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Nr. 564

 

Die Zeit mutiert

 

Ein Cyno bricht sein Schweigen – und weist den Weg zum Antipsi-Planeten

 

von ERNST VLCEK

 

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Der von den Götzen gelenkte Sternenschwarm hat das Solsystem in sein Gefüge aufgenommen und um rund 900 Lichtjahre örtlich versetzt.

Darüber hinaus haben die Beherrscher des Schwarms bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt – man schreibt auf der Erde und den übrigen Menschheitswelten Ende März des Jahres 3443 – nicht viel erreichen können, einesteils, weil ihre Angriffe durch den systemumspannenden Paratronschirm abgewehrt wurden, andernteils, weil ein Cyno und vier Terraner Stato, die Schlüsselwelt des Schwarms, ausschalteten.

Nur das unheilvolle Wirken des Dezentralisierers Ü'Krantomür und seines Parapsi-Bionten Yorgho bedeutete eine echte Gefahr für das Solsystem. Und es bleibt nur zu hoffen, dass die Beherrscher des Schwarms keine weiteren tödlichen Überraschungen dieses Kalibers auf Lager haben.

Dafür wartet ein Cyno mit einer echten Überraschung auf. Er bricht sein Schweigen und informiert die Terraner über den Schlüssel zur Macht. Er zeigt ihnen den Weg zum Antipsi-Planeten – zu dem Ort, da DIE ZEIT MUTIERT ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Großadministrator macht sich auf die Suche nach dem Schlüssel zur Macht.

Gucky, Icho Tolot, Lord Zwiebus und Fellmer Lloyd – Perry Rhodans Begleiter.

Arman Signo – Ein Cyno gibt sein Wissen preis.

Harun Matakin – Kommandant des Schweren Kreuzers KAPELLA.

Y'Chatramyr – Ein Götze verzweifelt.

1.

 

»... Dragon vom Girl ... geortet ... Solsystem ... unseren ... Schirm ... Flower ...«

Peter Mangrove glaubte im ersten Augenblick, dass sich jemand einen Scherz mit ihm erlaubte. Der Funkspruch ergab überhaupt keinen Sinn. Eigentlich war es nur ein Fragment, denn starke Störungen verstümmelten ihn fast zur Gänze. Aber da es darin um Drachen, Mädchen, einen Schirm und Blumen ging, musste er einfach annehmen, dass es sich um den Streich eines Betrunkenen handelte.

Der Funkspruch wiederholte sich, und diesmal hörte er sich so an: »... Kapitän Pantyr ... ruf... Paratronschirm ... vermuten ... Solsystem ... hier ist ... Girl ...«

Jetzt wurde Mangrove hellhörig.

Er war in der Hauptschaltzentrale von Imperium-Alpha und zwar in der »Außenring-Wachgruppe« beschäftigt. Das hieß, dass er alle jene Funksprüche und Ortungsergebnisse auffing und auswertete, die von den Mikrosonden außerhalb des Paratronschirms aus dem Schwarm empfangen und durch winzige Strukturlücken ins Solsystem weitergeleitet wurden. Mangrove wusste über die Schiffsbewegungen der Schwarmflotte ebenso Bescheid, wie über die Manöver der eigenen Einheiten.

Seit das Solsystem um über 900 Lichtjahre transitiert und an die Schwarmgeschwindigkeit von einem halben Lg angepasst worden war, hatte man das Sondennetz des Außenrings erneuert und sogar verdichtet. Perry Rhodan hatte diese Maßnahme angeordnet, weil er eine verstärkte Aktivität der Schwarmgötzen befürchtete.

Seine Befürchtungen hatten sich bestätigt. Zwar hatten die Götzen eingesehen, dass sie mit roher Gewalt nichts ausrichten konnten und auf weitere Angriffe ihrer Flotte auf den Paratronschirm verzichtet. Dafür hatten sie zu List und Tücke gegriffen, was sich auch als viel wirksamer erwies. Am Beispiel Ü'Krantomürs und seines Parapsi-Bionten Yorgho hatte es sich gezeigt, dass die Götzen auch die psychologische Kriegführung zu handhaben verstanden.

