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BLITZ-Vorschau


DER BUTLER
Band 4



In dieser Reihe bisher erschienen:


2401 J. J. Preyer Die Erbin

2402 J. J. Preyer Das Rungholt-Rätsel

2403 Curd Cornelius Das Mädchen

2404 Curd Cornelius Die Puppe


In Vorbereitung:


2405 Andreas Zwengel Die Insel

2406 Andreas Zwengel Die Bedrohung

2407 Andreas Zwengel Teneriffa-Voodoo





Curd Cornelius


DIE PUPPE






Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!

 Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag, www.blitz-verlag.de, in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt bis zu einer Höhe von 23 %.

© 2017 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 Windeck
Nach einer Idee von Jörg Kaegelmann
Redaktion: Jörg Kaegelmann
Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati
Umschlaggestaltung: Mark Freier
Illustrationen: Ralph Kretschmann
Illustration (Seite 5): Jörg Neidhardt
Satz: Harald Gehlen
Alle Rechte vorbehalten
www.BLITZ-Verlag.de
ISBN 978-3-95719-505-0



Nachwort des Verlegers


Seit 2014 versuchen die Erben des Autors Dan Shocker die mir seit 1997 übertragenen Rechte zu stornieren. Nach jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen musste ich (Zaubermond-Verlag hatte die Neuschreibung von Macabros sofort 2014 freiwillig eingestellt) alle Dan ­Shocker-Produkte aus dem Programm nehmen. Die zum Jubiläumsjahr 2018 geplanten noch fehlenden und bereits fast fertiggestellten Larry-Brent-Sammelbände 93 bis 106 können daher leider nicht mehr erscheinen. Da sich die neuen Abenteuer von Larry Brent (4000) mit den Romanen der Serien DER BUTLER (8000) und ­SCHATTENCHRONIK (1300) einen gemeinsamen Serien-Back­ground teilen, sind dadurch insgesamt 205 Titel betroffen.


Wie konnte es dazu kommen? Zum Verständnis der enttäuschten Abonnenten müssen die Details erklärt werden. Begonnen hatte alles durch die jahrelange Auseinandersetzung mit dem Festa-Verlag der die Reihe H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens von mir in Lizenz verwertet hat. Irgendwann wurden die Lizenzen nicht mehr gezahlt. Eine gerichtliche Auseinandersetzung, die sich über ein Jahrzehnt hinzog, begann. Der Festa-Verlag behauptet plötzlich, dass der Reihenname eine eigene Erfindung sei. Diese Unwahrheiten kursieren noch im Internet. Doch inzwischen gibt es ein Gerichtsurteil, das beweist, dass der Reihenname von mir erfunden wurde. Da Festa diesen Reihentitel nach BLITZ jedoch seit 2001 fleißig nutzte, verlor BLITZ die eigenen Rechte. Dabei ist es egal, ob Lizenzgebühren bezahlt wurden oder nicht. Durch Nichtnutzung gingen die Rechte an den Festa-Verlag. Ich musste sogar meinen eigenen Reihentitel wieder aus meinem Programm nehmen. Seitdem heißt die Reihe im BLITZ-Verlag Lovecrafts Schriften des Grauens. Aufgrund dieser Umstände entschied sich mein damaliger Anwalt – da er zu dieser Zeit bereits gegen die Dan-Shocker-Erben juristisch kämpfte – die Rechte an dem Logo Dan Shockers Larry Brent als Marke zu sichern. Ich nutzte dieses Logo bereits seit zwei Jahrzehnten. Kreiert wurde es vor über fünfunddreißig Jahren vom Zauberkreis-Verlag. Doch diese Rechteanmeldung war kein kluger Schachzug meines Anwalts. Die Dan-Shocker-Erben konnten aufgrund dieser Rechteanmeldung den Vertrag nach zwanzig Jahren fristlos kündigen. Die Rechtmäßigkeit der Kündigung konnte mein neuer juristischer Ratgeber nicht widerlegen. Sicherheitshalber riet er mir, den Verkauf unverzüglich zu stoppen. Bei Nichtbeachtung drohe Freiheitsstrafe. Mein vorheriger Anwalt war inzwischen komplett abgetaucht und reagierte nicht mehr auf Nachfragen. Dass ich nach zwei Jahrzehnten voller Arbeit und Investitionen mein Larry-Brent-Projekt nicht mehr beenden darf, trifft mich natürlich sehr. Der finanzielle Verlust ist gigantisch. Nun gilt es, den Schaden juristisch aufzuarbeiten. Auch das wird sicher wieder Jahre dauern. Fast noch schlimmer ist es jedoch für die treuen Larry-Brent-Abonnenten die ebenfalls seit zwanzig Jahren auf die Beendigung des ­Projekts warten. Aktuell wurde der Anwalt der Gegenseite noch einmal befragt. Die Gegenseite hält allerdings unbeirrt und ausdrücklich an der Kündigung fest. Somit wird das Larry-Brent-Projekt kurz vor der Vollendung gestoppt. Ich bin tief traurig, dass jemand, der absolut nichts für das Produkt getan hat (außer die jährlichen Lizenz-Zahlungen in Empfang zu nehmen) für mich völlig unerwartet einen höchst enormen Aufwand betreibt, um alles, was in zwanzig Jahren von mir aufgebaut wurde, zu zerstören.


