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Nr. 9

 

Qumishas Sehnsucht

 

Sie leben in einem Raumschiff – und wollen endlich zur Erde zurück

 

Bernd Perplies

 

 

 

PERRY RHODAN KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Auf Schleichfahrt

2. Der einsame Stuhl

3. Wenn drei sich streiten

4. Vorstoß ins Labyrinth

5. Der Heimat so nah

6. Saboteure auf der SOL

7. TRAITORS willige Diener

8. Die Entscheidungsfrage

9. TRAZULS Dorn

10. Das Wohl von Billiarden

11. Manchmal heißt es nie

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

SOL – dieser Name hat einen ruhmvollen Klang in der 3000-jährigen Geschichte der terranischen Raumfahrt. Das Hantelraumschiff spielt immer wieder eine entscheidende Rolle im schicksalhaften Konflikt zwischen den Mächten der Ordnung und des Chaos.

Im Jahr 1552 Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist Perry Rhodan in die ferne Galaxis Yahouna versetzt worden. Dort sollen er und die Besatzung der SOL herausfinden, welche Pläne die Superintelligenz BARIL und ihre Ritter hegen. Die SOL gerät schnell in Bedrängnis und wird zeitweilig in fremden Dienst gezwungen.

Nachdem die Besatzung ihre Handlungsfreiheit zurückgewonnen hat, bricht die SOL erneut auf – es geht in das sogenannte Sphärenlabyrinth, das zwischen den Universen liegt. Die Solaner wollen einen mysteriösen Ort untersuchen, der für eine gefährliche Wesenheit namens TRAZUL von besonderer Bedeutung ist. Aber nicht alle an Bord sind mit dieser Mission einverstanden – viele wollen stattdessen zur Erde zurückkehren und teilen QUMISHAS SEHNSUCHT ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terraner verlässt die SOL.

Roi Danton – Rhodans Sohn sinnt auf Rache.

Tess Qumisha – Die Kommandantin der SOL will nach Hause.

1.

Auf Schleichfahrt

Roi Danton

 

Roi Danton findet sich in einem Albtraum wieder.

Alle Sinneseindrücke sind seltsam verschwommen und gleichzeitig bizarr verzerrt, als hätte man ihn unter Drogen gesetzt. Er hört und sieht und riecht, aber er spürt seine Glieder nicht, kann sich nicht bewegen. Angst lähmt seine Muskeln, hemmungslose, kreatürliche Angst.

Groteske Gestalten umringen ihn. Ihre kalkigen Lamellenpanzer schaben aufeinander, die Gesichter sind Fratzen, die an Totenschädel erinnern. Übelkeit erregende Verwachsungen entstellen die Körper, von denen keiner dem anderen gleicht. Hörner wachsen aus dem einen Schädel, Tumore wuchern am Hals eines anderen, bei einem weiteren blinzelt feucht ein drittes Auge auf der Stirn.

Danton erkennt sie sofort. Es sind die Kolonnen-Anatomen der Terminalen Kolonne TRAITOR, grausame Geschöpfe – er will sie nicht Ärzte oder Wissenschaftler nennen –, denen jedes Mitgefühl fehlt und die für ihre kranken Experimente über Berge von Leichen gehen. Er ist wieder in ihrer Gewalt! Genau wie damals. Er will schreien, aber er kann es nicht.

DERUFUS! Die Skapalm-Bark! Ich kann nicht dort sein! Nicht schon wieder!

Dicht vor ihm tauchen Schläuche auf, metallische Schlangen mit nadelspitzen Zähnen. Sie beißen in seinen Körper, dringen in ihn ein, heißer Schmerz will seine Nervenbahnen ausbrennen. Es ist mehr, als ein Mensch ertragen kann.

Hört auf!, will Danton flehen. Lasst mich gehen. Oder lasst mich sterben. Nur hört auf!