Deshalb war man im Solsystem auf alle Eventualitäten vorbereitet. Und Mangroves Ärger verwandelte sich in Misstrauen, je öfter sich der Funkspruch wiederholte. Er kam nie vollständig durch, sondern war jedes Mal von Störgeräuschen überlagert.

So lautete die dritte Version: »... Forschungsschiff ... haben den ... Solsystem bitte ... und schleusen ... Paratronschirm ... Girl ...«

Mangrove ließ die Fragmente der einzelnen Wiederholungen vom Computer speichern, um so nach und nach den richtigen und kompletten Wortlaut zu erhalten.

Nach der siebten Wiederholung war es geschafft, der Computer warf den vollständigen Text aus: »Kapitän Pantyr Dragon vom Forschungsschiff FLOWER GIRL ruft das Solsystem. Wir haben den Paratronschirm geortet und vermuten, das Solsystem vor uns zu haben. Solsystem bitte melden! Bestätigen Sie unseren Funkspruch und schleusen Sie uns durch den Paratronschirm.«

Peter Mangrove leitete den Funkspruch sofort an Roi Danton weiter.

»Was sollen wir davon halten?«, fragte Danton und schob die Abschrift des Funkspruchs an Atlan weiter.

Der Arkonide las die wenigen Zeilen mit ausdruckslosem Gesicht. Als er damit fertig war, blickte er zu Rhodans Sohn auf und sagte schleppend: »Es scheint sich um den Hilferuf eines unserer Raumschiffe zu handeln.«

»Dir scheint diese Sache auch nicht zu gefallen«, meinte Danton. »Ich war sofort misstrauisch und habe Nachforschungen angestellt. Dabei ist herausgekommen, dass ein Forschungsschiff mit der Bezeichnung FLOWER GIRL überhaupt nicht auf der Erde registriert ist. Ich habe alle Datenquellen angezapft, aber weder bei der Explorerflotte, noch sonstwo auf Terra sind Kapitän Pantyr Dragon und die FLOWER GIRL bekannt.«

»Das ist im höchsten Maße mysteriös«, murmelte Atlan.

In diesem Moment erschien Perry Rhodan in dem kleinen Konferenzraum der Hauptschaltzentrale.

»Hat man dir den Inhalt des Funkspruchs mitgeteilt?«, fragte Danton. Nachdem Rhodan genickt hatte, wollte er wissen: »Was hältst du davon?«

»Wir werden die Angelegenheit weiterverfolgen«, antwortete Rhodan. »Wenn es sich um einen in Not geratenen Raumfahrer handelt, müssen wir ihm beispringen. Roi, veranlasse, dass man die FLOWER GIRL mit einem Richtstrahl anfunkt. Wir brauchen genauere Informationen, bevor wir etwas unternehmen.«

Während Danton sich mit der »Außenring-Wachgruppe« in Verbindung setzte, sagte Atlan: »Weißt du schon, dass weder dieser Pantyr Dragon noch sein Schiff auf Terra bekannt sind? Das sollte uns zu denken geben.«

Rhodan nickte kaum merklich.

»Ich habe es mir sofort gedacht. Aus dem Funkspruch geht klar hervor, dass Kapitän Dragon nur vermutet, das Solsystem vor sich zu haben. Das zeigt auch, dass er keine Ahnung davon hat, was mit dem Sonnensystem geschehen ist.«

»Das kann ein Täuschungsmanöver sein«, warf Atlan ein.

