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Jona Mondlicht
Aufgewühlt
Ein erotischer Roman

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www.Elysion-Books.com

Jona Mondlicht

Jona Mondlicht wurde im März 1969 in Erfurt geboren, wuchs dort auf und wohnt nach einigen beruflich bedingten Umzügen wieder im regionalen Umfeld der Stadt.

Geschrieben hat er, seitdem er einen Stift in der Hand halten konnte. Anfangs krakelig, mittlerweile eher verschnörkelt. Sein erstes Manuskript verfasste er im Alter von sieben Jahren. „Der Gärtner, das Blümchen und der Papagei“ wurde jedoch nie veröffentlicht. Es lag wohl daran, dass er erst auf der letzten Seite das Fehlen des Papageien bemerkte.

Da sich davon also nicht leben ließ, erlernte er einen handfesten Beruf, studierte anschließend in der Fachrichtung Informatik und schloss 1998 ein Studium als Diplombetriebswirt ab.

Auch literarisch hat er dazugelernt. Im Jahr 2001 gründete er die Plattform „Schattenzeilen“ und beteiligt sich dort auch heute noch aktiv schreibend und betreibend. 2008 steuerte er zwei seiner Kurzgeschichten für das Buch „kopfkino“ bei.

2014 erschien mit „Unverglüht“ sein erstes Buch im Elysion-Books Verlag. Es begeisterte Leser wie Kritiker gleichermaßen.

Aktuelle Infos: http://www.jonamondlicht.de

JONA MONDLICHT

Aufgewühlt

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EIN EROTISCHER ROMAN

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www.Elysion-Books.com

UMSCHLAGGESTALTUNG: Ulrike Kleinert
www.dreamaddiction.de

FOTO: © fotolia/Denis Kadackii
LAYOUT & WERKSATZ: Hanspeter Ludwig
www.imaginary-world.de

ISBN 978-3-945163-53-5
Mehr himmlisch heißen Lesespaß finden Sie auf:
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Inhalt

Kapitel Eins

Kapitel Zwei

Kapitel Drei

Kapitel Vier

Kapitel Fünf

Kapitel Sechs

Kapitel Sieben

Kapitel Acht

Kapitel Neun

Kapitel Zehn

Kapitel Elf

Kapitel Zwölf

Kapitel Dreizehn

Kapitel Vierzehn

Kapitel Fünfzehn

Kapitel Sechzehn

Kapitel Siebzehn

Leseprobe:
Sophia Rudolph - Blinde Leidenschaft

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Kapitel Eins

Sarah legt ihren Zeigefinger vorsichtig auf den breiten, braunen Klingelknopf. Sie holt tief Luft, sammelt sich. Dann drückt sie entschlossen auf ihn.

Sie hat lange überlegt, ob es richtig ist. Ob sie das darf. Tage, Wochen, Monate. Dass es einen Menschen gibt, der erfahren muss, was passiert ist, lässt ihr keine Ruhe. Einen Menschen, der ihr Antworten geben kann. Den sie in manchen Dingen besser kennt als sich selbst. Obwohl sie ihm nie persönlich begegnet ist. Bis jetzt.

Hinter der Tür aus Eichenholz ertönt ein mondäner Gong. Tief, klar und ruhig. Niemanden, denkt Sarah, wird dieser Ton zur Eile rufen. Sie lässt die Hand sinken und betrachtet das Messingschild neben dem Türrahmen. Ein Name steht dort, tief eingraviert und mit schwarzer Farbe nachgezogen. Der gleiche Name, den sie auch auf der Rückseite eines Fotos fand. Vor vielen Jahren mit Bleistift geschrieben. Ein wenig verwischt und gerade noch lesbar.

Sarah wendet sich von der Tür ab und überblickt den Vorgarten. Die Vormittagssonne zeichnet noch frische Schatten zwischen die Blumen. Aber die Hitze der ersten Tage im Juli wird über ihnen die Luft flimmern lassen. Spätestens in ein, zwei Stunden. Gepflegt sieht es hier aus, denkt Sarah. Die Rasenkanten sind gerade abgestochen, die Gehwegplatten akkurat verlegt.

Das Klacken eines Schlosses unterbricht ihre Gedanken und Sarah dreht sich um. Gerade noch rechtzeitig, als sich die Tür eine handbreit nach innen öffnet.

»Ja bitte?« Ein Kopf schiebt sich in den Spalt. Zwei große Augen blinzeln neugierig gegen die Helligkeit des Tages. Forschend.

Sarah ist überwältigt und sieht sich vor der Fotografie stehen, auf der sie dieses Gesicht zum ersten Mal sah. Weniger Falten hatte es, aber die Augen erkennt sie sofort wieder. Lia, denkt sie. Du also bist Lia. Wie lange habe ich auf diesen Moment gewartet. Wie viel weiß ich über dich. Und doch kennst du mich nicht. Sie möchte die Frau umarmen für all das, was sie gemeinsam erlebt haben, aber sie kann es nicht. Denn Lia ahnt nichts davon. »Guten Morgen«, sagt sie schließlich und bemerkt, dass ihre Stimme aufgeregt klingt. Sie räuspert sich kurz. »Ich hoffe, ich störe nicht«

»Ich kaufe nichts«, sagt die Frau hinter der Tür. Ihre sanfte Stimme passt nur beschwerlich zu der harschen Auskunft. »Ich will keiner Religion angehören, der nächste Weltuntergang ist mir egal, Zeitschriften lese ich nicht. Und eigentlich wollte ich heute ausschlafen.« Der Türspalt wird kleiner.