Wichtig: Die von BLITZ entwickelte Handlung der Serie Larry Brent-Neue Fälle geht nahtlos in der neuen Serie DER BUTLER (2400) weiter. Bei der Lektüre des Ihnen jetzt vorliegenden Romans DIE PUPPE wird man erkennen, wie nah Fiktion an der Realität sein kann. Der Roman wurde im April/Mai aufgrund der aktuellen Ereignisse geschrieben. Diesen Roman erhalten auch alle Leser der SCHATTENCHRONIK-Serie. DIE PUPPE schließt (nur für Mick und Cassy) nahtlos an die noch vorrätige Schattenchronik-Hardcover-Trilogie an. Leser, die diese drei Hardcover nicht kennen, können die Bände bei mir für nur 14,95 Euro (vormals über 40,- Euro) bestellen und so die Geschichte von Mick Bondye und Cassandra Benedikt kennenlernen.

Schattenchronik-Leser erhalten die nötigen Informationen durch die Bände 1 bis 3 und 5 bis 7 in den nächsten Monaten. Damit rundet sich das Bild um unser neues Team ab. Der Hintergrund der Geschichte deckt sich wie gesagt fast beängstigend mit den Geschehnissen in der Realität. Die negativen Mächte aus der anderen Ebene haben unbarmherzig zugeschlagen. Die verbliebenen Protagonisten beginnen, etwas Neues aufzubauen. Und ich werde alles tun, um ihnen dabei zu helfen. Vor allem ist wichtig: Sie, lieber Leser, weiter in der neu entstandenen Serie DER BUTLER (2400) zu halten. Daher wird Ihnen pauschal 2 % mehr Serien-Subskriptionsrabatt eingeräumt. Zusätzlich zu Ihrem schon bestehenden Prozenten. Dies gilt übrigens auch für die Neuerscheinungen aller anderen Serien die von Ihnen in fortlaufender Belieferung abonniert wurden.

Um die neue Serie zu komplettieren werden einige Bände, die bereits veröffentlicht wurden, überarbeitet, mit neuen Texten versehen, chronologisch korrekt innerhalb der Serie neu erscheinen. Diese Bände erhalten alle Abonnenten sogar mit einem Rabatt von 40 %. (Mehr dazu in unserem Shop unter www.blitz-verlag.de)

Ich werde alles dafür tun, um diese erzwungene Umstellung für Sie, lieber Leser, so erträglich wie nur möglich zu gestalten. Ähnlich habe ich es auch vor über zehn Jahren mit Larry Brent und Macabros gehalten, um dem Leser und Sammler eine optisch einheitliche Sammlung zu bieten. Ein Verdienst kann so natürlich kaum erzielt werden. Doch dies ist für mich nebensächlich. Ich möchte mich weiterhin mit Ihnen an den spannenden Abenteuern der phantastischen Helden aus dem BLITZ-Verlag erfreuen dürfen.

Für Fragen zu dieser Umstellung, aber auch sonst, stehe ich Ihnen selbstverständlich jederzeit per E-Mail zur Verfügung. Kaegelmann@blitz-verlag.de

Wer die neue Serie stornieren möchte – was ich natürlich nicht hoffe – der kann dies ebenso problemlos über diese E-Mail-Adresse tun. Eine Kündigungsbestätigung wird zugesandt.

Doch nun wünsche ich spannende Lesestunden mit dem vorliegenden Roman von Curd Cornelius DIE PUPPE.


