cover.jpg

 

Cover

Vorwort

Stellaris 51

Vorwort

»Der Mann, der nicht verlieren konnte« von Michael G. Rosenberg

Stellaris 52

Vorwort

»Erinnerungen« von Ulf Fildebrandt

Stellaris 53

Vorwort

»Die Prinzessin und der Steward« von Michael G. Rosenberg

Stellaris 54

Vorwort

»Kedälium« von Ruben Wickenhäuser

Stellaris 55

Vorwort

»Eine Gottheit an Bord« von Robert Schweizer

Stellaris 56

Vorwort

»Muvegessi geht von Bord« von Wim Vandemaan

Stellaris 57

Vorwort

»Der Bettler von Terrania« von Olaf Brill

Stellaris 58

Vorwort

»Der halbe Ozean« von Susan Schwartz

Stellaris 59

Vorwort

»Die Arkonidin und die Echse« von Ruben Wickenhäuser

Stellaris 60

Vorwort

»Eine intelligente Maschine« von Ulf Fildebrandt

Impressum

 

Das Raumschiff STELLARIS lädt ein zu einer besonderen Reise in das Perryversum

 

Die STELLARIS ist ein besonderes Raumschiff: Seit vielen Jahren reist sie durch das Universum der PERRY RHODAN-Serie, bemannt von einer wechselnden Besatzung, unter wechselnder Leitung und mit wechselnden Zielen. Die Abenteuer, die ihre Besatzung und Passagiere erleben, sind Thema zahlreicher Geschichten ...

Unterschiedliche Autoren verfassten die Kurzgeschichten rings um das Raumschiff STELLARIS. Sie werden seit Jahren regelmäßig im Mittelteil der PERRY RHODAN-Hefte veröffentlicht – hier präsentieren wir die Folgen 51 bis 60 in einer Sammlung.

Mit dabei sind Kurzgeschichten von Michael G. Rosenberg, Ulf Fildebrandt, Ruben Wickenhäuser, Robert Schweizer, Wim Vandemaan, Olaf Brill und Susan Schwartz. Zu lesen gibt es humoristische Geschichten, Krimis und phantasievolle Reisen durch die unbekannten Gebiete der heimatlichen Milchstraße.

img1.jpg

img2.jpg

 

 

Folge 51: »Der Mann, der nicht verlieren konnte« von Michael G. Rosenberg.

 

img3.jpg

 

Titelillustration: Martin Schlierkamp

Willkommen an Bord der img2.jpg

 

 

Liebe Leserinnen und Leser,

 

die STELLARIS ist ein terranisches Kugelraumschiff der Minerva-Klasse. Sie befördert Passagiere ebenso wie Handelsgüter. Mit einem Rumpfdurchmesser von 200 Metern ohne Ringwulst und einem Volumen von annähernd fünf Millionen Kubikmetern ist die STELLARIS eine Welt für sich.

Im Regelfall befördert die STELLARIS gut 400 Passagiere; entsprechende Ringwulst-Module können diese Kapazität erheblich erweitern. Zugleich sind knapp hundert Besatzungsmitglieder an Bord, um die Raumtüchtigkeit des Schiffs jederzeit und unter allen Umständen zu gewährleisten. Dabei wird die Besatzung unterstützt vom Positronik-Logikverbund des Schiffes, STELLATRICE – oder STEL, wie man gern bordintern abkürzt.

Der aktuelle Kapitän heißt Solomon Coscor; er ist auf dem Planeten Batavia geboren, ein Epsaler, ein exzellenter Astronavigator und in seiner Freizeit ein hingebungsvoller Wampor-Spieler.

Seine Stellvertreterin heißt Ellendea Glaud.

Thabo Beqiri ist der Erste Pilot der STELLARIS, Seker Adhuu ein etwas menschenscheuer Frachtmanager, die Chefingenieurin des Schiffes ist Conia Gogolja. Die Chefmedikerin heißt Ashna Buccelli, der Chefsteward Yannish Capata.

Außerdem hat sich ein Dauergast auf der STELLARIS einquartiert: der Swoon Zirome, ein Honorar-Konsul außer Dienst.

Die meisten Aufträge erhält die STELLARIS über das Büro für Interstellare Logistik, kurz: BIL. Die größte Filiale des Büros operiert zurzeit auf Maharani.

Das BIL ist außerdem Teil-Eigentümer des Schiffes, aber durchaus nicht der einzige Eigentümer: Einige Anteile halten der Ammandul-Mehan, die Familie des Sultans von Perseus, das dortige Pfandhaus der Baale, eine um Anonymität besorgte Springer-Sippe – und nicht zu vergessen etliche langjährige Besatzungsmitglieder.

