Advent (Rainer Maria Rilke)

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Es treibt der Wind im Winterwalde
Die Flockenherde wie ein Hirt,
Und manche Tanne ahnt, wie balde
Sie fromm und lichterheilig wird,

Und lauscht hinaus. Den weißen Wegen
Streckt sie die Zweige hin - bereit,
Und wehrt dem Wind und wächst entgegen
Der einen Nacht der Herrlichkeit.

Altes Kaminstück (Heinrich Heine)

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Draußen ziehen weiße Flocken
Durch die Nacht, der Sturm ist laut;
Hier im Stübchen ist es trocken,
Warm und einsam, stillvertraut.

Sinnend sitz ich auf dem Seßel,
An dem knisternden Kamin,
Kochend summt der Wasserkessel
Längst verklungne Melodien.

Und ein Kätzchen sitzt daneben,
Wärmt die Pfötchen an der Glut;
Und die Flammen schweben, weben,
Wundersam wird mir zu Mut.

Dämmernd kommt heraufgestiegen
Manche längst vergessne Zeit,
Wie mit bunten Maskenzügen
Und verblichner Herrlichkeit.

Die heil'gen Drei Könige (Heinrich Heine)

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Die heil'gen Drei Könige aus dem Morgenland,
sie frugen in jedem Städtchen:
"Wo geht der Weg nach Bethlehem,
ihr lieben Buben und Mädchen?"

Die Jungen und Alten, sie wussten es nicht,
die Könige zogen weiter,
sie folgten einem goldenen Stern,
der leuchtete lieblich und heiter.

Der Stern bleibt stehn über Josefs Haus,
da sind sie hineingegangen;
das Öchslein brüllt, das Kindlein schrie,
die heil'gen Drei Könige sangen.

Am Weihnachtsabend (Theodor Storm)

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Die fremde Stadt durchschritt ich sorgenvoll,
Der Kinder denkend, die ich ließ zu Haus.
Weihnachten war's; durch alle Gassen scholl
Der Kinderjubel und des Markts Gebraus.

Und wie der Menschenstrom mich fortgespült,
Drang mir ein heiser' Stimmlein in das Ohr:
"Kauft, lieber Herr!" Ein magres Händchen hielt
Feilbietend mir ein ärmlich' Spielzeug vor.

Ich schrak empor; und beim Laternenschein
Sah ich ein bleiches Kinderangesicht;
Wes Alters und Geschlechts es mochte sein,
Erkannt' ich im Vorübertreiben nicht.

Nur von dem Treppenstein, darauf es saß,
Noch immer hört' ich, mühsam, wie es schien:
"Kauft, lieber Herr!" den Ruf ohn' Unterlaß;
Doch hat wohl Keiner ihm Gehör verliehn.

Und ich? War's Ungeschick, war es die Scham,
Am Weg zu handeln mit dem Bettelkind?
Eh' meine Hand zu meiner Börse kam,
Verscholl das Stimmlein hinter mir im Wind.

Doch als ich endlich war mit mir allein,
Erfaßte mich die Angst im Herzen so,
Als säß' mein eigen Kind auf jenem Stein,
Und schrie' nach Brot, indessen ich entfloh.

Knecht Ruprecht (Theodor Storm)

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Von drauß vom Walde komm' ich her;
Ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr!
Überall auf den Tannenspitzen
Sah ich goldene Lichtlein sitzen;
Und droben aus dem Himmelstor
Sah mit großen Augen das Christkind hervor,
Und wie ich so strolcht' durch den finstern Tann,
Da rief's mich mit heller Stimme an:
"Knecht Ruprecht", rief es, "alter Gesell,
Hebe die Beine und spute dich schnell!
Die Kerzen fangen zu brennen an,
Das Himmelstor ist aufgetan,
Alt' und Junge sollen nun
Von der Jagd des Lebens ruhn;
Und morgen flieg' ich hinab zur Erden,
Denn es soll wieder Weihnachten werden!"

