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Hrsg. Gitta Rübsaat, Gruppe Biografisches

Wo die Liebe hinfällt ...


Dank all dieser Autoren von BookRix war es möglich diese Anthologie - Spendenbuch für Tiere zu erstellen: Geli Ammann, Heidrun Böhm, Angela Ewert, Doris Frese, Andrea Grau, Martina Hoblitz, Phil Humor, Esra Kurt, Elke Lehmann, Carmen Liebing, Matthias März, Petra Peuleke, Marcel Porta, Bert Rieser, Michelle Robin, Robustus, Gitta Rübsaat, Sweder van Rencin, Roland Schilling, Helga Schmiedel, Gabi Schurat, Betty J. Viktoria, Rebekka Weber, Margo Wolf, Berthold Zimmerer, Elisabeth Zimmerer.


BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Zum Buch

Wo die Liebe hinfällt …

 

 

Die Genehmigung der Autoren zur Verwendung ihrer Werke für diese gemeinnützige Anthologie liegt vor!

Ein herzliches Dankeschön auch an Hartmut Gelhaar der mir die Genehmigung gab, aus seinen

Gedichten einige passende Verse auszusuchen und einzufügen. 

 

 

Gemeinsam für caritative Projekte

Die Autoren verzichten auf jegliches Honorar, der

Nettoerlös geht also vollständig an die

ARCA-Tierrettung e.V.

Allen BookRix Autoren ein herzliches Dankeschön

und unser besonderer Dank gilt Geli Ammann, die

uns das von ihr entworfene und gemalte Coverbild

ebenfalls kostenlos zur Verfügung gestellt hat.

 

Die Originalausgabe erschien im Mai 2019

bei BookRix GmbH & Co.KG als e-book

www.bookrix.de

und das Taschenbuch über Print on Demand

by Kindle Amazon

Herstellung: Amazon Distribution GmbH Leipzig

Copyright © 2019 Gitta Rübsaat (Hrsg. und Mitautor)

Alle Rechte liegen bei den Autoren

Cover Illustration: ©Geli Ammann

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung ist nur mit Zustimmung

der Autoren zulässig. Das gilt vor allem für

Vervielfältigungen, Übersetzungen,

so wie das Speichern und Verarbeiten

in elektronischen Systemen.

KDP-ISBN: 9781099340963

Imprint: Independently published

 

 

 

 

 

 

 

Inhaltsangabe

  1. - Der Auftrag zur Maifeier - CarmenLiebing
  2. - Nachts sind alle Katzen grau - Petra Peuleke
  3. - Reise nach Tunesien - Matthias März
  4. - Endlich eine Freundin - Gitta Rübsaat
  5. - …und begehre nicht… - Elke Lehmann
  6. - Verliebt auf dem Weihnachtsmarkt - Doris Frese
  7. - Feuerwerk - Rebekka Weber
  8. - Ich möchte der Mann … - Roland Schilling
  9. - Wunder gibt es immer wieder - Margo Wolf
  10. - Der Liebesbrief - Esra Kurt
  11. - Land des Vergessens - Robustus
  12. - Ein ziemlich verwirrter Chef - Martina Hoblitz
  13. - Die Liebe ist ein seltsames Spiel - Gitta Rübsaat
  14. - Der Möchtegern - Zimmerer/Böhm
  15. - Freesien - Elke Lehmann
  16. - Der Traun vom Glück - Geli Ammann
  17. - Das Vermächtnis - Michelle Robin
  18. - Wapella - Desperado
  19. - Der Schwiegersohn kommt - Matthias März
  20. - Alles nur Luft - Bert Rieser
  21. - Naturereignis - Angela Ewert
  22. - Die Qual der Wahl - Margo Wolf
  23. - Schneebedeckt - Marcel Porta
  24. - Klassentreffen - Gabi Schurat
  25. - Der Mann aus der Reklame - Heidrun Böhm
  26. - Die Persiluhr - Berthold Zimmerer
  27. - Wieder vereint … - Betty J. Viktori
  28. - Der Baum - Bert Rieser
  29. - Es begann mit einem Fahrrad - Helga Schmiedel
  30. - Ein Sommer in Ostpreußen - Geli Amman
  31. - Wie das Leben so spielt … - Marcel Porta
  32. - Wenn zwei sich (nicht) streiten - Martina Hoblitz
  33. - Süß wie Honig - Andrea Grau
  34. - Wenn das Internet zickt … - Michelle Robin
  35. - Eine Sommerliebe - Gitta Rübsaat
  36. - Spion und Spionin - Phil Humor
  37. - Unsere Anthologien

Wird nie wieder sein - Hartmut Gelhaar

Solch Sommer wird nie wieder sein.

