Ina Brandt

Eulenzauber

Der große Herzenswunsch

Mit Illustrationen von
Irene Mohr

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Weitere Bücher von Ina Brandt im Arena Verlag:
Eulenzauber. Ein goldenes Geheimnis (Band 1)
Eulenzauber. Rettung für Silberpfote (Band 2)
Eulenzauber. Eine wunderbare Freundschaft (Band 3)
Eulenzauber. Magie im Glitzerwald (Band 4)
Eulenzauber. Rätsel um die Goldfeder (Band 5)
Eulenzauber. Hilfe für das kleine Fohlen (Band 6)
Eulenzauber. Geheimnisvoller Edelstein (Band 7)
Eulenzauber. Ein neuer Freund für Goldwing (Band 8)
Eulenzauber. Mein Freundebuch
Eulenzauber. Mein magisches Malbuch
Die Zauberschneiderei. Leni und der Wunderfaden (Band 1)
Die Zauberschneiderei. Ein Fest voller Magie (Band 2)
Die Zauberschneiderei. Ein Kleid zum Träumen (Band 3)
Die Zauberschneiderei. Ein märchenhafter Auftritt (Band 4)

Ina Brandt
arbeitete nach dem Germanistikstudium einige Jahre als
Lektorin, bevor sie sich als Autorin selbstständig machte.
Seitdem hat sie zahlreiche Kinderbücher veröffentlicht. Mit
»Eulenzauber« erfüllt sie sich einen lang gehegten Traum, den
ihr ein kleiner Waldkauz in vielen Nächten aus dem Garten
zugerufen hat. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und
ihren beiden Töchtern in der Nähe von Stuttgart.

Irene Mohr
wurde in Hamburg geboren und hat dort an der Fachhochschule
für Gestaltung Grafikdesign studiert. Seitdem
arbeitet sie als Illustratorin und Grafikerin für verschiedene
Kinderbuchverlage. In ihrem Atelier hat sie eine Malschule
gegründet und dort viele Jahre Kurse für Kinder und Erwachsene
gegeben. Wenn sie keine Bücher illustriert, ist
sie am liebsten in der freien Natur – zwar ohne Eule,
aber dafür gerne mit Pinsel und Staffelei.

 

 

Für alle, die Mut haben zu träumen

1. Auflage 2018
© 2018 Arena Verlag GmbH, Würzburg
Alle Rechte vorbehalten
Umschlag- und Innenillustration: Irene Mohr
Logogestaltung: Max Meinzold
Umschlaggestaltung: Anja Götz
ISBN 978-3-401-80774-4

www.arena-verlag.de
www.eulenzauber-lesen.de

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Diese Zeilen hinterlasse ich dem Menschen, der daran glaubt, dass es Zaubereulen wirklich gibt! Dem, der bereit ist, ihr Geheimnis zu wahren und ihre Kräfte weise zu nutzen. Dem, der seine Eule gefunden hat, die bloß er verwandeln kann. Nur wenn die beiden wirklich füreinander bestimmt sind, wird das Wunder wahr.

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1
Wenn Nathalie wüsste …

Flora stand im Garten und blickte suchend in den Himmel. Hunderte von Sternen funkelten über ihr, als ob jemand mit geheimnisvollen Riesenhänden glitzernde Diamanten darübergestreut hätte. Aber Flora war nicht hier, um diesen wunderschönen Anblick zu genießen. Nein, sie hielt nach Goldwing Ausschau, ihrer Zaubereule. Wo blieb sie nur? Normalerweise wartete sie doch schon, wenn Flora wie jeden Abend zu den großen alten Tannen kam, um sich mit ihr zu treffen. Hoffentlich war ihr nichts passiert? Flora fröstelte und zog den Reißverschluss ihrer Jacke hoch. Obwohl es schon Mai war, wurde es nachts immer noch ziemlich kühl.

Da nahm sie plötzlich eine Bewegung wahr. Goldwing! Endlich! Mit ein paar kräftigen Flügelschlägen flog die kleine Waldohreule direkt auf Flora zu. Lautlos segelte sie herab und landete auf einem Baumstumpf.

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Flora holte sofort ihren Eulenring aus der Jackentasche und hielt ihn Goldwing hin. Als sie ihn mit dem Schnabel ergriff, murmelte Flora die magischen Worte:

Zaubereule, komm herbei!

Es dauerte nur einen kurzen Moment und schon legte sich ein goldener Schimmer über Goldwings braungrau gestreifte Flügel. Zunächst war es nur ein Hauch, der jedoch immer stärker wurde, bis ihre Flügelspitzen richtig leuchteten.

»Goldwing, wo warst du?«, fragte Flora sofort. »Ich hab mir schon Sorgen gemacht.«

»Tut mir leid«, entschuldigte sich Goldwing. »Stell dir vor, ich hab noch Silberpfote getroffen.«

Flora strahlte. »Wie schön! Geht es ihm gut?« Sie hatte den kleinen Fuchs mit der weißen Pfote schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen.