Die Kolonnen-Anatomen grinsen wie Dämonen, die eine gefallene Seele im Tartaros quälen. Sie untersuchen ihn, analysieren ihn, kopieren ihn. Und dann reißen sie seine Kopie in zwei Teile. Es ist nicht Dantons Körper selbst, der zerschnitten und mit dem Schlangenleib des Mor'Daer Yrendir verschmolzen wird, trotzdem spürt er die Qualen wie seine eigenen.

Und er spürt den Hass! Auf die Kolonnen-Anatomen und auf TRAITOR, die ihm das angetan haben. Die es ihm wieder antun, genau in diesem Moment. Der Hass ist sein Rettungsring, an den er sich klammert, während er in einem schwarzen Ozean aus Leid zu versinken droht.

»Komm zu uns. Werde Teil von uns«, raunt ein unheimlicher Chor. TRAITOR ruft ihn zu sich.

Nein, TRAZUL!

Dantons Sinne drohen vollends zu schwinden. Der Hass versiegt, seine kraftlosen Finger gleiten vom Rand des Rettungsrings ab, er wird ertrinken ...

 

*

 

Plötzlich änderte sich seine Umgebung.

Etwas stach ihn in den Hals. Seine Wahrnehmung verschob sich, verlor ihre Traumhaftigkeit, während sich die Realität verfestigte. Roi Danton wollte aufschrecken, die Augen aufreißen, kämpfen oder fliehen. Aber sein Körper reagierte nicht auf die mentalen Befehle.

Er vernahm Worte, sie waren jedoch dumpf und undeutlich, als befände er sich unter Wasser. Sie gehörten einer Frau. Dem Klang ihrer Stimme konnte er entnehmen, dass sie etwas Beruhigendes sagte.

Erneut verspürte er einen Stich. Eine wohlige Wärme begann durch seine Adern zu zirkulieren. Nun erst fiel ihm auf, wie sehr er fror. Es musste schrecklich kalt an dem Ort gewesen sein, an dem er bisher gelegen hatte. Ein Zittern lief durch seinen Körper.

Aber die Wärme ließ das Eis schmelzen, das sich in seinen Gliedern ausgebreitet hatte. Und je wärmer ihm wurde, desto mehr kehrten seine Sinne zurück, und sein Verstand wurde klarer.

Und plötzlich erinnerte sich Roi Danton.

Ihre Mission, der Spur des PEW-Metalls von Doliuto zu folgen. Der Einsatz auf der halb demontierten Dienstburg VAMTHUS. Die Aktivierung des dortigen Transversal-Umsetzers, um ein Portal zu öffnen, durch das sie mit der CALAMAR in ein anderes Universum gelangten. Dann der Strangeness-Schock, der mit einem solchen Wechsel einherging – sofern man sich nicht des wundersamen Sphärenlabyrinths bediente.

Und danach nichts mehr. Nur wirre, beängstigende Träume. Sofern es Träume waren ...

Wo bin ich? Was ist passiert?

Er öffnete die Augen – und blickte in das schlangenköpfige, von silbernem Haar eingerahmte Gesicht eines Mor'Daer. Instinktiv zuckte Danton zurück. Dann riss er die Arme hoch, die Finger zu Krallen verkrümmt, um das Wesen anzugreifen.

Der breitschultrige Soldat, dessen Körper in einer schweren Rüstung der Streitkräfte TRAITORS steckte, hob abwehrend die behandschuhten Hände. »Halt, Roi Danton!«, rief er in zischelndem Interkosmo. »Ich bin es, Zerbone.«

Jemand drängte sich in Dantons Blickfeld. Es war Mahlia Meyun, die Neu-Solanerin, die sein Einsatzteam als Medikerin begleitete. »Ich habe dir doch gleich gesagt, dass es nicht klug ist, wenn er dich zuerst zu Gesicht bekommt«, rügte sie den Mor'Daer.

Ächzend richtete sich Danton auf. »Was ist hier los?«, fragte er mit schwerer Zunge. Er klang, als wäre er betrunken. »Wo sind wir?«

»In der Zentrale eines Traitanks«, informierte ihn Zerbone, während er zu seinem Bedienpult zurückkehrte.

