Elsbeth Weckerle

 

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Tatort Kreuzfahrt

 

oder

 

Auch in der Antarktis wird gemordet

 

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Aus der Reihe

Elsbeths Schwaben-Urlaubs-Krimis

Impressum

Tatort Kreuzfahrt

Elsbeth Weckerle

Copyright: © 2014 Elsbeth Weckerle

published by: epubli GmbH, Berlin

www.epubli.de

ISBN 978-3-7375-3123-8

 

Die Personen, Namen, Orte und Handlungen dieses Buches sind frei erfunden, eine Ausnahme sind Orte und Plätze in Südamerika und in der Antarktis. Jede Ähnlichkeit mit lebenden, bereits verstorbenen Personen oder tatsächlichen Ereignissen wäre rein zufällig und ist weder gewollt noch beabsichtigt!


Inhaltsverzeichnis

Impressum

Noch zu Hause in Gettlingen

Die Reise geht los

Unser erstes richtiges Kreuzfahrtschiff

Der erste richtige Tag auf See

Der zweite Tag - Falklandinseln

Der dritte Tag - Falklandinseln

Der vierte Tag - auf See

Der fünfte Tag - auf See

Der sechste Tag - Südgeorgien

Der siebte und achte Tag - auf See

Der neunte Tag - endlich Antarktis

Unser erstes Kapitänsdinner

Der zehnte Tag - Antarktis

Der elfte Tag - Antarktis

Der zwölfte Tag - Antarktis

Der dreizehnte Tag - Antarktis

Der vierzehnte Tag - Antarktis

Der fünfzehnte Tag - Das Ende der Welt

Der sechzehnte Tag - Das Ende der Reise und weiterhin kein Ende

Der siebzehnte Tag - Buenos Aires

Heimwärts und Zu Hause

So was wie ein Abschluß

Danksagung

 

Noch zu Hause in Gettlingen

 

Oh nein! Warum müssen wir ausgerechnet heute schon wieder mal einen dieser gräßlich kalten Wintermorgen haben? Leider muß ich aber genau dieses schon beim Augenaufschlagen oder besser beim Augenliderhochklappversuch an den leicht weißlich bemehlten Ästen meiner Birke vor dem Schlafzimmerfenster feststellen. Ein noch immer ziemlich getrübter Blick meiner alten Augen weiter nach oben, Richtung Himmel, bestätigt mein Unbehagen:

„Alles dunkel und wolkenverhangen!“

Also bleibt eigentlich nur eines und das kann ich mir gerade jetzt so gar nicht leisten, nämlich die Decke über den Kopf ziehen und im Bett bleiben!

Dummerweise habe ich Lausi, meinem etwas zu groß geratenen Sohn, versprochen seinen Telefondienst ausgerechnet heute morgen zu übernehmen, da er einen Termin außer Haus hat, und seine Bürohilfe, passend dazu, dann einen Arzttermin haben muß!

Was tut man als Mutter nicht alles, auch für einen bereits erwachsenen, aber ganz brauchbaren und manchmal auch sehr liebenswürdigen Nachwuchs?

Lausi, eigentlich Ladislaus, wohnt und arbeitet derzeit tatsächlich noch bei uns in unserem Hause in Gettlingen, einem Vorort von einer größeren Kreisstadt in der Nähe von „Stutengarten“. Er hat dort im Erdgeschoß ein Büro für die rechtlichen Fragen des täglichen Daseins.

„Uns“ bezeichnet meinen so gut wie nie, weder geistig noch körperlich anwesenden Nochehemann Johann Weckerle, genannt Wecki und mich, die Frührentnerin Elsbeth, wobei dieser Name jedoch nur in meinem Paß steht. Gerufen und allseits bekannt bin ich seit meinen längst vergangenen Schulzeiten nur als Elli.

Aber auch diesen Namen finden viele der Nichteinheimischen vor allem heute noch als nicht zeitgemäß und natürlich zudem als so gar nicht passend. Johann und Ladislaus, genannt Lausi, genauso wie unser Nachname Weckerle, sind tiefschwäbisch und alle diese Namen wurden uns eben von unseren Vorfahren vermacht.