Wie damals im August.

Was anderes als Sonnenschein

war uns beiden nicht bewusst.

 

Das Himmelblau war ziemlich nah

und Klatschmohn war zugegen.

Im Kornfeld, dort wo Du und ich

mit unserm Traum gelegen.

 

Wir machten uns einander Mut.

Und übten Flitterwochen.

Wir waren uns einander gut.

Und vom Hafer wohl gestochen.

 

Wir haben damals nicht sehr viel gewusst.

Wir waren nur verliebt.

Wer heute auch noch glücklich ist,

der lächelt und vergibt.

Der Auftrag zur Maifeier - Carmen Liebing

Philippus hüpfte aufgeregt von Wolke zu Wolke. Überall dort, wo seine kleinen nackten Füße den flauschigen Untergrund berührten, bildeten sich buntschillernde Pfützchen, aus denen farbenfrohe Blumen sprossen. In Windeseile zog er mit seinen überglücklichen Schritten einen Pfad aus Blüten durch das himmlische Weiß. Dabei summte er ein fröhliches Halleluja vor sich hin und bemerkte den mürrischen Erzengel erst, als er ihm frontal gegen die Schienbeine prallte.

Gabriel packte ihn am lockigen Haarschopf, hob ihn zu sich auf Augenhöhe und raunzte den erschrocken zappelnden Nachwuchsengel an: „Was ist los mit dir Knallfrosch? Bin ich dir nicht groß genug, um rechtzeitig auszuweichen?“

„Tschuldigung! Ich hab‘ nicht aufgepasst, weil ich mich so über meinen ersten Auftrag gefreut habe.“

Der proppere kleine Engel hatte ganz rote Backen vor Aufregung und seine Augen blitzten vor Freude. Gabriel konnte dem fröhlichen Gesichtchen nicht länger widerstehen und lachte den lustigen Burschen an. „Soso! Dabei hatte ich gehört, du wärst deinem Chef zu tollpatschig. Das muss ein einfacher Fall sein, wenn er dich dafür eingestellt hat.“

Er setzte Philippus ab, der prompt bis zu den Knien in den Wolken versank. Der kleine Liebesengel musste heftig mit den Ärmchen rudern, um nicht vollends durchzurutschen. Beinahe hätte er dabei sogar seine Armbrust verloren, wenn Gabriel ihn nicht wieder hochgezogen hätte. Aus der Lücke, die er mit seinen Beinchen in die Wolke gerissen hatte, sprossen zierliche Blüten in herrlichen Farben.

„Du bist ja kaum zu bremsen vor Begeisterung!“, lachte der große Erzengel so herzlich, dass Philippus glaubte, der ganze Himmel würde wackeln. Gabriel stellte ihn, diesmal ganz vorsichtig, auf seine Füße und Philippus nuschelte ein „Dankeschön!“

Er lief eilig mit kleinen Schritten weiter, drehte sich dann aber nochmal um. „Ich muss mich beeilen. Sie haben gesagt, Maia und Jacob können nur heute zusammengeführt werden.“

„Dann wünsche ich dir viel Erfolg!“, verabschiedete sich der berühmte Engel von ihm und reckte einen Daumen hoch.

Gabriel sah dem Winzling noch kurz hinterher und setzte seinen Weg in die Richtung aus der dieser gekommen war, fort.

Allerdings blieb er nach einigen Schritten überlegend stehen. Die Namen, die Philippus ihm genannt hatten, rumorten in seinem Kopf. Er hatte sie schon irgendwo gehört. Gabriel wusste gerade nicht, in welchen Zusammenhang, aber er hatte so ein Gefühl, dass hier etwas nicht stimmte.

Er wandte sich um, damit er noch einmal nachfragen konnte, aber der fröhliche kleine Liebesengel war bereits verschwunden. Nur eine schmale Spur von bunten Blumen kennzeichnete den Weg, den er gegangen war.

