4
Der Autor:
Volker Wiegand, 1958 in Hochheim am Main geboren, begann im Alter vom zehn Jahren mit dem Tennisspiel. Nach Erfolgen in der Jugend erwarb er bereits früh entsprechende Trainer- qualifikationen, um mit Kindern und Anfängern arbeiten zu können. Nach Ausbildung zum staatlich geprüften Tennis- lehrer und dem Erwerb der A-Lizenz des Deutschen Tennis Bundes (DTB) als Jahrgangsbester betrieb er in den 90er Jahren eine eigene Tennisschule, arbeitete für den rheinland- pfälzischen Tennisverband und war in den Altersklassen der Herren 30, 35, 40 und 45 als deutscher Ranglistenspieler auf vielen nationalen und internationalen Turnieren aktiv und er- folgreich. Seit nunmehr 18 Jahren kümmert er sich als Chef- trainer und Sportwart um die Belange der Tennisabteilung des Mainzer Turnvereins von 1817 und arbeitet in diesem zweitältesten Sportverein Deutschlands mit zehn Sportabtei- lungen auch im Hauptvorstand. In diesem Buch hat er erst- mals die besten und beständigsten Übungen aus 35 Jahren Tennistrainertätigkeit zusammengefasst.
Vollständige eBook-Ausgabe der im Copress Verlag erschienenen Printausgabe (ISBN 978-3-7679-1159-8).
Titelgestaltung, Layout (Printausgabe) und Lektorat: Pierre Sick, Dietmar Schmitz (Ver- lagsService Dietmar Schmitz, Heimstetten)
Alle Fotos im Innenteil vom Autor, außer: S. 9 (MaxRiesgo – Fotolia); 16, 53 (alle imago); 19, 208, 262 (alle Günther Siegemund); 27, 289 (alle Babak Momeni); 249 (Frank Leber/ pixelio.de).
Grafiken (nach Vorlagen des Autors): digiartworx, Hilgertshausen unter Verwendung der Spielfeldgrafiken von Fotolia – abdulsatarid
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National- bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Trainingsprogramme und Empfehlungen stel- len die Meinung und Erfahrung des Autors dar. Sie können eine individuelle Trainingsberatung nicht ersetzen. Eine medizinische Beratung vor dem Beginn intensiver sportlicher Betätigung wird dringend empfohlen. Weder Autor noch Verlag können für eventuelle Schäden, die aus den gegebenen Empfehlungen hervorgehen könnten, in Haftung genommen werden.
© 2015 Copress Verlag in der Stiebner Verlag GmbH, München Alle Rechte vorbehalten. Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlags.
Gesamtherstellung: Stiebner, München
ISBN 978-3-7679-2025-5
www.copress.de
5
Vorwort 7
Zu diesem Buch8
Über das Tennisspiel11
Tennis ist schön … 11
Technik 12
Es braucht viel … 12
Psychologie 13
Linkshänder 14
Damentennis – Herrentennis15
Über das Tennistraining17
Zuspiel 17
Organisation 17
Zählformen 21
Wie man dieses Buch benutzt23
Übungsteil 25
1. Aufwärmen/Rhythmustraining 26
Kleinfeld 28
Großfeld 40
2. Training an der Grundlinie52
Sicherheit 55
Schlagübungen 55 · Spielübungen im unterteilten
Feld 67 · Spielübungen im freien Feld 81
Offensives Spiel 92
Allroundspiel 102
Stopp 120
3. Training am Netz131
Volleytraining 132
Schlagübungen 132 · Spielübungen im unterteilten
Feld 139 · Spielübungen im freien Feld 148
Überkopf-Training 154
Schlagübungen 154 · Spielübungen im freien Feld 157
Allroundspiel 164
Inhalt
Inhalt
6
4. Training der Eröffnungsschläge 178
Aufschlag-Return-Training 180
Matchübungen 196
5. Taktisches Training 204
Einzel-Spielübungen 209
Taktik der Eröffnungsschläge 217
Einzel-Matchübungen 227
Doppel-Spielübungen 237
Doppel-Matchübungen 241
6. Mentales Training 246
Konzentration 250
Rituale 262
7. Drilltraining 270
Laufübungen 271
Traineranspiel 273
Selbständiges Spiel 286
8. Koordinationstraining 289
Kleinfeld 290
Großfeld 303
9. Kindertraining 315
10. Doppeltraining 325
Traineranspiel 326
Selbständiges Spiel 346
11. Mannschaftstraining 350
Ein Platz 352
5 Spieler 352 · 6 Spieler 360 · 7 oder 8 Spieler 367
Zwei Plätze 369
5 Spieler 370 · 6 Spieler 374 · 7 Spieler 378 ·
8 Spieler 388 · Doppel-Matchplay 391
12. Ein Trainer – ein Schüler 396
13. Schaltjahr 406
Anhang 410
Register – Alle Übungen nach Merkmalen 410
Dank 427
7
Vielen Dank für Ihr Interesse an diesem Buch. Wenn Sie in wenigen Minuten auf den Platz müssen, schauen Sie kurz in das Kapitel »Wie man dieses Buch benutzt« auf Seite 23, suchen Sie sich im Register Ihre Übung(en) für den Tag aus, und schon kann‘s losgehen. Wenn Sie ein wenig mehr Zeit haben, lesen Sie zuerst in Ruhe die einführenden Kapitel im folgenden, um etwas mehr über die Absichten und Ansich- ten des Autors zu erfahren, der seit 45 Jahren fast täglich auf dem Platz steht und seit etwa 35 Jahren bemüht ist, sein Wissen und Können an andere weiterzugeben.
Viel Spaß bei der Lektüre und viel Spaß auf dem Platz!
Volker Wiegand, im Frühjahr 2015
Vorwort
8
Wir möchten uns nicht dem aktuellen, besonders von unseren Politikern intensiv gepflegten Trend unterwerfen, jeden und alles in beiden Geschlechtsformen anzu- reden oder zu benennen. Das führt nur zu umständlichen Formulierungen und dient keinesfalls einer besseren Verständlich- keit. Wenn also in der Folge von »Trai- nern« die Rede ist, dann sind selbstver- ständlich alle Trainerinnen und alle Trainer angesprochen! Genauso ist es natürlich bei Schülern und Spielern. Tennis ist wirklich ein hervorragender Sport für beide Geschlechter, nach meiner Auffas- sung ist es für Frauen eine der attraktiv- sten Sportarten, die es überhaupt gibt. Deswegen hoffe ich, meine Damen, dass Sie die Ansprachen »Trainer, Schüler und Spieler« neutral verstehen und sich auf keinen Fall ausgegrenzt fühlen.