Nur weil wir nicht in der absoluten Öffentlichkeit stehen, glaubt man immer wieder unsere Namen als veraltet oder unpassend hinstellen zu dürfen. Dabei läßt sich keiner dieser „Neuzeitlichen Alleswissenden“ darüber aus, daß auch Namen wie Helmut, Peer, Eckhard, Gerhard, Angelika, Roswitha, Barbara, Heidelinde und viele weitere, dann ebenfalls nicht so überaus moderne, wohlklingende Namen sind wie natürlich Torben, Sören, Finn, Adine, Novalee, Mia, Zoey und ähnliche!

Dasselbe gilt wohl auch für politisch bekannte Nachnamen wie Schwaetzer, Schnarrenberger, Piepenkötter, Wurmeling oder Karrenbauer. Die alle ändern wohl kaum oder nur ganz selten ihre Namen und so halten wir es eben auch.

Doch jetzt versuche ich zuerst einmal, nach einem weiteren Blick auf die Uhr, mich so schnell es geht aus meinem Bett herauszuarbeiten. Arbeiten deshalb, weil ich nach der leider krankheitsbedingten, verordneten Anzahl einer Menge, von für mich unverträglichen Tabletten, alle meine Knochen und sonstiges noch deutlicher spüre, als es eigentlich in meinem Alter üblich ist.

Da Wecki und ich seit langem getrennte Schlafzimmer haben, es gab dazu vielerlei Gründe, kann ich mich ungestört daranmachen, zuerst einmal eine kurze, aber intensive Morgentoilette einschließlich Dusche, den dazugehörigen Reinigungs- und Deomitteln und viel Farbe einzulegen, um dann in der Küche ein Kleinfrühstück für Lausi und mich vorzubereiten.

Wecki nimmt nämlich seit seiner Pensionierung aus wichtigen Schönheits-, Gesundheits- und sonstigen unverständlichen Gründen kaum mehr an einem gemeinsamen, wie früher üblichen Frühstück am Eßtisch in unserem Wohnzimmer, teil. Dies ist uns derzeit auch beinahe lieber, denn seinen neuen, angeblich „gesunden“ Frühstücksgewohnheiten kann man eigentlich nicht einmal zusehen, ohne daß einem dabei übel wird.

Seit diesen, seinen wichtigen, eben neu erworbenen Schönheits- und Gesundheitsvorstellungen, geprägt durch sich gut bezahlen lassende Firmen aller Art, ernährt er sich morgens nur noch mit so was wie Joghurt, Ziegenmilch, Sojaartikeln, verschiedenen Körnern, getrockneten oder „frischen“ Früchten aus dem biologisch fernen Ausland, Haferflocken, Nüssen und natürlich den üblichen verschiedenen Frühstücksflocken. Das „natürliche Aroma“ lebe hoch!

Dazu gibt es Kaffee, selbstgesammelten Alpentee, Honig und verschiedene Tabletten zu den unterschiedlichsten Verlust-Ergänzungen, welcher Art auch immer. Für den allerwichtigsten Verlust, es sei jedermann freigestellt zu beurteilen, was wohl darunter fallen könnte, gibt es aber leider derzeit noch keine probaten Aufbau-, Ersatz- oder Ergänzungsmittel weder im Handel noch in der freien Natur!

Nach Auskunft vieler selbsternannter Gesundheitsgurus, deren Wissen sich Wecki angeeignet und verinnerlicht hat, sollen wenigstens bestimmte Lebensmittel, teure Kuren und Fastenveranstaltungen aller Art, den Körper bei der Entschlackung und Entgiftung unterstützen.

