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IMPRESSUM

Vollständige e-Book-Ausgabe der im Stiebner Verlag erschienenen Printausgabe (ISBN 978-3-8307-1434-7).

Idee, Konzeption Und Text

Thorsten Greinus

Gestaltung, Layout und Satz (Printausgabe)

Thorsten Greinus und Susanne Klaar, Klaar Design, Hamburg

www.klaar-design.com

Fotografie und Illustration

Thorsten Greinus und Susanne Klaar

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbiblio-thek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

1. Auflage 2015

© 2015 Stiebner Verlag GmbH, München

© 2015 für alle Fotos, Grafiken und Illustrationen bei Thorsten Greinus und Susanne Klaar, Klaar Design sowie für Markenzeichen und Sujets bei den Unternehmen und Agenturen

Alle Rechte vorbehalten. Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlags.

Gesamtherstellung: Stiebner, München

www.stiebner.com

ISBN: 978-3-8307-3010-1

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»Wenn wir alles täten, wozu wir imstande sind,

würden wir uns wahrlich in Erstaunen versetzen.«

Thomas Alva Edison, Erfinder

Auch wenn in diesem Buch von Designern, Rezipienten oder Usern die Rede ist, so bezieht

die jeweilige Passage stets alle Geschlechter ein.

MERCI

Am Anfang hat man unzählige Ideen, umfangreiches Material und sehr viel guten Input. Allerdings hat nicht alles Verwendung für diese Arbeit gefunden. Dennoch möchte ich mich bei all den Input-gebern und Gesprächspartnern im Rahmen der vielen Interviews bedanken. Mein Dank gilt zudem den Brands und Institutionen, an denen ich meine Theorien und Methoden in Sachen Brand Identity und Brand Design ungestraft ausprobieren durfte. Dankbar bin ich auch dem Stiebner Verlag, der dieses Projekt erst möglich machte. Und ich bedanke mich bei Susanne, meiner Frau, Kritikerin und Mitgestalterin.

1

Markenbilder Kein Vorwort, eher ein Vorbild

Seite 10

2

Motivation

Es gibt genug Ideen, die noch niemand hatte

Seite 20

3

Mobiles Markenmanagement

Markenerfolg liegt auf der Hand

Seite 38

4

Merkmale

Die Brand-Anatomie

Seite 66

5

Merkbarkeit

Guinness verkauft kein Bier und Erco keine Leuchten

Seite 92

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INHALT

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6

Miniaturisierung

Die (Zeichen-)Sprache der Zukunft

Seite 120

7

Morphing

Brand-Topografie

Seite 144

8

Motion

Branding ist Emotion

Seite 174

9

Mehrwert

Was sonst noch interessant ist

Seite 184

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ES GIBT GENUG IDEEN,

DIE NOCH NIEMAND HATTE

Markeninszenierungen auf dem Smartphone sind ein wenig wie Pommes Schranke*. Zunächst lockt, vom Heißhunger getrieben, der schwere Duft von frittierten Kartoffelstreifen zum Imbissstand. Dann fesselt ein signalrotes Dressing die immer größer werden-den Augen. Anmutig umspielt die Tomatensoße das Goldgelb der angehäuften Kartoffelspäne. Das Farbenspiel wird von einer hel-len Masse gekrönt, die zugleich für den nötigen Weißraum sorgt und so das Rot des pürierten Nachtschattengewächses gebührend in Szene setzt. Gehalten wird das Szenario von einer unpräten-tiösen Pappschale, die uns Ergonomie vorgaukelt und sich der haltenden Hand anbiedernd anpasst. Wie kleine, vom Untergang bedrohte, Segelschiffchen recken sich vereinzelnd Kartoffelspitzen tapfer empor. Der Kenner bedient sich simpel seiner Finger, um die Pommesstücke aus dem würzigen Nass zu retten. Man kann nichts falsch machen. Unsere Erwartungshaltung wird nicht ent-täuscht. Das Beste aber ist, dass man das Ganze überall und »to go« genießen kann. Die Soßen kleistern nach dem Verzehr noch eine kleine Weile unsere Geschmacksnerven zu. Und schon kurz danach fordert der Appetit nach etwas Gehaltvollem sein Recht.