Der Erzengel zuckte die Schultern. Es ging ihn ja eigentlich nichts an, aber der Kleine war ihm sympathisch. Die Entscheidung wurde ihm abgenommen, als er lautes Gelächter hörte. Er ging dem Geräusch neugierig nach und fand eine Gruppe Cupidos, die an einem Ambrosiabrunnen ein ausgelassenes Gelage feierten. Sie standen sofort respektvoll auf, als der Erzengel in ihre Mitte trat, und versuchten, ernste Mienen zu machen. Aber es war ihnen anzusehen, dass sie etwas ausheckten. Gabriel hatte so eine Ahnung, worum es dabei ging.

„Euch sitzt der Schalk im Nacken. Es hat nicht zufällig mit einem übereifrigen, gutgläubigen Liebesengel zu tun?“

Sie kicherten und konnten ihre Belustigung über den Schabernack nicht mehr zurückhalten. Glucksend vor Lachen gestand ihr Anführer, was sie Philippus aufgetragen hatten.

„Der Kurze nervt uns ständig damit, dass wir ihm doch endlich ein Paar zuteilen sollen. Heute hat er wieder darauf bestanden, weil doch der erste Mai ein wundervoller Tag für die Liebe wäre. Da haben wir ihn zu Maia und Jacob geschickt.“

Die ganze Gruppe brach in schallendes Gelächter aus, aber Gabriel konnte nicht mit ihnen lachen. Der freundliche kleine Liebesengel lief ihnen offensichtlich in eine böswillige Falle und das gefiel dem Erzengel gar nicht.

Auf seiner Stirn bildete sich eine Zornesfalte. Er legte eine Hand an den Griff seines Schwertes und grollte diese übermütigen Cupidos an: „Sagt mir sofort, warum das lustig ist! Was hat es mit den beiden auf sich?“

Die Gruppe senkte geschlossen die Köpfe und ließ ertappt die winzigen Flügelchen hängen. Der Wortführer seufzte und flüsterte eine kleinlaute Antwort: „Maia und Jacob sind Steine. Die Menschen haben sie aus heidnischem Aberglauben heraus aufgestellt und feiern seitdem seltsame Bräuche um sie herum. Vor allem in der Nacht zum ersten Mai. Wir haben Philippus versprochen, wenn er die beiden in Liebe vereint, würde er endlich ein voll ausgebildeter Amor werden.“

Gabriel war entsetzt. Philippus musste scheitern und damit für alle Zeiten gebrandmarkt sein. Es würden Äonen vergehen, bevor er eine neue Chance bekäme. Das hatte der Kleine nicht verdient. Doch was könnte er tun? Selbst ein Erzengel konnte keine Steine beleben.

Zürnend entfaltete Gabriel seine gewaltigen Flügel, zog sein Schwert aus der Scheide und donnerte die Schuldigen an. „Ich würde euch am liebsten ins tiefste Fegefeuer verbannen, ihr bösen Wichte! Ihr nehmt den Auftrag sofort zurück!“

Die Cupidos klammerten sich mit schreckgeweiteten Augen aneinander. „Das geht nicht! Niemand kann das! Einmal erteilt, muss eine Zusammenfügung auch ausgeführt werden, so steht es geschrieben.“

Gabriel wusste das natürlich, aber er wollte den Kleinen nicht so ohne weiteres aufgeben. „Die Namen müssten im großen Buch verzeichnet sein. Gebt es mir!“

„Das dürfen wir nicht!“, begehrte der Anführer auf. Damit fachte er Gabriels Zorn erneut an. Der Erzengel schwang sein Schwert und zog damit einen Kreis um sie und den Brunnen herum in die weichen Wolken. „So sollt ihr büßen für eure Schuld! Ich verbanne euch auf die Erde. Als steinernes Denkmal könnt ihr dort die Zeiten abwarten, bis Philippus rehabilitiert ist und für euch bittet.“

Blitze zuckten um den Rand des Kreises und mit einem ohrenbetäubenden Donnergrollen verschwand der Brunnen samt der Cupidos aus dem Himmel.