»Wir haben ihn gestohlen, um damit von Nygnard und aus dem Einstern-Universum zu fliehen«, fügte Ennyas Anchi hinzu. Der junge, übereifrige Neu-Solaner, der genau wie Meyun von der Werftwelt Evolux stammte, wirkte sehr zufrieden mit sich. Er saß auf dem erhöhten Sessel des Kommandanten in der Mitte des Raums und grinste. Doch als Danton genauer hinsah, erkannte er die Erleichterung hinter der aufgesetzten Fassade aus Selbstbewusstsein – und auch Furcht.

Danton ließ den Blick schweifen. Blaues Licht erhellte den kreisförmigen, etwa zwanzig Meter durchmessenden Raum. In der Mitte erhob sich das Podest mit dem Sessel des Kommandanten, ringsum waren die Kontrollpulte der Besatzung angeordnet. Die Wände waren dunkelgrau und schienen schwach in Bewegung zu sein. Sie kräuselten sich wie eine Meeresoberfläche in einer leichten Brise. Bei genauem Hinhören konnte Danton zudem ein leises Wispern aus den Tiefen des Schiffs hören, das – wie er wusste – nicht von weiteren Besatzungsmitgliedern herrührte.

Kein Zweifel, ein Traitank.

Neben Zerbone, Meyun und Anchi befanden sich noch der Kuum und Kalfa im Raum.

Der Kuum kauerte sichtlich erschöpft auf einem Kontursessel vor den Arbeitspulten im hinteren Bereich der Zentrale. Seltsamerweise trug er, genau wie Meyun und Anchi, eine leichte, dunkelblaue Bordkombination aus terranischen Beständen.

Die Kompantin Kalfa dagegen lag auf der Liege neben dem Pilotensitz. Der Kopf der geradezu absurd aufgeblähten, ehemals vermutlich humanoiden Frau steckte in der chaotarchischen Version einer SERT-Haube. Die Haube war aktiv und bewies Danton ebenso wie das leise Grollen der Triebwerke, dass sie mit dem Traitank unterwegs waren.

Außerdem fiel Danton ein armdickes, wurmartiges Etwas ins Auge, das sich um einen der Kontursessel geschlungen hatte und mit fingerartigen Hautlappen, die links und rechts am Ende seines Körpers ausgebildet waren, eine der Konsolen bearbeitete. In der Mitte des Körpers gab es eine Verdickung mit vier Augen, die in alle Richtungen blickten. Eins davon richtete sich auf Danton.

»Ich grüße dich«, sagte das Geschöpf in perfekt verständlichem Interkosmo. »Ich bin Pon-Tarna. Deine Gefährten und ich lernten uns im Gefängnis von TRAZUL kennen.«

Danton hievte sich aus dem schwarzen, sargähnlichen Kasten, in dem er gelegen hatte. Es handelte sich um eine Kryoeinheit. Jemand hatte ihn während seiner Bewusstlosigkeit nach dem Universenwechsel der CALAMAR kaltgestellt.

»Ich merke schon, ich habe eine Menge verpasst.« Er strich sich gedankenverloren über seine Bordkombination, die man ihm – ungewöhnlich für eine Kryoprozedur – belassen hatte.

»Wir werden dir alles erzählen«, versprach Anchi.

»Aber nicht sofort«, warf Zerbone scharf ein. »Zuerst müssen wir zurück zur SOL, ohne dabei zu sterben.«

Danton richtete seine Aufmerksamkeit auf das Außenbeobachtungsholo, das dem Kommandosessel gegenüberlag. Er zeigte das chaotische Durcheinander der regenbogenfarbenen Leuchtbänder, die typisch für das extrauniversale Sphärenlabyrinth waren. Und dort erkannte Danton auch den Grund für Anchis mühsam unterdrückte Furcht.

