Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

© Frieling-Verlag Berlin • Eine Marke der Frieling & Huffmann GmbH & Co. KG

Rheinstraße 46, 12161 Berlin

Telefon: 0 30 / 76 69 99-0

www.frieling.de

ISBN 978-3-8280-3342-9

Auch als E-Book erhältlich (ISBN 978-3-8280-3343-6).

1. Auflage 2016

Umschlaggestaltung: Michael Reichmuth

Umschlagfoto: Claudia Herber

Illustrationen: Severin Klisch

Sämtliche Rechte vorbehalten

Inhalt

Bevor Sie sich an den verschiedenen Geschichten erfreuen dürfen, möchte ich zunächst allen Personen danken, die mich bei diesem Buchprojekt mit wertvollen Hinweisen, Sucharbeiten, Tätigkeiten und Anregungen unterstützt haben.

Ein großes Dankeschön den Bewohnern des Altenheims Margaretenhöhe in Bergisch-Gladbach und Herrn Willi Potthoff, der dort seit 40 Jahren regelmäßig mit ihnen gemeinsam singt. Er ist es auch, der mir seit 2010 in einem Zwei-Monats-Rhythmus die Möglichkeit gibt, viele Texte dieses Buches (zwei pro Veranstaltung) zwischen den Liedern vorzulesen. Ihm und den Bewohnern danke ich für das positive Echo und ihm im Besonderen für die wertvollen Anregungen.

Ebenfalls recht herzlichen Dank möchte ich Herrn Hans Schneiß aussprechen, der mit seiner ausdauernden Sammel-Tätigkeit sowie Renovierungsarbeiten das Heimat-Museum in meinem Geburtsort Irmenach entstehen ließ. Dort können sich Besucher die Dinge anschauen, die in einigen meiner Texte bei der Beschreibung von Ereignissen, manchmal auch als Hauptdarsteller, ihren Einzug gehalten haben. Das Foto für das Umschlagsbild ist in den Räumen des Heimat-Museums aufgenommen worden.

Das führt mich nun zu meiner Schulfreundin und ihrer Familie Bärtges, die die schöne Zink-Badewanne ausfindig gemacht, nach Irmenach gebracht und vor dem Fototermin in liebevoller Kleinarbeit gereinigt und zu neuem Glanz erstrahlen ließen. Simon, der Sohn meiner Schulfreundin, hat sich dankenswerterweise als Fotomodell zur Verfügung gestellt, ohne ihn wäre das Foto wie Sie es nun vorfinden, nicht möglich gewesen.

Dem Frieling-Verlag-Team, der Verlag meines Vertrauens, möchte ich ebenfalls danken und ein großes Lob aussprechen, für die stete Unterstützung in unserer sechsjährigen Zusammenarbeit. Ich freue mich, dass sie auch bei diesem Buchprojekt ihre wertvollen Erfahrungen haben einfließen lassen. Ein großes Lob und Dank möchte ich auch der Graphikerin, Frau Severin Klisch, zukommen lassen, die bereits in meinem ersten Werk „Jedes Jahr fängt ein Jahr neu an“ und auch für dieses Buch die Illustrationen auf der Basis ausgewählter Kurzgeschichten erstellt hat.

Nicht zu vergessen, gilt Ihnen, meinen Lesern und Leserinnen, mein Dank für Ihr Interesse an diesem Buch – ich hoffe, es ruft bei Ihnen ebenfalls ein positives Echo hervor. Herzlichen Dank, Ihre Claudia Herber

Samstags war Badetag!

Samstags war Badetag! Jede Woche begann das Baden fast pünktlich nach dem Kaffee gegen 16.00 Uhr. Der Beginn vom Wochenende und Ruhe von der Arbeit! Und jeder freute sich, ob groß oder klein.

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen – so lautete das Motto. Die Aufgaben waren stets fest verteilt. Mein Vater und mein Bruder stellten große Eintopfkessel auf den Herd. Meine Mutter heizte den Ofen und legte die Badetücher aufs Ofenrohr. Meine Schwester stapelte die Unterwäsche, die meine Mutter aussuchte, auf dem Sofa im Wohnzimmer. Jeden Samstag wurde für eine Weile die Küche zum Badezimmer.

