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H. G. Wells

Die Insel des Dr. Moreau

H. G. Wells

Die Insel des Dr. Moreau

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2020
Übersetzung: Felix Paul Greve
2. Auflage, ISBN 978-3-954189-22-9

null-papier.de/432

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Ein­lei­tung

1. Im Ret­tungs­boot der Lady Vain

2. Der Mann der nir­gends hin­ging

3. Das un­heim­li­che Ge­sicht

4. An Bord des Scho­ners

5. Der Mann, der nicht wuss­te, wo­hin ge­hen

6. Die ver­däch­ti­gen Boots­leu­te

7. Die ver­schlos­se­ne Tür

8. Der Schrei des Pu­mas

9. Un­heim­li­che Be­geg­nun­gen

10. Der Schrei des Men­schen

11. Die Jagd auf den Men­schen

12. Die Spre­cher des Ge­set­zes

13. Eine Un­ter­re­dung

14. Dok­tor Mo­reau er­klärt

15. Über das Tier­volk

16. Wie das Tier­volk Blut kos­te­te

17. Eine Ka­ta­stro­phe

18. Mo­re­aus Auf­fin­dung

19. Mont­go­me­rys Fei­er­tag

20. Al­lein mit dem Tier­volk

21. Die Ver­wil­de­rung des Tier­volks

22. Der Mensch al­lein

Dan­ke

Dan­ke, dass Sie sich für ein E-Book aus mei­nem Ver­lag ent­schie­den ha­ben.

Soll­ten Sie Hil­fe be­nö­ti­gen oder eine Fra­ge ha­ben, schrei­ben Sie mir.

 

Ihr
Jür­gen Schul­ze

Einleitung

Am 1. Fe­bru­ar 1887 ging die La­dy Vain durch Kol­li­si­on mit ei­nem Wrack ver­lo­ren, als sie sich etwa auf 1° süd­li­cher Brei­te und 107° west­li­cher Län­ge be­fand.

Am 5. Ja­nu­ar 1888 – das heißt, elf Mo­na­te und vier Tage spä­ter – wur­de mein On­kel Ed­ward Pren­dick, ein Pri­vat­mann, der ganz be­stimmt in Cal­lao an Bord der La­dy Vain ge­gan­gen war und für er­trun­ken ge­hal­ten wur­de, un­ter 5° 3' süd­li­cher Brei­te und 101° west­li­cher Län­ge in ei­nem klei­nen, of­fe­nen Boot auf­ge­fischt, des­sen Name un­les­bar war, das aber ver­mut­lich zu dem ver­miss­ten Scho­ner1I­pe­ca­cuan­ha ge­hört hat­te. Sein Be­richt klang so selt­sam, dass man ihn für wahn­sin­nig hielt. Spä­ter er­klär­te er, vom Mo­ment des Ver­las­sens der La­dy Vain an kön­ne er sich an nichts mehr er­in­nern. Sein Fall wur­de da­mals als ein merk­wür­di­ges Bei­spiel für Ge­dächt­nis­schwund in­fol­ge von phy­si­scher und geis­ti­ger Übe­r­an­stren­gung un­ter Psy­cho­lo­gen viel be­spro­chen. Die fol­gen­de Er­zäh­lung fand der Un­ter­zeich­ne­te, sein Nef­fe und Erbe, un­ter sei­nen Pa­pie­ren; sie war je­doch von kei­ner de­fi­ni­ti­ven Bit­te um Ver­öf­fent­li­chung be­glei­tet.

Die ein­zi­ge In­sel, von der man in der Ge­gend, wo mein On­kel auf­ge­fischt wur­de, weiß, ist No­bles Is­le, eine klei­ne un­be­wohn­te vul­ka­ni­sche In­sel. Sie wur­de 1891 von I. M. S. Scor­pio be­sucht. Eine Schar von Ma­tro­sen lan­de­te, fand aber nichts Le­ben­di­ges au­ßer merk­wür­di­gen wei­ßen Nacht­schmet­ter­lin­gen, ei­ni­gen Schwei­nen und Ka­nin­chen und ein paar ziem­lich ei­gen­tüm­li­chen Rat­ten. Von die­sen nahm man kei­ne Exem­pla­re mit. Also bleibt die­se Er­zäh­lung in ih­rem we­sent­lichs­ten Punkt un­be­stä­tigt. Dies vor­aus­ge­schickt, scheint es mir un­ge­fähr­lich, die­se un­heim­li­che Ge­schich­te im Ein­klang, wie ich glau­be, mit den Ab­sich­ten mei­nes On­kels vor das Pub­li­kum zu brin­gen. We­nigs­tens das lässt sich für sie sa­gen: mein On­kel ver­schwand auf etwa 5° süd­li­cher Brei­te und 105° west­li­cher Län­ge aus den Au­gen der Men­schen, und er er­schi­en nach elf Mo­na­ten in der­sel­ben Ge­gend des Ozeans wie­der. Wäh­rend der Zwi­schen­zeit muss er auf ir­gend­ei­ne Wei­se ge­lebt ha­ben. Und es hat sich her­aus­ge­stellt, dass ein Scho­ner na­mens I­pe­ca­cuan­ha mit ei­nem be­trun­ke­nen Ka­pi­tän John Da­vis tat­säch­lich im Ja­nu­ar 1887 mit ei­nem Puma und an­de­ren Tie­ren an Bord von Ari­ca aus­ge­lau­fen ist: das Fahr­zeug war in ver­schie­de­nen Hä­fen der Süd­see wohl­be­kannt, und es ver­schwand (mit ei­ner be­trächt­li­chen La­dung Ko­pra an Bord) end­gül­tig aus die­sen Mee­ren, als es im De­zem­ber 1887, ei­nem Da­tum, das völ­lig zu mei­nes On­kels Er­zäh­lung stimmt, von Ba­n­ya aus sei­nem un­be­kann­ten Schick­sal ent­ge­gen­se­gel­te.