Irgendwo mußte ich da wohl etwas in meinem ehemaligen Biologieunterricht versäumt haben oder ich habe wie üblich nicht aufgepaßt. Denn die einzige Form der Schlacke, von der ich weiß, entsteht beim Verbrennen sowohl in heimischen Öfen wie auch in industriellen Hochöfen und die entsorgt man entweder im Mülleimer, als Rohstoff im Garten oder sie dient als Grundlage für verschiedene Baustoffe, wie Hüttensand, Hochofenzement und vieles andere.

Muß ich das Entsorgen eventuell mit Wecki oder seinen Überresten in Zukunft auch noch selbst erledigen? Höchstwahrscheinlich bleibt genau dies mir aber erspart, denn wenn er noch dünner und knochiger wird, zerfällt er ganz von alleine und wenn ich Glück habe, weht dann ein etwas stärkerer Wind!

Auch beim Entgiften habe ich scheinbar enorme Wissenslücken, denn bei mir, in meinem Körper, sind im biologischen Normalgebrauch die Nieren, die Leber und weitere „innere Gänge“ dazu da. Der Körper entgiftet sich im Normalfall selbst und wenn nicht, ist man tot! Vielleicht irre ich mich auch wie üblich oder habe, wie sehr häufig behauptet wird, einfach keine Ahnung von Nichts und es gibt dazu doch vieles was man teuer kaufen kann und dann glücklich damit entgiftet!

Schade ist nur, daß leider aber gar nichts davon den Körper tatsächlich verjüngt, verschönt oder nachweislich, wie häufig mit bloßem Auge zu erkennen, gesund und länger am Leben hält!

Die Zubereitung und das angeblich optisch schöne Anrichten nicht nur von Weckis morgendlichen Mahlzeiten dauert ewig und wird auch noch bei Tisch, natürlich nur an unserem zu Hause, mit einer Anzahl an Salzen, Ölen, Pfeffern und zusätzlichen Ingredienzien aus dem weltweiten Pestizidanbau und der menschlichen Sklavenarbeit weiter „verfeinert“! Es ist wahrlich ein echter Genuß da zusehen zu dürfen!

Nachdem Lausi und ich mehrmals einige, anscheinend unsittliche Bemerkungen dazu haben fallen lassen, hatte Wecki beleidigt, wenigstens sein Frühstück in sein Büro vor den PC verlegt und sieht sich nun dabei die diversen wichtigen und aufklärerisch informativen Sendungen des Morgens im deutschen Hausfrauenfernsehen an.

Wir beide, Lausi und ich, können dagegen nun in aller Ruhe ein oder zwei Scheiben eines guten Körnerbrotes, mit Butter, Schinken und Käse belegt, zu uns nehmen und dabei so was wie unseren Tagesablauf festlegen. 

Lausi, heute bereits fertig gerichtet, auf neudeutsch durchgestylt, und bis auf seinen Sakko perfekt angezogen, will sich nicht lange zu mir an den Tisch setzen. Er hat mir aber bereits die Großregionale Zeitung aus dem Briefkasten geholt, damit ich mich in seiner Abwesenheit, neben dem Telefon, nicht gar so rentnermäßig und total überfordert langweile.

Kurz legen wir noch etwaige Weitergaben von telefonischen Wichtigkeiten an sein Handy fest, genauso wichtig, wie ein vielleicht doch gemeinsames Mittagessen, das natürlich ich, wer auch sonst, zuzubereiten habe.

Dumm ist nur, wenn ich derartigen Ersatztelefondienst zu tätigen habe, wie bringe ich etwas tatsächlich Eßbares auf den Tisch, wenn nichts im Hause ist, und ich aus obigen, also telefonischen Gründen nicht einkaufen gehen kann? Irgend etwas wird sich schon machen lassen und wenn ich die TK-Truhe im Keller auseinandernehmen muß!

Wir genießen nun ungetrübt, wenn auch sehr kurz, gemeinsam unser Frühstück, bis sich Lausi, nach einem Blick auf die Kirchturmuhr gegenüber unserem Eßzimmerfenster, rasch fertigmacht und mit dem Minitablett-PC bewaffnet aus dem Haus Richtung S-Bahn stürmt. Er verzichtet aus vielerlei Gründen wenn es geht auf das Auto!