Fastfood sieht stets identisch aus. Wenig erstaunlich, ist es doch Massenkonfektion, genormt und ohne Abwechslung. Überraschen könnte diese Mahlzeit, wenn man Bekanntes und allzu Gleiches ver-ändert würde. Wie wäre es, wenn man etwas weglässt oder etwas hinzu gibt? Wenn Dinge neu kombiniert werden, damit sie etwas Einzigartiges hervorbringen? Wie wäre es also, wenn der Schnell-imbiss statt der Pommes Apfelstücke und statt Ketchup und »Majo« Schokoladensoße servieren würde? Oder wenn man einfach das abgestandene Frittierfett ersetzt? Ein nie gekanntes (Geschmacks-)Erlebniss würden unsere Gaumen erfreuen. Veränderungen gelten

*Pommes Schranke

ist der nicht geschützte Markenname für ein Gericht aus dem Schnellimbiss. Im Ruhrgebiet erlangte die Kartoffelmahlzeit eine hohe Bekanntheit. Charakteristisch sind

die Akzentfarben Rot und Weiß. Pommes Schranke wird daher auch Pommes rot-weiß genannt.

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als radikale Eingriffe in bestehende Rituale. Unverrückbar geglaub-te Dogmen geraten dadurch ins Wanken. Über eine Veränderung freut sich lediglich das Baby mit einer vollen Windel.

In einer digitalen Welt, in der Pixel so billig sind wie die erwähnte Pommes am Straßenrand, greifen wir stets auf das zurück, was schnell und günstig verfügbar ist. Wir wählen das, was uns als das schon immer Gekannte angepriesen wird. Wenn es nicht genügend Reiz ausübt, klicken wir es weg oder wischen es aus dem Sichtfeld des Smartphones. Individualität und Relevanz erhöhen die Halbwertzeit von Maßnahmen im Rahmen der digitalen Kom-munikation erheblich. Das gilt für Webseiten, Apps oder für die Präsenz in den Sozialen Netzwerken gleichermaßen. Erforderlich ist eine intensive Auseinandersetzung mit Design in digitalen Um-gebungen sowie mit den Differenzierungsfaktoren in Substanz und im Ausdruck. Das Akronym »ui« (User Interface) verlangt nach ei-ner neuen Definition. »Unique Identity« wäre die probate Überset-zung. Also ein unverwechselbarer (Marken-)Auftritt, getragen von einer individuellen Bildwelt und einer unmissverständlichen (Zei-chen-)Sprache, gepaart mit flexiblen Eigenschaften und einem Höchstmaß an Funktionalität. Ein anpassungsfähiges Design so-wie ein auf mobile Endgeräte zugeschnittenes Branding ist eine Investition in die Zukunft.

»Dont think whats the cheapest way to do it

or whats the fastest way to do it...

think whats the most amazing way to do it.«

sir richard branson, unternehmer

MARKEN AUF SAND GEBAUT

Die Digitalisierung beeinflusst unzählige Bereiche, wie auch das Marketing und die Markenkommunikation. Die Entscheidung für einen konsequenten Schritt in die digitale Kommunikation sorgt allein noch nicht für Emotionen. Pixel kann man nun einmal nicht anfassen, riechen oder schmecken. Pixel sind lediglich die Lego-Bausteine, die das Bild erzeugen, welches sich auf einem Display

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manifestiert. Hier sind der digitalen Markenkommunikation Gren-zen gesetzt. Es sind die visuellen Ausdrucksformen und Konzepte, die zu einer Interaktion animieren und zu einem Klick auffordern. Es ist die charaktervolle Typografie und das Informationsdesign, das Leserinnen und Leser durch die Inhalte geleitet. Und es sind die individuellen Botschaften, die unverwechselbaren Zeichen und die Bildwelten, die sich uns einprägen. Und doch unterwerfen sich die Kreativen sehr häufig dem Diktat der Technologien und greifen im Onlinesandkasten höchstens einmal nach einem runden statt nach einem eckigen Förmchen. So entsteht lediglich ein Meer aus gleich-förmig proportionierten Miniatursandburgen, ohne Raum für eine individuelle Markeninszenierung. »Responsive Webdesign*«, »Flat Design«, sowie »Material Design« (siehe Abb. rechts) sind die neuen Spielzeuge auf dem digitalen Abenteuerspielplatz. Uniformität ist ein Merkmal unserer Zeit. Technologien, Prozesse und Sehgewohn-heiten verändern sich so schnell, wie das ungeliebte Nachbarskind die gerade erst stolz errichtete Sandburg niedertrampelt. Angesichts der rasanten Veränderungen ist es nicht leicht ständig Schritt zu halten. Perspektivisch angelegte Strategien scheinen sich kaum zu lohnen. Was in der Community nicht ankommt wird kurzerhand aus dem Netz entfernt. Für Individualität und Beständigkeit bleibt ohnehin keine Zeit und die Marke bleibt auf der Strecke.