»Nein«, wehrt sich Sarah. »Warten Sie. Ich will Ihnen nichts verkaufen. Aber ich habe etwas, das ich Ihnen unbedingt geben muss …« Sie legt ihre Hand auf die kleine Tasche, die ihr über der Schulter hängt.

»Ich möchte es aber nicht«, erwidert Lia und schaut bereits über Sarahs Schulter hinweg. »Und nun gehen Sie.« Die Tür schließt mit einem massiven und schweren Klacken.

Sarah starrt auf das helle Eichenholz. Fassungslos. In den vergangenen Tagen hat sie sich vorgestellt, wie es sein wird, einem vertrauten Menschen zum ersten Mal zu begegnen. Alles erschien ihr möglich von einem bedauerlich kurzen Wortwechsel bis zu einem freundlichen Gespräch. An der Tür abweisen ließ sie sich jedoch nie. Das sieht ihr Plan nicht vor. Sie will nicht länger Dinge besitzen, die ihr nicht gehören. Und sie möchte dem schwarz-weißen Foto Farben schenken. Wenigstens einmal. Um es einzupassen in alle Erinnerungen. Also hebt sie entschlossen den Finger und drückt erneut auf den Klingelknopf. Tief und fest. Als sich nach dem ruhigen Gong hinter der Tür nichts regt, versucht sie es noch einmal. Und wieder. So lange, bis sich der Spalt erneut öffnet.

»Ich habe doch gesagt …«

»Lia!«, unterbricht Sarah, bevor sie weitersprechen kann. »Sie sind Lia, stimmt das?«

Der Lockenkopf bleibt regungslos. Die Gesichtszüge erstarren, als sei vorübergehend die Zeit angehalten. Ihr begonnener Satz findet kein Ende mehr.

»Bitte schließen Sie nicht wieder die Tür«, fleht Sarah und legt ihre Handflächen aufeinander. »Ich möchte mich nur mit Ihnen unterhalten, jetzt oder wann immer Sie Zeit haben. Bitte!«

Lias rechte Hand gleitet langsam am Eichenholz herab. »Lia?«, wiederholt sie leise, aber deutlich. Ungläubig. Der Lockenkopf neigt sich ein wenig. »Sie haben Lia gesagt? Wieso …« Sie zögert. »Von wem kennen Sie diesen Namen?«

»Von Herrn Conrad«, antwortet Sarah hastig. Aus Angst, dass sich die Eichenholztür endgültig schließt. Als sie einen zweifelnden Blick in den grünbraunen Augen erkennt, fügt sie aufgeregt hinzu: »Bruno. Von Bruno. Carl Bruno Conrad.«

»Bruno …«, wiederholt Lia gedankenverloren. Nicht mehr fragend, sondern eine Treppe hinabsteigend, die tief in ihre Erinnerungen führt. An deren Ende keine Schatztruhe, sondern eine Grabkammer verborgen liegt. Sie nickt langsam. »Kommen Sie herein«, sagt sie nachdenklich und gibt die Tür frei.

Vor Sarah öffnet sich ein kleiner Raum, der nach wenigen Metern direkt in ein Wohnzimmer mündet. Sie muss an den langen Flur denken, der in die Lederwerkstatt von Herrn Conrad führte und bis unter die Decke mit Gürteln und Riemen behangen war. An den seltsamen, würzigen Geruch nach Leder und Vanilletabak.

»Entschuldigen Sie bitte meinen Aufzug«, sagt Lia bedauernd und hält mit einer Hand das Revers ihres weißen Morgenmantels geschlossen. »Ich habe nicht damit gerechnet, so früh schon besucht zu werden.« Sie gibt sich Mühe, im Schatten der Haustür zu bleiben und schließt diese sofort, als Sarah im Flur steht. »Schon gar nicht mit jemandem, der …«

Ein Blick gleitet wie der Lichtkegel eines Leuchtturms über Sarah. Sie fühlt sich gemustert. Überlegt, was Lia über sie und ihr Verhältnis zu Herrn Conrad denkt. Doch bevor sie zu einem Ergebnis kommt, spricht ihr Gegenüber weiter.

»Schon gar nicht mit jemandem, der Bruno kennt.« Sie streckt langsam die Hand aus. »Julia«, sagt sie. »Ich heiße Julia. Den Kurznamen habe ich nie wieder verwendet seit …« Sie zögert. »Seit einer sehr langen Zeit. Und Sie sind?«

»Sarah.« Sie erwidert den Händedruck, aber es ist ein vorsichtiger, verhaltener. »Ich weiß, Sie kennen mich nicht. Aber Herr Conrad hat mir viel über Sie erzählt. Er hat Sie immer nur Lia genannt.«

Julia lächelt unsicher. »Ich weiß …«. Dann weist sie mit dem Kopf in Richtung des nächsten Raumes. »Wir gehen besser in das Wohnzimmer und setzen uns, oder?«

Sarah nickt dankbar. Sie betritt einen lichtdurchfluteten, übersichtlichen Raum mit großem Panoramafenster. In der Mitte stehen ein kleiner Holztisch mit polierter Oberfläche und neben ihm zwei Stühle. Kurz hinter der Schwelle stoppt Sarah, als sie den hellen Teppich bemerkt, der einen Teil des Parketts bedeckt. Sie erinnert sich, dass sie stets ihre Stiefeletten ausgezogen hat, wenn sie sich dem weißen Teppich bei Herrn Conrad näherte. Direkt an der Kante. Sie hätte es in seiner Gegenwart nie gewagt, sich anders zu verhalten. Selbst wenn es nicht um den Teppich, sondern nur um den Willen von Herrn Conrad gegangen wäre. Vielleicht war es genau so gewesen.

