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Die Domina von St. Blasius
Eine Kurzgeschichte aus dem Buch "Alles Liebe zum Fest der Hiebe"

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Die Domina von St. Blasius aus
"Alles Liebe zum Fest der Hiebe"

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ELYSION-BOOKS

Sira Rabe: "Die Domina von St. Blasius"
Print; 1. Auflage: September 2014
eBook; 1. Auflage: Juli 2015

VOLLSTÄNDIGE AUSGABE
ORIGINALAUSGABE
© 2014 BY ELYSION BOOKS GMBH, LEIPZIG
ALL RIGHTS RESERVED

UMSCHLAGGESTALTUNG: © Ulrike Kleinert
www.dreamaddiction.de
FOTO: © Bigstockphoto/ Igor Borodin
LAYOUT & WERKSATZ: Hanspeter Ludwig
www.imaginary-world.de

ISBN (vollständiges Ebook): 978-3-96000-015-0
ISBN (gedrucktes Buch): 978-3-942602-57-0

www.Elysion-Books.com

Die Domina von St. Blasius

Sira Rabe

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Ein neuer Abschnitt des Medizinstudiums zerrte an seinem sensiblen Nervenkostüm. Erst gestern war Linus Benthaus angereist, von einem plötzlichen Schneesturm und Blitzeis auf der Autobahn aufgehalten. In aller Hektik hatte er sein bescheidenes Zimmer in dem Wohnheim bezogen, das nur wenige Meter von der Klinik entfernt auf dem Gelände stand, und hauptsächlich von Schwesternschülerinnen, Pflegern in Ausbildung und einer Handvoll angehender Assistenzärzte bewohnt wurde.

Alles andere wäre bei seinem mageren Gehalt einfach unerschwinglich und da er auch durch die bisherige Studentenbude alles andere als verwöhnt war, sah Linus seine neue Wohnsituation als das Geringste seiner Probleme an. Der Tag, an dem er sich etwas Besseres leisten konnte, würde schon noch kommen.

Nun wartete Linus gemeinsam mit den anderen darauf, in die Gepflogenheiten von St. Blasius eingewiesen zu werden. Eigentlich hatte er gehofft, es würde so etwas wie einen kleinen, aber offiziellen Empfang geben, als er feststellte, dass er nicht der einzige Neuling war. Aber weit gefehlt.

Oberarzt Dr. Kaltenberger hatte sie knapp und sachlich mit den wesentlichen Abläufen der Klinik und dem Stammpersonal bekannt gemacht, ebenso hatte die Leiterin der Stationsschwestern schon eine Grundeinführung gegeben. Dann waren sie bereits zur ersten Visite vor die Tür eines Patienten geleitet worden, wo sie auf die Chefärztin warteten. Ihr zu begegnen, war ein Moment, dem Linus ein wenig aufgeregt entgegenfieberte. Schließlich war sie seine oberste Vorgesetzte, die Chefin des Hauses, diejenige, die wirklich bestimmte, wo es medizinisch und grundsätzlich lang ging. Und die über ihrer aller Schicksal entscheiden konnte, den Fortlauf ihrer gesamten Karriere. »Darf ich vorstellen: Frau Doktor Martens«, flüsterte Philip, als sich den Wartenden mit kurzen, aber schnellen Schritten, eine schlanke Frau näherte. Es klang ein wenig sarkastisch, so wie Philip das sagte, und Linus fragte sich, was das zu bedeuten hatte.

Trotz des glatten Linoleums bewegte sich die Chefärztin elegant und sicher auf ihren Stilettos, die so gar nicht zu der sonst üblichen Turnschuhfraktion passten. Der offene weiße Arztkittel, aus dessen Taschen das Kabel eines Stetoskops, ein Kugelschreiber und ein nicht näher zu spezifizierendes Kabel herauslugten, gab den Blick auf eine weiße, tief ausgeschnittene Bluse und einen ebenfalls weißen, ziemlich engen Rock frei, der kaum die Knie bedeckte. Fast ein wenig zu elegant für die Arbeit in einem Krankenhaus, dachte Linus verwundert und schluckte. Und vor allem viel zu sexy. Wie sollte man sich da als Mann auf seine Arbeit konzentrieren?

Die schwarzen Haare waren sorgfältig hochgesteckt, den Hals schmückte eine weiße Perlenkette, die Hände, wie er kurz darauf feststellte, zwei Platinringe mit Edelstein oder Diamant. Die Dame verfügte nicht nur über Geld, sondern auch über einen erlesenen Geschmack.

Nicht deine Kragenweite mein Junge, meldete sich sein Verstand. Aber da gab es andere Teile seines Körpers, die auf ein gleichberechtigtes Mitspracherecht pochten. Sturm bedrohte die friedliche Vorweihnachtszeit. »Das ist die Martens?«

Linus pfiff anerkennend leise durch die Zähne. Natürlich hatte er sich schlau gemacht, wer im St.-Blasius-Krankenhaus das Sagen hatte und auch das Foto von Frau Dr. Martens auf der Internet-Seite gesehen – aber das war nur ein müdes Abbild der Wirklichkeit. »Das ist ja ein richtig heißer Feger«, flüsterte er, ohne den Blick von Martens’ Busen zu wenden, und stieß Philip in die Seite. »Still«, zischte dieser, denn die Ärztin hatte sie nun fast erreicht.

Frau Dr. Martens blickte freundlich in die Runde, schenkte jedem der Anwesenden einen kurzen Blickkontakt. »Guten Morgen, die Herren. Wie ich sehe, haben wir Zuwachs in unserer Runde zu begrüßen. Willkommen in unserem Haus. Mein Name ist Martens, ich bin die Chefärztin, aber das wissen Sie ja bestimmt schon. Nun, verlieren wir keine Zeit. Es gibt wie immer viel zu tun. Dr. Kaltenberger, wer ist heute Morgen unser erster Patient?«