In immer kürzer werdenden Abständen soll Usern und Designern ein neuer Standard Vorteile bringen. Im Frühjahr 2015 kündigte Google an, im Ranking der Suchergebnisse die Web-seiten bevorzugt zu behandeln, die für die Darstellung auf mobilen Endgeräten geeignet sind. Nach Eingabe einer url wird auf der Google Developers Page angezeigt, ob die entsprechende Seite für Mobilgeräte geeignet ist:

www.google.de/webmasters/tools/mobile-friendly/

Auch der Webbrowser »Chrome« bietet u. a. unter dem Menüpunkt Anzeigen Entwickler Entwicklertools eine Option zur Simulation einer Website auf mobilen Endgeräten. Google hat sich im Zuge des Trends, hin zu einer intensiven Nutzung von Smart-phones und Tablets, eindeutig positioniert. Responsive Techniken

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*Responsive WebDesign

Eine Technologie, die das Design und die Inhalte einer Website auf das Größenverhältnis des jeweiligen Endgeräts (Smartphone oder Tablet) anpasst. Nicht zu verwechseln mit »Responsive Branding«.

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bieten größere Flexibilität in der Gestaltung einer Webseite und gewährleisten die Anpassungsfähigkeit an unterschiedlich große Displays und Monitore.

Bereits im Jahr 2014 hat Google das Material Design als visuellen Standard für Apps und Icons vorgestellt. Es handelt sich dabei um eine Optik, die vor allem durch eine kontrastreiche und lebendige Farbgebung sowie durch das graphische Spiel mit Licht und Schatten geprägt ist. Das Design ist auf wesentliche ikono-graphische Merkmale reduziert. Diese Stilistik ist allerdings nur als Empfehlung zu verstehen. Nun hat auch Google eine Duftmarke im Design gesetzt. Zuvor etablierte bereits Apple, mit der Einführung des Betriebssystems »ios 8« für mobile Endgeräte, das Flat Design als Standard für die Optik mit Symbolen. Diese Lösungen wurden entwickelt, um ein smartes, funktionales und visuell begreifbares Design zu schaffen, das in unterschiedlichen Umgebungen sehr gut funktioniert.

Angesichts der rasanten Entwicklungen erscheint die digitale Transformation wie eine groß angelegte Expedition, eine Entdeckungsreise nach großen und kleinen Ideen. Mit dem Busch-messer schlagen sich Marketingmitarbeiter, Werber, Programmie-rer, Entwickler und Designer ungestüm den Pfad frei im Dickicht der unzähligen Möglichkeiten. Noch sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Unzählige Pflänzchen überwuchern alte Pfade. Sie tragen Namen, die noch so jungfräulich sind, dass sie sich ihren Platz in unserem Wortschatz erst verdienen müssen. Neue Techno-logien, Tätigkeitsfelder und Berufsgruppen entstehen. Agenturen und Unternehmen suchen händeringend nach »Online Account Managern«, »Information Architects«, »Online Editors«, »Digital Strategists« sowie »Frontend Developern« mit einem reichhaltigen Erfahrungsschatz in den Tätigkeitsbereichen »php«, »sql«, »xml« und »User Centered Design« mit Schwerpunkt »Usability« auf mobilen Endgeräten. Sind Sie noch im Bilde? Keine Sorge, der Nebel wird sich sukzessive lichten. Die Synchronisation der Tech-nologie mit den Bedürfnissen der Nutzer im Alltag schreitet voran. In der Ferne kann man den Berg schon erkennen. Nur ein paar Tagesmärsche entfernt. Es ist die Anhöhe, die uns den notwendigen Überblick verschafft und darüber aufklärt, was sich tatsächlich hinter all den Entwicklungen verbirgt.