Hoffentlich hat er außer seinem Gehirn auch noch so einige Dinge des täglichen Gebrauchs dabei, die er vielleicht doch dringend benötigt. Aber da hoffe ich, daß er in seinem jugendlichen Alter mehrere Dinge doch gleichzeitig auf die Reihe bekommt und bei ihm noch nicht der frühe Alzheimer, wie bereits bei mir, zugeschlagen hat.

Irgendwie beruhigt lehne ich mich etwas zurück und schlage die Zeitung auf. Ein Blick auf die erste Seite hätte eigentlich genügt, um mir schon mal wieder den ganzen Tag zu verderben. Außer einem reizenden Bild unserer Oberpolitikerin, die gerade, laut Großüberschrift darüber, unser Geld weiterhin rundherum verteilt und dazu zusätzliche Sparmaßnahmen von uns normalen Bürgern fordert, fällt als weiterer Artikel nur das Drama um S-21 ins Auge.

Dabei kann man sich nur noch fragen, wie sich vermeintlich halbwegs denkende Menschen so einen absoluten Murks wie diesen angeblichen Superbahnhof unter der seit ewigen Zeiten bekanntermaßen problematischen Stuttgarter Erde haben ausdenken können und diesen Schwachsinn mit aller Gewalt immer noch haben wollen, obwohl feststeht, daß er weder den Bahnreisenden Vorteile bringt, noch perfekt geplant ist und schon gar nicht in das Bild von Stuttgart paßt.

Heute, in Zeiten absolut leerer Kassen und massenweiser mehr als irrer Katastrophenbauwerke, auch rund um und in Stuttgart werden es immer mehr, sollen sich nun viele andere, tatsächlich denkende Menschen eine derartige wirtschaftliche und geistige  Fehlplanung gefallen lassen.

Man bedenke, ein architektonisches Kulturbauwerk in Stuttgart, ein einwandfrei funktionierender Kopfbahnhof mit hervorragender Leistung, nur ewig lange nicht renoviert, deshalb auch nicht sehr schön anzusehen, wird einfach zerstört.

Unter dem Deckmantel der weiteren Stadtentwicklung, die nur dem Geldbeutel einiger weniger Milliardärsfamilien dient, wird nicht nur das restliche Umfeld um den Bahnhof herum optisch total verschandelt werden, sondern ganz Stuttgart wird daran langsam aber sicher kaputtgehen.

Wenn keinerlei Verkehr mehr nach Stuttgart kommt, schon jetzt ist das Stauaufkommen von allen deutschen Städten hier am höchsten, der Nah- und Fernverkehr ebenfalls im Stau versinkt oder weit herumgeleitet wird, ist der Niedergang vorprogrammiert!

Dank einem zusätzlichen neuen ICE-Bahnhof an unserem Flughafen wird es Stuttgart bald so ergehen wie Frankfurt, denn es werden höchstens noch die Hälfte der ICEs an diesem neuen Hauptbahnhof der Innenstadt halten. Als Bahnfahrender muß man also, will man die gleiche Flexibilität wie zuvor haben, künftig zuerst einmal zum Flughafen fahren. Nur hat Stuttgart einen kleinen aber ganz klaren Nachteil zu Frankfurt:

Die Fahrt mit der S-Bahn zum Flughafen dauert bei uns eben ewig!

Dieser gesamte Schwachsinn soll großenteils hauptsächlich auch noch mit unseren Steuergeldern finanziert werden. Der nicht geplante und verplante und nicht überall genehmigte Bau, es handelt sich dabei nicht allein um das Bahnhofsgebäude selbst, wird vor allem auf dem Rücken der ihn finanzieren müssenden Bevölkerung ausgetragen, die auf die verschiedenen Bahnen im und unter dem Hauptbahnhof tagtäglich angewiesen ist.