Zwei Personen trugen immer die Zinkwanne aus dem Keller in die Küche. „Pass auf den Holzkorb auf, der rechts steht“, rief mein Vater. „Drück nicht so stark von unten, ich kann nicht so schnell“, rief ich ihm zu. War erst der Engpass am letzten Absatz überwunden, hatte das Schieben und Drängen ein Ende. Die Wanne war oben. „Hurra! Geschafft!“ Einmal noch die Wanne umdrehen und vorm Spülbecken aufstellen. Letzter Test bevor es losgehen konnte. Kurz anstoßen – gut – die Wanne steht sicher! Links neben dem Spülbecken standen der Putzeimer und der rote Schlauch – zum Einsatz bereit! „Braucht noch jemand etwas von oben?“, war oft die Kontroll-Frage, die das Startsignal gab. Dann war es soweit. Das Wasser im Kessel war heiß! Der Ofen noch gut gefüllt. Der rote Schlauch wurde an den Wasserhahn gesteckt. Das kalte Wasser lief dann durch den Schlauch in die Wanne. Gleichzeitig kippte mein Vater oder einer meiner Brüder das heiße Wasser in die Wanne. „Stopp“, rief meine Mutter mir zu „kein kaltes Wasser mehr. Erst mal testen.“ Der Zeigefinger meines Vaters ersetzte das Thermostat. „Noch ein wenig zu heiß.“ Also ein wenig kaltes Wasser hinzu, Wasserhahn erneut schließen und letzte Kontrolle – perfekt. Doch der Schlauch blieb noch ein wenig im Einsatz. Damit füllte nun mein Vater erneut den geleerten Kessel. Für die dritte Bade-Runde. Die Bade-Runden waren exakt festgelegt. Erste Runde mit meinem Vater als erster - meine Mutter war die Nummer zwei. Zweite Runde waren mein älterer Bruder und meine ältere Schwester. In der letzten Schicht mein anderer Bruder und zum Schluss ich!

Haarewaschen war ebenfalls Pflicht! Mit Hilfe eines alten Milchtopfes gelang es ganz gut. Oft wurden nicht nur die Haare nass, sondern auch der Fußboden. „Kannst du nicht besser aufpassen!“, ermahnte meine Mutter dann den Übeltäter. Ein Griff zum Putztuch gehörte ebenso zum Badetag wie das Baden selbst.

Die Haare trocknete jeder anders. Mein Vater trocknete seine spärlichen Haare an der Luft. Meine Mutter benutzte Wickler für ihre Locken. Und wir Kinder reichten den Föhn von einem zum anderen.

Zwischen jeder Bade-Runde hieß es – Putzeimer – dein Einsatz, bitte! Eimer für Eimer leerte einer meiner Geschwister die Wanne. Auch ich kam manchmal zum Einsatz. Der Abfluss am Küchen-Becken hatte Groß-Einsatz an diesem Tag. Einmal jedoch hatte ich nur wenig Kraft. Dann passierte es. Der dritte landete – oh Schreck – nicht im Becken, sondern daneben. Platsch – das Wasser ergoss sich über den Fußboden und der Eimer tanzte auf dem Fußboden. Aufwischen, aber schnell! Ein Putztuch allein reichte nicht aus – hier war mehr gefragt – mehr Hilfe, die Unterstützung durch meine Geschwister und ich auch!

Als die Bilder laufen lernten!

Freizeit in den fünfziger Jahren – wenn es die überhaupt gab! Meistens musste die Familie in der knappen Freizeit viele notwendige Dinge erledigen. Bestellen des Gartens, Reparaturen an Haus oder Wohnung, Fahrräder wieder flott machen und vieles mehr. Nach dem gemeinsamen Abendessen in der Küche blieb kaum noch Zeit für etwas anderes. In den langen Sommernächten blieb noch etwas Zeit für einen Spaziergang oder den Plausch mit dem Nachbarn. Ein Dorf bot damals noch wenig Abwechslung.

Doch dann kam die Erfindung – das Kino im eigenen Haus – der Fernseher ist da! Der Wunsch, einen selbst zu besitzen, war bei vielen vorhanden. Auch mein Vater unterschied sich da nicht von den anderen. Mit den finanziellen Mitteln, die er besaß, kaufte er Ende der fünfziger Jahre den ersten Fernseher in unserer Straße. Was für eine Überraschung – doch noch eine größere folgte danach. Die Nachbarschaft klopfte an, wenn es eine interessante Sendung im Fernsehen gab. Besonders beliebt waren die Karneval-Sitzungen.

Am Karnevals-Freitag platzte unser Wohnzimmer am Abend aus allen Nähten. Bereits zwei Stunden bevor die Sendung anfing, räumte meine Mutter das Wohnzimmer auf und stellte Stühle hinzu, wo es noch an Platz fehlte. Wichtig war auch, dass alle Teilnehmer einen Blick auf den Fernseher werfen konnten. So mancher Stuhl wurde öfters hin und her geschoben. Die Gläser für die mitzubringenden Getränke mussten ebenfalls bereitgestellt werden. Für Wein, Bier und Limonade! Chips und Erdnuss-Flips verführten zum Griff in die Schüssel. Wir Kinder mussten an diesen Abenden bereits früh ins Bett – leider, keine Chance dem Fernseh-Ereignis beizuwohnen. Schauen vielleicht nicht, aber hören! Unser Haus war damals sehr klein, das Wohnzimmer war genau unter dem Zimmer, wo ich schlief.