Als ich mit dem Vorschlag konfrontiert wurde, ein Buch mit 365 Tennis-Übungen zu verfassen, war mein erster Gedanke: kein Problem! Schließlich hatte ich in den 45 Jahren als Trainer und auch als Schüler weit mehr als 365 Übungen gesehen, konzipiert, gespielt und geleitet. Ganz so einfach war es aber dann doch nicht, denn es gab einiges zu bedenken: Welche Trainingsformen wären es wert, in ein solches Buch aufgenommen zu werden? Was ist interessant und umsetzbar für den normalen Clubtrainer im alltäglichen Training? Was würde auch einen Freizeit- Turnierspieler weiterbringen, mit welchen Themen könnte er etwas anfangen? Es gibt viele Tennis-Bücher mit guten Tipps und Übungen zu den verschiedensten Teilaspekten des Tennisspiels. Dieses Buch sollte nun eine komplette Sammlung
von Übungen sein, die ein Vereinstrainer für die tägliche Praxis mit Schülern aller Altersklassen und Spielstärken braucht und immer wieder anwendet. Übungen mit exakt den Tennisthemen, die für »seine« Kinder, Anfänger, Hobby- und Clubspieler sowie ambitionierte Turnier- spieler jeden Tag wichtig sind. Unter diesen Prämissen habe ich letztendlich die avisierten 365 Übungen als Basis ausge- wählt. Mit etwas Kreativität machen Sie aus einer Übung drei, vier oder fünf weitere und verfügen so über ein fast unerschöpfliches Reservoir an Ideen, wie Sie Ihre Schüler fordern und fördern. Ich bin davon überzeugt, dass die Anregun- gen in diesem Buch für abwechslungs- reiches Tennistraining über viele Jahre ausreichen werden.
Was Sie hier nicht finden werden, sind Übungen im Stil von »Eine Vorhand, eine Rückhand, ein Volley und bitte wieder hinten anstellen!« Diese Trainingsform, »Kolonnentraining« oder etwas despek- tierlich auch »Kübeltraining« genannt (der Trainer spielt einen Ball nach dem ande- ren aus dem »Kübel« zu), sollte die Aus- nahme sein – etwa zur Vorbereitung auf eine Hauptübung oder um an einem technischen Detail in einfacher Form zu arbeiten. Leider aber ist es in vielen Clubs das vorherrschende Bild. Viele Laien halten das für die einzig wahre Form von Tennistraining und sind erstaunt, wenn ein Trainer seine Schüler spielen lässt und – scheinbar – nur danebensteht. Die Aufgabe eines Trainers ist es weder Sparringspartner noch Ersatz für die Ballmaschine zu sein. Nichts dagegen, wenn er ab und zu mitspielt oder auch
Zu diesem Buch
9
Zu diesem Buch
einmal »Kübeltraining« ansetzt, aber die eigentliche Arbeit des modernen Trainers beginnt schon lange vor der Trainings- stunde, mit der Planung der für seine Schüler optimalen Übungsformen und geht auf dem Tennisplatz weiter mit der Umsetzung dieses Programms.
Tennis ist eine interaktive Sportart, in der dem Erlernen der »Spielfähigkeit« und der Reaktion auf gegnerische Aktionen genauso viel Gewicht beigemessen werden muss wie dem Erlernen einer vernünftigen Schlagtechnik. Es gibt im Wettkampf keine standardisierten Bedin-
gungen, d. h. der Ball ist nicht immer gleich lang und schnell, wie wenn ihn jemand aus dem Korb zuspielt. Deshalb sollte jeder Spieler von Anfang an lernen, sich an diese variierenden Situationen anzu- passen und eine Schlagtechnik »erwer- ben«, die unter vielen unterschiedlichen Bedingungen effektiv ist. Der sogenannte »Game Based Approach« (International Tennis Federation 1999), was übersetzt nichts anderes bedeutet als »spielerische Herangehensweise«, sowie die Ideen von »Play and Stay« – »spiel und bleib dabei!« – unterstützen genau diesen Gedanken.
Zu diesem Buch
10
Der Schüler soll sofort match- oder spiel- orientiert agieren, selbst auf Anfänger- niveau. Kleinere Felder, weichere Bälle und niedrigere Netze helfen dabei. Das kommt nicht nur dem spielerischen Gedanken des Tennis als »Rückschlag- sportart« entgegen, sondern es ist auch sehr viel motivierender und erfolgverspre- chender als eintöniges »Technikerwerbs- Training« alter Schule. Die Erfahrung zeigt, dass Schüler, die engagiert und mit Spaß bei der Sache sind, sehr viel aufnah- mefähiger sind und positiver auf techni- sche und taktische Korrekturen reagieren. Jede interaktive Tennisübung – also eine Übung, in der miteinander gespielt wird – hat einen technischen und taktischen Anteil und es liegt am Trainer, die Übung so zu gestalten, dass die gewünschten Lernerfolge erreicht werden (siehe dazu auch die Ausführungen in Kapitel 2: »Grundschläge«).
Dem Tennistrainer, dem engagierten Spieler und jedem, der sich für Tennis interessiert, wird in den folgenden drei- zehn Kapiteln eine Vielzahl von Möglich- keiten aufgezeigt, wie man Tennis in der knappen Zeit, die meist nur zur Verfügung steht (ein oder zwei Stunden in der Woche) auf spielerischem Weg trainieren kann. Fast alle hier beschriebenen Übungen basieren auf Interaktion – d. h. es werden, je nach Leistungsstand der Spieler und nach Anforderung der Übung – Ballwech- sel gespielt und es wird »gezählt«. Auf wissenschaftliche Trainingsansätze und detaillierte Erläuterung der Schlagtechnik wird bewusst verzichtet, da sie nicht Thema dieses Buches sind.
Der Trainer arbeitet mit diesen Übungsformen vorwiegend induktiv. Das heißt, statt seinem Schüler Lösungen und Wege vorzuschreiben (deduktive Methode), lässt er ihn selbst ausprobieren
und greift nur dann ein, wenn etwas nicht funktioniert.
Die meisten Trainer werden einen Großteil ihrer Zeit mit jugendlichen Grup- pen auf dem Platz verbringen. Einige werden auch Mannschaftsspieler in Gruppen trainieren. Persönliches Einzel- training ist wegen der hohen Kosten selten geworden und so viele Anfänger im Erwachsenenalter wie in den 1980er- und 1990er-Jahren, als die deutschen Tennisstars Steffi Graf, Boris Becker und Michael Stich einen Boom auslösten, gibt es derzeit leider nicht mehr. Dieses Buch beschäftigt sich demzufolge ausschließ- lich mit Gruppentraining (die Ausnahme bildet Kapitel 12: »Ein Trainer – ein Schü- ler«), das – leistungsangepasst – in jedem Alter und auf jeder Könnensstufe ähnlich aussieht. Es ist ganz leicht, eine komplexe Übung aus dem Mannschaftstraining der Aktiven so zu vereinfachen, dass auch eine Gruppe von Zehnjährigen sie spielen kann. Und es ist auch durchaus möglich, dass Erwachsene richtig Spaß an einer eigentlich für Kinder vorgesehenen Übung haben und sich wundern, wie anstrengend das sein kann.