»Was willst du damit sagen?«

»Das liegt doch auf der Hand«, sagte Atlan. »Es kann sein, dass der Notruf nur ein Trick der Götzen ist, um eine Fünfte Kolonne ins System einzuschleusen.«

»Wir werden auf der Hut sein«, versicherte Rhodan. »Andererseits müssen wir auch damit rechnen, dass der Notruf echt ist. Wenn es sich um ein Schiff handelt, das aus irgendwelchen Gründen in den Schwarm verschlagen wurde, müssen wir Hilfe leisten.«

Atlan verzog spöttisch die Mundwinkel.

»Willst du mir dann auch verraten, wie dieses Schiff in den Schwarm gelangt sein soll, Perry? Seit wir die zentrale Steuerungswelt Stato vernichtet haben, ist der Schmiegschirm des Schwarms nach beiden Seiten hin praktisch undurchdringlich.«

»Vergiss nicht, dass auch die SHANTANG vor knapp einem Monat das schier Unmögliche fertiggebracht hat«, gab Rhodan zu bedenken. »Wir wissen, dass der Schmiegschirm nicht absolut undurchdringlich ist und müssen die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass auch der FLOWER GIRL der Durchbruch gelang. Aber keine Angst, ich werde nicht vergessen, dass es sich um eine neue Falle der Götzen handeln könnte.«

»Das ist sehr weise«, meinte Atlan nicht ohne Spott.

Rhodan ging nicht darauf ein.

»Wir werden zwei Leichte Kreuzer ausschleusen«, sagte er. »Die Kreuzer sind schnell genug, um den außerhalb des Paratronschirms patrouillierenden Schwarmschiffen in den Linearraum zu entkommen, noch bevor diese auf sie aufmerksam werden können. Dadurch ersparen wir uns eine aufwendige Begleitflotte, was den zusätzlichen Vorteil hat, dass die beiden Kreuzer im geheimen operieren können. Sie sollen die FLOWER GIRL anfliegen und herausfinden, was es mit ihr für eine Bewandtnis hat ...«

 

*

 

Die beiden Aufklärungsschiffe hießen CARNUNTUM und HALLSTATT. Sie waren gerade zu einem Flug in den Schwarm von einer terranischen Raumstation gestartet, um astronomische Messungen durchzuführen, als Rhodans Einsatzbefehl sie erreichte.

Beide Schiffe gingen gleichzeitig in eine kurze Linearetappe über und kamen nahe einer der vier Strukturschleusen an der Innenseite des Paratronschirmes in den Normalraum zurück. Ohne die Geschwindigkeit zu verringern, flogen sie auf die vorprogrammierte Strukturschleuse zu, die sich erst im letzten Augenblick öffnete.

Da es von außerhalb nicht möglich war, die Vorgänge hinter dem Paratronschirm mit lichtschnellen oder auch hyperschnellen Ortungsimpulsen zu beobachten, wurden die CARNUNTUM und die HALLSTATT von den Schwarmschiffen erst bei der Ausschleusung entdeckt.

Bevor die Schwarmschiffe sich noch den neuen Gegebenheiten anpassen und ein Abfangmanöver durchführen konnten, hatten die beiden schnellen Kreuzer mit dem hohen Beschleunigungsvermögen von 700 km/sec bereits einen ausreichenden Sicherheitsabstand zwischen sich und ihre Verfolger gebracht.

Zwischen den beiden Schiffen und Imperium-Alpha wurden einige Rafferfunksprüche gewechselt, wobei die Sonden des Außenringes als Relaisstationen dienten.

CARNUNTUM: »Wir befinden uns auf Kurs. Die Schwarmschiffe haben wir erst einmal abgeschüttelt.«

Imperium-Alpha: »Dann werden wir die FLOWER GIRL anfunken. Geht auf Pfeilfrequenz und schaltet die Hyperortung ein.«

CARNUNTUM: »Funkortung läuft! Hyperortung auf Empfang!«

HALLSTATT: »Hyperortung auf Empfang! Funkpeilung läuft!«

Imperium-Alpha: »Terra ruft die FLOWER GIRL! FLOWER GIRL bitte melden. Wir haben Ihren Notruf empfangen. Starke Störgeräusche machten einwandfreien Empfang unmöglich, so dass wir erst jetzt antworten können. Senden Sie mit höchster Kapazität, damit wir Sie anpeilen können. Terra ruft Kapitän Pantyr Dragon von der FLOWER GIRL!«