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Eine aufgeschnittene Kiwi (oben) und eine Papaya (unten) in einer Flat-Design-Darstellung. Oder handelt es sich um Material Design? Sei es drum, so groß sind die Unterschiede definitiv nicht.

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Lustinsel Gipfeltreffen Eines Tages wurden die Vertriebs-angestellten aller Computerhersteller dieser Erde zum Berg gerufen. Ihre exquisitesten Produkte sollten sie bei sich tragen. Smartphones, Tabletcomputer, Smartwatches. Also alles, was irgendwie »wear-able*« ist. Mit einem prall gefüllten Rucksack bepackt mühten sie sich über die steinigen Pfade den Berg hinauf. Am Gipfel angekom-men empfingen sie ihre Botschaft, um sie in die Welt zu tragen. So hallte ein Echo donnernd über die Gipfel hinweg. Niemand wusste woher es kam. Als das Echo verhallte schälte sich das verheißungs-volle Gebot heraus: »Verkaufen! Verkaufen! Verkaufen!«

DIE AUTARKIE DES BRANDING

Menschen verkaufen. Sich selbst, ihre Dienstleistungen, Ideen, Pro-dukte und manchmal sogar die eigene Großmutter, wenn es dem eigenen Vorteil dient. Bis auf die Großmutter ist daran auch nichts auszusetzen. Sofern das Produkt oder der Service den gewünschten Mehrwert und dem Ästheten auch etwas fürs Auge bietet. Sobald Apple ein neues Produkt auf den Markt bringt, erscheint der Vor-gänger schon wieder veraltet. Obschon es gerade mal ein Jahr alt ist. Nicht zuletzt der Faktor Design hat Apple zu einem derart einfluss-reichen und starken Brand gemacht. Die Produkte werben für sich selbst. Die meisten Menschen werden ein Produkt nicht wegen eines Logos, wegen des Namens, wegen eines Claims oder aufgrund der Werbung kaufen. Vielmehr schätzen Konsumenten die einfache Bedienung und das gute Design eines Produkts. Gert Hildebrand, ehemaliger Chefdesigner bei mini, bekräftigte einst im Rahmen

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*Wearables

Am weitesten verbrei-tet ist das »Wearable Computing« noch in den Bereichen Fitness und Sport. Der medizinische Bereich wird folgen. Geräte wie die Apple Watch mit entspre-chenden Apps für die Gesundheits sind u. a. darauf ausgerichtet.

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eines Vortrags, dass das Design zu 80 Prozent kaufentscheidend sei. Seiner Meinung nach müsste »Design« die wichtigste Abteilung im Unternehmen sein. Design ist ein Mehrwert, der die Marke stützt. Gäbe es den Faktor Design nicht, Kunden würden Produkte intensiver als bisher miteinander vergleichen und den Preis sowie den Service zum Entscheidungskriterium machen. Gutes Design untergräbt diese Hürde. Das macht es für die Hersteller aber auch schwierig. Denn es entsteht der Druck, sich ständig neu erfinden zu müssen und in immer kürzeren Zyklen Innovationen nachzulegen. Die Aufgabe des Designs ist es, eine Verbindung zu Kunden herzu-stellen, die durchaus zu einer Abhängigkeit führen kann. Wer ein-mal mini gefahren ist, und die Geschichte hinter dem Design mit den ausschließlich runden Formen kennt, kann das gut nachvoll-ziehen.