»Play and Stay« möchte, dass die Schüler »bei der Stange« bleiben. Es heißt »Tennis spielen« und spielen lernt man durch Spiel! Kein Trainer kann es sich heute mehr leisten, seine Schüler zu langweilen. Unsere Gesellschaft fordert Spaß und Abwechslung, und mit dem »Game Based Approach« im Tennisunter- richt kommt man nicht nur diesen Bedürf- nissen entgegen, sondern hat auch den optimalen Lernansatz für eine Spielsport- art.
Stöbern Sie das Angebot durch, seien Sie kreativ und probieren Sie alles aus – Sie werden viel Spaß haben und viel dazu lernen.
11
Tennis ist schön …
… und Tennis ist schwierig. Tennis ist ganz schön schwierig.
Dieser bekannte Spruch offenbart sich nicht nur dem langjährigen Spieler, der immer wieder neue Erfahrungen sammelt, Überraschungen erlebt und Lernprozesse durchmacht, sondern auch dem Zuschauer, der begeistert ein manchmal mehrstündi- ges Match zweier Topspieler verfolgt, das hin- und herwogt und spektakuläre Ball- wechsel produziert.
Tennis ist eine faszinierende und attrak- tive Sportart, aber viele, die damit anfan- gen, machen sich kaum Gedanken darüber, was es alles braucht, um ein guter oder sogar sehr guter Spieler zu werden. Vor allem Eltern, die sich Tennis als Sportart für ihre Kinder wünschen, haben da oft falsche Vorstellungen. Es erfordert sehr viel Geduld und Beharrlichkeit und nicht zuletzt auch ein gewisses motorisches Talent, um nur einmal so weit zu kommen, den Ball hin- und herspielen zu können, geschweige denn Wettkämpfe zu bestreiten. Wer jemanden findet, der sofort und ohne Vorkenntnisse Ballwechsel spielen kann, sollte diesen Kandidaten, sofern er noch im Grundschulalter ist, direkt unter Vertrag nehmen, das könnte sich noch auszahlen …
Spaß beiseite, die hohe Fluktuation im Jugendtennis ist nicht von der Hand zu weisen. Nicht wenige wenden sich bald »einfacheren« Beschäftigungen zu, bei denen sich ein sichtbarer Erfolg schneller einstellt. Oder sie wechseln in Mann- schaftssportarten, in denen man sofort »mitspielen« kann. Geduld und Beharrlich- keit sind in unserer schnelllebigen Gesell-
schaft, genau wie die Bereitschaft zu häufigem Training, leider keine allzu weit verbreiteten Eigenschaften. Tennis hat es da inzwischen recht schwer, obwohl es – wie gesagt – für viele nach wie vor sehr attraktiv ist, nach dem Motto: »Das würde ich auch gerne können …«
Das entscheidende Bindeglied ist der Trainer oder Übungsleiter. Er muss die Schüler bei der Stange halten, immer wieder neu motivieren, fordern und för- dern. Da kaum noch Kinder Tennis spie- lende Eltern haben, denen sie nacheifern können, gilt das umso mehr.
Dieses Buch soll Hilfe sein für den Club- und Amateurtrainer, der mit Kindern, Jugendlichen oder auch erwach- senen Anfängern und Mannschafts- spielern arbeitet. Es soll übersichtlich Möglichkeiten für motivierendes, abwechslungsreiches und lehrreiches Tennistraining mit Gruppen bis zu acht Personen anbieten. Es soll auch Möglich- keiten aufzeigen für den ambitionierten Freizeitspieler, der mit seiner Mann- schaft keinen Trainer hat und nicht immer nur das übliche Doppel spielen, sondern sinnvolle und strukturierte Spielformen ins Training einbauen möchte. Viele Übungen in diesem Buch sind mit selbständiger Eröffnung, also ohne Trainerzuspiel durchzuführen oder es kann einer der Spieler das Zuspiel übernehmen (obwohl das keine einfache Sache ist).
Was dieses Buch nicht kann, ist, auf die vielen Facetten des Individualcoachings einzugehen. Es kann nur beschränkt
Über das Tennisspiel
Über das Tennis
12
Ratgeber für Training und Einzelbetreu- ung professioneller Spieler oder solcher, die es werden wollen, sein, denn da spielt
die ganz persönliche Ausrichtung des Trainings die entscheidende Rolle.
Technik
Wie bereits angedeutet verzichten wir in diesem Buch auf Übungen aus dem Bereich des »Technikerwerbs-Trainings« und auf eine detaillierte Betrachtung der tennisspezifischen Schlagtechnik und Beinarbeit. Dafür müsste man ein eigenes Buch schreiben, es würde den Rahmen dieses Werkes sprengen. Praktisch jede vorgestellte Übung hat allerdings einen technischen Anteil. Einerseits werden bestimmte Fertigkeiten vorausgesetzt, andererseits werden die Übenden bei der Durchführung animiert, technische Details zu verbessern. Es ist Aufgabe des Trainers, die richtige Übung für den Leistungsstand seiner Gruppe auszusuchen und in der jeweiligen Situation auf seine Schüler einzugehen sowie die richtigen Rat - schläge zur Verbesserung anzubringen.
Schlagtechnik ist ein heikles und sehr individuelles Kapitel im Tennis. War es früher noch so, dass es nur eine Technik gab – und zwar die, die der Trainer für richtig hielt bzw. selbst spielte (man konnte bei vielen Schülern »sehen«, bei
wem sie Tennis gelernt hatten!) –, so wird heute erfreulicherweise der Individualität größerer Spielraum gelassen. Wir sind in Deutschland zwar noch nicht so weit, zu sagen »erlaubt ist, was Erfolg hat«, wie es uns viele andere Nationen vormachen, aber wir sind inzwischen bereit, unsere Lehrpläne so anzupassen, dass internatio- nal erfolgreiche Athleten, von denen einige einen sehr individuellen Stil spielen, als Vorbild zugelassen werden. Auch wenn ein Schüler nicht dem Idealbild seines Trainers entspricht, sollte dieser den Schwerpunkt auf »Dazulernen« und nicht auf »Umlernen« legen. Auch sollte der Trainer der Versuchung widerstehen, etwas nur deshalb zu korrigieren, weil »es ihm auffällt«, sondern er sollte hinterfra- gen, ob es dem Schüler wirklich nutzt, an dieser Stelle Veränderungen anzustreben. Manch einer macht mit seiner etwas eigenwilligen Rückhand mehr Punkte als mit einer mühsam umgelernten und niemals richtig beherrschten »schulmäßi- gen« Variante.