»Traitanks ...«, murmelte er, als er die dunklen, diskusförmigen Raumschiffe erblickte, die sich wie aufgereihte Perlen entlang der Leuchtbänder und funkelnden Fäden des Labyrinths bewegten.

Es waren deutlich mehr, als er bislang je in dieser seltsamen Zone zwischen den Universen erlebt hatte. Manche waren kaum erkennbare Punkte in der Ferne, andere schienen gefährlich nahe. Positions- und Schiffsdaten wurden zeitgleich am Rand des Hologramms eingeblendet.

Danton trat in die Mitte der Zentrale. »Sieht aus, als hätte jemand in ein Wespennest gestochen.«

Mahlia Meyun hüstelte.

»Also ... das waren womöglich wir«, verriet Ennyas Anchi.

Danton warf ihm einen scharfen Blick zu. »Suchen die Traitanks alle nach uns?«

»Nein!«, widersprach Anchi schnell. »Hoffe ich«, fügte er etwas leiser hinzu. Er machte den Sessel des Kommandanten frei. »Vielleicht möchtest du lieber wieder übernehmen?«

Mit knappem Nicken setzte sich Danton. Er aktivierte das holografische Bedienpult des Kommandanten, das Anchi offenbar nicht verwendet hatte, und rief den Status des Raumschiffs ab. »Wir haben zwölftausend Kryosärge an Bord?«

»Ja, größtenteils sind es die Probanden der GRAGRYLO«, bestätigte Meyun. »Wir konnten sie von Nygnard retten. Wir hoffen, dass möglichst viele unserer Kameraden von der CALAMAR ebenfalls darunter sind. Das konnten wir noch nicht überprüfen.«

Danton wollte seinen Code als ehemaliger Dualer Kapitän eingeben, um alle Funktionen des Traitanks zugänglich zu machen, musste aber feststellen, dass das Schiff bereits vollständig unter Kontrolle seiner Leute war. »Wie habt ihr den Traitank übernehmen können?«

»Dafür habe ich gesorgt«, sagte Zerbone. Der Mor'Daer bedachte Danton mit einem unheilvoll wirkenden Lächeln. »Als uns TRAITOR nach dem Wechsel in das andere Universum erwischt hat, habe ich mich als Verräter ausgegeben und mich scheinbar auf ihre Seite geschlagen. Das hat uns einen Vorteil verliehen.«

»Er hat die Rolle verdammt gut gespielt«, kommentierte Anchi. »Wir hätten ihn am liebsten umgebracht.«

»Okay, davon könnt ihr mir später mehr erzählen. Trotzdem brauche ich fünf Sätze Zusammenfassung, wenn ich uns hier rausbringen soll. Was geht da draußen vor?«

Meyun übernahm diese Aufgabe. »Der Wechsel mithilfe der Dienstburg brachte uns in ein Einstern-Universum mit stark abweichenden Naturgesetzen. Der Strangeness-Schock hat nicht nur die ganze Besatzung bewusstlos werden, sondern auch alle Tarnmechanismen der CALAMAR ausfallen lassen. Daraufhin wurden wir von TRAITOR-Einheiten geentert und gefangen genommen. Das Universum war buchstäblich zu klein, um ihnen effektiv auszuweichen.«

»Also befand sich vor Ort ein TRAITOR-Stützpunkt?«, hakte Danton nach.

»Mehr als nur das: Wir haben ein Zentrum entdeckt, in dem TRAITOR eine neue negative Superintelligenz namens TRAZUL gezüchtet hat, die zukünftig die Führung der Terminalen Kolonne übernehmen soll. Wir konnten TRAZULS sogenannte Wiege, ein riesiges, komplett aus PEW-Metall bestehendes Becken, zwar zerstören. Aber leider hat das TRAZUL nicht vernichtet, sondern vielmehr befreit. Im Moment flutet die Superintelligenz das Einstern-Universum und verschlingt dabei alles Leben, das ihr im Weg ist. Deswegen sind alle auf der Flucht.«

»Wir fanden noch mehr heraus«, ergänzte Anchi. »Es scheint etwas im Sphärenlabyrinth zu geben, das ›TRAZULS Dorn‹ heißt. Dorthin will TRAZUL. Ob das ein Gegenstand oder ein Ort ist ...« Der junge Mann zuckte mit den Schultern.