Herzliche Grüße vom BLITZ-Verlag,

Jörg Kaegelmann

(Windeck, der 17. Juni 2017)





Im Gegensatz zu ihrer Tochter, hatte Claudia Monot eine gewisse Abneigung gegen Handys entwickelt. Wegen dieser zum Teil unerklärlichen Funktionen, deren Anzahl und Vielfältigkeit unüberschaubar waren. Jetzt aber starrte auch sie unentwegt auf ihr Smartphone. Sie hatte bereits drei Nachrichten an ihren Mann versandt und entgegen jeder Gewohnheit hatte Kevin ihr nicht geantwortet. Das war nicht seine Art. Er schrieb stets zurück, und wenn es nur ein kurzer Gruß mit Info war. Dies tat er, wenn im Büro Hochbetrieb herrschte und sich keine Gelegenheit für ein kurzes Gespräch fand.

Und Claudia hatte stets darauf verzichtet, ihren Mann während der Arbeitszeit anzurufen. In der Regel fiel nichts an, was nicht auch bis zum Abend warten konnte. Doch nun war Abend. Kevin hätte längst hier sein müssen. Eigentlich schon vor über einer Stunde. Und dieser Umstand in Kombination mit der fehlenden Rückantwort ließ Claudia nervös werden.

„Hat sich Paps immer noch nicht gemeldet?“, fragte ihre Tochter Nina, ohne von ihrem eigenen Smartphone aufzublicken. Sie lag bäuchlings auf dem Sofa, beide Ellenbogen angewinkelt. Ihre Finger huschten dabei unentwegt über das Display und über die dort integrierte Tastatur.

„Ich versteh das nicht.“ Claudia blickte gedankenverloren in Richtung Wand. „Irgendetwas muss passiert sein.“

„Es muss doch nicht immer gleich etwas passiert sein.“ Nina sah zu ihrer Mutter. „Vielleicht ist sein Akku leer.“

Ihre Mutter schüttelte den Kopf. Auf solche Dinge achtete ihr Mann. Und wenn doch irgendetwas mit seinem Smartphone nicht in Ordnung war, dann machte er es möglich, um sie davon zu unterrichten. Nein, es musste etwas passiert sein. Dieses bohrende ungute Gefühl hatte sie inzwischen komplett in Besitz genommen. Zumindest kam es ihr so vor. Etwas wirklich Furchtbares! Sie konnte das nahende Unglück fast körperlich spüren. Sie hörte sich laut aufseufzen.

„Mama!“

„Ja?“ Claudia blickte zu ihrer Tochter und strich sich fahrig durch das schulterlange Haar. „Du hast recht, Kind. Es wird schon alles in Ordnung sein.“

„Nenn mich doch nicht immer noch Kind“, antwortete ihre Tochter und spielte beleidigt. Dann lachte sie. „Ach mach ruhig. Ich sag ja auch noch Mama zu dir, Mama.“

Für einen kurzen Moment konnte Claudia lächeln. Sie erhob sich und ging zum Fenster. Zum wievielten Mal? Sie wusste es nicht, sie hatte nicht mitgezählt. Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte sie, dass sich ihre Tochter vom Sofa rollte und auf Strümpfen zu ihr tapste. Gemeinsam schauten sie aus dem Wohnzimmerfenster.

„Jetzt kann Paps aber wirklich kommen.“ Nina nahm ihre Mutter in den Arm. Irgendwie war ihr danach, die gedrückte Stimmung aufzuheitern. „Vielleicht hat er auf seine alten Tage was nebenbei laufen, und muss das erst mal erledigen.“

Claudia sah ihre Tochter mürrisch an und Nina wurde klar, dass diese Art zu scherzen im Augenblick eher unpassend war. „Sollte ein Spaß sein, Mama, mit vierzig ist er doch noch nicht alt“, plapperte sie weiter. „Und er würde nie ...“

„Da!“ Der laute Ausruf ihrer Mutter unterbrach die Zwanzigjährige.

Gebannt starrten beide Frauen nach draußen. Licht aus zwei Scheinwerfern kroch die schmale Auffahrt hoch.

„Ist er das?“ Nina drückte sich näher an die Scheibe.

Ihre Mutter neben ihr hielt den Atem an. „Das muss er sein.“

Das eingeschaltete Fernlicht blendete sie. Der Wagen kam langsam näher.

Claudia ging in die Hocke, um besser sehen zu können. „Er ist es!“, rief sie erleichtert aus.

Jetzt hatte auch ihre Tochter den weiß lackierten Familienwagen erkannt. „Na also, unser Familienoberhaupt ist wieder da.“

Claudia war schon auf dem Weg zu Tür.

„Du fängst jetzt aber keinen Streit an, Mama?“, fragte Nina und lief ihrer Mutter hinterher.

„Unsinn!“ Claudia war mehr als nur erleichtert, aber keinesfalls wütend.