FLOWER GIRL: »... verstanden ... höchste Zeit ... tatsächlich das Solsystem? ... phantastisch ... Peilung ermöglichen ...«

Imperium-Alpha: »Terra an FLOWER GIRL! Funken Sie weiterhin auf dieser Frequenz, bis wir ein klares Peilergebnis erzielt haben. Bleiben Sie auf Sendung, Kapitän Dragon!«

Während die Funkpeilung und die Hyperortung bei den beiden Leichten Kreuzern auf Hochtouren lief, kam es an Bord der CARNUNTUM zu einem Zwischenfall.

Der Astronom, der die wissenschaftliche Leitung der Expedition hatte, rief in der Hauptzentrale an und stellte den Kommandanten, Major Omar Voisell, zur Rede.

»Was geht hier vor!«, rief der Astronom aufgebracht vom Bildschirm des Interkoms. »Es war beschlossen, in die Regionen der Schwarmmitte einzufliegen. Warum weichen Sie um fast dreißig Grad vom ursprünglich vorgesehenen Kurs ab, Major?«

»Regen Sie sich wieder ab, Demidestapha«, sagte der Kommandant. »Wir haben Order erhalten, ein in Not geratenes Schiff zu bergen.«

Demidestapha beruhigte sich schnell. Er war jener Astronom, der zusammen mit seinem Zwillingsbruder, dem Ezialisten Demidegeve, den Beweis erbracht hatte, dass die vom Schwarm scheinbar verdrängten Sterne der Galaxis weiterhin an ihren Koordinaten existierten. Allerdings waren sie in energetische Sphären gehüllt und solchermaßen abgekapselt und im Schwarm nicht stofflich existent. Demidestapha war mit den beiden Leichten Kreuzern ausgeschickt worden, die Natur dieser »energetischen Sphären« zu ergründen.

Er sah jedoch ein, dass die Rettung in Not geratener Raumfahrer vorrangig behandelt werden musste.

»Kennen Sie die Koordinaten der Unglücksstelle?«, erkundigte sich Demidestapha.

»Ja, eben haben wir ein klares Peilergebnis erhalten«, antwortete Major Voisell. »Wir haben die Hypertaster auf die Quelle der Funkimpulse ausgerichtet und ... Aber das ist unmöglich!«

»Was ist passiert?«

»Die Funkimpulse kommen geradewegs aus der Koma eines Kometen!«

2.

 

»Wieso soll so etwas unmöglich sein«, sagte Demidestapha zu dem verdutzten Kommandanten. »Die Koma eines Kometen bietet für ein Raumschiff einen geradezu idealen Ortungsschutz. Geben Sie mir die Koordinaten, dann kann ich unabhängig von der Ortungszentrale Untersuchungen anstellen.«

Nachdem Demidestapha die gewünschten Unterlagen bekommen hatte, gab er sie in die Automatik des 5-D-Teleskops ein, das sein verstorbener Zwillingsbruder konstruiert hatte.

Es behagt mir nicht, dass du von mir immer wie von einem Toten denkst, Stapha, meldete sich Demidegeves Geist.

»Schon gut«, murmelte der Astronom gedankenverloren und betrachtete den Bildschirm des Teleskops, der das Okular ersetzte.

Überhaupt nichts ist in Ordnung, begehrte wieder Geve auf. Es ist auf den Tag zehn Wochen her, dass ich meinen Körper verlor und mich zu dir flüchtete. Mein Gott, manchmal wünsche ich mir, lieber tot zu sein, als in deinem Körper wie in einem Gefängnis eingesperrt. Hörst du mir überhaupt zu, Stapha?