Das Loch, das er zurückließ, wurde von den Wolken verschlossen und es war, als hätte es sie nie gegeben. Gabriel steckte sein Schwert weg. Nur langsam kühlte sein Zorn etwas ab und er schlug den einzigen Weg ein, der ihm vielleicht eine Lösung versprach. Josua kannte alle Menschen von Anbeginn der Schöpfung an. Wenn jemand Rat wusste, dann er.

Die Maifeier

Jacob beeilte sich mit seiner Arbeit, denn er wollte pünktlich Feierabend machen. Es war das letzte Jahr, in dem er der Burschenschaft des Dörfchens angehörte, denn er würde demnächst 25 werden und damit zu alt für die Jugendvereinigung sein. Die vergangenen Tage hatten sie mit Holzsammeln für das große Feuer verbracht, dass sie zur Feier in den ersten Mai hinein anzünden wollten. Ganz so, wie es seit Urzeiten Brauch in ihrer Gemeinde war.

Der Festplatz, draußen vor dem Dorf, war bereits bestens vorbereitet. Der Getränkehändler hatte einen Wagen zum Ausschank geliefert, das Zelt für den Metzger mit seinen Köstlichkeiten stand, und der Elektriker hatte außerdem die Musikanlage angeschlossen. Sie mussten nur noch die Bänke und Tische aufstellen, dann konnte das Fest beginnen.

Sein Kollege klopfte ihm auf die Schulter. „Na, habt ihr wieder nicht genug Holz für ein anständiges Feuer zusammenbekommen? Keine Sorge! Unseres wird so groß sein, dass sogar ihr damit nicht im Dunklen sitzen müsst!“

Jacob musste sich zusammenreißen, um nicht gleich zu aggressiv zu reagieren. Der Mann aus dem Nachbardorf spielte auf das klägliche Feuer an, das sie im Vorjahr leider nur zustande gebracht hatten. Damals hatte eine fiese Grippewelle die meisten Burschen außer Gefecht gesetzt. Doch dieses Jahr hatten sie das durch doppelten Fleiß wettgemacht und der Holzstapel war beständig in die Höhe gewachsen.

„Ach ja? Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass noch genug Holz für euch übrig war, bei den Mengen, die wir gesammelt haben.“

Jacob grinste zu seinen Worten und räumte seinen Schreibtisch auf. „Wir treffen uns dann um Mitternacht an den Brautsteinen. Da sehen wir schon, wer fleißiger war.“

Sein Kollege machte eine grimmige Miene. „Aber bilde dir bloß nicht ein, du könntest meiner Schwester nahekommen. Glaubst du, ich hätte nicht gemerkt, wie ihr euch anguckt? So weit käme es noch, dass sie mit einem aus dem anderen Dorf anbandelt - Vergiss es lieber gleich!“

Damit hatte er Jacobs wunden Punkt getroffen und zog befriedigt ab. Jacob biss sich auf die Lippen. Die schöne Maia ging ihm schon lange nicht mehr aus dem Kopf, aber der Kollege hatte recht. Obwohl sie Jacob offensichtlich ebenfalls zugetan war, konnten sie niemals zusammenfinden. Sie stammten aus verfeindeten Dörfern, das ging einfach nicht. Das wäre ungeheuerlich.

Er kam mit der Abenddämmerung zum Festplatz und fand ihn bereits voll von Leuten, die lachten und fröhlich schmausten und tranken. Jacob ging von Tisch zu Tisch, um so viele wie möglich persönlich zu begrüßen. Alle freuten sich auf das Feuer.

 

Als die Sonne endgültig versunken war, bezog die örtliche freiwillige Feuerwehr Stellung, um das Feuer abzusichern. Jacob übernahm die Spitze der Burschenschaft und entzündete mit einer Fackel den riesigen Holzstapel. Die Menschen klatschten Beifall, als die Flamme schnell übergriff und schließlich hell aufloderte. Ein Blick in Richtung des anderen Dorfes offenbarte ihm den Lichtschein, der von dort in den Himmel stieg. Sein Kollege hatte also nicht übertrieben, auch dort brannte ein beeindruckendes Feuer.

 

Plötzlich war Jacob nicht mehr nach Feiern zumute. Er stieß zwar mit den Freunden an, trank aber kaum etwas. Seine Gedanken gingen nicht wegen des Feuers ins Nachbardorf. Sie galten Maia und der Frage, ob er sie wohl um Mitternacht bei den Steinen treffen würde. Nach altem Brauch hielten Beziehungen, die dort geknüpft wurden, ein Leben lang. Vielleicht galt das ja auch für zwei Menschen, die eigentlich nicht zusammenkommen sollten.