Charles Ed­ward Pren­dick


  1. Scho­ner = Se­gel­schiff mit meh­re­ren Mas­ten  <<<

1. Im Rettungsboot der Lady Vain

Ich habe nicht die Ab­sicht, dem, was be­reits über den Ver­lust der La­dy Vain ge­schrie­ben ist, noch et­was hin­zu­zu­fü­gen. Wie je­der­mann weiß, kol­li­dier­te sie zehn Tage nach ih­rer Aus­fahrt aus Cal­lao mit ei­nem Wrack. Das Lang­boot wur­de nach acht­zehn Ta­gen von I. M. Ka­no­nen­boot Myrt­le mit sie­ben Mann von der Mann­schaft auf­ge­fischt, und die Ge­schich­te ih­rer Lei­den und Ent­beh­run­gen ist fast eben­so be­kannt ge­wor­den wie der weit schreck­li­che­re Fall der Me­du­sa. Ich habe je­doch jetzt der be­reits ver­öf­fent­lich­ten Ge­schich­te der La­dy Vain eine an­de­re, eben­so grau­en­haf­te und je­den­falls viel merk­wür­di­ge­re hin­zu­zu­fü­gen. Man hat bis­her an­ge­nom­men, die vier Leu­te, die in dem Ret­tungs­boot wa­ren, sei­en um­ge­kom­men. Aber das ist nicht rich­tig. Ich habe den bes­ten Be­weis für die­se Be­haup­tung: Ich bin ei­ner von den vier Leu­ten.

Aber zu­nächst muss ich fest­stel­len, dass im Ret­tungs­boot nie­mals vier Leu­te ge­we­sen sind; die Zahl be­trug drei. Const­ans, den »der Ka­pi­tän in die Gig sprin­gen sah« (Dai­ly News, 17. März 1887), er­reich­te uns zu un­se­rem Glück, zu sei­nem Un­glück nicht. Er sprang aus dem Ge­wirr von Tau­en un­ter den Stre­ben des zer­schmet­ter­ten Bugs­priets her­aus; ein klei­nes Tau fass­te sei­nen Ab­satz, als er loss­prang, und er hing einen Au­gen­blick mit dem Kopf nach un­ten, dann fiel er und schlug auf einen Block oder Bal­ken, der im Was­ser schwamm. Wir ru­der­ten zu ihm, aber er kam nicht wie­der an die Ober­flä­che.

Ich sage, zum Glück für uns er­reich­te er uns nicht, und ich könn­te bei­na­he hin­zu­fü­gen, zum Glück für ihn, denn wir hat­ten nur ein klei­nes Fass Was­ser und et­was nass­ge­wor­de­nen Schiffs­zwie­back bei uns – so plötz­lich war der Alarm ge­we­sen, so un­vor­be­rei­tet das Schiff auf je­den Un­glücks­fall. Wir mein­ten, die Leu­te im Lang­boot sei­en bes­ser ver­se­hen (frei­lich scheint das nicht der Fall ge­we­sen zu sein), und wir ver­such­ten, sie zu ru­fen. Sie hat­ten uns nicht hö­ren kön­nen, und als sich am an­de­ren Tage der Sprüh­ne­bel auf­klär­te – was erst nach Mit­tag ge­sch­ah–, war nichts mehr von ih­nen zu se­hen. Wir konn­ten we­gen des Schau­kelns des Boo­tes nicht auf­ste­hen, um uns um­zu­bli­cken. Die See lief in großen Roll­wo­gen, und wir hat­ten viel Ar­beit, um ih­nen die Spit­ze des Boots ent­ge­gen­zu­hal­ten. Die zwei an­de­ren Leu­te, die sich mit mir zu­sam­men ge­ret­tet hat­ten, wa­ren ein Mann na­mens Hel­mar, wie ich ein Pas­sa­gier, und ein Ma­tro­se, des­sen Na­men ich nicht mehr weiß, ein kur­z­er, stäm­mi­ger Mann, der stot­ter­te.