Es braucht viel …
… um ein guter Tennisspieler zu werden. Um noch einmal auf das Schwierige in unserer Sportart zurückzukommen: Im Tennis gibt es mehr sogenannte »leis- tungslimitierende Faktoren« als in den meisten anderen Sportarten. Anders ausgedrückt, man braucht viel von allem, um gut spielen zu können: Ballgefühl,
Technik, Koordination, Schnelligkeit, Ausdauer, Beweglichkeit, taktisches Verständnis und mentale Stärke. Für einen ambitionierten Spieler oder gar einen Profi ist keiner dieser Faktoren vollständig kompensierbar, d. h. all diese Fähigkeiten müssen geschult werden, um Topspieler zu sein oder es werden zu
13
Über das Tennis
können. In gewissem Maße müssen sie sogar bereits ohne Training vorhanden sein (etwa Ballgefühl oder mentale Stärke). In der Einzelbetreuung geht man dabei speziell auf die Bedürfnisse, Defi- zite und Stärken seines Schülers ein. Im Gruppentraining, was im Alltag die Regel ist, muss man hingegen Übungen aus- wählen, in denen sich jeder Schüler ein wenig wiederfinden und verbessern kann. Auch haben die meisten Clubtrainer keine Zeit, mit ihren Schülern wichtige tennis- spezifische Konditionseigenschaften außerhalb des Platzes zu trainieren (etwa
Sprintübungen, Beweglichkeitstraining und dergleichen), sondern sind froh, wenn sie ihre Gruppen ein- oder zweimal pro Woche auf dem Platz sehen und wollen dann vor allem eins: Tennis spielen. Aber so wie in jeder Tennisübung ein techni- scher oder taktischer Anteil steckt, so kann man Übungen auf dem Platz auch zur Verbesserung der tennisspezifischen Schnelligkeit, Ausdauer oder Beweglich- keit nutzen.
In diesem Buch werden Sie für jede Anforderung die richtige Übung finden.
Psychologie
»If you can meet with Triumph and Desaster and treat those two impostors just the same« ist über dem Eingang zum Centre Court in Wimbledon, dem Mekka des Tennissports, eingraviert. Es sind zwei Zeilen aus einem Gedicht von Rudyard Kipling, dem Autor des »Dschungel- buchs«. »Wenn du mit Sieg und Nieder- lage umgehen kannst und diese beiden Blender gleich behandeln kannst« – sie nämlich gleichmütig akzeptierst –, dann kannst du Tennis spielen, ist man geneigt zu ergänzen. Das Gedicht, in dem es nicht um Tennis geht, endet etwas patheti- scher: »… Yours is the Earth and every- thing that’s in it, and – which is more – you’ll be a Man, my son«.
Es dürfte jedem aktiven Spieler klar sein, dass es wichtig ist, in schwierigen Situationen die Ruhe zu bewahren und sich auf das Wesentliche zu konzentrie- ren, aber wie man das macht und vor allem wie man es üben kann, wissen die wenig- sten. Mentale Stärke und Fokussierung (»Konzentration«) sind in jeder Sportart wichtig und werden umso entscheiden-
der, je höher das Niveau der Sportler ist. Im Tennis sind es zwei Faktoren, die die mentale Verfassung noch spielentschei- dender als in anderen Sportarten machen. Da ist zunächst einmal die ungewöhnliche Zählweise. Man kann Punkt um Punkt machen, man kann sogar mehr Punkte als der Gegner erzielen – und trotzdem verlieren! Umgekehrt kann man fast hoffnungslos zurückliegen und hat trotz- dem nicht verloren, bevor der allerletzte Punkt gespielt ist. Entscheidend ist nämlich, die Punkte zum richtigen Zeit- punkt zu gewinnen – sonst waren sie umsonst. Jeder kennt das Spiel, das zehn Mal in den Einstand geht und bei dem man genauso viele und vielleicht sogar spekta- kulärere Punkte als der Gegner erzielt hat. Aber dann kamen die zwei glücklichen Linienbälle des anderen und das Spiel war weg. Alle Punkte, alle Bemühungen waren umsonst. Sie zählen nichts! Scheinbar klare Führungen (5:0, 5:1, 5:2) im Satz bringen nur dann etwas, wenn man die noch nötigen vier Punkte für das letzte Spiel früher macht als der Gegner. Oft
Über das Tennis
14
kommt bei einem Spielstand wie 5:2 und 30:30 der Kommentar »nur noch zwei Punkte«. Das ist richtig, aber diese zwei Punkte muss man trotz der hohen Füh- rung erzielen noch bevor der Gegner es tut, sonst verfallen sie und man fängt im nächsten Spiel wieder von vorne an.
Der zweite Faktor ist die Zeitdauer eines Tennisspiels. Über manchmal viele Stunden muss man Punktverluste ver- dauen und darf erfolgreiche Spielzüge
nicht zu lange feiern (»Triumph and Desaster …«). Es sind die Pausen im Ten- nis, die genauso entscheidend sind wie die Spielzüge. Zwei Drittel oder mehr eines jeden Spiels bestehen aus Pausen zwischen Ballwechseln und Pausen beim Seitenwechsel. Wer diese Zeit nutzt, um sich körperlich und mental optimal zu erholen, wer nach jeder Pause in der Lage ist, sich voll auf die nächste Aufgabe, sprich den nächsten Punkt, zu konzentrie- ren, der wird erfolgreich sein. Wer dage- gen seine Zeit damit verschwendet, sich aufzuregen, über Vergangenes nachzu- denken und sich selbst herunterzuziehen, der wird niemals seine beste Leistung auf den Platz bringen können.
Alle diese Dinge kann man trainieren. Jeder Mensch ist anders, jeder hat seinen eigenen Charakter und geht mit Schwie- rigkeiten anders um. Aber es gibt Grundre- geln und Verhaltensweisen, die es für jeden Spieler einfacher machen, sich in einem langen Match immer wieder zu motivieren und auf das Wesentliche zu konzentrieren. Diese Verhaltensweisen (»Rituale«) kann man nicht nur bei den Spitzenspielern abschauen, sondern auch selbst üben – und zwar im Training!