Ganz abartig ist nur, leider ist dies durch Falschinformation dem normalen Bürger vorenthalten worden, daß dieser Bahnverkehr bis zu den ersten sogenannten Baumaßnahmen auch hervorragend funktioniert hat.

Am Ärgerlichsten ist jedoch, daß diejenigen, die noch nie mit irgendwelchen Bahnen gefahren  oder auch nur einmal in Stuttgart gewesen sind, über dieses Projekt entscheiden und entschieden haben.

Es ist kaum anzunehmen, daß sowohl unsere Bundeskanzlerin, geschweige denn die zuständigen Ministerinnen und Minister oder gar die Aufsichtsräte und Manager der Bahn oder gar die Beamten und Architekten dieses Projekts, sicher auch nicht die Heerscharen der Lobbyisten, jemals die bisherigen Schienenverkehrsmittel in und rund um Stuttgart getestet oder vielmehr intensiv genutzt haben und nutzen müssen.

Diese Herrschaften, die meisten davon versehen mit kostenloser, auch aus Steuergeldern finanzierter Limousine und Chauffeur, würden sich doch nie, wie der gemeine Steuerzahler und echte Stuttgarter, so etwas plebejisches, wie Bahn- oder S-Bahnfahren antun. Alleine schon deshalb sollten sie dazu auch keinerlei Mitsprache oder gar Entscheidungsgewalt haben. Diese sollte alleine den kundigen Bahnreisenden und den nicht nur ortskundigen Gegnern von S-21 vorbehalten sein! 

Da heute schon, kurz nach dem Baubeginn, verkehrsmäßig so gut wie nichts mehr funktioniert, wird nach vorhersehbaren weiteren Katastrophen, es gab schon zu viele, vermutlich gar nichts mehr in und rund um Stuttgart funktionieren!

Macht nichts, unsere Steuergelder sind hervorragend verschwendet! Es lebe die Vetterleswirtschaft, die Korruption und der Lobbyismus!

Vielleicht brauchen auch wir in Stuttgart, bald ähnlich dem hervorragend und bestens durchgeplanten Hauptstadtflughafen, noch einmal dessen fähigen und kompetenten Manager zurück, der in der Erzielung roter Zahlen eine hervorragende Kompetenz besitzt und diese sogar mit ausreichend vielen Referenzen belegen kann.

Aber auch der Blick auf die Überschriften im inneren Politik- und Wirtschaftsteil kann mich nicht animieren, tatsächlich mehr als die abschreckenden Großbuchstaben anzusehen. Also weiter zu den heimischen und weltumschreitenden Nachrichten des täglichen Daseins, die manchmal sowohl erheiternd wie auch informativ sein können oder sein sollten.

Heute fällt mir ein Artikel ins Auge, den ich schon wegen der Überschrift

„Vermißt bei einer Kreuzfahrt“

dann doch genauer lese.

Lausi und ich haben für das nächste Jahr tatsächlich eine Kreuzfahrt auf einem Kreuzfahrtschiff gebucht. Es ist das erste Mal, daß wir eine derartige Reise machen und wir sind sehr gespannt darauf, was uns dabei erwartet!

Wecki hat eine solchige Reise abgelehnt, wie er seit langem vieles, das wir schätzen, ablehnt. Er hat angeblich besseres, vor allem sogenanntes abenteuerlicheres, vor. Das bedeutet für ihn, so etwas wie wandern, laufen, tauchen oder noch besser, so was wie Berge besteigen und dabei Hungern. Man nennt das Fastenwandern und alles ist so schrecklich gesund, wichtig für die Schönheit und für das Rentnerego.

Seine gesamten neuen Ambitionen sind für mich ziemlich unklar und gewiß nicht das, was ich mir in meinem Alter unter Urlaub vorstelle. Betrachtet man heute einmal das sogenannte „richtige Wandern“ ebenso wie das Tauchen, dann ufert das meist in Massenaufläufe von großenteils unbefriedigten, sich ständig selbst beweisenden Rentnern aus. Je mehr Leute man mit so etwas ködert, um so teurer wird der Spaß und der kostet dann beinahe genauso viel wie eine Kreuzfahrt oder eine Studienreise. Die Veranstalter wissen schließlich wo und womit man das Geld holen kann.