Sobald die Nachbarn alle Platz genommen und der Fernseher eingeschaltet war, wurde ich aktiv. Ganz langsam huschte ich aus dem Bett und über den Schlafzimmer-Boden. Wichtig war es, kein Geräusch zu machen! Das würde sonst meine Mutter auf den Plan rufen. Ich legte meine Ohren auf den Fußboden und versuchte etwas vom Fernseh-Programm zu hören. Nur sehr schwach drangen die Laute an mein Ohr. Also blieb mir nichts anderes übrig, als den nächsten Schritt zu wagen. Ich zog mich über den Fußboden aus dem Schlafzimmer in den Flur bis an die Treppenstufe. Doch meine Hoffnung wurde nicht erfüllt. Hier oben – ein wenig abseits vom Fernseher, konnte ich noch weniger lauschen. Also was tun? Blieb nur noch die Lösung, mich vor die Wohnzimmer-Tür zu stellen. Leise und ganz langsam schritt ich die Treppe hinunter – bemüht, jeden Krach oder Knacks zu vermeiden. Stück für Stück kam ich meinem Ziel näher. Unten angekommen, blieb ich erst mal einen Moment stehen und atmete tief durch. „Puh! Geschafft!“, ging es mir durch den Kopf. Nach einer kurzen Weile schlurfte ich mit meinen Pantoffeln Richtung Wohnzimmer-Tür und blieb direkt davor stehen. Super! Jetzt konnte ich alles deutlich hören. Es wurde geschunkelt, geredet und die Nachbarn sangen manch bekanntes Lied mit. Sie alle saßen gemütlich im warmen Wohnzimmer. Ich jedoch stand draußen – im Flur und somit in der Kälte. Es war ja Winter und unsere Haustür nicht sehr dicht. Durch die Ritzen drang die Kälte hinein. Ich zitterte in meinem Schlafanzug – doch nicht lange! Denn bevor ich mich versah, wurde die Tür von innen aufgerissen. Meine Mutter stand vor mir. Ein Donnerwetter begann – keine Chance für mich. Meine Mutter scheuchte mich die Treppe hinauf und ermahnte mich erneut „Du schläfst jetzt – ich will dich nicht mehr hier unten sehen.“ Geknickt ging ich nach oben, mein Plan war dahin – oder doch nicht? Sollte ich es vielleicht noch einmal versuchen?

Der Sonntagsspaziergang

Sonntag – der besondere Tag der Woche! Als Kind habe ich diesen Tag immer gehasst. Dafür gab es viele Gründe. Sonntags durfte ich als Kind nicht draußen spielen, keine Kleidung tragen wie an den anderen Wochentagen. Nein, es musste etwas Feines sein. Zwischen meinem 3. und 10. Lebensjahr suchte meist meine Mutter das passende für den Tag aus. Mit den Worten: „Dieses Kleid ziehst du heute an – es ist ja warm draußen, aber mach dich nicht schmutzig!“, schränkte meine Mutter meine Möglichkeiten für den Tag ein. „Aha“, dachte ich im Stillen, kein Spielen draußen, kein Fahrradfahren, kein Klettern auf den Bäumen. Aber der Sonntag-Spaziergang, der fand statt ohne Wenn und Aber, nur wenn es heftig regnete, fiel er aus. Selten fand er vor dem Nachmittagskaffee statt. Auch das hatte Tradition. Meine Eltern ruhten nacheinander auf der Couch im Wohnzimmer. Während meine Mutter mit uns Kindern das Geschirr vom Sonntagsessen spülte und die Küche aufräumte, schlief unser Vater seinen Mittagsschlaf. Danach hatte meine Mutter die Chance, eine Stunde ihre Beine auszustrecken. Gegen 15.30 Uhr spätestens musste der Kaffee gekocht werden. War meine Mutter noch nicht wach, gab es für meinen Vater kein Pardon – er weckte sie. Ein pünktliches Kaffeetrinken war Pflicht. Dabei hatte ich einen weiteren Auftrag zu erfüllen „Claudia, hol den Kuchen aus dem Vorratsschrank im Keller.“ Ich eilte in unseren Gewölbe-Keller und nahm die Köstlichkeit heraus. Im Sommer waren es meist Erdbeer- oder andere Früchtekuchen. Der Herbst zauberte Pflaumen- und Apfelkuchen hervor. Und in der goldenen Adventszeit war es das Weihnachtsgebäck, das den Tisch zierte.