»Oh, lassen Sie Ihre Schuhe nur an«, sagt Julia, die das Zögern bemerkt. »Und nehmen Sie Platz.« Sie weist auf einen der geschwungenen Holzstühle mit hohem Polster. »Keine Angst, die sind nicht ganz so antik, wie sie aussehen.«

Sarah ist nicht sicher, ob das stimmt. Das gesamte Wohnzimmer ist stilvoll eingerichtet mit Möbeln aus der Gründerzeit. Dunkles, glänzendes Holz. Schnitzereien an den Frontseiten der Türen. Messingbeschläge. Eine Einrichtung, die man pflegt und liebt, denkt Sarah. Sessel und Sofa wie bei Herrn Conrad findet sie dagegen nicht. Als sie sich auf einen der Stühle setzt, knarrt dessen Rahmen leise und angenehm. Sie stellt die kleine Lederhandtasche, die sie bislang über der Schulter getragen hat, auf ihren Schoß.

Julia achtet darauf, dass ihr Morgenmantel über den Knien geschlossen bleibt, während sie sich niederlässt. Dann lehnt sie sich zurück und schaut Sarah in die Augen. Forschend. Musternd. Taktierend.

Sarah akzeptiert es und weicht nicht aus. Es fühlt sich an wie die gespannte Stille vor einem aufziehenden Sturm. Sie hat so viele Fragen, die sie stellen möchte. Auch Julia wird sie haben. Und doch sitzen sie sich beide gegenüber und schweigen. Noch.

Julia räuspert sich und zieht den Morgenmantel enger. Als würde sie frieren. Dabei hält der Raum noch immer die Wärme des Vortags, bis er sie in ein paar Stunden gegen neue Mittagshitze austauschen wird. »Sie kennen also Bruno, sagten Sie.« Keine Frage. Eine Feststellung.

Sarah nickt. Sie glaubt, Lias Anspannung über den Tisch hinweg zu spüren. Sieht, wie sie ihren Kopf schräg legt und langsam auf ihrer Unterlippe kaut.

»Und wie gut kennen Sie ihn?«

»Sehr gut«, antwortet Sarah. Dabei stimmt es nur bedingt. Eigentlich kennt sie nur wenige Seiten seines Lebens. Die aber um so tiefer. Doch genau die sind gemeint.

Julia hält inne. Eine Idee huscht über ihr Gesicht und hinterlässt überrascht spitze Augenwinkel. »Sind Sie etwa … ich meine …« Julia wägt ab. Ihre Worte trauen sich weniger als ihre Gedanken. Nach einer Weile tippt sie mit ihrem Zeigefinger vorsichtig gegen die Vorderseite ihres Halses. Direkt unter den Kehlkopf. Zeichnet einen kleinen Kreis wie einen Ring.

Sarah versteht sofort. Sie erinnert sich an das Halsband, welches über dem Bilderrahmen in der Ledermanufaktur von Herrn Conrad hing. An den kleinen Metallring, der an ihm befestigt war. Und an das eingebrannte »L«, welches sie viel zu spät erkannt hat. Lia hat das Halsband getragen. Ganz sicher. Jene Frau, die nun vor ihr sitzt und sie fragend ansieht.

»Haben Sie sich ihm …« Julia beugt sich leicht nach vorn, als käme sie so der Antwort räumlich näher.

»Nein«, sagt Sarah und bemerkt, dass sie es bedauert. Wie stolz hätte es sich wohl angefühlt, eine andere Antwort geben zu können. So etwas wie: Ja, ich habe mich ihm unterworfen und er hat mich angenommen. Ja, ich habe ein Halsband von ihm getragen. Ja, ich war diejenige, die einst Sie für ihn waren. Sarah spürt, wie sich die feinen Härchen auf der Haut ihrer Unterarme aufrichten. Dabei hatte Herr Conrad ihr eine klare Abfuhr erteilt. Damals, in der Werkstatt, als sie sich vor ihn knien wollte und er sie zur Seite schob.

Julia streicht sich mit einer Hand die schwarzen, langen Locken nach hinten. Lehnt sich zurück. Fixiert ihr Gegenüber mit zweifelnden Blicken.

Vorsichtig öffnet Sarah den Reißverschluss ihrer Handtasche. Sie muss nicht lange suchen, bis ihre Finger den länglichen, weichen Gegenstand ertasten. Er ist einer der Gründe, aus denen sie hier ist. Sie zieht das Halsband heraus, hält es noch einmal kurz in der Hand, wiegt es, fühlt mit dem Daumen über den kleinen Ring. Es ist nicht ihres. Es sind nicht ihre Schweißtropfen und nicht ihre Erlebnisse, mit denen es getränkt ist. Trotzdem fühlt sie eine Bindung zu ihm. Auch deswegen, weil sie es in den letzten Monaten so oft in der Hand hatte. Nur, um seine Macht zu spüren.

Schließlich legt sie es vorsichtig auf dem glänzenden Holz des Tisches ab. Mittig. Genauso weit entfernt von ihr wie zu Lia.

»Deins«, flüstert Sarah tief berührt. Sie kann sich nicht vorstellen, dass es Herr Conrad anders gesagt hätte, wenn er es zu Ende gebracht hätte. Nun tut sie es für ihn und es fällt ihr nicht weniger leicht. Nur ungern löst sie ihre Hand. Die Schließe klackt leise, als sie die Tischplatte berührt.

Julia presst die Hand auf ihren Mund. Ihre braungrünen Augen werden riesig und starren auf das Halsband. Auf den Ring. Auf das »L«. Auf die große Schließe, die so oft schwer in ihrem Nacken lag. Sie hat nie vergessen, wie es sich anfühlte. Wie es sie in Besitz nahm, wie es sie auslieferte und doch gleichzeitig beschützte. Und wie unglaublich stolz sie war, es tragen zu dürfen. Für Bruno. So viele Jahre ist das her, denkt sie. Und nun liegt es wieder vor ihr. Ein Relikt aus der tiefsten Zeit ihres Lebens.