Wer im Geist und um und sich von den Vorzügen der STELLARIS zu überzeugen einmal durch das Schiff spazieren möchte, von einem der Hangar-Module zur Zentrale, von der Zentrale zum Hydroponium, der bioenergetischen Lunge des Schiffes, wer die Passagier-Lounge mit Aussichtsdecks, Grünanlagen, Restaurants und Bars in Augenschein nehmen möchte, das Transitionstriebwerk oder den Linearkonverter Typ Hawk II, dem sei die Risszeichnung von Gregor Paulmann empfohlen (veröffentlicht in PR 2711, online zu finden unter www.perrypedia.proc.org/wiki/STELLARIS): Willkommen an Bord!

Auf der STELLARIS spielt sich der Alltag der raumfahrenden Menschheit ab. Was keineswegs heißt, dass es von hier nichts zu erzählen gäbe. Im Gegenteil ... wie man am folgenden Beispiel sieht:

Die Story von dem »Mann, der nicht verlieren konnte«, stammt von Michael G. Rosenberg.

 

Viel Vergnügen wünscht

mit einem herzlichen ad astra

 

Euer

Hartmut Kasper

Folge 51

Der Mann, der nicht verlieren konnte

von Michael G. Rosenberg

 

»Wie ich hörte, habt ihr auch ein Kasino an Bord?«

Yannish Capata nickte freundlich. »Zurzeit ja, in einem der Module. Es bietet eine Vielzahl an kurzweiligen Zerstreuungen in einem gediegenen Ambiente. Dort findest du eine große Auswahl an allen möglichen Spielen, angefangen von klassischen terranischen Kasinospielen über ferronische Brettspiele bis hin zu einem außergewöhnlichen cheborparnischen Kartenspiel. Das Kasino selbst hat ein kleines, aber feines Restaurant, das ich sehr empfehlen kann. Des Weiteren findest du in unmittelbarer Nähe verschiedene Restaurants und Bars, die sich um die dort befindlichen Grünanlagen gruppieren.«

Der kleine unscheinbare Mann lächelte fein. »Du spielst auch gerne?«

Yannish seufzte leise. »Nur, wenn es der Dienstplan erlaubt. – Aber verzeih, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Yannish Capata, ich bin der Chefsteward. Herzlich willkommen an Bord der STELLARIS. Wenn du irgendwelche Wünsche hast, lass es mich wissen.«

Der kleine Mann neigte leicht den Kopf. »Gerne. Ich heiße Floyd Thenning. Würdest du mir bitte den Weg zu meiner Kabine zeigen?«

»Selbstverständlich.« Während Yannish an seinem Multikom am Handgelenk die Passagierliste öffnete und den Namen eingab, musterte er Thenning verstohlen. Der schmächtige, unscheinbare Mann trug einen ebenso unscheinbaren zweiteiligen Anzug in verwaschenem Braun, der zerknittert aussah. Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Die meisten Stoffe heutzutage besaßen eine selbstglättende Funktion. Yannish mutmaßte, dass es sich bei dem Anzug wahrscheinlich um ein teures Designer-Stück handelte, das absichtlich Knitterfalten aufwies.

Über dem Multikom entstand ein Holo, das eine schematische Darstellung der Decks zeigte. Yannish wies auf einen Punkt. »Hier ist deine Kabine. Wie du siehst, unweit von den Grünanlagen und dem Kasino. Du brauchst einfach nur dem violetten Leuchtband zu folgen.«

»Sehr schön.«

»Ich kann dich auch gerne hinführen, wenn du möchtest«, bot Yannish an.

Thenning winkte ab. »Nicht nötig. Das finde ich schon.«

»Hast du Gepäck?«

Thenning wies auf einen kleinen Schwebekoffer. »Nur den hier.«

Erst jetzt fiel Yannish auf, dass der kleine Mann eine altmodische Aktentasche bei sich trug, die er fest unter dem linken Arm geklemmt hatte wie einen wertvollen Schatz.

Nun, jeder hat so seine Marotten, dachte Yannish. »Ich wünsche dir einen schönen Aufenthalt an Bord der STELLARIS.«

Thenning nickte. »Danke«, sagte er, dirigierte seinen Schwebekoffer in die angegebene Richtung und ging davon. Nach ein paar Schritten blieb er stehen und drehte sich um. »Ich darf doch auf dich zukommen, wenn ich spezielle Fragen zum Kasino habe?«

»Jederzeit.«

Der kleine Mann wandte sich um und setzte seinen Weg fort.

»Das ist gut. Sehr gut«, hörte Yannish ihn noch leise murmeln.

 

*

 

»Das war ein ganz fieser Zug.« Konsul a. D. Zirome schwebte mit seiner Antigravscheibe ein Stück höher und betrachtete finster das Spielfeld.

