Mirjam Wyser

 

 

Acello und sein geflügeltes Pferd

Ein Buch aus dem FRANZIUS VERLAG

 

Cover: Perry Payne

Bildlizenz: Panthermedia

Buchumschlag: Jacqueline Spieweg

Korrektorat/Lektorat: Petra Liermann

Verantwortlich für den Inhalt des Textes

ist die Autorin Mirjam Wyser

Satz, Herstellung und Verlag: Franzius Verlag

Druck und Bindung: SDL, Berlin

 

 

ISBN 978-3-96050-084-1

 

 

Alle Rechte liegen beim Franzius Verlag

Hermann-Ritter-Str. 114, 28197 Bremen

 

Copyright © 2017 Franzius Verlag, Bremen

www.franzius-verlag.de

 

 

 

 

 

 

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jegliche Verpflichtung oder Garantie des Verlages. Er übernimmt deshalb keinerlei Ver-

antwortung und Haftung für etwa vorhandene Unrichtigkeiten.

Inhaltsverzeichnis

1. Professor Cello

2. Zwieback und Munkel

3. Die andere Welt

4. Die Königin des Lichtes

5. Das Feuerhorn

6. Der Eremit Philippe

7. Die geheimnisvolle Holztruhe

8. Das Schloss am Moor

9. Der Pferdedieb

10. Kevin wird krank

11. Die schlimme Botschaft

12. Der Pferdemarkt

13. Der Besen aus Mondstrahlen

14. Fabriken

15. Geheimes Gespräch

16. Das goldene Herz

17. Spiegelbild

18. Robertos Schlüsselblitz

19. Der Jaspis Stein

20. Der merkwürdige Professor

21. Jako, der Kranich

22. Die Bienenkönigin

23. Die Goldene Stadt

24. Beim Betrügen ertappt

25. Igor

26. Zurück in die Eremitenklause

27. Die Sternenblumen

28. Der Lichterbaum

Über die Autorin Mirjam Wyser

Weitere Werke der Autorin

Veröffentlichungen des Franzius Verlages:

 

1. Professor Cello

 

Der Fluss schlängelt sich durch das historische Altstadtviertel der Stadt. Heute ist ein strahlend schöner Tag. Die Menschen schlendern durch die verwinkelten Gassen. Rechts und links davon laden die Straßencafés zum Verweilen ein. Wer die steile Treppe zu dem kleinen Park mit den alten Bäumen hochsteigen will, muss fit sein. Von dort oben haben die Besucher einen tollen Panoramablick über die Stadt. Im Hintergrund sieht man zwei Altstadtkirchtürme. Einer davon hat ein berühmtes Zifferblatt. Noch etwas weiter hinten, erhöht auf einem Hügel, steht die Universität.

 

Einer unter vielen Dozenten an dieser Universität ist Professor Cello. Dozenten sind die Lehrer an den Universitäten. Professor Cello ist nicht mehr ganz jung, hat ein freundliches Gesicht und graue Haare. Bei den Studenten ist er sehr beliebt. Zum Mittagessen geht er oft in die Cafeteria, welche auch Mensa genannt wird, auf der Dachterrasse der Universität. Hier bietet sich ein herrlicher Ausblick über die ganze Stadt und auf den See. Ganz weit entfernt sieht man sogar die Berge mit ihren weißen Spitzen.

 

Die Glocke läutet und die Studenten nehmen im Hörsaal ihre Plätze ein. Die Vorlesung beginnt. Professor Cello skizziert ein paar Zahlenformeln an die Wandtafel. Dann wendet er sich den Studenten zu. Er lehrt sie, wie Maschinen wirtschaftlich optimal eingesetzt werden können.

