernden Versuche, ihm irgendeine schiache Bauerntochter anzudrehen, doch zu weit«, setzte sie in einem Ton hinzu, als hätte Stefan sie zur Mitwisserin all seiner Geheimnisse gemacht.

»Schiach sagst du. Dabei ist die Damhuber Mirl ein blitzsauberes Dirndl«, schnaubte Veronika empört.

»Wenn man’s fett mag, vielleicht, aber darauf steht der Stefan ned so«, antwortete Tina spöttisch und legte auf. Als kurz darauf Kreszenz Hurlmaier anrief, um bei Stefan für Antonia zu werben, erging es ihr nicht anders.

»Mit der dürren Latte sollst du ihn in Ruh lassen, hat der Stefan gesagt«, behauptete Tina frech.

Kreszenz erwies sich jedoch als etwas härterer Brocken als ihre Schwester.

»Wer bist denn du eigentlich?«, fragte sie scharf.

»Ich bin dem Stefan seine neue Hauserin und ...« Den Rest überließ Tina Kreszenz’ Fantasie.

»Ich will jetzt mit meinem Neffen reden und ned mit dir. Also hol ihn ans Telefon«, rief Kreszenz wütend.

Tina schüttelte lächelnd den Kopf, obwohl ihre Gesprächspartnerin es nicht sehen konnte. »Das geht leider ned, Hurlmaierin. Der Stefan ist ned daheim. Aber vielleicht lädt er dich bald ein. Es könnt ja sein, dass es was zu feiern gibt. Aber jetzt muss ich wieder an meine Arbeit. Heut gibt’s nämlich Sauerbraten und böhmische Knödel bei uns und du willst doch ned, dass es dem Stefan ned schmeckt. Also Pfia Gott.«

»Pfia Gott«, bellte Kreszenz zurück. Es klang fast so, als wünsche sie ihrem Neffen, dass ihm das Essen im Hals stecken bleiben sollte.

Tina war mit diesem Erfolg mehr als zufrieden. Doch jetzt musste sie ihren Einsatz bei Stefan steigern, um ihn handzahm zu machen. Sie gab sich alle Mühe beim Kochen und fand auch noch die Zeit, ein weit ausgeschnittenes Dirndlkleid anzuziehen, bevor er vom Feld zurückkam.

Stefan warf nur einen beiläufigen Blick auf die ausgestellten Schätze und starrte dann betont zum Fenster hinaus. Tina glaubte, dass er schüchtern wäre, und nahm sich vor, ihn heute noch zu verführen. Stefan erkannte die Gefahr und verließ fast fluchtartig die Küche. Als er in den Stall kam, empfing ihn Peter mit einem breiten Grinsen.

»Na Bauer, wie fühlt man sich als Napoleon vor der Schlacht von Waterloo? Heut müsstest du schon aus Eisen sein, um gegen die Tina bestehen zu können.«

»Spotten kannst du, aber mir einen Rat geben, das ned«, biss Stefan zurück.

Der Knecht gluckste vor Vergnügen. »Aber, Bauer, ich lass dich doch in dieser Gefahr ned im Stich. Dafür ist mir der Drache in der Küche doch ein bisserl zu hantig. Ich hab bereits Maßnahmen ergriffen.«

Stefan ruckte herum. »Welche Maßnahmen?«

»Ich hab mit dem Toni geredet. Er kommt nach der Stallarbeit zum Schafkopfen herüber. Wenn die Tina ned spielen kann, wird’s zwar bloß ein Dreier, aber es ist alles besser, als dich dieser Hyäne zu überlassen.«

Stefan schüttelte lachend den Kopf. »Du bist mir so einer, Peter! Aber ich bin dir auf alle Fälle dankbar. Das Ei, das mir die Theres mit der Tina ins Nest gelegt hat, ist mir doch ein bisserl zu hart.«