Wenn ich mir das Geld zusammengespart habe, es mir also gerade leisten kann, schätze ich heute das etwas bequemere Reisen. Ich liebe organisierte Reisen in für mich unbekannte Gegenden, denn die sind meist wenigstens etwas komfortabler und oft sogar noch informativer. Ich mag es, häufig unterwegs zu sein, andere Kulturen, Menschen und Länder kennenzulernen.

Heute schätze ich es gar nicht mehr, immer dasselbe Ziel zu bereisen, weil es da so schön ist, ich mich erholen kann oder weil ich mich da auskenne. Derartige Urlaube macht oder muß man machen, wenn man Kinder hat oder Fun, Events und Action braucht. Das alles kann ich eigentlich auch zu Hause haben, nur billiger! Da kommt eben auch die Schwäbin bei mir durch.

Aber ich bin abgeschweift!

Der Zeitungsartikel handelt von einem älteren Herrn, der bei einer angeblich sehr exklusiven Kreuzfahrt mit einem noch exklusiveren Schiff, was auch immer das ist oder was man dafür hält, einfach verschwunden ist. Da der Mann nach dem letzten Landgang zwar wieder an Bord gekommen war, vermutete man, da das ganze Schiff gründlich durchsucht worden war, daß er, obwohl keinerlei Seegang geherrscht hatte, über Bord gefallen war.

Man hatte sogar das Schiff gestoppt, wie auch immer das bei einem Kreuzfahrtschiff so geht und hatte mit Scheinwerfern bis in die Nacht hinein alles versucht, den schon etwas betagteren Herrn zu finden. Man muß deshalb davon ausgehen, daß er tot ist!

„Na ja“,

dachte ich,

„so was kann uns nicht passieren, denn wir sind ja durch unsere vielen Tauchreisen, auf auch recht kleinen Schiffen, so einiges gewohnt und deshalb recht seefest, wenn ich selbst auch ohne passende Medikamente immer noch schnell seekrank werde.“

Von seekrank stand aber nichts in dem Artikel über den älteren Herren und älter kann ja ebenso eine sehr weitreichende Bezeichnung sein. Manche Menschen sind schon alt wenn sie auf die Welt kommen und das verwächst sich dann bei denen auch nicht!

Herr Mahr, der Besitzer des Reisebüros in der nahen Reichsstadt, bei dem wir, seit Karle Haug (siehe: Tatort Malaysia) sich wegen des Todes seines Sohnes und der Anklage seiner Schwiegertochter wegen Mordes in Malaysia immer mehr zurückgezogen und schließlich alles übergeben hat, weiterhin unsere Reisen buchen, hatte nämlich aus eigener Erfahrung heraus versichert, daß das von uns gebuchte Kreuzfahrtschiff extrem sicher und rundum nur gut ist.

Deshalb mache ich mich nun daran, den neuesten Klatsch aus unserem Ortsteil in der Zeitung zu studieren. Anschließend versuche ich mich eben doch noch nebenbei an dem, was so reizende Männer wie Wecki als das „Bißchen Haushalt“ bezeichnen.

„Bißchen“ bei ihm vor allem deshalb, weil ich nicht den ganzen lieben langen Tag vor dem Herd stehe oder, mit Putzeimer und Staubsauger bewaffnet, mindestens acht Stunden eifrig oder diesiges wenigstens vorgebend, beziehungsweise so tun als ob, durch unser Haus renne.

Ich, Elli, wage es doch tatsächlich einfach sehr häufig, oft sogar jeden Tag, nach meiner recht gut organisierten und von mir selbst immer noch durchgeführten schnellen Haus- und sogenannter Gartenarbeit, ganz gerne dazusitzen und ein Buch zu lesen.