Auch Apple macht abhängig und steht schon lange nicht mehr nur für hochwertige Computer. Das Unternehmen ist in Bereiche vorgedrungen, die in vielerlei Hinsicht auf junge Ziel-gruppen zugeschnitten sind. Über iTunes erwirbt der Musiklieb-haber die angesagten Lieder der Hitlisten, Serienjunkies schauen die verpasste Folge der Lieblingssendung via Apple tv daheim oder unterwegs auf dem iPad. Warum? Weil es schlicht und er-greifend möglich ist. Warteschlangen vor den Apple Stores, schon Tage vor dem offiziellen Verkaufsstart eines neuen Produkts, bewei-sen dies. Die Marke war schon immer angesagt. Was in den 1990er Jahren mit dem Claim »Think Different« begann, fand seine Fort-setzung in einer intelligenten Produktoffensive. So wurde eine ge-schickte Verbindung zwischen dem iPod und dem iTunes Store hergestellt. Auch die Apple Watch steht in einer Konnektivität zu einem weiteren Produkt, dem iPhone. Das Unternehmen ist stets bemüht, die eigenen Produkte stetig zu verbessern und die Bin-dung zu seinen »Jüngern« zu intensivieren. Das »i« vor dem Phone kennzeichnet nicht nur die Intelligenz und den Innovationsan-spruch. Vielmehr steht der Buchstabe für die kompromisslose »Identifikation« der Kunden mit der Marke. Apple setzt auf Mobi-lität und definiert eine ganz eigene Interpretation des Begriffs »In-klusion«. Der Apfel lockt Adam und Eva in die Stores und heißt neue Käuferschichten ausdrücklich willkommen. Die Marke stellt sich breiter auf und wird dadurch stärker.

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ALS WAREN NOCH WAREN WAREN

Die Kennzeichnung von Produkten und Dienstleistungen im Sinne eines »Gütesiegels« reicht sehr weit zurück. Ein kleiner Exkurs gibt Auskunft über den Stellenwert eines Markenzeichens. Mit der Be-schaffung und Verarbeitung von Nahrung, Kleidung, Werkzeugen oder Baumaterial für Unterkünfte sorgten die Menschen vor Jahr-hunderten ausschließlich für die Dinge des eigenen Bedarfs. Das Handwerk und Gewerbe entstand erst mit der Notwendigkeit, den Lebensunterhalt zu verdienen und somit über den eigenen Bedarf hinaus Waren zu produzieren. Aus dieser Notwendigkeit heraus ent-standen Wirtschaftszweige und Märkte, die von Handwerkern be-dient wurden. Zur Abgrenzung ihrer Berufsstände bildeten die von der Kirche und den Fürsten privilegierten Handwerker Gilden und Zünfte. Töpfer, Schneider, Schuster, Steinmetze, Bäcker, Metzger, Schmiede und Bauleute verwendeten schon damals Formen eines Markenzeichens als Erkennungsmerkmal der eigenen Arbeitsstücke. Gute Handwerksarbeit erkannte man am Signet des »Produzenten«. Zünfte führten beispielsweise Zunftsiegel und Stempel zur Kenn-zeichnung ein. Mit der Erfindung des Buchdrucks entstanden ab dem 15. Jahrhundert »Druckerzeichen« als Kennzeichen der Ver-lagserzeugnisse. Der Maler, Grafiker und Mathematiker Albrecht Dürer wertete seine Werke mit seinem Künstlersignet auf.

Die Verwendung eines Gütesiegels allein war zu jener Zeit allerdings noch kein Garant für den Abschluss eines Geschäfts. Waren und Dienstleistungen wurden nicht selbstverständlich dort angeboten, wo sie produziert wurden. Das Geschäft wurde an den Orten abgeschlossen, wo ein entsprechender Bedarf war. Die Ex-pertise von Steinmetzen war in der Regel an den Orten gefragt, wo zum Beispiel Kathedralen errichtet wurden. Angebautes Getreide oder gezüchtetes Vieh verkaufte sich nicht mehr nur in der unmittel-baren Nachbarschaft. Auch in angrenzenden Dörfern und Städten wurden Waren auf den Marktplätzen feilgeboten. So kamen die Händler weit herum und hatten immer eine Geschichte im Gepäck. Damals wie heute ziehen Marktleute von einem Marktplatz zum nächsten und buhlen um die Gunst der Kunden. Noch heute kann man beobachten, dass ein Verkaufsstand stärker als andere von Kunden frequentiert wird, wenn der Verkäufer seine Kundschaft

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»Der Marktschreier erobert die Menge

der Stille erobert sich.«

Georg Kaiser, Dramatiker

in eine nette Plauderei verwickelt oder eine kleine Geschichte parat hat. Hier hat das »Storytelling« seinen Ursprung. Von Marktleuten kann man durchaus etwas lernen.