»Deins«, wiederholt Sarah. Als wollte sie das Halsband mit Worten über den Tisch schieben. Sie nickt ihr zu. »Ich weiß, was das Halsband bedeutet. Darum musste ich es hierher bringen.«

Julia ringt um Fassung. Sie kann sich nicht überwinden, das Halsband zu ergreifen. Denn sie fürchtet, dass mit der ersten Berührung eine gewaltige Brandung aufwühlender Bilder auf sie trifft. Unwillkürlich muss sie an den Tag denken, an dem sie im Sand saß und das Meer rauschen hörte. Dort war ihr Bruno zum ersten Mal begegnet. Noch am gleichen Abend hatte er ihr heißes Wachs über die Finger gegossen und sie hatte sich gewünscht, er würde noch fester zugreifen. Wenige Stunden später hatten sie sich auf einen Seiltanz eingelassen, bei dem er sie an den nackten Brustwarzen auf seine geheimnisvolle Seite zog. Ab diesem Zeitpunkt hatte sie gewusst, wie er sie packt.

Julia lässt ihre Hand sinken und bemerkt, wie sie zittert. »Meins«, sagt sie aufgewühlt. »Es ist tatsächlich meins. Bruno hat es für mich gemacht. Von Hand gearbeitet. Nach seinen Vorstellungen.« Sie rutscht auf dem Stuhl nach hinten, drückt unter dem Morgenmantel die Knie zusammen und beugt ihren Körper leicht nach vorn. Dann stützt sie ihre Ellenbogen auf den Oberschenkeln ab und legt ihr Kinn in die Handflächen. »Er kann mit Leder umgehen.« Dann schweigt sie einen Moment und senkt den Blick auf den Boden.

Wehmütig sieht sie aus, denkt Sarah. Sie weiß nicht, aus welchem Grund Julia nicht zu Herrn Conrad zurückgekehrt ist, aber es kann kein unbedeutender gewesen sein.

»Nicht nur mit Leder«, sagt sie leise. Nur, um die Stille vorsichtig zu unterbrechen und den Faden nicht zu verlieren.

Julia holt Luft und sieht ihr direkt in die Augen. Entschlossen.

»Sarah«, sagt sie, »das Halsband bedeutet mir sehr viel. Es ist mir ein unschätzbarer Wert. Ich weiß nicht, ob du das verstehen kannst.«

»Ich kann es, glaube mir«, unterbricht Sarah. Sie verzichtet auf die förmliche Anrede. Ihr Gegenüber tut es auch. Und sie spürt, dass sie sich verstehen werden. Sie befinden sich, wie ihr scheint, in recht ähnlichen Situationen.

»Bist du dir sicher?« Julia zieht ihre Augenbrauen nach oben. Zweifelnd. »Hast du schon einmal ein Halsband getragen? Für jemanden?«

Sarah spürt einen kurzen, prüfenden Blick auf ihren Hals. Aber dort ist nichts. Noch nie trug sie ein Zeichen. Sie weiß nicht, wie es sich anfühlt, auf diese Weise in Besitz genommen zu werden. Dabei wünscht sie sich nichts sehnlicher, als es zu erleben. Wie stolz wäre sie, würde man ihr diese Erfahrung schenken.

»Nein«, sagt sie bedauernd. »Habe ich nicht.«

»Aber du würdest es tun?«

Ausweichend wiegt Sarah ihren Kopf. Bestimmt würde sie es tun. Aber nicht für jeden. Es müsste ein Mann sein, zu dem sie aufschauen kann. Der ihr trotz seiner Macht das Gefühl gibt, in seiner starken Hand sicher zu sein. Dem sich ihr Körper und ihre Seele aus einem Instinkt heraus unterordnen würden. Selbstständig. Im vollen Bewusstsein, nicht den Hauch einer Chance zu haben, sich zu widersetzen. Dann würde sie es tun. Würde jemand sie so zu beherrschen verstehen, wäre sie sein Eigentum.

»Du weißt aber«, fügt Julia an, »was das bedeutet?« Ihr Blick bohrt nach wie ein Fragebogen.

»Ja.« Sarah knetet ihre Hände über der Handtasche. »Ich weiß es.« Ihr wird bewusst, dass sie sich offenbart. Zum ersten Mal in ihrem Leben gewährt sie Einblick in Fantasien, die in dunkler Tiefe verborgen waren. Herr Conrad hatte sie ausgelotet und zielsicher freigespült. Nachdem das Wasser wieder aufgeklart ist, liegen sie um so deutlicher dort und leuchten auffordernd herauf.

»Und woher weißt du das?« Julia lehnt sich skeptisch zurück.

Sarah überwindet sich. Öffnet von innen eine erste Tür zu ihrer Seele.

Ich bin wie du.« Sie bemerkt den erstaunten Blick der Frau gegenüber. Aber nun gibt es kein Zurück mehr. »Ich fühle mich hingezogen zu Männern, die mich nicht einfach nur in den Arm nehmen und neben mir sein wollen. Das ist mir zu wenig. Ich suche jemanden, der mich unter sich sehen will und weiß, wie er mich konsequent dort hält. Der Macht über mich hat, mich ganz nach seinem Willen beherrscht. Dem ich ausgeliefert bin. Der mich aufleben lässt, weil er es so will. Der mir gut tut.« Sarah holt tief Luft, denn so intensiv hat sie sich noch nie zuvor geäußert. Sie kämpft gegen ein elektrisierendes Gefühl auf ihrer Haut. »Ich möchte unterworfen werden.« Ihre Stimme zittert. »Und ich würde mir ein Halsband umlegen lassen von dem Mann, dem das gelingt.«

Vor dem Panoramafenster bewegen sich Blumen und Gräser. Ein leichter Wind streicht kurz durch ihre sattgrünen Linien. Julia sieht nach draußen und nickt. Sie versteht, dass ihre Besucherin nicht anders fühlt als sie selbst.