Linkshänder
Sie sind nicht nur der Schrecken der Spieler, sondern auch der Trainer. So wie der Spieler seinen Matchplan anpassen muss, sobald er auf einen Linkshänder trifft, muss auch der Trainer bei vielen Übungen »umdenken«, wenn ein Links- händer dabei ist. Ihn einfach mit der »falschen Seite« eine Übung mit Rechts- händern durchspielen zu lassen, mag noch angehen, wenn in der nächsten Runde die Übung spiegelverkehrt gespielt wird und
die Rechtshänder dann »anders herum« spielen müssen. Beispiel: Man trainiert einen Durchgang Vorhandpassierball aus dem Lauf und lässt den Linkshänder mit der Rückhand passieren. Anschließend ist Rückhandpassierball an der Reihe und der Linkshänder kann seine Vorhand einset- zen. Schwieriger wird es, wenn Spielfor- men Bestandteil der Übung sind, die es für jeden nur »auf seiner Seite gibt«, zum Beispiel den Einsatz der Vorhand aus der
Es ist noch nicht vorbei …
15
Über das Tennis
Rückhandecke. Dann muss der Trainer den Linkshänder von seiner Seite spielen lassen und das Zuspiel entsprechend verändern. Gleichzeitig müssen die rechtshändigen Mitspieler, wenn der Linkshänder zum Gegner wird, sofort reagieren und neu planen, was eine für die Praxis sehr gute Erfahrung ist. Oder – anderes Beispiel – wenn ein Ballwechsel aus einem Rückhand-Cross-Duell aufge- baut werden soll, dann ist es eben in dem Moment, wenn der Linkshänder an der Reihe ist, ein Rückhand-Longline-Duell, mit dem begonnen wird. Und nicht nur der Trainer muss mitdenken, sondern auch die Spieler. Schwierig oder lustig wird es, wenn zwei Linkshänder in der Gruppe sind, denn dann müssen diese sich auch verändernden Bedingungen anpassen – und für Linkshänder sind Linkshänder ebenso unbequeme Gegner wie für Rechtshänder!
Es gibt nur etwa 10–15 Prozent Links- händer unter den Menschen, aber im Tennis spielten sie schon immer eine besondere Rolle. Es gab Zeiten, da unter den besten sechs Spielern der Welt drei Linkshänder waren. Der Grund dafür ist, dass jeder Spieler gewisse Strukturen in
seinem Spiel anlegt, die auf die Mehrzahl seiner Gegner zugeschnitten ist, z. B. Vorhandangriffsball longline auf die Rückhand des Gegners oder Vorhand aus der eigenen Rückhandseite von innen nach außen (»Inside Out«) spielen, eben- falls auf die Rückhand des Gegners. Bei einem Linkshänder ist dort jedoch die starke Vorhandseite und der Spieler muss diese tausendfach geübten Schläge plötzlich auf die andere Seite spielen, was er oft deutlich weniger sicher beherrscht. Umgekehrt kann der Linkshänder mit seinen Schlägen, nämlich Vorhand cross auf die Rückhand des Rechtshänders oder dem Slice-Aufschlag von der Vor- teilsseite ebenfalls auf die Rückhand sehr viel mehr Probleme bereiten als ein rechtshändiger Gegner, weil man diese Schläge nicht gewohnt ist. Der Rechts- händer könnte es dem »Lefty« natürlich mit gleicher Münze heimzahlen (auch seine Vorhand cross und sein Slice-Auf- schlag gehen beim Gegner auf die Rück- hand), aber er hat es einfach nicht so gut drauf wie der Linkshänder. Er trainiert die Schläge einfach seltener, weil sie gegen rechtshändige Gegner deutlich weniger effektiv sind.
Damentennis – Herrentennis
Die bösen Zungen, die behaupten, Damentennis sei eine eigenständige Sportart, liegen falsch. Natürlich gibt es im athletischen und mentalen (psycholo- gischen) Bereich klare Unterschiede. Aber nie war Damentennis im Spitzenbereich dem Herrentennis ähnlicher als heute. Damen wie Herren kämpfen mit genau den gleichen Mitteln gegeneinander: aggressive Aufschläge gefolgt von knall- harten Grundschlägen gepaart mit einer
unglaublich guten Beinarbeit. Die Top- spieler beider Geschlechter sind athletisch hervorragend ausgebildet, allerdings spielen die Damen mit ein wenig anderen körperlichen Voraussetzungen. Sie sind im Durchschnitt etwas kleiner als die Männer und haben damit eine etwas geringere Reichweite vor allem am Netz, also bei Volleys und Überkopfbällen, und sie haben normalerweise auch in besttrai- niertem Zustand etwas weniger Muskel-
Über das Tennis
16
masse, so dass sie unter Umstän- den einen Tick langsamer sind und definitiv langsamer schlagen als die Topherren. Das macht sich besonders beim Aufschlag bemerk- bar, was die taktischen Überlegun- gen für die Spieleröffnung (s. Kap. 4 »Eröffnungsschläge« und Kap. 5 »Taktik der Eröffnungsschläge«) beeinflusst und zur Folge hat, dass Breaks im Damentennis normaler und weniger spielentscheidend sind als im Herrentennis. Die einzi- gen beiden Schläge im Tennis, bei denen zwischen Damen und Herren kein Unterschied besteht, sind die Gefühls- schläge Stop und Lob, die eben nicht mit Kraft und Tempo gespielt werden. Und einer davon, nämlich der Lob, ist der Schlag, der für den größten ersichtlichen Unterschied zwischen Damen- und Her- rentennis verantwortlich ist: Damen gehen noch weniger ans Netz als Herren, einfach deshalb weil sie den perfekten Lob der Gegnerin fürchten müssen. Sind die Herren schon extrem vorsichtig mit ihren Angriffen geworden (es gibt seit einigen Jahren keine Serve-and-Volley- Spieler mehr!), weil sie mit den unglaub- lichsten Passierbällen rechnen müssen, die viele Spieler von jeder Position des Platzes aus abfeuern, müssen die Damen zusätzlich den Lob fürchten. Ist ein 1,90- m-Mann mit explosiven Beinen noch in der Lage, die meisten hohen Bälle zu erwischen, ist das für eine Frau von 1,75 m mit geringerer Sprungkraft schon ungleich schwerer. Und der Lob ist – wie gesagt – von gleicher Qualität und nicht etwa leichter zu erwischen weil er von einer Frau geschlagen wurde.
Dieser Komponente müssen die Damen in ihrer Spielanlage Rechnung tragen, was, zusammen mit der geringeren direk-
ten Punktausbeute durch Aufschläge (s. oben) dazu führt, dass mehr Punkte durch reines Grundlinienspiel entschieden werden. Wer allerdings sieht, wie Topspie- lerinnen sich zusammen mit ihren männ- lichen Partnern im Mixed-Doppel schla- gen, wird nie mehr behaupten, dass Frauen am Netz nichts zu suchen haben!