Schlendert man entlang der Marktstände mit Obst, exotischen Gewürzen, frischem Brot, buntem Gemüse oder Schnitt-blumen, so sind es die Waren, die für sich werben. Kein Plakat, kein

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An einem Marktstand in Italien wirbt die Ware für sich.

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Werbeschild, keine Anzeige, keine Markenlogos. Allein das zauber-hafte Umgarnen der Sinne, die Farben und die Frische der Produkte lösen den Kaufanreiz aus. Ganz ohne sterile Plastikverpackungen. Die Menschen, das Fachsimpeln mit dem Verkäufer oder der nette Small Talk mit den übrigen Kunden in der Warteschlange runden das Bild dieser heilen Welt und nahezu perfekt funktionierenden Oase der freien Marktwirtschaft ab.

»Wer etwas verkaufen will, muss die Sprache beherrschen.

Aber wer etwas kaufen will, den versteht jedermann.«

Gabriel Garcia Márquez, Schriftsteller

DAS NEUE WIRTSCHAFTSWUNDER

Warum erwarten wir nun ausgerechnet von der Digitalisierung ein neues Wirtschaftswunder? Die Telekom hat große Pläne und sieht sich als »Architekten der digitalen Zukunft«. Im Jahresbericht zum Geschäftsjahr 2014 berichtete der Konzern von seinen Absichten ganze Industrien beim Umbau hin zum vernetzten Arbeiten, Pro-duzieren und Verkaufen zu begleiten. Wird sich durch die digitale Transformation tatsächlich unser Alltag verändern? Bereits im Jahr 1999 erstellten die us-Amerikaner Rick Levine, Christopher Locke, Doc Searls und David Weinberger das »Cluetrain Manifest«, eine Sammlung von 95 Thesen über das Verhältnis von Unternehmen und ihren Kunden im Zeitalter des Internets und der New Economy. Schon immer haben sich Dinge in unser Leben geschlichen. Einige haben sich als Innovation vorgestellt und wurden zu einem stän-digen Begleiter unseres Alltags. Anderes hat sich klammheimlich verabschiedet. gps hat das Autofahren entspannter gemacht und das digitale Fernsehen in hd auf übergroßen Flachbildschirmen brachte das Kino in unsere Wohnzimmer. Es wäre vermessen von einer Revolution zu sprechen. Nach wie vor starren wir zur Infor-mationsaufnahme oder nur zur Unterhaltung auf eine Glasscheibe. Noch immer fahren die Züge auf Schienen und Autos haben vier Räder. Im Zusammenhang mit der digitalen Transformation wird unerlässlich von einem Paradigmenwechsel und der industriellen

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Unsere visuelle Umgebung schrumpft. Der Radius unserer Wahrnehmung wird zunehmend enger. Menschen starren zum Beispiel an Bahnhöfen minutenlang konzentriert auf den kleinen Bildschirm des eigenen Smartphones.

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Revolution gesprochen. Finstere Gesellen erheben ihre Stimmen: »Die Firmen unterschätzen die Folgen des digitalen Wandels« oder »Die d-Frage wird in den deutschen Chefetagen verschleppt«. Derlei Aussagen schüren unnötig die Unsicherheit in den Unternehmen und erscheinen wie die Figur im Trenchcoat aus der Sesamstraße, die den Vorschulkindern ein »d« (wie Digitalisierung) verkaufen möchte. Lassen wir doch einfach den viel beschriebenen und heiß diskutierten Wandel auf uns zukommen. Neue Geschäftsmodelle und Produktinnovationen kommen und gehen von ganz allein. Oder sie bleiben, sofern sie ihre Alltagstauglichkeit bewiesen haben. Das Gute ist stets der Feind des Besseren.