Oben angekommen, deckte ich den Tisch ein, die Personenanzahl wechselte mit der Anwesenheit meiner Geschwister. Die Tafelrunde konnte beginnen. Bereits kurze Zeit später, wenn die Küche wieder in der gewohnten Reinheit blinkte, brachen wir auf – zu dem allsonntäglichen Spaziergang. Mein Vater legte die Route je nach seiner Lust und Laune fest. Wollte er kurz seinen Bruder sehen, der im Nachbarort seinen Bauernhof hatte, ging es erst durch den Wald und dann hinunter zu unserem Ziel. Auf dem Weg dorthin hatte ich manche Anstrengung durchzustehen. Nicht wegen der Laufgeschwindigkeit – nein!

Einen privaten Unterricht der besonderen Art musste ich überstehen, mit meinem Vater als Lehrer. Mit Fragen über die Natur: „Welcher Baum wächst hier?“ – „Schau mal die Früchte am Baum, wie heißen sie?“ – „Kennst du alle Getreide-Sorten, die die Bauern hier anbauen?“ – die Liste könnte ich beliebig fortsetzen. Mein Vater war strenger als meine Lehrer in der Schule. Wehe, wenn ich Buche mit Eiche verwechselt hatte. „Ich habe dir das doch schon ein paar Mal gezeigt und du weißt es immer noch nicht!“, war dann die ungeduldige Antwort meines Vaters. Mehr noch, regelrechter Frust tat sich bei ihm auf, weil ich schon wieder etwas verwechselt oder nicht gewusst hatte. Seine Bemühungen in all den Jahren waren vergebens, so seine Meinung. Dabei war ich doch erst in der letzten Klasse der Grundschule und somit hatten wir einige Pflanzen noch gar nicht erklärt bekommen. Das war kein vernünftiger Grund für meine Unwissenheit, die mein Vater akzeptiert hätte. Vielleicht waren es gerade diese Erfahrungen vom Sonntagsspaziergang, die mich eine geraume Zeit zur Regen-Liebhaberin machten. Regen bedeutete keinen Sonntagsspaziergang und somit auch keine Fragen meines Vaters. Doch so ganz ohne Unterricht konnte auch ein Regen-Sonntag nicht sein. Statt der Natur war dann Politik sein Thema.

Heute liebe ich meine Spaziergänge und nutze jede Möglichkeit dazu. Denn ich muss keine Fragen mehr beantworten. Und wenn ich nun auf meinen Runden bekannte Bäume oder Pflanzen entdecke, muss ich oft an meinen Vater denken. Im Stillen leiste ich ihm Abbitte und bin dankbar für seinen „strengen Unterricht“ – kann ich heute doch Buche und Eiche unterscheiden.

Buntes Leben im Dorf

In meiner Kindheit gab es dies noch! Und zwar einmal im Jahr wurde unser Dorf ein Sammelort für viele Fahrleute aus dem In- und Ausland. Viele bunte Zigeunerwagen zierten unseren Marktplatz und verwandelten diesen in bunte Farben.

Als Kind wurde ich immer ermahnt, ja keinen Kontakt mit diesen Menschen zu suchen oder sich an deren Sammelort zu begeben. Warum nur? Diese Menschen lebten ihr Fahrtenleben in bunter Vielfalt – es wurde gesungen unter freiem Himmel und es wurden Geschichten erzählt. Die Worte meiner Eltern konnten mich nicht davon abbringen, mit meinem Fahrrad ihren Zeltplatz zu umrunden und den Menschen bei ihrer Arbeit oder ihren Tätigkeiten zu zuschauen. Was konnte ich alles dort entdecken!

Flechter saßen auf dem Fußboden, auf einer kleinen Decke vor sich die Werkzeuge ausgebreitet. Sie banden in einer fast unerschöpflichen Geduld wunderschöne Körbe, die sie während ihrer Fahrt verkauften. Die Frauen zogen umher, wollten uns die Zukunft aus unserer Hand voraussagen. Oder sie zogen und klopften von Haustür zu Haustür, boten ihre Waren wie handgefertigte Körbe oder bunte Tücher an. Viele von ihnen bemühten sich vergebens – ihnen wurde kein Einlass gewährt. Ich konnte das nie verstehen, denn ich fand diese Lebensweise mehr als aufregend. Seit ich ein Jugendbuch über die Geschichte und Tradition der Roma gelesen hatte, konnte ich diese Besucher noch besser verstehen.