»Es ist nicht immer einfach, es zu tragen«, sagt sie schließlich und wagt einen Blick auf das Halsband, welches zwischen ihnen auf dem polierten Holz der Tischplatte liegt. »Und es wird erst im Laufe der Zeit zu dem, was es einem wirklich bedeutet. Als ich ihm das erste Mal begegnete, hatte ich völlig andere Vorstellungen.«

Sarah schließt den Reißverschluss ihrer Handtasche und stellt sie vorsichtig neben sich auf dem Parkettboden ab.

»Schau dir das Halsband an. Wie würdest du es beschreiben?«

»Schlicht«, sagt sie, ohne lange zu überlegen. »Einfach. Zweckmäßig.« Es ist das, was ihr sofort aufgefallen war, als sie es zum ersten Mal gesehen hatte. So oft hielt sie es später in der Hand mit einem quälenden Gedanken daran, dass es nicht ihres ist. Sie kennt jeden Zentimeter. Sogar den glänzenden Abdruck der Schließe hinter dem letzten Loch. »Und trotzdem ist es sehr schön.«

»Nun«, meint Julia, »mein erster Eindruck war ein anderer.« Sie lehnt sich wieder zurück und erinnert sich an die Zeit, als sie Lia war. Für Bruno.

»Welcher?«, erkundigt sich Sarah neugierig. Sie kann sich kaum vorstellen, dass das Halsband Lia nicht gefallen haben könnte.

»Möchtest du wirklich, dass ich dir das erzähle?«

Sarah nickt. »Bitte.« Von Herrn Conrad hat sie so viele Geschichten erfahren über Lia, aber das Halsband spielte selten eine Rolle. »Ich bin wie du«, bekräftigt sie und bemerkt, dass es ihr plötzlich viel leichter fällt, das zu sagen.

»Vielleicht«, antwortet Julia diplomatisch. Sie weiß, dass sie Fantasien hat, die sie Sarah möglicherweise nie erzählen würde. Dinge, die diesen Keil zwischen Bruno und sie getrieben haben und die sie niemals wieder angerührt hat seitdem. Sie lehnt sich zurück und versucht sich loszureißen von ihren Gedanken an ein altes Schloss, in ihren Körper geschobene Weinbeeren und den berauschend herben Geruch nach Gewalt.

»Damals hat das Halsband genau hier gelegen, auf diesem Tisch.«

»War er …« Sarah fühlt mit der Hand über die Seite des Stuhles, auf dem sie sitzt. »War er etwa hier?«

Julia nickt bedächtig. »Ja«, sagt sie. »Bruno war häufig hier.« Dann schaut sie lange und aufmerksam zu ihrer Besucherin. Sie überlegt, ob es der Wahrheit entspricht, dass es zwischen Sarah und Bruno keine tiefere Verbindung gibt. Vielleicht, denkt sie, hat er doch vergessen können. Einer anderen Frau den Platz gegeben, den er für immer Lia versprochen hatte. Wenn es so wäre, würde es ihre Vorstellung, die Eine gewesen zu sein, wie sprödes Glas zerbrechen. Vielleicht war es aber endlich ein Weg, sich zu befreien. Loszulassen. Sie spürt Sarahs Aufregung am tiefen Einatmen. Verräterisch, denkt sie. Und so ergänzt sie laut und deutlich: »Du sitzt auf seinem Stuhl.«

Unwillkürlich zieht Sarah die Beine an und beugt den Oberkörper vor, um sich zu erheben. Sein Stuhl. Sein Thron. Dort hat sie nichts zu suchen. Es gehört sich nicht. Aber dann besinnt sie sich. Legt ihre Ellenbogen auf den Rand des Tisches und überspielt den Reflex mit einem unsicheren Lächeln.

Julia nickt. Sie hat die kurze, aber deutliche Reaktion bemerkt. Das war kein Zufall. Sie stellt sich Sarah neben Bruno vor. Er hat also doch, glaubt sie. Trotz des Altersunterschiedes. Bevor sie jedoch Gelegenheit findet, eine dunkle Vermutung auszuleuchten, wird sie von Sarah unterbrochen.

»Erzähle bitte. Ich werde still sein.«

Stille, denkt Julia. Das war es, was Bruno ihr stets zu gleichen Teilen abverlangt und gewährt hat. Sie konnten sich stundenlang gegenübersitzen, ohne ein Wort zu sprechen. Und doch war es niemals ein Schweigen. Stattdessen waren es die intensivsten Zwiegespräche, die sie geführt hatte und aus denen sie stets neue Lehren gezogen hatte. Über sich, ihr Verhalten und ihre Seele. Über Bruno. Ganz wortlos. Auch an jenem Tag hatte er sie still knien lassen.

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Kapitel Zwei

»Ich habe etwas für dich.« Bruno durchquerte langsam den Raum. Seine Sohlen klopften auf dem Parkett und die Beine seiner schwarzen Anzughose rieben beim Gehen leise aneinander. Er griff einen der um den Holztisch platzierten Stühle an der Lehne und zog ihn nach hinten. »Was glaubst du, was es sein könnte?« Bruno lächelte und sah zu mir, während ich vor dem großen Panoramafenster auf dem Boden kniete. Nackt. Meine Handgelenke wurden hinter dem Rücken festgehalten von zwei breiten, miteinander verbundenen Lederfesseln. Die Schenkel hielt ich gespreizt. Ungeschützt. Offen. So verlangte es Bruno.