»Er ist ganz schön groß geworden«, erwiderte Goldwing. »Und bei seiner neuen Familie fühlt er sich richtig wohl. Nur seine beiden Geschwister findet er manchmal ein bisschen nervig.«

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Flora grinste. »Das kann ich gut verstehen«, meinte sie. Genauso ging es ihr nämlich mit Felix, ihrem jüngeren Bruder.

Lächelnd strich Flora über Goldwings Flügel. Gemeinsam hatten sie es geschafft, dass der verwaiste Fuchs von einer neuen Familie aufgenommen wurde und nun wieder glücklich war. Und nicht nur ihm hatte Goldwing geholfen. Auch Mary, dem verletzten Reh, dem Schleiereulenpaar von Burg Federstein und noch vielen mehr. So wie es die Aufgabe von Zaubereulen war, die gemeinsam mit ihrem Eulenfreund Tieren und Menschen in Not zur Seite standen. Immer wieder waren Goldwings magische Käfte für Flora wie ein Wunder. Und dass sie eine Zaubereule zur Freundin hatte, war das größte Wunder überhaupt!

»Woran denkst du?«, riss Goldwings sanfte Stimme sie aus ihren Gedanken.

»Ach, manchmal kann ich es immer noch nicht glauben, was du alles schon geschafft hast.«

»Aber nur mit dir!« Goldwing stupste Flora mit dem Schnabel gegen den Bauch. »Ohne dich könnte ich mich doch gar nicht verwandeln und es gäbe überhaupt keine Zauberei. Nicht das kleinste Fünkchen!«

Flora war gerührt. Ja, nur ein ganz bestimmter Mensch konnte seiner Eule ihre magische Gestalt verleihen. Sein Eulenfreund! Diese beiden waren füreinander bestimmt und erst wenn sie sich gefunden hatten, konnten Wunder Wirklichkeit werden. So wie Flora und Goldwing sich gefunden hatten. Und plötzlich hatte Flora eine Freundin gehabt, der sie alles erzählen konnte. Am Anfang hatte sie sich in Tannenbach nämlich ganz schön einsam gefühlt und wäre wegen der blöden Nathalie am liebsten gar nicht mehr in die Schule gegangen. Bei dem Gedanken an Nathalie fiel Flora plötzlich ein, dass Goldwing noch gar nicht das Neueste wusste.

Aufgeregt erzählte sie ihr, dass Nathalie adoptiert war. Dieses Geheimnis hatte Flora, ohne es zu wollen, zufällig mitgehört. Sie würde es niemandem verraten, aber Goldwing war selbstverständlich eine Ausnahme.

Die kleine Eule lauschte mit großen Augen und nickte dann ein paar Mal. »Nun ist mir klar, warum Nathalie ausgerechnet ihre Freundin Lea immer so gepiesackt hat. Sicher ist sie neidisch, dass Lea ein Geschwisterchen bekommt, weil sie selbst gerne eine ganz normale Familie mit Geschwistern hätte.«

»Na ja, jetzt hat sie wenigstens das zugelaufene Kätzchen vom Reiterhof«, erwiderte Flora. »Damit gibt sie aber auch schon wieder mächtig an.«

»Ach, lass sie doch«, meinte Goldwing. »Bei ihr muss halt immer alles was Besonderes sein. Selbst ihr Kätzchen.«

Flora lachte. Da hatte Goldwing recht. Wenn Nathalie wüsste, dass Flora noch was viel Tolleres hatte – nämlich eine Eule, die zaubern konnte! Aber leider durfte das ja niemand wissen. Egal! Goldwing war ihre Freundin und das war alles, was zählte.

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2
Das große Back-Trallala

Als Flora am nächsten Morgen in die Küche kam, war ihr Vater schon auf dem Weg in seine Tierarztpraxis, die sich im Erdgeschoss befand.

»Ich will noch ein bisschen lernen, bevor die ersten Patienten kommen«, sagte er und nahm schnell einen Schluck Kaffee. »Morgens habe ich einfach einen frischeren Kopf.«

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»Wenn du dann abends wenigstens früher hochkommen würdest«, bemerkte Floras Mutter mit einem Seufzen. »Ich habe das Gefühl, wir kriegen dich kaum noch zu Gesicht.«

»Sobald die Prüfung rum ist, wird das wieder besser«, versprach Herr Faltin. Er wollte seiner Frau einen Abschiedskuss geben, doch sie drehte sich weg.

»Hoffen wir’s mal«, murmelte sie nur und fing an, die Spülmaschine auszuräumen.

Herr Faltin schüttelte den Kopf, drückte Flora kurz an sich und verließ eilig die Wohnung.

Flora schaute ihm nachdenklich hinterher. Wie gut, wenn in ein paar Tagen seine Prüfung endlich vorbei war. Dass es zu Hautkrankheiten bei Hunden auch so viel zu lernen gab!