Wir trie­ben hun­gernd und, nach­dem uns das Was­ser aus­ge­gan­gen war, von ei­nem un­er­träg­li­chen Durst ge­quält, acht Tage lang um­her. Nach dem zwei­ten Tage leg­te sich die See zu gla­si­ger Ruhe. Der Le­ser kann sich die­se acht Tage wohl kaum vor­stel­len. Nach dem ers­ten Tage spra­chen wir nur noch we­nig mit­ein­an­der; wir la­gen auf un­se­ren Plät­zen im Boot und starr­ten auf den Ho­ri­zont oder be­ob­ach­te­ten mit Au­gen, die von Tag zu Tag wei­ter und hoh­ler wur­den, das Elend und die Schwä­che, die un­se­re Ge­fähr­ten über­wäl­tig­ten. Die Son­ne wur­de er­bar­mungs­los. Das Was­ser war am vier­ten Tag zu Ende, und wir dach­ten schon un­heim­li­che Din­ge; aber ich glau­be, erst am sechs­ten gab Hel­mar dem Aus­druck, wor­an wir alle drei dach­ten. Un­se­re Stim­men wa­ren so tro­cken und dünn, dass wir uns zu­ein­an­der hin­neig­ten und mit den Wor­ten spar­sam um­gin­gen. Ich wi­der­setz­te mich mit al­ler Macht, woll­te lie­ber, wir bohr­ten das Boot an und kämen zu­sam­men un­ter den Hai­en um, die uns folg­ten; aber als Hel­mar sag­te, wenn man sei­nem Vor­schlag fol­ge, hät­ten wir zu trin­ken, schloss der Ma­tro­se sich ihm an.

Ich woll­te aber kein Los zie­hen, und nachts flüs­ter­te der Ma­tro­se im­mer wie­der mit Hel­mar, und ich saß im Bug, mein Klapp­mes­ser in der Hand – frei­lich zweifle ich, ob ich das Zeug zum Kampf in mir hat­te. Und am Mor­gen stimm­te ich Hel­mars Vor­schlag zu und wir war­fen einen Gro­schen, um den Über­zäh­li­gen zu fin­den.

Das Los fiel auf den Ma­tro­sen, aber er war der Stärks­te von uns und woll­te sich nicht fü­gen; er griff Hel­mar an. Sie ran­gen mit­ein­an­der und stan­den da­bei auf. Ich kroch durchs Boot zu ih­nen hin und woll­te Hel­mar hel­fen, in­dem ich den Ma­tro­sen am Bein pack­te; aber der Ma­tro­se stol­per­te, weil das Boot so schwank­te, und die bei­den fie­len auf den Rand und roll­ten zu­sam­men über Bord. Sie san­ken wie die Stei­ne. Ich er­in­ne­re mich, dass ich dar­über lach­te und mich wun­der­te, warum ich lach­te. Das La­chen pack­te mich wie et­was, das gar nicht zu mir ge­hör­te, son­dern von au­ßen kam.

Ich lag, ich weiß nicht wie lan­ge, auf ei­ner der Ru­der­bän­ke und dach­te, wenn ich nur die Kraft hät­te, woll­te ich Meer­was­ser trin­ken und mich wahn­sin­nig ma­chen, um schnell zu ster­ben. Und wäh­rend ich noch so dalag, sah ich ein Se­gel über den Ho­ri­zont zu mir her­auf­kom­men, aber ich be­trach­te­te es völ­lig un­be­tei­ligt, als hand­le es sich um ein Bild. Mein Geist muss ge­wan­dert sein, und doch be­sin­ne ich mich ganz deut­lich auf al­les, was ge­sch­ah. Ich er­in­ne­re mich, wie mein Kopf mit den Wel­len schwank­te, und wie der Ho­ri­zont mit dem Se­gel dar­über auf und nie­der tanz­te. Aber ich ent­sin­ne mich nicht min­der deut­lich, dass ich über­zeugt war, ich sei tot, und dass ich dach­te, welch ein Scherz es sei, dass die­se Leu­te, die nur umso we­nig zu spät ka­men, mich nicht mehr le­ben­dig vor­fin­den wür­den.

Eine end­lo­se Zeit, so schi­en es mir, lag ich mit mei­nem Kopf auf der Ru­der­bank und be­ob­ach­te­te den tan­zen­den Scho­ner – es war ein klei­nes Schiff, vorn und hin­ten wie ein Scho­ner ge­ta­kelt –, der aus dem Meer her­auf­kam. Er la­vier­te in im­mer wei­te­ren Bo­gen hin und her, denn er se­gel­te tot in den Wind. Es fiel mir kei­nen Au­gen­blick ein, den Ver­such zu ma­chen und die Auf­merk­sam­keit auf mich zu len­ken, und ich er­in­ne­re mich an nichts mehr deut­lich, bis ich mich in ei­ner klei­nen Ka­bi­ne wie­der­fand. Ich habe eine dunkle Erin­ne­rung, dass ich das Fall­reep1 hin­auf­ge­ho­ben wur­de und ein großes, ro­tes Ge­sicht sah, das mit Som­mer­spros­sen be­deckt und von ro­tem Haar um­ge­ben war und mich über die Re­ling her an­starr­te. Ich hat­te auch den zu­sam­men­hang­lo­sen Ein­druck, ein dunkles Ge­sicht mit merk­wür­di­gen Au­gen zu er­ken­nen, die mir ganz nahe wa­ren; aber das hielt ich für einen Alp, bis ich es wie­der­sah. Ich ent­sin­ne mich fer­ner, dass mir ir­gen­det­was zwi­schen die Zäh­ne ge­gos­sen wur­de. Und das ist al­les.


  1. an der Bord­wand ei­nes Schif­fes her­ab­lass­ba­re Trep­pe  <<<

2. Der Mann der nirgends hinging

Die Ka­bi­ne, in der ich mich be­fand, war klein und ziem­lich un­sau­ber. Ein noch jun­ger Mann mit Flachs­haar, ei­nem bors­ti­gen, stroh­far­be­nen Schnurr­bart und hän­gen­der Un­ter­lip­pe saß bei mir und hielt mein Hand­ge­lenk. Eine Mi­nu­te lang blick­ten wir ein­an­der an, ohne zu spre­chen. Er hat­te wäß­ri­ge, graue, merk­wür­dig aus­drucks­lo­se Au­gen.