 

„Gibt es noch Fragen zur letzten Stunde?“, erkundigt sich der Professor. Niemand meldet sich. Professor Cello nickt zufrieden und beginnt den Unterricht mit den Worten: „Dann legen wir los.“ Die Studenten hören interessiert zu und machen sich Notizen. Zum Schluss will Professor Cello den Studenten am Computer noch einige Grafiken und Statistiken zeigen. Aber aus irgendeinem Grund funktioniert das einfach nicht. Auf dem Bildschirm erscheinen plötzlich ganz andere Bilder. Die Studenten lachen schallend. Dann läutet die Glocke das Ende der Stunde ein. Professor Cello ist erleichtert. Verwirrt schüttelt er den Kopf und geht zum Mittagessen. Das Erlebnis lässt ihn aber nicht los. Gedankenverloren verspeist er sein Essen. Danach packt er den Computer noch einmal aus und dieses Mal funktioniert alles bestens.

 

Noch weiß er nichts vom Sumpfmonster, das seinen Computer im Verborgenen manipuliert und verändert hat, um ihn zu ärgern. Aber wer ist dieses Sumpfmonster eigentlich?

 

Es lebt versteckt im Moor und ernährt sich von den bösen Gedanken und Taten der Menschen, die wie dunkle Wolken durch die Luft fliegen. Das Sumpfmonster findet reichlich Nahrung und wird immer stärker. Manchmal hängt es sich an eine dunkle Wolke und fliegt durch den Himmel. So kann es überall sein. Es schwebt, von den Menschen ungesehen, durch den Raum und kichert vor Schadenfreude vor sich hin.

 

2. Zwieback und Munkel

 

Professor Cello ist immer auf der Suche nach neuen Erfindungen. Um seinen Kopf durchzulüften, reitet er mit seinem Pferd Kevin durch die unberührte Natur. Der Herbst ist gekommen. Das Sträßchen zu seinem Haus ist mit Blättern bedeckt. Es ist schön, dort zu reiten. Ein Wirbel trockener Blätter tanzt jeweils durch die Luft, wenn der Reiter und sein Pferd losgaloppieren. Meistens reitet er durch das Moor und trabt über den torfigen Boden zum angrenzenden Wald hinüber.

 

Plötzlich, unter einem großen Baum, stellen sich dem verblüfften Professor zwei Zwerge in den Weg. Gerade noch rechtzeitig kann er das Pferd zum Stehen bringen. Zwerge hat er in dieser Gegend nicht vermutet. Genauer gesagt, hat er auch nicht an Zwerge geglaubt. Er ist entzückt von den beiden niedlichen Kerlen, die wie kleine Bäume aussehen und soeben aus dem großen Baum herausgetreten sind.

 

Er steigt vom Pferd herunter und mustert die beiden gerührt. Auch die kleinen Naturwesen mustern den Professor. Wie mit einem Röntgenblick durchleuchten sie ihn. Auch wenn sie noch so klein sind, strahlen sie eine unsichtbare Macht aus. Die beiden zeigen Zutrauen und stellen sich vor: „Wir sind die beiden Zwerge Zwieback und Munkel!“

 

Nach einem kurzen Zögern lächelt der Professor freundlich. „Es ist mir eine große Freude, zwei so sympathische Zwerge kennenzulernen. Ich bin Professor Cello.“

 

Nun kichern die Zwerge. „Das wissen wir doch schon lange.“ Der Professor ist überrascht. Bevor er antworten kann, sprechen die Zwerge weiter: „Wir haben dich erwartet. Reite weiter bis zur Klippe und dann durch das goldene Tor hindurch.“

 

Der verdutzte Professor Cello will gerade nachfragen, weil er schon oft bei der Klippe war, aber noch nie ein goldenes Tor gesehen hat. Doch die Zwerge haben sich schon wieder in Luft aufgelöst. Er läuft in der Hoffnung, ein kleines Tor zu einem Zwergenhaus zu finden, um den Baum herum, doch er kann nichts sehen.