»Da ist der Komet«, murmelte Stapha. Seit sein telepathischer Zwillingsbruder bei einem Raumschiffsunglück seinen Körper verloren hatte und sein Geist zu ihm geflüchtet war, hatte es sich Stapha angewöhnt, laut zu sich selbst zu sprechen. Es war die einzige Möglichkeit, sich trotz der störenden Gedanken seines Bruders zu konzentrieren.

Was hast du nur für einen knochentrockenen Wissenschaftlergeist, meldete sich wieder Geve. Hast du denn nur die Sterne im Kopf? Seit ich in dir bin, habe ich noch kein einziges weibliches Wesen zu Gesicht bekommen. Ich halte das nicht mehr aus!

»Lass mich mit deinen Weibergeschichten in Frieden«, sagte Stapha unwillig. »Du bist in meinem Körper nur Gast und musst dich meinen Wünschen fügen.«

Geve kicherte lautlos.

Wetten, dass ich ganz leicht die Kontrolle über deinen Körper gewinnen könnte! Soll ich es dir zeigen?

Stapha saß über dem Bildschirm des Telekoms gebeugt, auf dem der Komet vergrößert zu sehen war, und stellte Berechnungen an.

Plötzlich hoben sich seine Hände gegen seinen Willen und vollführten Schwimmbewegungen.

»Lass den Unsinn, Geve!«, rief Stapha zornig.

Ich verlange Gleichberechtigung, drangen Geves Gedanken zu Stapha durch. Erinnerst du dich noch an unsere Abmachung, dass wir unser beider Wesen zu einer starken Persönlichkeit vereinen wollten? Bisher hast du dich immer davor gedrückt.

Plötzlich sprach Geve durch Demidestaphas Mund: »Ich möchte, dass wir endlich aus unserer Symbiose etwas machen!«

Demidestapha hielt sich die Ohren zu.

»Es ist zum Wahnsinnigwerden mit diesem Quälgeist!« Er seufzte. »Also schön, Geve, wir werden uns ernsthaft über unser Problem unterhalten, aber lass mich vorerst diese Sache zu Ende bringen.«

»Wir werden sie gemeinsam erledigen«, sagte Geve durch Staphas Mund.

Ein uneingeweihter Beobachter hätte den Astronomen für schizophren halten müssen, weil er mit zwei Stimmen sprach, die sich Rede und Antwort standen. Und in der Tat war es das auch – eine Schizophrenie auf parapsychischer Ebene: zwei Personen wohnten in einem Körper, sprachen aus einem Mund.

»Wir sind noch zehn Milliarden Kilometer von dem Kometen entfernt«, stellte Geve fest.

»Er bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von fünfundvierzig Kilometern vorwärts«, sagte Stapha. »Wenn er auf diesem Kurs bleibt, dann wird er in ungefähr achtzehn Jahren das Sonnensystem erreichen.«

»Wieso zweifelst du daran, dass er den Kurs beibehält?«, fragte Geve.

»Weil ich bezweifle, dass es sich um einen Kometen handelt, deshalb«, antwortete Stapha.

»Und worauf stützt du deine Vermutung?«

»Es ist reine Gefühlssache«, sagte Stapha. »Theoretisch wäre es möglich, dass das Solsystem während der Transition diesen Kometen eingefangen hat. Aber noch wahrscheinlicher ist es, dass die Götzen für uns eine Falle gestellt haben.«

»Schau einmal an, der knochentrockene Wissenschaftler gibt plötzlich etwas auf seine Gefühle«, spottete Geve. »Da bin ich aber gespannt, was dabei herauskommt.«

Demidestapha wollte die Beobachtung des Kometen weiterführen, doch dieser verschwand von einem Augenblick zum anderen vom Bildschirm. Ein Blick durch das Bullauge des Observatoriums zeigte ihnen, dass auch alle anderen Sterne des Weltraums verblasst waren.

»Linearetappe«, stellte Geve fest.