Durch das Fenster zum Hof konnten die beiden Frauen erkennen, dass der Wagen angehalten hatte. Die Fahrertür öffnete sich und eine dunkle Gestalt kletterte heraus. Erst jetzt bemerkten sie, dass es draußen zu nieseln begonnen hatte. Wenige Sekunden später wurde der Regen stärker.

„Wäre Papa nur fünf Minuten früher gekommen“, meinte Nina. „Jetzt wird er richtig nass.“ Sie hielt ihre Mutter fest, die nach draußen wollte. „Mein Gott, Mama, bleib hier. Dein geliebter Mann kommt doch schon.“

Kevin, Claudias Mann und Ninas Vater, hatte die Kapuze seines königsblauen Pullovers wegen des Stark­regens tief ins Gesicht gezogen. Seine Kleidung war bereits Sekunden nach dem Aussteigen dunkel vor Nässe. Doch er schien es nicht eilig zu haben. Auffällig war sein mechanischer Gang. Er stakste wie ein alter Mann.

„Was ist mit Papa?“, fragte Nina und zog die Stirn kraus.

Ihre Mutter hatte die Haustür bereits aufgerissen. „Kevin!“

Ihr Mann antwortete nicht. Schwerfällig wie ein angeschlagener Boxer stapfte er den Kiesweg hoch.

„Kevin!“, rief Claudia erneut. „Ist etwas passiert?“

Keine Antwort. Ihr Mann trottete langsam näher.

Nina hatte ein Badetuch aus der Ablage neben der Tür genommen und verharrte etwas ratlos neben ihrer Mutter. „Papa ist nass wie ein Hund.“ Der schwerfällige Gang ihres Vaters war auch ihr aufgefallen, doch sie sagte nichts dazu.

Noch ein paar Meter. Kevins Schritte wurden zusehends langsamer.

„Nun komm doch endlich rein!“ Claudias Stimme klang plötzlich weinerlich. „Was hast du denn?“

„Willst du im Regen aufweichen?“, rief Nina ihrem Vater entgegen.

Doch ihr Vater blieb plötzlich stehen. Claudia hatte genug. Trotz des peitschenden Regens, denn inzwischen hatte es auch noch zu stürmen begonnen, lief sie nach draußen. „Kevin!“ Ihre Stimme klang schrill. „Hast du etwa getrunken? Was ist mit dir?“

Ihr Mann bewegte sich keinen Meter mehr weiter. Seine Gestalt begann zu schwanken. Claudia stand jetzt dicht vor ihm. „Kevin!“ Sie fasste an seine Schultern und zog die nun vornübergebeugte Gestalt hoch. Dabei rutschte die klatschnasse Kapuze über Kevins Stirn nach oben. Claudia stockte der Atem. Das Gesicht ihres Mannes war kalkweiß, über seine Wangen lief heller Schleim.

„Mama!“, rief ihre Tochter hinter ihr. „Mama!“ Sie schrie wie von Sinnen immer wieder nach ihrer Mutter. Nur wenige Meter vor ihr schwankte ihr Vater im Sturm. Sein Körper erschlaffte, der Kopf kippte erneut vornüber, doch Nina hatte auch gesehen, was ihre Mutter aus nächster Nähe ertragen musste. Kevin, ihr Vater, verlor beide Augen. Sie rannen in schmierigen Fäden über sein Gesicht.


*


Der Butler sah, wie sich ein Schatten seitlich über seine Schulter legte.

„Danke, Mylady“, sagte der Spezialagent des SSI ohne aufzublicken. „Was sind das nur für Zeiten, in denen sich der Butler von seiner Herrin bedienen lässt.“

Lady Marbely hatte das Zimmer mit zwei Tassen dampfenden Tees betreten. Eine hielt sie in der Hand, die andere hatte sie auf dem riesigen Schreibtisch abgestellt. „So wie ich Sie verstanden habe, James, bewegen wir uns momentan in sehr schweren Zeiten.“

Der Butler lehnte sich zurück und zog sein Heißgetränk zu sich heran, griff nach der Tasse und setzte sie an seine Lippen. Kaum merklich blies er hinein und nippte daran. „Irgendetwas ist passiert, Mylady.“ Er war umgeben von mehreren sich ständig verändernden Bildschirmen, einer Tastatur und einem Headset.

„Ihre amerikanischen Freunde melden sich nicht mehr?“, fragte Mylady und tunkte einen großen Keks mit der Spitze in ihren Tee.