Er schalt sich selbst für diese Gedanken, drängte sie zurück und schloss sich den anderen an, die sich auf den Weg zu den besagten Steinen machten. Die standen nämlich ziemlich genau auf der Grenzlinie zwischen den beiden Dörfern auf einer Lichtung im Wald. Es rankten sich mancherlei Geschichten darum und nicht alle waren gut. Angeblich sollten in grauer Vorzeit dort sogar Jungfrauen geopfert worden sein. Jacob glaubte aber viel lieber an die Sage, dass sie Liebende auf ewig verbanden.

 Der verschossene Pfeil

Philippus kauerte zwischen den steinernen Bildsäulen und über seine Backen liefen dicke Tränen. Durch die lodernden Feuer zu beiden Seiten war ihm der ausgekundschaftete Platz in der Mitte dazwischen noch dunkler vorgekommen. Beinahe unheimlich dunkel mit vielen huschenden Schatten. Er hatte die Zwei, die still nebeneinanderstanden für das Paar gehalten, das ihm zugewiesen worden war. Sein Pfeil war jedoch mit einem Klappern davon abgeprallt und nutzlos zu Boden gefallen.

Er brauchte eine Weile, um zu begreifen, dass er nichts falsch gemacht hatte. Er war zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort gewesen. Er war hereingelegt worden. Die Cupidos hatten ihn absichtlich in die Irre geführt. Wieso waren die nur so gemein zu ihm? Er hatte ihnen doch nichts getan.

Philippus mochte jetzt gar nicht darüber nachdenken, was sein verschossener Pfeil für ihn bedeutete. Viel trauriger fand er es, dass es kein neues verliebtes Paar geben würde. Dabei war es doch so wichtig, die Liebe in diese Welt zu bringen. Er schluchzte und tastete im Dunklen nach seinem Pfeil, obschon er keine Ahnung hatte, ob er ihn noch einmal verwenden konnte. Seines Wissens nach gab es keine Regel dafür, weil ein solcher Fall schlicht nicht vorgesehen war.

Plötzlich sah er Lichtschein von zwei Seiten auf sich zukommen und hörte die Stimmen von Menschen. Obwohl er für diese nicht sichtbar war, huschte er schnell an den Rand der kleinen Lichtung, auf der die Steine in Menschengestalt standen. Er duckte sich ins Unterholz und beobachtete die Leute, die sich dort versammelten. Sie schienen sich nicht freundlich gesinnt zu sein und Philippus bekam es mit der Angst zu tun.

Er kannte Krieg nur aus den schrecklichen Erzählungen der anderen himmlischen Wesen und wollte auf gar keinen Fall in einen solchen hineingeraten. Krieg war das genaue Gegenteil von dem, was er verkörperte. Oder verkörpern sollte, verbesserte er sich selbst, wenn er seinen Fehlschuss bedachte. Den Nimbus eines Liebesengels konnte er gewiss für eine lange Zeit vergessen.

„Ach, wenn nur Gabriel jetzt hier wäre“, flehte er leise himmelwärts. Nur einen Wimpernschlag später legte sich eine große Hand auf seine Schulter.

 

„Hab keine Angst, Philippus! Ich denke, es könnte alles noch gut enden!“, beruhigte ihn der herbeigesehnte Erzengel. Philippus schluckte und sah ihn mit großen runden Augen an. „Meinst du? Aber mein Pfeil ist verloren!“

Beinahe wären ihm wieder die Tränen gekommen, aber er drängte sie gerade noch so zurück. Gabriel sollte ihn schließlich nicht für ein Weichei halten. Doch der tat so, als hätte er es nicht gemerkt. „Ich habe mich mit Josua beraten. Es gibt noch eine kleine Chance für dich und deinen Auftrag.“

Gemeinsam beobachteten sie die Menschen, die glücklicherweise friedlich auseinandergingen, nachdem jeder einen der Steine berührt hatte. Sie konnten einige Mädchen kichern hören und etliche junge Männer rissen anzügliche Witze. Schließlich standen nur noch drei Personen auf der Lichtung. Ein Mann zerrte am Arm eines Mädchens.