Dann hör­te ich ge­ra­de über uns ein Geräusch, wie wenn eine ei­ser­ne Bett­stel­le um­her­ge­wor­fen wird, und dann das lei­se, wü­ten­de Knur­ren ei­nes großen Tie­res. Zu­gleich sprach der Mann wie­der.

Er wie­der­hol­te sei­ne Fra­ge: »Wie füh­len Sie sich?«

Ich glau­be, ich sag­te, dass ich mich ganz wohl fühl­te. Ich konn­te mich nicht be­sin­nen, wie ich hier­her­ge­kom­men war. Er muss mir die Fra­ge vom Ge­sicht ab­ge­le­sen ha­ben, denn ich selbst brach­te kein Wort her­vor.

»Sie wur­den in ei­nem Boot ge­fun­den – am Ver­hun­gern. Auf dem Boot stand der Name La­dy Vain, und auf dem Bor­d­rand wa­ren Blut­fle­cken.« Zu glei­cher Zeit fiel mein Blick auf mei­ne Hand: Sie war so dünn, dass sie wie ein schmut­zi­ger Haut­sack voll lo­ser Kno­chen aus­sah, und die gan­ze Sa­che mit dem Boot fiel mir wie­der ein.

»Neh­men Sie et­was hier­von«, sag­te er und gab mir eine Do­sis von ei­nem ge­fro­re­nen ro­ten Zeug.

Es schmeck­te wie Blut, aber es schi­en mich zu stär­ken.

»Sie ha­ben Glück ge­habt«, sag­te er, »dass Sie von ei­nem Schiff mit ei­nem Arzt an Bord auf­ge­fischt wur­den.« Er sprach mit sab­bern­der Ar­ti­ku­la­ti­on und ei­ner Spur von Lis­peln.

»Was für ein Schiff ist dies?«, frag­te ich lang­sam, von mei­nem lan­gen Schwei­gen hei­ser.

»Es ist ein klei­ner Kauf­fah­rer1 von Ari­ca und Cal­lao. Ich habe nicht ge­fragt, wo­her er ur­sprüng­lich ge­kom­men ist. Aus dem Land der Nar­ren, ver­mut­lich. Ich sel­ber bin Pas­sa­gier von Ari­ca. Der al­ber­ne Esel, dem es ge­hört – er ist zu­gleich Ka­pi­tän, heißt Da­vis –, hat sein Pa­tent ver­lo­ren oder so­was. Sie ken­nen die Art Mann – nennt das Ding die I­pe­ca­cuan­ha. Frei­lich, wenn viel See ist und kein Wind, da läuft es ganz or­dent­lich.«

Da be­gann oben der Lärm von Neu­em: ein knur­ren­des Brum­men und zu­gleich die Stim­me ei­nes mensch­li­chen We­sens. Dann sag­te eine an­de­re Stim­me ei­nem »gott­ver­las­se­nen Idio­ten«, er sol­le auf­hö­ren.

»Sie wa­ren fast tot«, sag­te mein Ge­gen­über. »Es hing wirk­lich an ei­nem Haar. Aber ich habe Ih­nen ei­ni­ges Zeug ein­ge­ge­ben. Se­hen Sie die Arm­wun­den? In­jek­tio­nen. Sie sind seit fast drei­ßig Stun­den ohn­mäch­tig ge­we­sen.«

Ich dach­te lang­sam. Jetzt lenk­te mich das Bel­len ei­ner An­zahl Hun­de ab. »Kann ich fes­te Nah­rung zu mir neh­men?«, frag­te ich.

»Und mir ha­ben Sie’s zu dan­ken«, sag­te er. »Das Ham­mel­fleisch kocht schon.«

»Ja«, sag­te ich mit Zu­ver­sicht, »ich könn­te ein we­nig Ham­mel­fleisch es­sen.«

»Aber«, sag­te er mit mo­men­ta­nem Zö­gern, »wis­sen Sie, ich möch­te um mein Le­ben gern er­fah­ren, wie es kam, dass Sie al­lein in dem Boot wa­ren.« Ich glaub­te in sei­nen Au­gen einen ge­wis­sen Ver­dacht zu ent­de­cken.

»Ver­damm­tes Heu­len!«

Er ver­ließ die Ka­bi­ne plötz­lich, und ich hör­te ihn hef­tig mit je­man­dem schel­ten, der ihm in Rot­welsch zu ant­wor­ten schi­en. Es klang, als en­de­te die Sa­che mit Schlä­gen, aber dar­in, glau­be ich, täusch­ten mei­ne Ohren sich. Dann rief er den Hun­den zu und kam in die Ka­bi­ne zu­rück.