»Das sind eine Menge neue Erkenntnisse, die wir zur SOL bringen müssen«, sinnierte Danton. »Dann wollen wir mal sehen.« Er gab Befehle in sein Holobedienpult ein und ließ sich Daten anzeigen.

»Was machst du?«, fragte Anchi.

»Ich schalte die aktive Ortung ab, fahre die Waffensysteme runter und desaktiviere den Schutzschirm. Bei der Menge an Traitanks dort draußen ist an einen Kampf ohnehin nicht zu denken. Wir wären binnen Sekunden tot. Das heißt, wir gehen stattdessen auf Schleichfahrt. Zerbone, du könntest mir helfen, die Antriebsemissionen zu dämpfen.«

»Bin schon dabei«, bestätigte der Mor'Daer.

»Haben Traitanks nicht ein Dunkelfeld?« Anchi bewies damit, dass er sich auf diese Mission vorbereitet hatte. »Das müsste alle unsere Emissionen schlucken und auch aktive Ortung abwehren.«

»Das stimmt.« Danton nickte. »Aber Traitanks können Dunkelfelder erkennen. Gegen die eigenen Leute sind die also wirkungslos.«

»Ich verstehe das nicht«, sagte Meyun. »Was bringt es uns, unsere Energiesignatur zu dämpfen, wenn die TRAITOR-Soldaten einfach aus dem Fenster schauen müssen, um uns visuell zu entdecken?«

Danton schenkte ihr ein schiefes Grinsen. »Aber diese Traitanks haben keine Fenster. Und selbst wenn sie welche hätten, würde jemand, der hinausschaut, nichts als wirbelndes Grau sehen.« Er deutete auf das Hauptholo der Zentrale. »Vergiss nicht, dass alles, was wir dort sehen, eine Interpretation von Kalfas Gehirn ist, das mit den Sensordaten des Schiffs gefüttert wird. Und wenn diese Sensoren nichts mehr empfangen ... sind wir unsichtbar.«

»Nicht ganz ...«, mischte sich die Kompantin angestrengt atmend ein. »Wenn Feind zu nah ... besteht ... Gefahr.«

Ihre Sprache war nur schwer verständlich, ihr Atem rasselte. Die Ärzte der SOL hatten bereits daran gearbeitet, die Folgen der Experimente zu lindern, die Kalfa in den Händen der Kolonnen-Anatomen hatte durchleiden müssen. Aber noch waren den Medikern nur geringe Fortschritte geglückt.

»Ja, was, wenn uns die Kameras der gegnerischen Schiffe visuell erfassen?«, fügte Meyun hinzu.

Danton hob die Schultern. »Das ist eine gewisse Gefahr, das stimmt. Aber normaloptische Kameras sind keineswegs die Sensoren der Wahl im Weltraum – oder in dieser extrauniversalen Zone. Letzten Endes sind sie ja nicht viel mehr als besonders scharfe Augen. Ich kann es natürlich nicht mit Sicherheit sagen, aber mit etwas Glück zeichnen Kameras hier auch nicht mehr als graues Wirbeln auf.«

»Wir werden es bald erfahren«, zischte Zerbone. »Da kommt ein Konvoi aus zehn Traitanks direkt auf uns zu.«

»Energie dämpfen!«, befahl Danton. »Kalfa, kurzer Schubstoß neunzig Grad nach unten. Dann alles aus!«

»Bringe uns ... weg«, bestätigte die Kompantin.