Sarah reibt sich unbewusst die Oberarme. Ihre Handflächen streichen über Gänsehaut. Sie hat das Gefühl, in einen Strudel zu geraten, von einem kräftigen Sog in einen Tunnel gezerrt zu werden. Vorbei an Wänden, die mit Lederriemen und Gürteln behangen sind. Und schließlich ist es, als säße sie wieder in der düsteren Manufaktur. Hohe Regale mit Lederballen um sich. Während Herr Conrad Pfeife rauchend Geschichten webt, in denen sie sich verfangen wird. Die Faszination ist zurück. Beinahe kann sie diese aufregende Mischung aus dem öligen Duft des Leders und der leichten Vanillenote des Tabaks riechen. Sarah hängt an den Lippen von Julia.

Er wendete den Stuhl mit der Sitzfläche zu mir und ließ sich langsam auf dem hohen Polster nieder. Der Rahmen des Stuhles knarrte leise unter seinem Gewicht. Mit einem Lächeln platzierte Bruno eine Schachtel aus grauer Pappe auf der Oberfläche des Holztisches. »Was meinst du, was es sein könnte«, wiederholte er seine Frage und blickte mich eindringlich an, während ich auf dem Boden vor dem Panoramafenster kniete und zu ihm herauf sah. »Du darfst wieder sprechen, ich erlaube es dir.«

Mein Hals fühlte sich trocken an. Ich räusperte mich, aber mein »Danke« klang trotzdem rau. Ich hatte seit Stunden nicht gesprochen. Mit einem kurzen Blick auf den Karton versuchte ich, dessen Inhalt abzuschätzen. Nicht mehr als ein dickes Buch hätte in ihn gepasst. Ich nahm an, dass es etwas Kleines sein musste, mit dem Bruno sich oder gar mir eine Freude bereiten wollte. Hatten wir in den letzten Tagen oder Wochen Dinge besprochen, die er plante? Hatte er etwas geäußert, hatte ich etwas überhört, das mir jetzt zum Verhängnis werden konnte?

Bruno strich mit seinem Zeigefinger langsam über die Seite seines Halses. Entlang des weißen Hemdkragens. Als würde er nachdenken. Dabei wollte er nur, dass ich es tat.

Ich kannte diese Geste, die ein Halsband symbolisierte. Bald, hatte er versprochen, würde er mir ein besonderes anlegen. Eines, das es nur für mich geben und für immer meines sein sollte. Mit dem er mich in Besitz nehmen wollte. Nicht nur optisch, sondern auch fühlbar. Ich sollte es an mir spüren, als habe er seine Hand in meinem Nacken. Ich wusste, wie viel ihm das bedeutet, und auch deswegen war ich bereit, eines zu tragen. Für ihn. Mehr noch, ich wünschte mir nichts sehnlicher, als ihm diesen Wunsch zu erfüllen. Es hinzunehmen, ein Halsband angelegt zu bekommen. Abschätzend sah ich noch einmal auf den Karton. Lag in ihm tatsächlich …?

»Es ist wirklich für mich?«

»Natürlich«, antwortete Bruno verärgert. »Selbstverständlich. Ich sagte, ich habe es dir mitgebracht.« Er legte seine Hand wieder auf den Karton und schob ihn ein wenig hin und her. »Ich mag es nicht, wenn du Fragen mit Gegenfragen beantwortest.« Dann sah er mich eindringlich an. »Das gilt insbesondere dann, wenn du dich nach Dingen erkundigst, die ich dir bereits erklärt habe.«

Beschämt senkte ich den Kopf. Atmete aus. Ärgerte mich. Bruno hatte recht.

»Bekomme ich noch eine Antwort? Fällt dir nicht ein, was es sein könnte?« Er klang ungeduldig. Trommelte mit den Fingern auf die Holzplatte des Tisches und es klang wie der Galopp eines Pferdes. »Du weißt es doch schon, Lia.« Mit einem scharfen Blick musterte er mich. Seine Finger hielten wieder still. »Du wirst es künftig für mich tragen, wenn ich es verlange.«

Mein Körper reagierte schneller als meine Gedanken. Allein die unmissverständliche Ankündigung und der Umstand, dass er ungefragt über mich verfügte, erzeugten einen aufregenden Unterdruck in der Magengegend. Und tiefer.

Ein Halsband! So oft hatte ich mir vorgestellt, wie es an mir aussehen würde. Hatte Bilder betrachtet und überlegt, was mich am besten kleiden würde. Grün oder braun sollte es sein, entschied ich, weil es zur Farbe meiner Augen passte. Gepolstert, sehr schmal und elegant, mit einer filigranen Schließe und vielleicht kleinen Ziersteinen an der Seite. Bruno hatte Geschmack und ich war mir sicher, dass er ein ganz besonderes Halsband gewählt hatte. So besonders, wie ich für ihn war.

»Eine Münze für deine Gedanken«, brummte Bruno, doch es klang nicht so, als wolle er sie wirklich wissen. »Komm jetzt her.« Er griff den Karton und zog ihn über den Tisch zu sich.