»Nun?«, frag­te er in der Tür. »Sie woll­ten ge­ra­de an­fan­gen, mir zu er­zäh­len.«

Ich nann­te ihm mei­nen Na­men, Ed­ward Pren­dick, und sag­te ihm, wie ich mich auf die Na­tur­wis­sen­schaft ver­legt hat­te, um die Lan­ge­wei­le mei­ner be­hag­li­chen Un­ab­hän­gig­keit los­zu­wer­den. Das schi­en ihn zu in­ter­es­sie­ren. »Ich habe sel­ber ein we­nig Na­tur­wis­sen­schaft ge­trie­ben – habe mei­ne Bio­lo­gie auf der Uni­ver­si­tät ge­macht – dem Re­gen­wurm den Eier­stock raus­ge­holt und der Schne­cke die Ra­du­la und all das. Him­mel! Es sind zehn Jah­re her. Aber fah­ren Sie fort, fah­ren Sie fort – er­zäh­len Sie mir von dem Boot.«

Er war of­fen­bar be­züg­lich der Auf­rich­tig­keit mei­ner Er­zäh­lung be­frie­digt, ob­gleich ich in ziem­lich knap­pen Sät­zen be­rich­te­te – denn ich fühl­te mich furcht­bar schwach –, und als sie zu Ende war, kam er so­fort auf das The­ma der Na­tur­wis­sen­schaft und sei­ne ei­ge­nen bio­lo­gi­schen Stu­di­en zu­rück. Er be­gann mich ge­nau nach der Tot­ten­ham Court Road und der Gower Street zu be­fra­gen. »Exis­tiert Ca­b­lat­zi noch? Was für ein La­den das war!« Er war of­fen­bar ein sehr durch­schnitt­li­cher Stu­dent der Me­di­zin ge­we­sen, und un­auf­halt­sam steu­er­te er das The­ma Ver­gnü­gungs­lo­ka­le an. Er er­zähl­te mir ein paar An­ek­do­ten. »Al­les auf­ge­ge­ben«, sag­te er. »Vor zehn Jah­ren. Wie ul­kig al­les war! Aber ich habe einen Esel aus mir ge­macht … Hab’ mich raus­ge­spielt, eh’ ich ein­und­zwan­zig war. Ich kann mir den­ken, jetzt ist al­les an­ders … Aber ich muss mal nach dem Esel von Koch se­hen, was er mit Ihrem Ham­mel­fleisch macht!«

Das Knur­ren oben be­gann so plötz­lich und mit so wil­der Wut von Neu­em, dass es mich er­schreck­te. »Was ist das?«, rief ich ihm nach, aber die Tür hat­te sich ge­schlos­sen. Er kam mit dem ge­koch­ten Ham­mel­fleisch zu­rück, und ich war von dem ap­pe­tit­li­chen Duft so er­regt, dass ich den Lärm des Tie­res bald ver­gaß.

Nach ei­nem Tag ab­wech­seln­den Schla­fens und Es­sens war ich so weit er­holt, dass ich aus mei­ner Koje stei­gen, an das Och­sen­au­ge tre­ten und die grü­nen Wel­len se­hen konn­te, die mit uns Schritt zu hal­ten ver­such­ten. Mont­go­me­ry – so hieß der flachs­haa­ri­ge Mann – kam wie­der her­ein, als ich dort stand, und ich bat ihn um Klei­der. Er lieh mir ein paar Se­gel­tuchs­a­chen von sich, denn die, die ich im Boot ge­tra­gen hat­te, sag­te er, wa­ren über Bord ge­wor­fen wor­den. Sie sa­ßen mir ziem­lich lose, denn er war breit und lang­glied­rig.

Er sag­te mir ge­le­gent­lich, der Ka­pi­tän läge drei­vier­tel be­trun­ken in sei­ner Ka­bi­ne. Als ich die Klei­der an­nahm, be­gann ich ihn über das Ziel des Schif­fes zu be­fra­gen. Er sag­te, das Schiff sol­le nach Ha­waii fah­ren, aber es habe ihn erst zu lan­den.

»Wo?«, frag­te ich.

»Auf ei­ner In­sel … Ich lebe da. So­weit ich weiß, hat sie kei­nen Na­men.«

Er starr­te mich mit hän­gen­der Un­ter­lip­pe an und sah plötz­lich so ei­gen­sin­nig und bor­niert aus, dass mir schi­en, er wol­le mei­nen Fra­gen aus­wei­chen. Ich war so dis­kret und frag­te nicht wei­ter.


  1. Han­dels­schiff  <<<

3. Das unheimliche Gesicht

Wir ver­lie­ßen die Ka­bi­ne. An der Ka­jüt­strep­pe stie­ßen wir auf einen Mann, der uns den Weg ver­sperr­te. Er stand, den Rücken ge­gen uns ge­kehrt, auf der Schiffs­lei­ter und späh­te über die Scher­stö­cke der Luke. Es war ein miss­ge­stal­te­ter, kur­z­er, brei­ter, plum­per Kerl mit ei­nem Bu­ckel, be­haar­tem Na­cken und zwi­schen die Schul­tern ge­sun­ke­nem Kopf. Er war in dun­kelblaue Ser­ge ge­klei­det und hat­te merk­wür­dig dickes, gro­bes, schwar­zes Haar. Ich hör­te die un­sicht­ba­ren Hun­de wü­tend knur­ren, und als­bald duck­te er sich zu­rück und stieß ge­gen die Hand, die ich aus­ge­streckt hat­te, um ihn ab­zu­weh­ren. Er dreh­te sich mit tie­ri­scher Be­hän­dig­keit um.