Alle Übungen in diesem Buch taugen für beide Geschlechter gleich. Obwohl es die oben erwähnten Unterschiede natür- lich auch auf Clubebene gibt, werden Sie hier keine »Damen- oder Herrenübun- gen« finden! Ein guter Trainer wird aber beim Training der Spieleröffnung (Auf- schlag und Return) den unterschiedlichen körperlichen Voraussetzungen Rechnung tragen (die im Übrigen auch für Jugend- spieler gelten) und speziell bei einigen der Doppelübungen berücksichtigen, dass der Lob für die Damen einen besonders gefährlichen Ball darstellt und mit ihnen daran arbeiten, wie man ihn entschärfen oder ihm begegnen kann. Gerade weil viele Clubspielerinnen aus besagtem Grund das Netzspiel meiden, wo es geht und deshalb darin kaum Erfahrung haben, bietet es sich an, mit ihnen verstärkt Volley und Stellungsspiel am Netz zu trainieren.
17
Zuspiel
Abgesehen von Planung, Organisation, Durchführung und Erfolgskontrolle der Übungen ist die wichtigste Aufgabe des Trainers das Zuspiel. Er holt einen Ball aus dem gutgefüllten Korb und bringt ihn so ins Spiel, dass der Schüler die gestellte Aufgabe angehen kann. Wichtig sind nicht nur Tempo und Rhythmus, sondern auch Position des Trainers und Winkel des Anspiels. Diese Tätigkeit wird von Laien, leider auch von verantwortlichen Perso- nen, völlig unterschätzt. Der Profi erkennt nach wenigen zugespielten Bällen sofort, ob es sich um einen geschulten Trainer oder um einen Hobbyspieler oder uner- fahrenen Übungsleiter handelt. Mit dem richtigen Zuspiel kann man erreichen, dass Anfänger Erfolg haben (Bälle tref- fen) oder fortgeschrittene Spieler das tun, was man von ihnen fordert (in die Knie gehen, mehr Topspin spielen oder ähnliches). Man kann Spielformen beein- flussen, indem man den unterlegenen Spielern den Ball anders anspielt als den besseren, ohne dass diese das bemerken. Man kann Rhythmus und Schnelligkeit einer Übung bestimmen und sogar die Psychologie beeinflussen. Man kann den beteiligten Spielern Selbstvertrauen
einflößen oder Fehler aufzeigen. Ganz besondere Anforderungen stellt das Zuspiel, wenn der Trainer selbst involviert ist, indem er Volley zuspielt oder den Ballwechsel mit dem Schüler eröffnet. Der Trainer muss schlecht platzierte oder zu schnell gespielte Bälle so ausgleichen, dass der Rhythmus der Übung aufrecht- erhalten werden kann. Das setzt eine sehr hohe eigene Spielfertigkeit voraus.
Eine ganz spezielle Aufgabe ist das Zuspiel auf zwei Plätzen gleichzeitig, dass beim Mannschaftstraining vonnöten sein kann. Das richtige Timing und die Beob- achtung von zwei Spielgeschehen parallel verlangen größte Erfahrung. Ein gutes und planvolles Zuspiel ist also mitbestim- mend für den Erfolg einer jeden Übung, während umgekehrt schlechtes Zuspiel selbst gute Spieler völlig aus dem Schlag bringen kann. Der Schüler wird allerdings in den seltensten Fällen die Schuld beim Trainer, sondern bei sich selbst suchen.
Das Zuspiel ist eine hohe Kunst und nicht umsonst ein ganz wichtigster Punkt bei der Erlangung der höchsten Trainerli- zenzen. Daher ist nicht jeder, der etwas besser Tennis spielen kann als andere, auch automatisch ein geeigneter Trainer.
Über das Tennistraining
Organisation
Begriffe
Bei jeder Übung steht am Anfang die Erklärung. Idealerweise erklärt der Trainer auch die Absicht, die hinter der Übung
steckt, um seine Schüler mitzunehmen und bei ihnen das Verständnis für bestimmte Spielzüge zu schulen. Dabei fallen immer wieder die gleichen Ausdrü- cke, um das Spielfeld aufzuteilen und die
Über das Tennistraining
18
Regeln oder Zählweise der Übung zu erklären. Hier kurz die wichtigsten Begriffe, die auch in den Übungsbeschrei- bung immer wieder benutzt werden:
Halbes Doppel/Einzelfeld: Immer wieder wird das Feld der Länge nach geteilt, um Longline und Cross zu trennen. Es entstehen zwei schmale Felder über die ganze Länge, entweder mit »Korridor« (halbes Doppelfeld) oder ohne (halbes Einzelfeld). Korridor: Streifen von 1,37 m Breite, der das Einzel- zum Doppelfeld macht. T-Feld: beide Aufschlagfelder einer Seite, in der Mitte praktischerweise durch eine Linie getrennt (halbes T-Feld). Niemandsland: Die Zone zwischen Grund- und T-Linie, heißt so, weil man sich als guter Tennisspieler darin niemals zu lange aufhalten sollte! »Sudden Death«: »plötzlicher Tod«, eine Zählweise, bei der bei Gleichstand mit dem nächsten Punkt die Entschei- dung fällt, etwas, was es normaler- weise im Tennis nicht gibt. Einstandsseite, Vorteilsseite: auch »Deuce Court« und »Ad Court« genannt, die Einstandsseite ist die rechte Grundlinienhälfte, die Vorteils- seite die linke. »Elfer«: hier die Bezeichnung für jede Art von Übung, bei der Grundlinien- duelle ausgetragen werden. Der Ball wird aus der Hand angeschlagen (kein Aufschlag). Es wird wie im Tie Break gezählt und es muss nicht notwendi- gerweise bis elf gespielt werden. »Volley länger als T«: In vielen (Dop- pel-)Übungen, die mit einem Volley auf Trainerzuspiel eröffnet werden, ist diese Regel Standard. Es würde kein Ballwechsel entstehen, wenn der erste Volley bereits frei spielbar wäre. Der
Netzspieler müsste ihn nur »abtrop- fen« lassen und hätte direkt den Punkt gewonnen.
»Faires« Anspiel: Für viele der vorge- stellten Trainingsformen braucht man nicht notwendigerweise ein Traineran- spiel, die Schüler können den Ball auch selbst ins Spiel bringen. Bei Übungen ohne Aufschlag und Return sollte gelten, den ersten Ball »fair« ins Spiel zu bringen. Als gute Regel hat sich bewährt: »Fair« ist ein Ball dann, wenn der Gegner versucht, ihn zurückzu- schlagen (wenn er ihn »unfair« findet, lässt er ihn durch).
Es macht auch Sinn, Übungen, die häufig gespielt werden, besondere Namen zu geben. Wir haben das zwar in diesem Buch teilweise getan, aber nicht immer. So heißt die Übung »Jeder gegen Jeden« (siehe Seite 39) bei uns eigentlich »Mexiko«, ohne dass jemand wüsste, warum. Aber wenn das Wort »Mexiko« fällt, weiß jeder sofort, was gemeint ist. Ein anderes Beispiel ist die beliebteste Übung überhaupt: »California« (siehe Seite 152 bzw. 343).