„Komm mit, Maia! Du wirst doch nicht wirklich bei dem Kerl bleiben wollen?“

Sie schüttelte ihn allerdings ab. „Du kannst mich loslassen, Bruderherz und nach Hause gehen. Ich werde ganz allein entscheiden, bei wem und wo ich bleibe.“

Philippus schnappte nach Luft. Er hatte sie Maia genannt! Er schöpfte neue Hoffnung, denn vielleicht gab es tatsächlich ein Paar, dass die richtigen Namen trugen. Aber gleich darauf musste er wieder schniefen. Selbst wenn, er hatte keinen Pfeil mehr.

Der störende Mann ging fort und das Pärchen stand nun allein vor den Steinen, aber sie schwiegen sich an. Philippus rüttelte verzweifelt an Gabriels Arm. „Kannst du nichts machen? Die beiden brauchen einen Anstoß!“

Gabriel nickte und deutete auf den am Boden liegenden Pfeil, den die Menschen nicht sehen konnten. Er hob ihn mit seiner Engelsmacht aus der Ferne an und legte ihn quer über die ausgestreckten Hände der Steinfiguren. Dort machte er ihn sichtbar und ließ ihn dann wieder zu Boden fallen. Das Pärchen erschrak, als es leise klapperte. Sie sahen beide nach unten, um zu schauen, was das Geräusch verursacht haben könnte.

„Huch“, sagte das Mädchen und bückte sich nach dem Pfeil. Der junge Mann hatte denselben Gedanken und so stießen sie mit den Köpfen aneinander. „Autsch!“

Maia hielt sich die Hand an die Stirn und lachte dann, weil Jacob es ihr gleichtat.

Sie hob den Pfeil auf und streichelt mit den Fingerspitzen sanft darüber. „Sieh nur, Jacob, ein Pfeil wie aus Amors Bogen!“, wisperte sie.

„Da ist uns wohl die Liebe buchstäblich vor die Füße gefallen!“ Jacob nahm all seinen Mut zusammen und fuhr fort, „Dabei verzehre ich mich schon so lange nach dir. Ich dachte nur, wir hätten keine Chance auf eine gemeinsame Zukunft.“

„Es muss Amors Pfeil sein, denn auch ich hatte bisher nie den Mut, auf dich zuzugehen!“, antwortete Maia. „Dabei ist es mir egal, was die Leute in unseren Dörfern darüber denken.“

„Dann sei Amor Dank, dass er es möglich gemacht hat!“, sagte Jacob und zog sie in seine Arme. Maia spitzte die Lippen zum Kuss und Jacob ließ sich nicht zweimal bitten.

Während das Paar sich innig küsste, wurde es Philippus ganz warm ums Herz. Seine Mission war nun doch noch erfolgreich verlaufen, dank Gabriels Hilfe. Sie sahen dem turtelnden Paar eine Weile zu, dann nahm Gabriel ihn bei der Hand. „Deine Arbeit hier ist getan. Auf zu neuen Taten, kleiner Amor!“

„Gehen wir nicht zurück in den Himmel?“, fragte Philippus neugierig, „wo gehen wir denn dann hin?“

„Ich möchte dir nur einen Brunnen zeigen, der dir bestimmt gefällt!“, lachte Gabriel.

♥♥♥

Nachts sind alle Katzen grau … Petra Peuleke

Ja ich weiß, dass ich einen Fehler gemacht habe“, gesteht Friedhelm dem Arzt seines Vertrauens, der auch noch im Gemeinderat sitzt. „Gibt es denn keinen anderen Ausweg für mich?“

„Ziemlich schwierig“, antwortet der Doktor und bittet seinen aufgewühlten Patienten darum, Platz zunehmen. „Na komm, beruhige dich erst mal und erzähl mir die Geschichte von Anfang an.“

Friedhelm nickt unschlüssig, macht aber, wie ihm geheißen und fängt an.

„Also, es war am letzten Silvester, also von 1959 auf 60. Wir haben gefeiert, nein, eher gesoffen, was das Zeug hielt, war ja auch billig. Oskar hat die Runden geschmissen, weil er ja am 31. Geburtstag hat und getanzt haben wir ...“, Friedhelm sieht hilfesuchend zum Arzt, der ihm aufmunternd zulächelt.