Immer wieder gönne ich es mir sogar, eine meiner sogenannten „geistlosen“ Sendungen in „meinem“ Fernseher anzusehen, statt die dringend benötigte, und angeblich bei den Schwaben oder sonstigen Einheimischen angesagt nötige, übliche, achttägige Naßreinigung aller Fenster durchzuführen. Auch den Gehsteig vor unserem Haus einschließlich „dem Kandl“ (Abwasserrinne zwischen Straße und Gehweg) reinige ich nicht jeden Samstag, sondern dann, wenn Bedarf besteht!

Das bedeutet weiterhin natürlich auch, daß ich nicht bereit bin, mit Wecki für so tolle Dinge wie irgendwelche Shows, mit oder ohne Volksmusik oder politisch geprägte, tendenzielle sonstige Wissenssendungen mit Talkcharakter meine Zeit zu vergeuden. Für gesponserte, gedopte und von Lobbyismus durchzogene Sportsendungen habe ich schon lange keinerlei Verständnis mehr.

Ich liebe meine Zeiten am PC, um mich über so alles Mögliche zu informieren, einzukaufen, meine Bankangelegenheiten zu tätigen oder einfach meine Ergüsse und Reiseerlebnisse niederzuschreiben.

Alle diese Dinge am PC zu erledigen habe ich im Laufe der Zeit schätzen gelernt, da Wecki früher kaum mit mir ausging und sei es nur zum Tanzen oder ins Theater.

Als dann unser Sohn Lausi auf der Welt war, hat er es dann sogar auch von jetzt auf nachher eingestellt, so was wie einen Stadtbummel am arbeitsfreien Samstag mit mir zu unternehmen oder an den Wochenenden einfach Zeit mit mir alleine zu verbringen.

Die Argumente für seine Verhinderung, besser  Interessenlosigkeit, lauteten plötzlich dann ständig und immer wieder, er habe „Wichtiges“ zu arbeiten! Was auch immer das war, es war wichtiger als wir und ist es heute immer noch!

Wichtig ist für Männer, wenigstens für sehr viele dieser Spezies, also auch für Wecki, nur ihr Dasein und das was sie tun und was sie wollen! Je älter diese Spezies wird, um so sturer, egomanischer und unbelehrbarer werden diese Männer.

Das Paradebeispiel für mich ist dazu mein Ur-großvater. Der arbeitete tagtäglich noch mit weit über achtzig Jahren bei Wind und Wetter angeblich sehr gerne im Garten, was auch immer! Bestand das Bedürfnis oder wurde der Wunsch von jemand aus der Familie ausgesprochen, daß heute doch das Gras gemäht werden müsse und ob er das nicht übernehmen könne, so mußte er gerade dann Bäume schneiden, den Hühnerstall umbauen oder Kartoffeln ernten. Er konnte also auch nie das tun worum man ihn bat oder woran gerade Bedarf bestand.

Wollte er auf einen Baum, um Äste abzuschneiden, stellte ihm mein Großonkel, ein sehr friedfertiger Mann, dann meist sogar eine Leiter an den entsprechenden Baum. Nur irgendwann geschah es eben doch, mein Urgroßvater setzte sich auf einen Ast, ignorierte stur die Leiter und sägte eben genau diesen Ast ab.

Darüber kann man sich nun verschiedene Gedanken machen, in welche Richtung auch immer! Paßt jedoch eben auf viele Männer. Nur mein Urgroßvater hat das Astabsägen nicht überlebt!

Bei mir als alter Frau, ich kann nicht sagen daß ich weiser und ruhiger geworden bin, dazu kommt, daß ich, schon wegen meines Aussehens, faltig, dick und meist nicht ganz passend für mein Alter angezogen, nicht mehr gerne ausgehe. Das  Ausgehen habe ich im Laufe der Zeit buchstäblich verlernt. Muß ich ausgehen oder mache ich es dennoch freiwillig, fühle ich mich dabei nicht mehr immer wohl.