Auf ir­gend­ei­ne un­be­stimm­te Wei­se wi­der­te mich die­ses Ge­sicht zu­tiefst an. Es war selt­sam ent­stellt, sprang vor und er­in­ner­te dun­kel an eine Schnau­ze; der große, halb­of­fe­ne Mund zeig­te so star­ke wei­ße Zäh­ne, wie ich sie noch nie in ei­nem mensch­li­chen Mun­de ge­se­hen hat­te. Die Au­gen wa­ren an den Rän­dern blut­un­ter­lau­fen, und kaum ein Streif Weiß blieb um die nuss­brau­nen Pu­pil­len. Eine selt­sa­me Glut und Auf­re­gung spie­gel­te sich in die­sem Ge­sicht.

»Zum Hen­ker!«, sag­te Mont­go­me­ry. »Wa­rum gehst du nicht aus dem Wege?« Der Mann mit dem schwar­zen Ge­sicht sprang ohne ein Wort zur Sei­te.

Ich stieg wei­ter die Trep­pe hin­auf und starr­te ihn da­bei in­stink­tiv an. Mont­go­me­ry blieb einen Mo­ment am Fuß ste­hen. »Du weißt, du hast hier nichts zu su­chen«, sag­te er be­däch­tig. »Dein Platz ist vorn.«

Der Mann mit dem schwar­zen Ge­sicht kau­er­te nie­der. »Sie … wol­len mich vorn nicht ha­ben.« Er sprach lang­sam, mit ei­nem wun­der­li­chen, hei­se­ren Klang in der Stim­me.

»Wol­len dich vorn nicht ha­ben!«, sag­te Mont­go­me­ry mit dro­hen­der Stim­me. »Aber ich sage dir, du gehst!« Er war nahe dar­an, noch et­was hin­zu­zu­fü­gen, blick­te aber plötz­lich zu mir auf und folg­te mir die Lei­ter hin­auf. Ich war still­ge­stan­den und blick­te zu­rück, noch im­mer maß­los über die gro­tes­ke Häss­lich­keit die­ses schwarz­ge­sich­ti­gen Ge­schöp­fes er­staunt. Ich hat­te nie zu­vor ein so ab­sto­ßen­des und au­ßer­or­dent­li­ches Ge­sicht ge­se­hen, und den­noch – wenn der Wi­der­spruch zu glau­ben ist – hat­te ich zu glei­cher Zeit die merk­wür­di­ge Emp­fin­dung, als sei ich ir­gend­wie doch schon ge­nau den Zü­gen und Ges­ten be­geg­net, die mich jetzt ent­setz­ten. Spä­ter fiel mir ein, dass ich das Ge­schöpf wahr­schein­lich ge­se­hen hat­te, als ich an Bord ge­ho­ben wur­de, doch be­frie­dig­te das mei­nen Arg­wohn, es schon frü­her wo er­blickt zu ha­ben, kaum. Aber wie man ein so ei­gen­tüm­li­ches Ge­sicht vor Au­gen ge­habt und ver­ges­sen ha­ben kann, wann und wo das war, das ging über mei­ne Vor­stel­lungs­kraft.

Die Be­we­gung, die Mont­go­me­ry mach­te, um mir zu fol­gen, lenk­te mei­ne Auf­merk­sam­keit ab, und ich wand­te mich und sah mich auf dem glat­ten Deck des klei­nen Scho­ners um.

Ich war durch die Töne, die ich ge­hört hat­te, schon halb auf das, was ich sah, vor­be­rei­tet. Je­den­falls hat­te ich noch nie ein so schmut­zi­ges Deck ge­se­hen. Es war mit Rü­ben­ab­fall, Fet­zen von grü­nem Zeug und un­be­schreib­li­chem Schmutz be­deckt. An den Haupt­mast wa­ren mit Ket­ten eine An­zahl grau­er Hetz­hun­de ge­fes­selt, die jetzt ge­gen mich zu sprin­gen und zu bel­len be­gan­nen, und ein rie­si­ger Puma war in einen klei­nen ei­ser­nen Kä­fig am Be­san­mast ge­sperrt, der viel zu eng war, um dem Tier auch nur Raum zum Wen­den zu las­sen. Fer­ner gab es auf Steu­er­bord ei­ni­ge große Stäl­le, die eine An­zahl Ka­nin­chen ent­hiel­ten, und ein ein­zel­nes Lama war vorn in eine viel zu klei­ne Kis­te ge­quetscht. Die Hun­de hat­ten Le­der­rie­men um die Schnau­zen. Das ein­zi­ge mensch­li­che We­sen auf Deck war ein ha­ge­rer, schweig­sa­mer See­mann, der das Steu­er be­dien­te.

Die ge­flick­ten, schmut­zi­gen Treib­se­gel stan­den straff vor dem Win­de; über­haupt schi­en das klei­ne Schiff all sei­ne Se­gel ge­setzt zu ha­ben. Der Him­mel war klar, die Son­ne halb­wegs den west­li­chen Ho­ri­zont hin­un­ter; lan­ge, schaum­ge­krön­te Wo­gen be­glei­te­ten uns. Wir gin­gen am Steu­er­mann vor­bei nach Back­bord und blick­ten auf das Was­ser, das schäu­mend un­ter den Stern lief, und auf die Bla­sen, die im Kiel­was­ser tanz­ten und ver­schwan­den. Ich dreh­te mich um und blick­te das ekel­haf­te Schiffs­deck ent­lang.

»Ist dies eine Mee­res­me­na­ge­rie?«, frag­te ich.

»Sieht fast so aus«, sag­te Mont­go­me­ry.