Sicherheit
Ein ganz wichtiger Faktor ist die Sicher- heit. Auch wenn es den Spielfluss der Übung stört – Bälle im Spielfeld oder im Auslauf müssen entfernt werden. Nichts ist gefährlicher als ein im Eifer des Gefechtes übersehener Ball, auf den man treten und umknicken könnte. Des Weite- ren muss im Gruppentraining die Regel gelten, dass Bälle, die aus dem Spiel sind, nicht wieder zurückgeschlagen werden. Es ist nicht nur ärgerlich, sondern kann auch richtig wehtun, wenn ein Spieler, der
19
Über das Tennistraining
sich nach beendetem Ballwechsel gerade weggedreht hat oder ein Unbeteiligter, der auf seinen Einsatz wartet, von einem Ball getroffen wird, den ein anderer nur so zum Spaß oder aus Ärger zurückgeschla- gen hat.
Teilnehmerzahl
Gruppentraining beginnt mit zwei und sollte bei acht Übenden enden. Zwei Plätze kann ein erfahrener Trainer leicht kontrollieren und organisieren, drei Plätze und über acht Schüler ist eine schwierige Aufgabe und sollte selbst für Top-Organi- satoren die Ausnahme sein. Ideal sind die geraden Teilnehmerzahlen von zwei bis acht, da die Übungsformen dann paar-
weise gespielt werden können. Bei fast allen angebotenen Übungen wird von einer Teilnehmerzahl von vier Spielern ausgegangen. Aber man kann natürlich jede Übung modifizieren und an eine andere Teilnehmerzahl anpassen. Unter Umständen ändern sich dann die Zählwei- sen und die Wartezeiten für die einzelnen Spieler. Jeder Trainer muss selbst ent- scheiden, ob das Sinn macht. In Kapitel elf (»Mannschaftstraining«) werden bewusst zahlreiche Übungen für die problematischen Gruppengrößen von fünf und sieben Spielern angeboten, die in der Praxis leider häufiger vorkommen als man es sich wünscht. Und mit etwas Kreativität kann man praktisch jede »Zweier«- oder »Vierer«-Übung auch zu dritt durchführen.
Der Ball (Die Bälle) muss (müssen) raus!
Über das Tennistraining
20
Stundenaufbau
Aufwärmen: Idealerweise machen sich die Schüler schon vor Beginn der Stunde durch kleine Lauf- und Dehnübungen warm. Da das aber mehr Wunsch als Realität ist, beginnt eine Trainerstunde mit einem etwa zehnminütigen tennis- spezifischen Aufwärmteil, in dem sich viel bewegt werden sollte (Trainerkontrolle!) und in dem der geplante Trainingsinhalt schon Thema ist. Wenn zum Beispiel eine Stunde mit Angriffstraining und viel Netzaktivität geplant ist, macht es Sinn, beim aufwärmenden Einspielen viele Volleys schlagen zu lassen.
Vorbereitender Hauptteil: Als nächstes sollte man die Hauptübung vorbereiten, d. h. man erklärt den Schülern, was man beabsichtigt und warum. Sollte etwas Neues auf dem Programm stehen, macht es Sinn, zunächst eine vorbereitende Schlagübung durchzuführen, in der die Elemente – oder ein besonders wichtiges Element – der geplanten Trainingsform geübt werden (Beispiel: Für die geplante Angriffsübung wird zuerst einmal eine Serie Schläge aus dem Halbfeld auf Zuspiel trainiert). Dieses (Technik-) Erwerbs- oder Ergänzungstraining dauert 15 bis 20 Minuten und bereitet die viel komplexere Übungsform der letztend- lichen (Technik-)Anwendung vor. Man spielt dabei keine Punkte aus, sollte aber im Sinne einer Erfolgskontrolle auf jeden Fall zählen, z. B. Treffer auf Ziele. Schon hier kann die Gruppe einen kleinen Wett- kampf austragen.
Praxisorientierter Hauptteil: Im Hauptteil wird dann das Besprochene und Trainierte umgesetzt in Form einer matchrelevanten Übung, die eine typische Spielsituation
exemplarisch nachstellt, in unserem Beispiel der Angriff und das Aufrücken ans Netz nach einem kurzen Ball des Gegners. Hier werden dann untereinander kurze Wettkämpfe ausgetragen, für die der Trainer vielleicht etwas aussetzt (Sieger muss keinen Platz abziehen oder ähnliches). Dieser Hauptteil dauert je nach Teilnehmerzahl und Verlauf der Übung 20–30 Minuten.
Ausklang: Wenn danach noch Zeit bleibt, können die Spieler noch ein kurzes »freies« Spiel austragen (Tiebreak, »Elfer« etc.), in dem der geübte Spielzug dann noch einmal im freien Spiel einge- setzt werden kann.
60 Minuten sind sehr kurz, wenn noch die Zeit für das Einsammeln und Platzabzie- hen abgehen bleiben oft gerade einmal 50 Minuten übrig. Ideal wäre eine 80- minütige Trainingseinheit, in der man noch eine weitere Anwendungsübung im Hauptteil (der dann 40–50 Minuten dauert) unterbringen kann. Diese Trai- ningsdauer hat sich nach meiner Erfah- rung als bester Kompromiss bewährt: Sie ist nicht zu schnell vorbei, man kann sich etwas ruhiger und intensiver aufwärmen und einschlagen und sie ist nicht so lang, dass die Schüler die Aufmerksamkeit verlieren oder müde werden. Wer es sich also erlauben kann, bringt in vier Stunden drei Einheiten à 80 Minuten unter.
Jahrestrainingsplanung
Die obige Modellstunde ist natürlich in ihrem Aufbau variabel und die Trainingsin- halte hängen außer von den persönlichen Bedürfnissen der Schüler auch von der Jahreszeit ab. Im normalen Clubtraining
21
Über das Tennistraining
mit Mannschafts- und Turnierspielern im (ambitionierten) Hobbybereich wird die Jahresplanung in etwa so aussehen:
OktoberDezember: Die ersten drei Monate einer neuen Saison sind die ideale Zeit, um an technischen und konditionel- len Grundlagen (außerhalb des Platzes) zu arbeiten. Die Trainingsinhalte auf dem Platz sind weniger spielerisch und eher auf Wiederholung und Konstanz ausgelegt.