Der Triebwerksimpuls änderte mit einem Ruck ihre Bewegungsrichtung. Eine Sekunde später wurde das bläuliche Licht in der Zentrale schwächer, und das Wispern aus den Gängen und Wänden war plötzlich kaum noch hörbar, während sie mit ihrem Traitank toter Mann spielten.

Langsam driftete das Raumschiff von dem funkelnden Faden weg, auf dem die zehn anderen Traitanks als Reihe todbringender, schwarzer Diskusse stetig näher kamen.

»Die werden uns sehen«, flüsterte Anchi. »Wir müssen fliehen!«

»Nein, der Antrieb bleibt aus. Wir verhalten uns ruhig.« Dantons Blick klebte am Außenbeobachtungsholo und seinen Anzeigen. Er wartete darauf, ob sich etwas am Bewegungsmuster der Fremdraumer veränderte. Noch war nichts zu bemerken.

»Wenn dein Plan scheitert, sind wir schon der ersten Salve gegenüber vollkommen wehrlos«, warnte Pon-Tarna. Das wurmartige Wesen hatte sich fest um seinen Sessel geringelt, als wolle es sich daran festklammern.

»Danke für den Hinweis. Das ist mir bewusst.«

»Dann ... ist es ... wenigstens ... schnell ... vorbei«, sagte Kalfa mit einem bemerkenswerten Anflug von Galgenhumor.

»He, etwas mehr Optimismus in diesem Raum bitte!«, beschwerte sich Danton. »Es wird klappen.«

Der TRAITOR-Konvoi hatte den Punkt der geringsten Distanz erreicht. Im Holo sah es aus, als zögen die riesigen Rümpfe aus Ricodin-Verbundstoff direkt über Danton und seine Gefährten hinweg, während sich ihr eigenes Raumfahrzeug langsam nach »unten« entfernte. Die gleichmäßig verteilten Längsfurchen, die den scharfkantigen Grundkörper der finsteren Diskusse überzogen, leuchteten unheilvoll, ein Anzeichen aktiver Waffensysteme.

Das an sich war noch nicht bedenklich. Die meisten Traitanks waren ständig kampfbereit. Aber es trug nicht gerade dazu bei, die Anspannung zu mindern, die in der Zentrale herrschte.

Quälend langsam glitten die zehn Schiffe vorbei. Dann entfernten sie sich, weiter dem Kurs folgend, den ihre Kompanten vorgaben.

»Es hat funktioniert«, flüsterte Anchi mit einem seligen Ausdruck auf dem Gesicht. »Es hat funktioniert.«

Danton gestattete sich ein zufriedenes Lächeln. »Ich wusste es doch. Kalfa, bring uns wieder auf Kurs zur SOL. Versuche, uns von den größeren Gruppen Traitanks fernzuhalten. Es ist noch nicht vorbei.«

In den nächsten Minuten spielten sie Katz und Maus mit einer ganzen Meute Katzen – die zum Glück nicht aktiv auf der Jagd nach ihnen waren. Wäre dem so gewesen, hätten die Solaner keine Chance gehabt, da war sich Danton sicher. So aber gelang es ihnen, sehr vorsichtig – sozusagen auf Hyperzehenspitzen – eine Kugelschale zu durchqueren, dann eine weitere, und dabei immer ihren Gegnern auszuweichen.

Plötzlich gab Zerbone einen Laut der Überraschung von sich. »TRAZULS Dorn ...«

»Was sagst du?«, fragte Danton.

Der Mor'Daer drehte sich zu ihm um. »Ich habe im Kartenmaterial einen Ort entdeckt, der nicht auf den schon bekannten Routen liegt. Diese Position ist als TRAZULS Dorn bezeichnet.«

»Faszinierend«, meinte Pon-Tarna. »Hieß es nicht, dass dieser Dorn für TRAZUL von besonderer Bedeutung sei?«

»Wir sollten einen großen Bogen darum machen«, empfahl Anchi.

»Nein.« Danton erhob sich von seinem Kommandosessel und trat zu Zerbone. »Wir sollten genau dort hinfliegen.«