Ich sprach: "O lieber Herre Christ,
Meine Reise fast zu Ende ist;
Ich soll nur noch in diese Stadt,
Wo's eitel gute Kinder hat." -
"Hast denn das Säcklein auch bei dir?"
Ich sprach: "Das Säcklein, das ist hier;
Denn Äpfel, Nuss und Mandelkern
Essen fromme Kinder gern." -
"Hast denn die Rute auch bei dir?"
Ich sprach: "Die Rute, die ist hier;
Doch für die Kinder nur, die schlechten,
Die trifft sie auf den Teil, den rechten."
Christkindlein sprach: "So ist es recht;
So geh mit Gott, mein treuer Knecht!"
Von drauß vom Walde komm' ich her;
Ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr!
Nun sprecht, wie ich's hierinnen find'!
Sind's gute Kind, sind's böse Kind?

Weihnachtsabend (Theodor Storm)

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An die hellen Fenster kommt er gegangen
Und schaut in des Zimmers Raum;
Die Kinder alle tanzten und sangen
Um den brennenden Weihnachtsbaum.

Da pocht ihm das Herz, daß es will zerspringen;
»Oh«, ruft er, »laßt mich hinein!
Was Frommes, was Fröhliches will ich euch singen
Zu dem hellen Kerzenschein.«

Und die Kinder kommen, die Kinder ziehen
Zur Schwelle den nächtlichen Gast;
Still grüßen die Alten, die Jungen umknien
Ihn scheu in geschäftiger Hast.

Und er singt: »Weit glänzen da draußen die Lande
Und locken den Knaben hinaus;
Mit klopfender Brust, im Reisegewande
Verläßt er das Vaterhaus.

Da trägt ihn des Lebens breitere Welle
Wie war so weit die Welt!
Und es findet sich mancher gute Geselle,
Der's treulich mit ihm hält.

Tief bräunt ihm die Sonne die Blüte der Wangen,
Und der Bart umsprosset das Kinn;
Den Knaben, der blond in die Welt gegangen,
Wohl nimmer erkennet ihr ihn.

Aus goldenen und aus blauen Reben
Es mundet ihm jeder Wein;
Und dreister greift er in das Leben
Und in die Saiten ein.

Und für manche Dirne mit schwarzen Locken
Im Herzen findet er Raum; -
Da klingen durch das Land die Glocken,
Ihm war's wie ein alter Traum.

Wohin er kam, die Kinder sangen,
Die Kinder weit und breit;
Die Kerzen brannten, die Stimmlein klangen,
Das war die Weihnachtszeit.

Da fühlte er, daß er ein Mann geworden;
Hier gehörte er nicht dazu.
Hinter den blauen Bergen im Norden
Ließ ihm die Heimat nicht Ruh.

An die hellen Fenster kam er gegangen
Und schaut' in des Zimmers Raum;
Die Schwestern und Brüder tanzten und sangen
Um den brennenden Weihnachtsbaum.« -

Da war es, als würden lebendig die Lieder
Und nahe, der eben noch fern;
Sie blicken ihn an und blicken wieder;
Schon haben ihn alle so gern.

Nicht länger kann er das Herz bezwingen,
Er breitet die Arme aus:
»Oh, schließet mich ein in das Preisen und Singen,
Ich bin ja der Sohn vom Haus!«

Weihnachtslied (Theodor Storm)

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Vom Himmel in die tiefsten Klüfte
Ein milder Stern herniederlacht;
Vom Tannenwalde steigen Düfte
Und hauchen durch die Winterlüfte,
Und kerzenhelle wird die Nacht.

Mir ist das Herz so froh erschrocken,
Das ist die liebe Weihnachtszeit!
Ich höre ferne Kirchenglocken
Mich lieblich heimatlich verlocken
In märchenstille Herrlichkeit.

Ein frommer Zauber hält mich wieder,
Anbetend, staunend muß ich stehn;
Es sinkt auf meine Augenlider
Ein goldner Kindertraum hernieder,
Ich fühl's, ein Wunder ist geschehn.

Am Weihnachtsabend (Albrecht Graf Wickenburg)

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Hörst du den Ruf der Glocke,
Mein holdes Töchterlein?
Nun juble und frohlocke,
Nun sollst du selig sein!
Nun sollen deine Wangen
Vor lauter Freude glühn,
Und Funken vor Verlangen
Die dunklen Augen sprühn!