JanuarFebruar: weitere Arbeit an kondi- tionellen Details, aber mehr sportartbezo- gen (auf dem Platz), im Tennistraining mehr spielerische und taktische Details (intensiv: Eröffnungsschläge)
MärzApril: praxisorientiertes Training, Matchtraining
MaiAugust: Turnierzeit, Matchtraining, Arbeit an kleineren technischen Details und am Selbstvertrauen
September: Pause – ein paar Tage Abstand vom Tennis pro Jahr sind wichtig, und dieser Monat bietet sich dazu an. Wer in dieser Zeit noch ein paar Spätsommer- turniere spielen will, sollte anschließend seine Pause einplanen.
Ausrüstung
Die Ausrüstung für Spielübungen auf dem Platz reduziert sich auf wenige unverzichtbare Gegenstände: Markie- rungslinien (auf Sand überflüssig) aus rutschfestem Gummi oder Kreppband (Hartplätze), Bälle mit verschiedenem Druck und Farben (dem Alter der Schüler angepasst), Markierungshütchen, Netz- schnur zur Variation der Netzhöhe, Kin- der- bzw. Kleinfeldnetz, vernünftige Ballkörbe. Weitere Ausrüstungsgegen- stände sind Dinge wie Koordinationsleiter, Sprungseil, Stepper etc., die neben dem
Platz zum Einsatz kommen. Ich bin der Meinung, dass es in einer Übung mit anstrengenden Ballwechseln nicht viel Sinn macht, den Spieler nebenher noch durch eine Koordinationsleiter turnen zu lassen, aber für simple Schlagübungen und in Trainingsformen im Sinne von »Cardio-Tennis« mag es nützlich sein.
Zählformen
Wichtigste Regel aller Übungen ist – ganz im Sinne von »Play and Stay«: Es muss gezählt werden. Selbst bei einfachsten Rhythmus-Übungen, bei denen nur der Ball hin und her geschlagen wird, ohne den Punkt auszuspielen, sollte man Ballwechsel oder Treffer auf bestimmte Zonen oder Ziele zählen. Das steigert die Aufmerksamkeit und Konzentration der Spieler immens, und es ist ein Riesen- unterschied, ob es einem egal ist, wo der Ball landet oder ob die Rückmeldung lautet: »Treffer, Ball ging da hin, wo er hin sollte!«.
Mit verschiedenen kreativen Zählfor- men bei matchähnlichen Übungen kann man ganz unterschiedliche Trainingsziele erreichen:
Konzentration für die entscheidenden Punkte fördern,
Vermeidung einfacher Fehler,
lernen mit Druck umzugehen,
jemanden ermutigen, einen bestimm- ten Schlag öfter zu spielen,
vorausdenkend spielen und planen lernen,
aggressives oder gutes taktisches Verhalten schulen, indem man es mit Punkten belohnt.
Weniger versierte Spieler oder Kinder sollten immer zumindest auf Ziele spielen und die Treffer zählen. Es gibt nichts
Über das Tennistraining
22
Schlimmeres als einen Trainer, der seine Schüler ohne Rückmeldung und Erfolgs- kontrolle einen Ball nach dem anderen schlagen lässt.
Typische Zählformen für Übungen zu zweit oder zu viert sind – aufgrund der begrenzten Zeit – kurze Sätze bis fünf, sieben, neun oder elf. Je kürzer das Spiel, umso offener das Ergebnis. Der Faktor »Glück« oder »Zufall« wird entscheiden- der. Man kann also mit kurzen »Matches« bis fünf (oder auch nur bis drei) ganz gut Leistungsunterschiede innerhalb einer Gruppe ausgleichen, damit nicht immer dieselben gewinnen. Mit dem entspre- chenden Zuspiel kann man auch etwas nachhelfen, das sollte man den besseren Spielern aber vielleicht zuvor unter vier Augen erklären. Man sollte »entscheiden- den Punkt« spielen, nicht »zwei vor« (wenn es bis sieben geht, entscheidet bei 6:6 der nächste Punkt), um die Zeit besser kalkulieren zu können. Wenn man Auf- schlagspiele durchführt, bietet sich die »Sudden-Death«-Regel an, d. h. bei 40:40 (oder schon bei 30:30, je nach Zeit) ent- scheidet der nächste Punkt. Bei starken Aufschlägern darf dann der Returnspieler sich die Seite für den Entscheidungs- punkt aussuchen (Vorteil- oder Einstandsseite).
Manchmal wird nicht paarweise gespielt, sondern in der Form zwei (oder drei) gegen einen. Beispielsweise spielen zwei Aufschläger abwechselnd gegen einen Returnspieler ihre Punkte aus und jeder zählt sein eigenes Match. Wenn beide Matches zu Ende sind, wird gewech- selt und der nächste ist Returnspieler. Nach drei Runden hat jeder einmal retur- niert und die Punkte werden zusammen- gezählt, um den Sieger zu ermitteln.
Anreize kann man durch »Doppel- punkte« setzen: Für bestimmte Schläge
(oder taktische Spielzüge) gibt es im Erfolgsfall zwei (oder gar drei) Punkte. Besondere Zählformen sind »Poker«- Spiele oder »Handicap«-Matches.
In manchen Übungen wird um soge- nannte »Big Points« gekämpft, das sind kleine Spiele bis zwei (2:0 oder 2:1) oder drei (3:0, 3:1 oder 3:2). Oft gibt es dann eine »Big-Point«-Seite, d. h. eine Platz- hälfte, auf der man »Big Points« gewin- nen kann und auf die man sich zunächst hinüberkämpfen muss. Da jedoch einer der Spieler auf dieser Seite anfangen darf und er dadurch vielleicht einen Vorteil hat, wollen ehrgeizige Spieler das gerne ausspielen und dazu hat sich – weil es schnell geht – das sogenannte »Golfen« bewährt. Alle Spieler »golfen« mit ihrem Tennisschläger einen Ball so nahe wie möglich an ein Ziel (Linie). Der beste Golfer darf auf die »Big-Point«- Seite.
Eine andere Möglichkeit ist ein Karten- spiel, das der Trainer immer dabei hat und aus dem er die Spieler ihre Positionen ziehen lässt. Das ist besonders bei großen Gruppen (Mannschaftstraining) auf zwei Plätzen sinnvoll.
Wer mehr Zeit hat, kann sich auch aufwändigere Entscheidungen ausden- ken, um die Positionen zu bestimmen. Bei einer Übung mit Aufschlägen kann man die Spieler beispielsweise nach dem Aufwärmen nacheinander aufschlagen lassen. Wer einen Fehler macht, ist raus. Einer bleibt zum Schluss übrig, der darf auf die »gute« Seite. Auch ein Rundlauf im T- Feld ist möglich, kostet aber mehr Zeit.
Entscheidend ist der spielerische Gedanke. Auch wenn der eine oder andere so tut, als ob es »egal« sei – es ist von Vorteil, nach klaren, für alle gleichen und fairen Vorgaben aufzustellen und die Übung zu beginnen.