 

Also steigt er wieder auf das Pferd, gibt Kevin die Sporen und reitet voller Neugierde zur Klippe. Dort angekommen, steigt er vom Pferd, nimmt Kevin am Zügel und läuft bis zum äußersten Rand. Er schaut auf das Meer hinaus und sieht, wie die Wellen ans Ufer peitschen. Aber ein goldenes Tor kann er nirgends entdecken. Er bleibt eine ganze Weile draußen bei den Klippen stehen und hofft, dass etwas Ungewöhnliches passiert.

 

Am Horizont geht schon langsam die Sonne unter, als sich vor seinen Augen eine farbige Wolke zu einem Farbenspiel formiert. Die Farben fließen wie Wasserfarben ineinander und hinein. Und siehe da: Plötzlich sieht er das goldene Tor vor sich. Langsam öffnet es sich. Erstaunt reibt er sich die Augen. Eine unsichtbare Stimme sagt ihm, dass er vor dem Durchschreiten des Tores noch seine Schuhe ausziehen soll und sie bei den Klippen zurücklassen muss. Widerwillig gehorcht er.

 

Nun darf Professor Cello mit Kevin hindurchreiten. Tanzende Blumen und funkelnde Wassertropfen leuchten ihm den Weg. Er betritt den Lichtpalast der Sternenbewohner. Eine helle Lichtgestalt nähert sich ihm. Sie ist so hell, dass der Professor nichts mehr sehen kann. Sie reicht ihm die Hand. In diesem Augenblick durchstrahlt ihn und sein Pferd ein helles Licht. Sie werden beide federleicht, so als würden sie auf einer goldenen Wolke schweben. Wer diese Lichtgestalt ist, weiß er noch nicht.

 

3. Die andere Welt

 

Der Professor und Kevin werden von einem Sog erfasst und durch einen langen Gang gezogen. Professor Cellos Augen gewöhnen sich langsam an die Helligkeit, was ihm erlaubt, in den Lichtpalast zu schauen. Die Wände sind wie aus Watte. Hier ist alles aus Licht und Farben, ganz zart wie Seifenblasen. Er kommt in einen Lichtraum, in welchem es in der Mitte einen Springbrunnen ohne Wasser gibt. Statt Wasser werden farbige Lichter in den Himmel hinausgestoßen. Weiße Schmetterlinge fliegen ihm entgegen.

 

Nun kann der Professor wieder gut sehen und dann erblickt er hinter dem Brunnen in einer unbeschreiblichen Schönheit die Königin des Lichtes. Ihr Kleid funkelt wie tanzende Lichter. Sie winkt dem staunenden Professor zu und lässt ihn durch das Himmelsfenster auf die Erde hinunterschauen. Als würde er ein Panoramabild betrachten, kann er alles sehen: Die ganze Weisheit aus der Himmelswelt verknüpft mit der irdischen Welt. Wie ein Uhrwerk greift alles ineinander. Jedes Kind, jeder Mensch hat seinen Platz und seine Aufgabe auf der Erde.

 

Der Professor sieht aber auch, wie winzig klein ein Mensch im Räderwerk der Königin des Lichtes ist. Die guten Menschen sind helle Lichter auf der Erde, die bösen nur graue bis schwarze Punkte. Staunend blickt der Professor umher. So etwas Schönes hat er noch nie gesehen.

 

Langsam erlöschen die Lichter wieder für seine Augen. Bevor es wieder ganz dunkel wird, schenkt ihm die Königin des Lichtes neue Schuhe.

 

Das Schauspiel hat mehrere Stunden gedauert, obwohl es dem Professor nur ganz kurz vorgekommen ist. Eine goldene Wolke bringt ihn mit Kevin zur Klippe zurück. Dann verschließt sich das goldene Tor wieder.

Gerade ist Mitternacht vorüber und der Mond leuchtet hell am Himmel. Der Professor steht mit seinem Pferd Kevin auf der Klippe und weiß nicht, ob er geträumt hat oder ob er wirklich im Reich der Königin des Lichtes gewesen ist. Er schaut zu seinen Füßen hinunter und überrascht auf die neuen Schuhe, die er nun trägt. Die alten stehen immer noch an der Klippe. Da kommen die beiden Zwerge Zwieback und Munkel auf ihn zu und nehmen seine alten Schuhe mit, was den Professor sehr erstaunt.