Solomon Coscor, der Kapitän der STELLARIS, zuckte ungerührt mit den Schultern. »Ach was, du bist heute einfach nicht bei der Sache, das ist alles«, tat er die Bemerkung des Swoon ab.

»Ein hinterhältiger Schachzug«, beharrte der Konsul auf seiner Meinung.

»Spielen wir etwa Schach?«, gab Solomon bissig zurück. Dann lächelte er. »Ein raffinierter Zug, würde ich sagen. Und durchaus regelkonform. Du spielst nicht konzentriert genug.«

»Du hast mehr Übung.«

»Mag sein«, stimmte Solomon zu und ging im Geiste den möglichen Gegenzug des Konsuls durch. Eigentlich gab es nur zwei sinnvolle Optionen. Alles andere würde Zirome noch mehr in Bedrängnis bringen. Gespannt blickte er den Swoon an, ob dieser eine der beiden Möglichkeiten, die er noch hatte, erkannte.

Zirome machte seinen Zug.

Tatsächlich! Der alte Gauner hatte es bemerkt und sogar die bessere der beiden Optionen gewählt.

Solomon hob eine Augenbraue. »Ich bin erstaunt, dass du die richtige Antwort auf die Situation gefunden hast.«

Zirome deutete ein Lächeln an. »Man soll die Nacht nicht vor dem Morgen loben, wie die Terraner gerne sagen.« Er lehnte sich entspannt in seinem Sessel zurück. »Und ich bin erstaunt, dass du hier mit mir eine Runde Wampor spielst, anstatt in der Zentrale zu sitzen und dein Schiff zu steuern. Seit wann überlässt du Thabo so leichtfertig den Pilotensessel?«

Solomon beugte sich nach vorne und lächelte hintergründig. »Momentan läuft alles rund. Wir befinden uns auf einer der sichersten Handelsrouten des bekannten Universums, wir haben keine problematischen Güter an Bord und auch keine nervigen Auftraggeber, die unserer besonderen Aufmerksamkeit bedürfen. Außerdem meldet die Ortung keine zu erwartenden Hyperstürme. Da kann ich mir ruhig mal eine Auszeit gönnen. Am Ende rostet mir der gute Thabo sonst noch ein.«

Solomon Coscor war im Augenblick sehr zufrieden. Alles lief wie am Schnürchen. Seine Crew verrichtete ihren Dienst ruhig und präzise, in den Hangars und Frachtmodulen funktionierten die verschiedenen Frachtkräne und Ladeplattformen nach der Generalüberholung perfekt, und auch der Hawk schnurrte wie ein Kätzchen.

Zirome machte eine zustimmende Geste. Selbstverständlich kannte er Solomons Vorliebe für Ordnung und Verlässlichkeit.

»Na, dann ist ja alles bestens«, sagte der Konsul scheinheilig. »Und mit der Vorschrift, dass ein Frachter wie die STELLARIS zwei Piloten haben muss, hat das natürlich nichts zu tun?«

Solomon blinzelte den Konsul treuherzig an. »Natürlich nicht«, versicherte er.

Er machte einen Zug, überflog kurz die Situation, dann lächelte er verschlagen. »Im Übrigen, Konsul, denke ich, dass hiermit das Spiel für dich beendet ist.«

 

*

 

Conia Gogolja konnte nicht schlafen. Sie hatte um achtzehn Uhr ihre Schicht beendet und nun dienstfrei bis zum nächsten Abend. Sie hatte in der Messe zusammen mit einer Handvoll Crewmitglieder gegessen und sich dann in ihrer Kabine ihre Lieblings-Trividserien angeschaut. Die einfach gestrickten mit dem derben Humor, den sie so liebte. Aber irgendwie war ihr an diesem Tag nicht danach.

Conia fläzte sich lustlos in ihrem Sessel und schielte seufzend hinauf zu dem kleinen Regal. Da stand sie. Die Flasche mit ihrem speziellen, sündhaft teuren ertrusischen Whisky. Aber selbst der konnte sie nicht reizen. Wieder seufzte sie, lauter diesmal. Sie wusste schon, was mit ihr los war. Sie hatte wieder mal ihre sentimentale Phase. Die Phase, in der sie tiefe Resignation empfand, ohne sagen zu können, warum. Es ging ihr gesundheitlich gut – na ja, Ashna Buccelli wäre da wohl anderer Meinung –, sie liebte ihren Job als Chefingenieurin der STELLARIS; mit dem Kapitän kam sie prima zurecht, und sie wurde allgemein an Bord geschätzt und gemocht. Ihr ging es wirklich gut. Bis auf ... diese blöden Depri-Phasen.