„Keine der gewohnten Verbindungen existiert noch. Sie sind tot, als hätte es sie nie gegeben, Mylady.“

Lady Marbely sah ihn mit großen Augen an. „Was hat das zu bedeuten, James?“

Der Butler zuckte mit den Schultern. „Dass tatsächlich schier unglaubliche Dinge zwischen Himmel und Erde geschehen. Dinge, unter denen wir Normalsterblichen uns nichts vorstellen können.“

„Ihre Kollegen standen tatsächlich im Clinch mit der Unterwelt?“

Der Butler registrierte still die etwas verfehlte Wortwahl von Lady Marbely. „Sie bekämpfen die negativen Mächte aus dem Jenseits. So hat man es mir erklärt.“

Lady Marbely nahm zwei große Schlucke. „Mir ist das nicht geheuer. Seien Sie mir nicht böse, James, aber mit diesen Dingen kann ich nur wenig anfangen. Doch ich bin mir sicher, dass Sie bald wieder mit Ihren Freunden sprechen können.“

Das hoffte der Butler ebenfalls, obwohl er sich inzwischen sicher war, dass etwas Furchtbares geschehen sein musste. Neben seinen eigenen Versuchen war er zahlreiche andere Wege gegangen, um den bekannten Kontakt herzustellen. Sogar den offiziellen Weg über das Außenministerium hatte er beschritten. Doch diese Möglichkeit hatte sich als die erwartete Farce erwiesen. Eine Organisation, die das Übersinnliche bekämpfte, war in den USA angeblich komplett unbekannt. Wer seinen Job professionell betrieb und geheim sein wollte, der schaffte es auch. Nur wie sollte man helfen, wenn es nichts gab, an dem man ansetzen konnte. Der Butler wollte etwas tun, doch er war im Augenblick chancenlos. Er wusste nichts, außer, dass die internationalen Geheimagenten von einer Sekunde zur anderen wie vom Erdboden verschwunden waren.

„Habt ihr Probleme?“ Claire hatte ebenfalls das Büro des Butlers betreten und die letzten Worte von Lady ­Marbely aufgeschnappt.

Mylady klatsche vergnügt in die Hände und breitete dann ihre Arme aus. „Komm her mein Kind. Wie war dein Training?“

„Wunderbar, Amanda.“ Claire ließ sich knuddeln. Ihre blonden Haare, die zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden waren, wackelten dabei auf ihrem Rücken hin und her. „Vielen Dank, dass du das hier alles für mich eingerichtet hast.“

Claire musste beschäftigt werden. Damit sie nicht unnötig und unpassend durch die Gegend flog, hatte Mylady zwei Privatlehrer eingestellt, die mit der hübschen Dänin nun gleich mehrere Kampfsportarten trainierten. Die beiden Männer wussten nichts über Claires Fähigkeiten, die sich auch in allen Spielarten der Kampftechnik als außerordentlich talentiert erwies. Gleichzeitig lernte sie, sich in jeder Situation zu kontrollieren. Zu keiner Zeit sollte sie sich, auch nicht in Gefahrensituationen, durch ihre unerklärlichen Fähigkeiten einen Vorteil verschaffen.

„Claire möchte gerne Supergirl werden.“ Lady ­Marbely lachte. „Wir werden noch viel Freude an unserem Mädchen haben.“

Der Butler sah kurz auf. „Supergirl muss es ja nun nicht gleich sein.“

Claire befreite sich aus der Umarmung von Lady Marbely, die sie gar nicht mehr loslassen wollte. „Dem Supergirl aus den Comics stehe ich in nichts nach“, meinte sie und stemmte dabei ihre Fäuste in die Hüften.

Jetzt zeigte sich auch der Butler für einen Moment amüsiert. „Nein, Claire, du machst deine Sache wirklich gut. Wir sind alle sehr stolz auf dich.“

„Und was ist nun passiert?“, wollte Claire wissen. „Irgendetwas ist doch, James. Willst du es mir erzählen?“

Der Butler berichtete ihr. Viel gab es nicht. Er schilderte die Situation in kurzen Stichworten. Eine komplette Geheimorganisation hatte sich buchstäblich in Luft aufgelöst. „Sie sind offenbar von einer Sekunde zur anderen aus unserer Welt verschwunden, Claire.“

Die junge Dänin sah besorgt drein. „Sie sind alle tot. Richtig?“

Der Butler zuckte mit den Schultern. „Da bin ich im Augenblick überfragt. Vermutlich ist es so.“


*


Kurz vor Mitternacht hatte sich der Butler dann doch schlafen gelegt. Es gab keine Neuigkeiten, und irgendwie ahnte er, dass sich an diesem Zustand nichts mehr änderte. Am nächsten Morgen eilte er an seinen Arbeitsplatz und überprüfte auf seinen Rechnern alle ausgelegten virtuellen Köder, die er mit Bedacht platziert hatte.