»Was sol­len die wil­den Tie­re? Ware? Meint der Ka­pi­tän, er wird sie ir­gend­wo in der Süd­see los­wer­den?«

»Es sieht so aus, nicht wahr?«, sag­te Mont­go­me­ry und wand­te sich wie­der dem Kiel­was­ser zu.

Plötz­lich hör­ten wir von der Schott­lu­ke her einen Schrei und eine La­dung von Flü­chen, und der un­ge­stal­te Mensch mit dem schwar­zen Ge­sicht klet­ter­te ei­lig her­auf. Dicht hin­ter ihm folg­te ein un­ter­setz­ter, rot­haa­ri­ger Mann mit ei­ner wei­ßen Müt­ze. Beim An­blick des ers­te­ren wur­den die Hetz­hun­de, die mitt­ler­wei­le alle des Bel­lens müde ge­wor­den wa­ren, wü­tend auf­ge­regt, heul­ten und spran­gen an ih­ren Ket­ten. Der Schwar­ze zö­ger­te vor ih­nen, und das gab dem Rot­haa­ri­gen Zeit, ihn ein­zu­ho­len und ihm einen furcht­ba­ren Stoß zwi­schen die Schul­ter­blät­ter zu ver­set­zen. Der arme Teu­fel flog hin wie ein ge­fäll­ter Ochs und roll­te un­ter die wü­tend auf­ge­reg­ten Hun­de. Es war sein Glück, dass ih­nen das Maul ver­bun­den war. Der Rot­haa­ri­ge grunz­te tri­um­phie­rend, tau­mel­te und ge­riet, wie mir schi­en, in ernst­li­che Ge­fahr, ent­we­der rück­wärts die Ka­jüt­strep­pe hin­un­ter­zu­stür­zen, oder vor­wärts über sein Op­fer zu stol­pern.

Als der zwei­te Mann er­schi­en, fuhr Mont­go­me­ry hef­tig auf. »Sach­te da vorn!«, rief er war­nend. Ein paar Ma­tro­sen er­schie­nen am Bug.

Der Mann mit dem schwar­zen Ge­sicht roll­te un­ter den Pfo­ten der Tie­re um­her und heul­te mit merk­wür­di­ger Stim­me. Nie­mand ver­such­te ihm zu hel­fen. Die Tie­re ta­ten ihr Bes­tes, um ihn zu zer­rei­ßen, in­dem sie mit den Schnau­zen nach ihm stie­ßen. Ihre ge­schmei­di­gen grau­en Lei­ber voll­führ­ten einen be­hän­den Tanz über der plum­pen, ge­stürz­ten Ge­stalt. Die Ma­tro­sen vorn rie­fen ih­nen zu, als sei es ein aus­ge­zeich­ne­ter Ulk. Mont­go­me­ry stieß einen zor­ni­gen Aus­ruf aus und ging wei­ter über das Deck. Ich folg­te ihm.

In der nächs­ten Se­kun­de hat­te sich der Mann mit dem schwar­zen Ge­sicht auf­ge­rafft und tau­mel­te vor­wärts. Er stol­per­te bei den Wan­ten, blieb keu­chend ste­hen und sah sich über die Schul­ter weg nach den Hun­den um. Der Rot­haa­ri­ge lach­te ein be­frie­dig­tes La­chen.

»Hö­ren Sie, Ka­pi­tän«, sag­te Mont­go­me­ry, stär­ker lis­pelnd als ge­wöhn­lich, wäh­rend er den Rot­haa­ri­gen bei den El­len­bo­gen pack­te: »Das geht nicht.«

Ich stand hin­ter Mont­go­me­ry. Der Ka­pi­tän dreh­te sich halb um und sah ihn mit den stump­fen und fei­er­li­chen Au­gen ei­nes Be­trun­ke­nen an. »Was geht nicht?«, frag­te er; und nach­dem er Mont­go­me­ry eine Mi­nu­te lang schläf­rig ins Ge­sicht ge­blickt hat­te, füg­te er hin­zu: »Ver­damm­ter Kno­chen­sä­ger!«

Mit ei­ner plötz­li­chen Be­we­gung woll­te er die Arme frei­schüt­teln, und nach zwei wir­kungs­lo­sen Ver­su­chen steck­te er die mit Som­mer­spros­sen be­deck­ten Hän­de in die Sei­ten­ta­schen.

»Der Mann ist Pas­sa­gier«, sag­te Mont­go­me­ry. »Ich rate Ih­nen, die Hän­de von ihm zu las­sen.«

»Ge­hen Sie zur Höl­le!«, rief der Ka­pi­tän laut. Plötz­lich dreh­te er sich um und tau­mel­te zur Sei­te. »Tu was ich will auf mei­nem ei­ge­nen Schiff«, sag­te er.

Ich mei­ne, Mont­go­me­ry hät­te ihn jetzt las­sen kön­nen – da der Kerl nun ein­mal be­trun­ken war. Aber er wur­de nur um einen Schat­ten blas­ser und folg­te dem Ka­pi­tän zur Re­ling.

»Hö­ren Sie, Ka­pi­tän«, sag­te er. »Der Mann da soll nicht miss­han­delt wer­den. Er ist ge­quält wor­den, seit er an Bord kam.«

Eine Mi­nu­te lang war der Ka­pi­tän sprach­los in sei­nen al­ko­ho­li­schen Düns­ten. »Ver­damm­ter Kno­chen­sä­ger!«, war al­les, was er dazu zu sa­gen hat­te.