„So witzig ist das gar nicht ...! All die Weiber, eine fescher, als die andere! Na ja, was soll ich sagen, wir hatten viel Spaß und geziert haben die sich auch nicht. Ich verbrachte die meiste Zeit mit Marianne. Die mochte ich schon immer gerne leiden und sie war auch nicht abgeneigt. Rumpussiert haben wir und das nicht wenig, aber, warum auch immer, irgendwann hat sie sich geziert.

Die blöde Gans! Alles nur ihre Schuld! Deshalb habe ich mich mit Elfriede getröstet, die ist ja auch nicht verkehrt und sieht ganz passabel aus.

Ganz wild gemacht hat die mich! Mit ihren langen Haaren, dem einladenden Po und den Wahnsinns Beinen. Man, hat die mich heiß gemacht – und dann lässt die mich einfach, im wahrsten Sinne des Wortes, stehen. Abgehauen ist sie, die alte Schnepfe, mit Horst.

Na ja, dann war da noch Irmgard. Die ist zwar brechend hässlich und gar nicht mein Fall, aber immerhin war die willig. Die konnte den Hals gar nicht voll genug kriegen – und nun ist sie schwanger. Und das von mir. Zumindest meint sie das.“

„Und da war kein anderer beteiligt?“, fragt der Arzt nach. „Ich meine, jemand, der auch seinen Spaß mit ihr gehabt haben könnte?“

„Kann ich mir nicht vorstellen“, überlegt Friedhelm. „Wer geht da denn freiwillig bei? Die ist wirklich keine Augenweide, von ihrer derben Ausdrucksweise ganz zu schweigen. Die kann man ja nirgendwo mit hinnehmen.“

Der Doktor schüttelt mit dem Kopf und kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Du hast sie ja mitgenommen. Und schön war’s, hast du gesagt. Damit ist klar, dass du der Vater ihres Kindes bist und zahlen musst. Besser ist, du heiratest sie.“

„Bleibt mir denn gar keine andere Wahl? Kann man gar nichts machen? Wenn das die Lösung ist, dann bin ich echt ein armes Schwein.“

„Du hast die Wahl, Friedhelm. Entweder ein Leben in Schimpf und Schande, Alimente zahlen und Armut, oder: Eine Kanone im Bett freien. Das bleibt dir ja. Außerdem kannst du abends das Licht ausmachen. Nachts sind alle Katzen grau.“

„Ja, das stimmt. Das könnte ich machen. Danke für den Tipp, dann werde ich wohl mal heiraten.“

Einen Tag später in der Praxis:

„Herr Doktor, kann man denn gar nichts machen? Friedhelm ist so ein hässlicher Kerl! Ich finde Ewald ja viel besser, oder Johann. Aber Friedhelm?“

„Aber mit dem Friedhelm hast du doch ... oder nicht?“

„Ja, schon! Aber nur, weil Ewald vorher mit mir getanzt hat und dann Johann. Der hat mir auch ein Glas Sekt ausgegeben und mich angeschaut, mit seinen blauen Augen, aber dann hat er sich Elvira zugewandt und ich stand da, ganz verlassen. Da kam Friedhelm und den Rest, nun, den kennen Sie ja.“

„Und den Friedhelm, den magst‘e nicht? Ohne Mann ein Kind aufzuziehen ist nicht gerade schicklich in der heutigen Zeit. Die Leute zerreißen sich das Maul. An deiner Stelle würde ich den Friedhelm nehmen, der hat bestimmt auch irgendwelche Qualitäten.“

„Na ja. Pussieren kann der ganz gut. Hat schon Spaß gemacht, wenn er man nicht ganz so hässlich wäre ...!“

„Du kannst ja abends das Licht ausmachen“, schlägt der Doktor vor und grinst. „Weißt du, nachts sind alle Kater grau.“

„Ja, das ist ‚ne Idee“, freut sich Irmgard und reicht dem Arzt die Hand. „Friedhelm hat mich schon gefragt, ob ich ihn heiraten will. Wollen Sie nicht unser Trauzeuge sein?“

Natürlich konnte der Arzt diese Bitte nicht abschlagen und wurde Trauzeuge und Pate dieses Kindes. Die Ehe verlief glücklich und vor allem: kinderreich. 

♥♥♥