Da klingelte das Telefon.

»Wer ist denn das um diese Zeit?«, murmelte Frau Faltin mit einem Blick auf die Küchenuhr. Sie nahm den Hörer ab und an ihrem übertrieben freundlichen Ton erkannte Flora: Das musste Frau Schönlein sein! Die berühmte Backautorin würde nächsten Sonntag nämlich einen Kurs in der Bäckerei veranstalten. Das war die Idee von Floras Mutter gewesen, die seit ihrem Umzug nach Tannenbach im Hofladen der alten Mühle arbeitete.

Magda, die Besitzerin der Mühle, wollte bei dieser Gelegenheit den Kundinnen ihre verschiedenen Mehlsorten vorstellen und Frau Schönlein sollte zeigen, welche tollen Sachen man daraus machen konnte. Flora verstand nur nicht, warum man deswegen ständig anrufen musste. Immer wieder hatte diese Frau neue Wünsche oder Fragen.

Da hatte ihre Mutter das Gespräch beendet und kam mit geröteten Wangen zurück.

»Was will die denn dauernd?«, nuschelte Flora mit vollem Mund. »Wie kann man nur so einen Wirbel wegen ein paar Brötchen veranstalten?«

Frau Faltin warf Flora einen missmutigen Blick zu. Die Falte auf ihrer Stirn wurde gleich noch ein bisschen tiefer. Kein gutes Zeichen!

»Das sind nicht nur ›ein paar Brötchen‹«, erklärte sie mit spitzem Ton. »Frau Schönlein wird lauter besondere Sachen backen. Zum Beispiel Olivenstangen mit Rosmarin oder Bärlauch-Käsekringel.«

»Iiiih«, erklang es da und Felix erschien in der Küche. »Das schmeckt bestimmt voll eklig!«

Frau Faltin betrachtete ihn kopfschüttelnd. »Das kannst du gar nicht wissen, solange du es nicht probiert hast«, erwiderte sie säuerlich.

Sie wandte sich ab und räumte weiter Teller aus. Flora legte einen Finger auf den Mund und blickte ihren Bruder warnend an. Sie waren jetzt besser erst mal still.

Eine Zeit lang war außer Geschirrgeklapper nichts zu hören. Flora wusste, dass ihre Mutter sich ärgerte, wenn Felix und sie nicht gerade begeistert waren von ihren Back- oder Kochkünsten. Aber sie mussten eben oft Versuchskaninchen für irgendwelche neuen Rezepte spielen und leider fanden sie die meistens ziemlich ungenießbar.

Andererseits fand es Flora immer furchtbar, wenn ihre Mutter schlechte Laune hatte.

»Haben sich denn schon viele angemeldet?«, erkundigte sie sich daher.

Frau Faltin nickte. »Ja, aber man kann auch ohne Anmeldung kommen. Deswegen wissen wir gar nicht, was uns erwartet. Die Zeitung wollte auch noch einen kleinen Artikel drucken. Da muss ich unbedingt nachher noch mal anrufen. Ach ja, und wir müssen jemanden finden, der ein paar gute Fotos macht. Die Internetseite vom Mühlenladen braucht dringend ein bisschen frischen Wind.«

Flora staunte. Das klang ja wirklich nach mehr als nur ein paar Brötchen. Eher nach großem Back-Trallala!

»Vielleicht kann ich Papa fragen, ob er Zeit hat?«, überlegte Frau Faltin. »Wenn er nicht gerade wieder lernen muss …«

Da hatte Flora eine Idee. »Du könntest doch Miris Mutter fragen«, schlug sie vor. »Sie hat eine richtig gute Kamera und fotografiert wahnsinnig gern.« Frau Schulte war zwar seit einiger Zeit auf dem »Maltrip«, wie Floras Freundin Miri es immer nannte, aber davor hatte sie einfach alles fotografiert, was ihr vor die Linse kam.

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»Stimmt, ich hab noch die Fotos vor Augen, die sie beim Fest auf dem Pferdehof verkauft hat«, meinte Frau Faltin. »Ich rufe sie gleich nachher mal an.« Sie stockte kurz und dachte nach. »Wenn die Schultes am Sonntag Zeit haben, hättest du dann nicht Lust, mit Miri ein bisschen beim Bedienen zu helfen? Eigentlich wollte Saskia kommen, aber sie hat am Montag einen Test und muss lernen. Ihr müsst nicht viel machen, nur den Leuten was zu trinken anbieten. Natürlich könnt ihr auch mitbacken. Na, was meinst du?«

Flora überlegte. Eigentlich wäre sie mit Miri lieber auf dem Reiterhof gewesen, als eine Horde backbegeisterter Frauen zu bedienen. Aber gemeinsam mit Miri war es vielleicht sogar ganz lustig. Na ja, zumindest solange Flora keine Bärlauch-Käsekringel essen musste …

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Spannende Neuigkeiten