Häufig ist es auch so, daß ich mit meiner zu direkten Art, mich über etwas auszulassen, nicht überall gut ankomme. Das kann mir auch passieren, wenn ich gar nichts von mir gebe, also allein durch meine Anwesenheit.

Seit einiger Zeit bin ich zusätzlich noch mit den Nachwirkungen einer nicht so netten Krankheit belastet. Das alles hält mich eben davon ab, diese heutigen ganzen wichtigen „Events“, genauso wie ein ständiges in den Lokalen Herumhängen, mitzumachen.

Lieber gönne ich mir ein-zweimal im Jahr eine Reise in ein Land oder in eine Gegend meiner Träume, als daß ich für viele kleine Alpträume viel Geld rauswerfe und meine nun immer kostbarer werdende Zeit vergeude. Ich bin also rundherum die perfekte Bilderbuch-Schwäbin! 

Gerade als ich nach halbwegs getaner Vorarbeit und Warten auf das Aus meines telefonischen Dienstes noch schnell meine E-Mails ansehe, sticht mir eine besonders ins Auge, denn diese kommt vom anderen Ende der Welt von jemand, den ich beinahe vergessen habe, weil er sich fast nie oder nur recht selten auf meine Mails gemeldet hatte, von Hugo, unserem Führer und Fahrer  bei unserer Tasmanienreise vor etwas über drei Jahren.

Hugo bittet mich darin, ihm mitzuteilen, ob ich gegen 21 Uhr unserer Zeit zu Hause bin und er mich dann anrufen kann. Er hätte etwas zu berichten, das auch uns einmal „betroffen“ hätte, es gehe um „Bunny“!

Bei diesem Namen klingeln alle Glöckchen in meinem Oberstübchen und ich antworte sogleich mit einem:

„Ich bin da und gespannt wie ein Regenschirm!“

Bunny war bisher das „Irrste“ was uns jemals auf einer Reise begegnet war und wir hatten ja eigentlich schon eine ganze Anzahl nicht nur irre sondern auch unglaubliche und ungewöhnliche Erlebnisse auf unseren Reisen durchgestanden. Nur Bunny war etwas ganz Besonderes gewesen, vor allem war es eine Begegnung ohne irgendeine Endinformation oder einen Abschluß. Alles war offen geblieben!

 

Bunny

 

Lausi hatte sich zu einem LLM Studium im englischsprachigen Raum beworben, um noch eine Zusatzqualifikation zum bereits kurz davor abgeschlossenen Studium und dem zweiten Staatsexamen zu erwerben. Die Zusagen dazu kamen recht schnell von einigen ausländischen Universitäten.

Australien war schon immer ein Wunschziel meines Sohnes und deshalb entschloß er sich, das Angebot der Uni in Melbourne anzunehmen, nicht nur wegen der angebotenen Fächer, sondern auch wegen des hervorragenden öffentlichen Nahverkehrs in dieser Metropole.

Da Wecki damals viel anderes zu tun hatte oder nicht, so bot ich Lausi an, mit ihm zu kommen, um einmal selbst das australische Dasein zu genießen und in der studienfreien Zeit mit ihm zusammen diesen hochinteressanten Kontinent zu erkunden. Lausi war damit einverstanden und so machten wir beide uns mit zwei Koffern auf, für beinahe ein ganzes Jahr ein total anderes Dasein  kennenzulernen.

Man lebt in Australien, so wie wir es erlebt haben, ob man es glaubt oder nicht, wirklich ganz anders als bei uns. Das fängt mit dem Wohnen an, das macht man vielfach nur auf Zeit, das heißt man mietet nur für wenige Monate und hört mit den Dingen des täglichen Daseins, wie etwa dem Waschen in australischen Waschmaschinen immer noch nicht auf. Doch das ist jetzt nicht das Thema!

Lausi hatte über die Ostertage Ferien und so suchten wir für diese Zeit eine passende Reise. Wir fanden auch recht schnell ein Angebot, das uns zusagte, mit wenigen Teilnehmern, wobei zwei die untere Grenze bildeten.