Ich schob mich Stück für Stück auf den Knien über den Parkettboden und versuchte, mein Gewicht mit den auf dem Rücken gefesselten Händen auszutarieren. Plump sah es sicherlich aus, aber das störte mich nicht. Bruno wollte mich so sehen. Nichts anderes zählte. Kurz vor seinen Füßen stoppte ich. So, dass er meinen Kopf auf seinen Schoß hätte ziehen können, ohne seine Position ändern zu müssen. Das hatte er mir beigebracht. Er mochte es nicht, mich zu korrigieren. Ich hatte mich stets zu bemühen, ihm keine Umstände zu bereiten. Tat ich es nicht, hatte ich mit den Konsequenzen zu leben. Im erträglichsten Fall wies er mich sofort auf den Fehler hin. Schwieriger wurde es dann, wenn er es nicht tat.

»Es ist ein besonders schönes Halsband, Lia.« Bruno hob den Deckel des Kartons an und griff hinein. »Schau mich an.«

Ich fixierte ihn mit den Augen und mühte mich um einen klaren Blick. Nichts anderes als etwas Besonderes hatte ich erwartet. Meine Beziehung zu Bruno entsprach dieser Eigenschaft in nahezu jeder Hinsicht. Sie ließ sich nicht vergleichen mit Freundschaft oder Liebe. Beide Worte fassten nicht die Ernsthaftigkeit und Tiefe, mit der wir uns aufeinander eingelassen hatten. Befreundet oder verliebt wäre all das, was wir taten, nur ein Spiel gewesen.

»Lia?«

In den Augenwinkeln sah ich, dass Bruno einen länglichen Gegenstand aus dem Karton hob. Leder. Grünbraun. Ich wiederkäute meine Wünsche. Verziert, sehr schmal und angenehm gepolstert. Ein Halsband wie ein Schmuckstück. So attraktiv, dass ich es für ihn auch tragen würde, wenn wir gemeinsam ausgingen.

»Sieh es dir an.« Bruno hielt beide Hände auf seinem Schoß und öffnete die Handflächen.

Als ich meinen Blick senkte, stockte mir der Atem. Weiteten sich meine Augen. Was sich auf den Händen von Bruno befand, war weder grünbraun noch verziert. Sondern ein kantiger, schlichter Lederstreifen. Nicht schmal, wie ich es mir vorgestellt hatte, stattdessen breit wie eine Streichholzschachtel. Mit einer Schließe, deren Gewicht sich allein durch ihre Größe erahnen ließ. Das war kein Schmuckstück. Das war ein grober Riemen, konstatierte ich schockiert.

»Sieh nur, es ist etwas Einmaliges«, erklärte Bruno und drehte das Halsband langsam in den Händen. Zum Vorschein kam ein kleiner, silberner Ring, der mittig angebracht war. Und ein tief in das Leder geprägter Buchstabe. Ein L.

Ich schluckte. Das sollte ich um den Hals tragen? Einen schmucklosen Riemen mit einer riesigen Schließe im Nacken? Braunes, ungepolstertes und grobes Leder? Mit einem Buchstaben, der mich wie billiges Eigentum aussehen ließ? Fassungslos hob ich den Blick.

Bruno kniff die Augen zusammen. Ihm war meine Reaktion nicht entgangen. Er musste beobachtet haben, wie sich meine Körperhaltung von Stolz zu Enttäuschung wandelte, als meine Schulterblätter sanken und sich mein Oberkörper leicht nach vorn beugte. »In deinen Pupillen ist das Glänzen matt geworden. Was ist mit dir?«

Ich senkte den Kopf, denn ich wusste nicht, wohin ich schauen sollte. Bruno wollte ich nicht in die Augen sehen. Wenn er es ernst meinte mit diesem groben Riemen, erwartete er Dankbarkeit und ich würde ihn enttäuschen. Aber das Halsband in seinen Händen wollte ich ebenso nicht sehen. Meine Blicke flüchteten hastig, aber fanden kein Ziel. »Es ist nichts«, log ich. Schneller, als ich darüber nachdenken konnte, welche Konsequenzen diese Lüge nach sich ziehen würde.

»Erkläre es mir!« Bruno sah weiter auf mich. »Erkläre mir dieses Nichts!« Seine Stimme hatte sich verändert. Fordernd klang sie, streng und keinen Kompromiss duldend. Er setzte einen Fuß nach außen und beugte sich vor. »Jetzt sofort!«

Ich wusste, dass ich nicht umhin kommen würde, ihm die Wahrheit zu sagen. Er roch es, wenn ich log. Ganz gleich, welche Ausflüchte ich nutzen würde, er würde sie alle wittern und einfangen. Ich zwang mich, das Halsband zu betrachten und suchte eine Formulierung, mit der ich meine Entrüstung in vorsichtige Worte kleiden konnte. Aber nichts Bedachtes konnte ausdrücken, wie wenig der Lederriemen meinen Vorstellungen entsprach. Dass mir die Farbe nicht gefällt, hätte ich nicht begründen können. Dass kein Polster die Innenseite auskleidet, hätte Bruno höchstens amüsiert. Kritik an der Breite des Halsbandes würde dazu führen, dass er es erst recht mögen würde. Ich kannte ihn gut genug. Wenn ich meinte, dass etwas unmöglich sei, spornte es ihn an, mir das Gegenteil zu beweisen. Und es gelang ihm immer.

Bruno schnellte unvermittelt nach vorn und griff mir knapp über dem Nacken in die Haare. »Das reicht!« Mit einer einzigen kräftigen Bewegung drängte er meinen Kopf auf den Boden, zwängte mich zur Seite und presste meine Wange fest auf das Parkett.

Ich schrie überrascht auf. Winkelte meine an den Handgelenken gefesselten Arme auf dem Rücken an, um die Position erträglicher zu halten. Das Halsband fiel und schlug mit der Schließe voran nur eine Handbreit vor meinem Gesicht auf. Ich schloss die Augen.