Ursprünglich entwickelte Apple den Laptopcomputer für Geschäftsleute, die viel mit dem Flugzeug unterwegs sind und während der Flüge arbeiten möchten. Am wenigsten Apple hat bei Markteinführung damit gerechnet, dass der portable Computer an jedem erdenklichen Ort zum Einsatz kam, nur nicht im Flugzeug. Diese Anekdote beweist, dass es gut ist, nicht alles im Vorfeld zu wissen. 1962 kündigte die Plattenfirma den Vertrag der Beatles mit der Begründung, dass die Band mit dieser Art der Musik keinen Erfolg haben wird. »Ich werde niemals mit dem Computer arbei-ten«, das propagierte ich zumindest eine Weile lauthals während der ersten Semester meines Design-Studiums. Das hatte nichts mit der Fachhochschule oder mit einem Mangel an Equipment zu tun. Vielmehr begeisterte ich mich für Zeichnungen und Illustrationen. Denn der Zeichenstift gab mir das sichere Gefühl, die Dinge selbst im Griff zu haben und meine Ideen nicht dem Funktionsumfang einer Bildbearbeitungssoftware zu unterwerfen. Das hat sich in kurzer Zeit radikal geändert. Ich lernte den Umgang mit einem »Mac«, die Verwendung der gängigen Layout-, Illustrations- und Bildbearbeitungssoftware sowie das Internet kennen und schätzen. Mit jedem neuen Computermodell wuchs nicht nur die Leistungs-fähigkeit der Rechner. Auch die Experimentierlust wurde gesteigert und die Datenmengen erreichten zudem neue Dimensionen. Mit dem Laptop wurde die Arbeit komfortabler und die Überstunden

»The next big thing is to stop chasing the next big thing and do your job better.«

Chris Moody, Oracle

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mehr. Der Designer befreite sich aus den Fesseln der Großraum-büros und wurde zum kreativen Nomaden. Und bald schon werden auch Tastaturen überflüssig sein. Das Gestalten per Fingertip und Gestensteuerung am Touchscreen ist heute schon möglich: unter-wegs schnell ein Foto mit der Kamera des Smartphones schießen, das Bild unkompliziert mit einem Scribble auf dem Tablet kombi-nieren und per e-Mail an den Kunden zur Abstimmung senden das ist heute kein Problem mehr.

Als vor etwas mehr als 30 Jahren das »mobile Zeit-alter« mit dem ersten handlichen Mobiltelefon eingeläutet wurde konnte noch niemand ahnen welche Veränderungen auf uns zu-kommen sollten. Heute sind Smartphones »Citylights« für die Hosentasche. Diese Leistungsstarken Alleskönner sind schnell zur Hand und geben schnell auf alle Fragen eine Antwort. Die mobile Website wird zum Schlüsselmedium der Markenkommunikation. Es ist eine Shopping-Mall auf etwa 5 Zoll. Wird in Zukunft über-haupt noch eine klassische Website benötigt? Laut einer Studie der »Initiative d21« nutzen mit 54 Prozent bereits mehr als die Hälfte der Deutschen im Jahr 2014 mobile Endgeräte für den Zugang ins Internet. Mit 58 Prozent der verwendeten Geräte hat das Smart-phone die Nase vorn, gefolgt vom Tablet-Computer (26 Prozent). 81 Prozent der Kunden informieren sich vor einem Kauf im Inter-net und 66 Prozent der Kunden bestellen das gewünschte Produkt online. Attraktives Design und ein Höchstmaß an Nutzwert beein-flussen die Kaufentscheidung der Besucher eines (mobilen) Online Stores. Informationslogistik, Relevanz, Mehrwert und Service sind gefragt, gefolgt von einer personalisierten Kundenansprache und Entertainment. Die neuen Währungen sind »Likes« und »Follower«. Automobilmarken sind auf diesem Gebiet digitale Brand Cham-pions. Unternehmen wie Audi, bmw oder mini verstehen und prä-gen die Mechanismen des »Customer Relationship Managements (crm)« an unzähligen »Touchpoints*« und über alle Plattformen hinweg. Laut der Studie »Digital Brand Champion 2014«, die vom Magazin »Wirtschaftswoche« und der Agentur »Diffferent« durch-geführt wurde, ist bmw die erfolgreichste digitale Marke. Autos sind nun einmal sexy und lassen sich leichter mit Emotionen auf-laden als ein Dampfbügeleisen. So bieten die Automobilbauer alles, was Fans und Follower mögen.

*Touchpoint

Der Kontaktpunkt zum Unternehmen oder zur Marke. Der Begriff ist etwas überstrapaziert

und sollte durch »Brand Hotspot« abgelöst werden.

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