 

Als sie das verwunderte Gesicht sehen, erklären sie: „Diese Schuhe haben dich zum goldenen Tor geführt. Nun werden wir sie einem anderen, besonderen Menschen weitergeben, damit auch er zum goldenen Tor findet.“ Dann sind die beiden mit den alten Schuhen des Professors wieder spurlos verschwunden.

 

Als er durch den Wald zurück reitet, bemerkt er, dass seine neuen Schuhe eine große Macht haben. Mit diesen Schuhen kann er über eine Brücke in Regenbogenfarben die unsichtbare Welt betreten. Die Königin des Lichtes hat ihm magische Zauberkräfte verliehen. Genauer gesagt bedeutet dies, dass er von nun an nicht mehr nur der alte Professor Cello ist, sondern dass er sich jeweils nachts in Acello verwandeln wird. Auch sein Pferd Kevin hat eine wichtige Aufgabe zugeteilt bekommen: Es ist Acellos treuer Begleiter auf seinen nächtlichen Reisen und wird sich von einem gewöhnlichen in ein geflügeltes Pferd verwandeln. So können die beiden gemeinsam durch die Nächte fliegen. Doch für jeden Himmelsritt muss der Professor Cello seine Himmelsrüstung, die magische Zauberbrille und die neuen Zauberschuhe, anziehen. Nun sind sie perfekt gerüstet, um unsichtbar durch die Nacht zu fliegen.

 

4. Die Königin des Lichtes

 

In einer der folgenden Nächte hat Professor Cello einen besonderen Traum: Er geht taumelnd durch einen dunklen Gang. Sein Körper wird schwerer und schwerer. Langsam schwebt er erneut in das Land des Lichtes. An diesem fantastischen Ort begegnet er wieder einem Meer von Farben. Die Königin des Lichtes ruft ihn zu sich. Ihre Augen sind wie tanzende Sterne und aus ihrem goldenen Herzen funkeln wunderschön tanzende Lichter.

 

„Willkommen zurück in meinem Reich!“, begrüßt ihn die Himmelskönigin. „Ich brauche dringend deine Hilfe. Dein großer Mut und deine Liebe zu allem was lebt, sind größer als die Furcht. Viele Erdenmenschen fürchten sich vor allem Neuen. Auf der Erde wird es immer dunkler. Das Sumpfmonster wird immer stärker und hüllt die Erde in eine dunkle Wolke ein. Mein himmlisches Licht, welches die Herzen der Menschen erleuchten soll, hat immer größere Mühe, durch das Finstere hindurch zu strahlen. Ich habe dich und dein Pferd Kevin deshalb auserkoren, meine Himmelsreiter zu werden und den Kampf mit dem Sumpfmonster aufzunehmen. Viele Menschen kommen mich nachts im Schlaf besuchen. Sie sehnen sich nach dem Meer des Lichtes. Doch am Morgen haben sie alles wieder vergessen. Nur wenige Erwachsene können sich an die Träume erinnern. Bei Sternenmenschen ist es anders: sie wissen genau, wo sie in der Traumwelt waren. Bei den Kindern ist es noch anders. Sie können sich oft an mein Zauberland erinnern.

 

Du hast meinen Ruf gehört und wirst dich von nun an am Morgen erinnern können, was ich dir in der Nacht gesagt habe. Wir Himmelswesen sind nämlich auf die Hilfe der Erdenmenschen angewiesen. Ihr helft uns, für das Gute zu kämpfen. Dein geflügeltes Pferd Kevin und du, ihr seid nun meine Kämpfer für das Gute. Aber denke daran: Du kannst nur in der Dunkelheit mit dem Pferd fliegen, denn nur im Dunkeln hat auch das Böse Macht.“