Kurze Zeit später fiel die CARNUNTUM wieder in den Normalraum zurück. Der Kugelraumer der Städte-Klasse war nun nur noch zehntausend Kilometer von dem Kometen entfernt und leitete das Bremsmanöver ein, um sich seiner Geschwindigkeit anzupassen.

Der Interkom schlug an, und Major Voisell meldete sich.

»Untersuchen Sie den Himmelskörper mit Ihren Instrumenten, Demidestapha«, bat er den Astronomen. »Ich brauche Ihre Ergebnisse schnellstens, um sie mit den Daten der Hyperortung vergleichen zu können.«

»Warum fordern Sie die Vergleichswerte nicht von der HALLSTATT an?«, erkundigte sich Demidestapha.

»Weil die HALLSTATT die Schwarmwachschiffe ablenkte, damit wir hier ungestört arbeiten können«, antwortete der Kommandant ungehalten. »Machen Sie schon, Demidestapha!«

Stapha nahm eine Feinjustierung des 5-D-Teleskops vor, tastete das Beobachtungsprogramm ein und wartete, bis die Automatik die Daten auswarf.

»Er sieht mir ganz und gar wie ein waschechter Komet aus«, meinte Geve spöttisch. »Er hat zwar noch keinen Schweif, dafür ist die Entfernung zur Sonne zu groß, aber die Koma ist schon recht stattlich, und auch die Enveloppe ist deutlich erkennbar. Was sagt dir dein Gefühl jetzt?«

»Selbst wenn es sich tatsächlich um einen Kometen handelt, kann er von den Götzen manipuliert worden sein«, sagte Stapha.

Das 5-D-Teleskop warf die Untersuchungsergebnisse aus. Stapha warf einen kurzen Blick darauf, runzelte die Stirn und stellte eine Bildsprechverbindung zur Kommandozentrale her.

»Folgendes habe ich herausgefunden«, meldete er Major Voisell. »Die Koma durchmisst vier Kilometer und weist ein typisches Bandenspektrum auf, das das Kennzeichen für das Leuchten von Molekülen ist. Die chemische Verbindung von Kohlenstoff, Wasserstoff in Form von CH und Kohlenstoff-Stickstoff als Cyan herrschen bei den Neutralen vor. Bei den Ionen treten Kohlenmonoxyd und Kohlendioxyd hervor. Der Kern selbst durchmisst dreihundertfünfundzwanzig Meter und besteht zu 89,7 Prozent aus Eisen. Aber das ist noch nicht alles. So unwahrscheinlich es auch klingt – es ist auch eine Metalllegierung vorhanden, die dem Terkonitstahl entspricht.«

»Es ist Terkonitstahl!«, sagte Major Voisell. »Und zwar handelt es sich um eine Hohlkugel mit einem Durchmesser von 1,97 Meter. Das hat die Hyperortung einwandfrei ergeben.«

»Eine Bombe«, stellte Demidestapha fest.

»Strengen Sie Ihr Gehör an, Major, vielleicht hören Sie sogar das Ticken«, sagte Geve mit veränderter Stimme aus Demidestaphas Mund.

Major Voisell runzelte die Stirn.

»Haben Sie Stimmbruch?«, fragte er.

 

*

 

Major Voisell nagte an seiner Unterlippe, während er auf den Bildschirm des Metalltasters starrte. Darauf war ein Ausschnitt des Kometenkerns als grauer Untergrund und darauf ein hellerer, stecknadelkopfgroßer Punkt zu sehen. Der Farbenindex des Metalltasters wies den helleren Punkt eindeutig als Terkonitstahllegierung aus.

»Es könnte sich natürlich um eine unserer Robotsonden handeln«, vermutete der Kommandant der CARNUNTUM, »die die Notsignale des Forschungsschiffes FLOWER GIRL aufgefangen und gespeichert hat und nun abspielt. Sparks, wie ist der Empfang?«