Ich konn­te se­hen, dass Mont­go­me­ry von je­nem lang­sa­men, hart­nä­cki­gen Tem­pe­ra­ment war, das sich all­mäh­lich auf­heizt, bis es zur Weiß­glut kommt und sich nie wie­der bis zur Ver­zei­hung ab­kühlt; und ich sah auch, dass die­ser Streit seit ei­ni­ger Zeit schwelte. »Der Mann ist be­trun­ken«, sag­te ich, viel­leicht auf­dring­lich, »Sie wer­den nichts aus­rich­ten.«

Mont­go­me­ry zog sei­ne hän­gen­de Lip­pe häss­lich schief. »Er ist im­mer be­trun­ken. Mei­nen Sie, das ent­schul­dig­te ihn, wenn er sei­ne Pas­sa­gie­re an­greift?«

»Mein Schiff«, be­gann der Ka­pi­tän, in­dem er die Hand un­si­cher ge­gen die Kä­fi­ge hob, »war ein sau­be­res Schiff. Se­hen Sie’s jetzt an.« Es war si­cher­lich al­les an­de­re als sau­ber. »Mann­schaft«, fuhr der Ka­pi­tän fort, »sau­be­re, eh­ren­wer­te Mann­schaft.«

»Sie wa­ren be­reit, die Tie­re mit­zu­neh­men.«

»Ich woll­t’, mir wär’ Ihre höl­li­sche In­sel nie vor Au­gen ge­kom­men. Was zum Teu­fel … brau­chen Sie Tie­re für so eine In­sel? Und dann Ihr Mann da … Wohl­ver­stan­den, wenn er ’n Mann war. Er ist ’n Ver­rück­ter. Und er hat­te hin­ten nichts zu su­chen. Mei­nen Sie, das gan­ze Sa­t­ans­schiff ge­hört Ih­nen?«

»Ihre Leu­te be­gan­nen den ar­men Teu­fel zu quä­len, so­wie er an Bord kam.«

»Er ist ’n Teu­fel, ’n häss­li­cher Teu­fel. Mei­ne Leu­te kön­nen ihn nicht aus­ste­hen. Ich kann ihn nicht aus­stehn. Kei­ner von uns kann ihn aus­stehn. Und Sie auch nicht.«

Mont­go­me­ry wand­te sich ab. »Sie las­sen den Mann auf je­den Fall in Ruhe«, sag­te er und nick­te beim Spre­chen mit dem Kopf.

Aber jetzt woll­te der Ka­pi­tän strei­ten. Er er­hob die Stim­me: »Wenn er noch mal auf dies Ende vom Schiff kommt, kehr’ ich ihm die Ge­där­me nach au­ßen, sage ich Ih­nen. Schnei­d’ ihm sei­ne ver­damm­ten Ge­där­me her­aus. Wer sind Sie, dass Sie mir sa­gen wol­len, was ich tun soll? Ich sage Ih­nen, ich bin Ka­pi­tän auf dem Schiff – Ka­pi­tän und Ei­gen­tü­mer. Ich bin das Ge­setz hier, sag’ ich Ih­nen – das Ge­setz und die Pro­phe­ten. Ich hab’ mich ver­pflich­tet, einen Mann und sei­nen Die­ner nach Ari­ca und wie­der zu­rück zu brin­gen und noch ein paar Tie­re mit­zu­neh­men. Ich hab’ mich nie ver­pflich­tet, einen tol­len Teu­fel und einen al­ber­nen Kno­chen­sä­ger zu trans­por­tie­ren, einen …«

Nun, ei­ner­lei, wie er Mont­go­me­ry nann­te. Ich sah, dass die­ser einen Schritt vor­wärts tat, und ich trat da­zwi­schen. »Er ist be­trun­ken«, sag­te ich. Der Ka­pi­tän be­gann noch schlim­mer zu schimp­fen. »Hö­ren Sie auf«, sag­te ich, wäh­rend ich mich scharf zu ihm wand­te, denn ich hat­te in Mont­go­me­rys weißem Ge­sicht Ge­fahr ge­se­hen. Da­mit lenk­te ich den Guß auf mich sel­ber.

Ich war je­doch froh, et­was zu ver­hin­dern, was ei­ner Schlä­ge­rei un­ge­mein na­he­kam, selbst um den Preis, der be­trun­ke­nen Wut des Ka­pi­täns aus­ge­setzt zu wer­den. Ich glau­be nicht, dass ich je zu­vor so viel ge­mei­ne Wor­te in so un­un­ter­bro­che­nem Strom von den Lip­pen ir­gend­ei­nes Men­schen hat­te flie­ßen hö­ren, ob­gleich ich ge­nü­gend in ex­zen­tri­scher Ge­sell­schaft ver­kehrt hat­te. Ei­ni­ges er­trug ich nur schwer, ob­gleich ich ein Mann von mil­dem Tem­pe­ra­ment bin. Aber auf je­den Fall hat­te ich, als ich dem Ka­pi­tän sag­te, er sol­le auf­hö­ren, ver­ges­sen, dass ich nur ein Stück mensch­li­chen Strand­guts war, von mei­nen Hilfs­quel­len ab­ge­schnit­ten, mit un­be­zahl­ter Pas­sa­ge, nichts als ein Ob­dach­lo­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­