»Sieh hin«, wies Bruno mich an. Seine Hand umspannte fest meinen Nacken und übte unnachgiebig Druck aus. »Das ist dein Halsband, Lia. Deins!«

Als ich meine Lider hob, kam ich nicht umhin, auf den Lederriemen zu sehen. Ich glaubte, ihn riechen zu können, so nah lag er vor mir.

»Was stört dich daran?« Bruno klang verärgert. Er beugte sich immer weiter über mich, als wolle er mich noch fester packen.

Alles, dachte ich. Die auffällige Breite. Die riesige Schließe. Das fehlende Innenpolster. Die Farbe. Schmucklosigkeit. Die Makel wiederholten sich in meinen Gedanken, aber keinen von ihnen wagte ich vorzutragen.

»Gefällt es dir nicht?«

Ich war dankbar über die angebotene Brücke. So fiel es leichter. Ich versuchte zu nicken, auch wenn Bruno meinen Hals mit seiner Hand fixierte. Meine Wange rieb auf dem Parkettboden. Er bemerkte es.

»Aha«, knurrte er daraufhin, ließ mich aber nicht los. »Wie hätte es denn aussehen sollen, damit es meiner hübschen Lia gefällt?« Es klang spöttisch.

Ich biss mir auf die Lippen. Diese Frage hatte ich vermeiden wollen. Es behagte mir nicht, all das aufzuzählen, was ich mir vorgestellt hatte. Vor allem nicht in meiner Position. Also schüttelte ich den Kopf, so gut es ging.

»Gut«, meinte Bruno und zog das Wort lang in einem Tonfall, den ich kannte. Nichts war gut. Stattdessen war es die Feststellung, dass er mir das nicht durchgehen lassen würde. Dass er seinen Willen auch auf andere Weise erreichen konnte.

Ich spürte, dass Bruno seinen Griff in meinem Nacken lockerte. Doch bevor ich aufatmen konnte, setzte er seinen Fuß unsanft zwischen meine Schulterblätter. Die Schuhsohle fühlte sich kühl und kantig an auf der Haut. Vor meinen Augen tauchte seine Hand auf, griff nach dem Lederriemen und zog ihn unter meinem Hals hindurch. Meine Haare wurden nach oben geschoben und ich wusste, was geschah, als ich die Schließe hinter meinem Kopf metallisch klimpern hörte. Bruno legte mir das Halsband an. Den schlichten, groben Riemen. Zum ersten Mal.

Ich hatte mir diesen Moment anders vorgestellt. Feierlich. Aufwühlend. Stolz, aber ergeben hätte ich vor ihm knien wollen. Den Kopf gesenkt und mit einem Gefühl, als verspreche er mir für immer den Schutz unter seiner Hand. Während er mir ein Schmuckstück anlegt.

Unsanft zog sich das Leder um meine Haut. Bruno zog unerbittlich, bis es den Hals eng umschloss. Als er den Dorn einhakte, musste ich überrascht röcheln. Die Ledermanschetten an meinen Handgelenken hinderten mich daran, mir aus einem Reflex heraus an den Hals zu greifen.

»Erhebe dich, meine hübsche Lia«, knurrte Bruno und nahm seinen Fuß von meinem Rücken. Gleichzeitig zwängte er aber zwei Finger unter das Halsband, sodass ich Atemnot bekam. Ich bemühte mich daher, dem Zug seiner Hand schnell zu folgen. Kam mühselig auf die Knie, zog ein Bein nach vorn und stemmte mich in die Höhe. Die Fesselung meiner Arme raubte mir das Gleichgewicht und ich fiel gegen Bruno.

Der fing den Schwung ab und drängte meinen Körper gegen den Rand des Tisches. Mit einer ausholenden Armbewegung fegte er den Pappkarton über die glänzende Tischplatte, bis dieser auf der anderen Seite polternd zu Boden stürzte. Dann griff er meine Hände und zog sie nur ein kleines Stück nach oben.

Ich ahnte, was Bruno beabsichtigte. Und ich wusste, dass ich mich nicht dagegen wehren konnte. Je höher er meine Hände hob, um so mehr musste ich meinen Oberkörper nach vorn beugen. Es gab keinen Spielraum. Der Schmerz in meinen Schultergelenken signalisierte das anatomische Limit. Ich suchte daher zügig einen sicheren Stand und senkte meinen Oberkörper freiwillig bis auf die Tischplatte. Meine nackten Brüste berührten das kühle, polierte Holz zuerst. Stirn und Nasenspitze folgten. Als ich mich zurechtgerückt hatte, spürte ich, dass Bruno meine Hände freigab.

Er ging langsam um den Tisch herum und strich mir dabei mit einem Finger sanft über den Rücken. Zwischen den Armen entlang über die Schulterblätter bis hinauf in meinen Nacken. Als er schließlich vor mir stand, griff er erneut unter das Halsband.

Ich winkelte den Kopf an. Das Leder um meinen Hals war eng geschlossen. Während Bruno daran zog, drückte es gegen meinen Kehlkopf. Mit den Füßen stemmte ich meinen Oberkörper noch ein kleines Stück weiter auf den Tisch. Mehr Luft verschaffte es mir nicht.

Bruno blieb unbeeindruckt. »Nun gut«, meinte er und nahm sich Zeit, als wolle er einen längeren Vortrag halten. »Lass uns über dein Halsband reden, Lia. Ich finde ganz sicher heraus, was dir nicht gefällt an ihm. Und auch, ob deine Enttäuschung gerechtfertigt ist.«

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Kapitel Drei

»Ich brauche erst einmal einen Kaffee.« Julia erhebt sich und zieht ihren Morgenmantel kräftig zusammen. Ihre Hände umklammern das Revers, als müsse sie sich daran festhalten. Dann wendet sie sich ab.