Die bunten Kerzen flimmern
Am grünen Weihnachtsbaum,
Das ist ein Glitzern, Schimmern,
Wie holder Märchentraum!
Lass deine Blicke schweifen
Zum Tisch, von Gaben schwer,
Du darfst nach allem greifen,
Was immer dein Begehr!

Wie liegt in bunten Gruppen
Das Spielzeug hier gereiht,
Wie fesseln dich die Puppen
In schönem Seidenkleid!
Dir sind sie ja Geschöpfe
Von echtem Fleisch und Blut,
Du hauchst in Puppenköpfe
Der eignen Seelen Glut!

Doch dir gefällt am besten
Des Baumes bunte Zier,
Wie’s flüstert in den Ästen,
Von Rauschgold und Papier.
Die goldenen Nüsse funkeln
Wie helles Sternenlicht,
Das freundlich aus dem Dunkeln
Der Fichtennadeln bricht.

Zwar freut dich die Bescherung,
Doch deine Augen sind
Gerichtet in Verklärung
Nach jenem Jesuskind!
Das grüßt aus grünen Zweigen
Und nickt dir traulich zu,
Als wollt’s heruntersteigen
Und fröhlich sein, wie du!

O träum’ ihn ohne Grenzen,
Der Kindheit goldnen Traum!
Viel tausend Lichter glänzen
An deinem Lebensbaum;
Und ob, wie Weihnachtskerzen,
Sie schnell erlöschen auch, -
Das Licht im tiefen Herzen
Bewahr von jedem Hauch!

Am Weihnachtsabend - ein Wiegenlied (Albert Traeger)

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Mond und Sterne friedlich scheinen
Alles schläft in süßer Ruh’
Mietzekatze trägt den Kleinen
Ein erhaschtes Mäuschen zu,
Und mein Kindlein in der Wiegen
Selig, wie im Himmel lacht,
Engel sind herabgestiegen,
Halten Wacht,
Weihnachtsabend, heil’ge Nacht.

Wenn die bunten Lichter flimmern
Auf dem grünen Tannenbaum,
Und die goldnen Nüsse schimmern,
Küss’ ich meines Kindes Traum
Sachte von dem roten Mündchen,
Aber ’s hat gute Zeit,
Schlafen musst du manches Stündchen,
Bis bereit
All die ganze Herrlichkeit!

Püppchen hat noch keine Kleider,
Sehnt nach Strümpfen sich und Schuh’n,
Mutter ist ein fleiß’ger Schneider,
Darf die ganze Nacht nicht ruhn,
Immer schnipp schnapp macht die Schere,
Und die Nadel Stich auf Stich,
Dass ich mir den Sandmann wehre,
Königlich
Freut mein Kindchen morgen sich!

Lasst die Kindlein zu mir kommen
Also sprach der heil’ge Christ,
Der zu aller Menschen Frommen
Heute Nacht geboren ist.
Liebend hast du hingegeben
Für die ganze Welt dein Blut,
Gib, dass meines Kindes Leben
Fromm und gut
Blühe auf in deiner Hut!

Bäume leuchtend, Bäume blendend (Johann Wolfgang von Goethe)

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Bäume leuchtend, Bäume blendend,
überall das Süße spendend,
in dem Glanze sich bewegend,
Alt und junges Herz erregend.

Solch ein Fest ist uns bescheret,
Mancher Gaben Schmuck verehret;
staunend schauen wir auf und nieder,
Hin und her und immer wieder.

Aber Fürst, wenn dir`s begegnet
Und ein Abend dich so segnet,
daß als Lichter, daß als Flammen
Vor dir glänzen all zusammen.

Alles, was du ausgerichtet,
Alle, die du dir verpflichtet:
Mit erhöhten Geistesblicken
Fühltest herrliches Entzücken.

Weihnachten (Johann Wolfgang von Goethe)

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Bäume leuchtend, Bäume blendend,
Überall das Süße spendend,
In dem Glanze sich bewegend,
Alt und junges Herz erregend -
Solch ein Fest ist uns bescheret,
Mancher Gaben Schmuck verehret;
Staunend schaun wir auf und nieder,
Hin und her und immer wieder.

Christgeschenk (Johann Wolfgang von Goethe)

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