Wütend über sich selbst, schaltete sie die Trividwiedergabe aus und wuchtete sich aus dem Sessel. Ihr Blick wanderte durch die gemütlich eingerichtete Kabine.

Alles schön und gut, dachte sie verdrossen. Aber das wird heute nichts mehr mit Schlafen.

Sie musste hier raus, musste unter Leute. Entschlossen zog sie ihre Stiefel an und machte sich auf den Weg. Obwohl zu befürchten war, dass selbst in den Bars um diese Uhrzeit – es war kurz nach Mitternacht – nicht mehr viel los sein würde.

Wenig später betrat sie eine Bar und fand ihre Befürchtung bestätigt. Ein knappes Dutzend Personen verteilte sich rund um den Tresen, ansonsten war der große, gediegen eingerichtete Saal leer. Nur ganz hinten in eine Ecke saß ein einzelner Mann. Er hatte die Ellenbogen aufgestellt und den Kopf auf die Hände gestützt. Trübsinnig blickte er auf das Getränk, das vor ihm auf dem Tisch stand.

Conia fühlte eine gewisse Seelenverwandtschaft. Ganz offensichtlich auch so einer, der gerade seine sentimentale Phase hatte. Spontan beschloss Conia, dem Leidensbruder Gesellschaft zu leisten. Zielstrebig steuerte sie den abseits stehenden Tisch an.

»Hallo«, sagte sie mit ihrer rauchigen Stimme. »Darf ich mich zu dir setzen?«

Der schmächtige Mann hob den Kopf und sah in ihr herbes Gesicht.

»Ich kann nicht schlafen«, erklärte sie, »und mir geht momentan viel zu viel durch den Kopf. Als ich dich so sitzen sah, dachte ich mir, da ist jemand, dem geht es genau so wie dir, Conia.«

»Conia?« Verständnislos blickte er in ihre Augen.

Die Chefingenieurin schnappte sich entschlossen einen Stuhl und nahm Platz. »Ah«, machte sie gedehnt. »Entschuldige bitte. Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich heiße Conia Gogolja und bin die Chefingenieurin dieses wunderbaren Schiffes.«

Der Mann nahm die Ellenbogen vom Tisch und starrte Conia wortlos an.

»Willst du lieber allein sein?«, fragte Conia.

Nun stahl sich ein Lächeln auf das Gesicht des Mannes. Langsam schüttelte er den Kopf. »Nein ... ich ... ich weiß nicht.« Dann besann er sich seiner Manieren. Im Sitzen deutete er eine Verbeugung an. »Verzeih, ich war etwas in Gedanken. Ich bin Floyd Thenning. Und ja, du kannst mir gerne Gesellschaft leisten.«

Conia deutete auf das Glas vor Thenning. »Was trinkst du denn da?«

»Ich hab den Namen vergessen. Irgend so ein Longdrink.«

Conia nickte wissend. »Softdrink. Ohne Alkohol!«

Thenning nickte.

»Dachte ich mir. Da muss man ja trübsinnig werden.« Sie stand auf und deutete zum Tresen. »Ich sag dir was, Floyd – ich darf dich doch so nennen? Gut. Ich organisier uns jetzt mal was Vernünftiges.« Sie zwinkerte Thenning vertraulich zu. »Zufälligerweise kenne ich den Barkeeper recht gut. Bin gleich zurück.«

Ehe Floyd Thenning recht wusste, wie ihm geschah, rauschte Conia schon in Richtung Tresen davon. Nach wenigen Minuten kehrte sie mit zwei Gläsern und einer Flasche unter dem Arm zurück. Sie stellte die Gläser und die Flasche mit einem Ruck auf den Tisch und setzte sich wieder.

»Ich sag dir jetzt, was wir tun, Floyd. Wir bekämpfen unser beider Trübsal mit dieser Medizin.« Sie öffnete die Flasche und schenkte die beiden Gläser randvoll.

Thenning beäugte die Flasche misstrauisch. Conia bemerkte den Blick. »Grappa vom Feinsten«, beantwortete sie die unausgesprochene Frage. »Marsianischer Grappa. Ein wahrer Göttertrunk, sag ich dir«.

Sie hob das Glas und prostete ihm zu. »Zum Wohl, Floyd. Auf uns – und auf eine angenehme Reise.« Conia leerte ihr Glas in einem Zug.

Thenning war etwas vorsichtiger. Er nippte zunächst nur an der klaren, leicht grünlichen Flüssigkeit, dann roch er daran. Ein breites Lächeln erschien auf seinem schmalen Gesicht. »Zum Wohl, Conia«, sagte er und leerte sein Glas ebenfalls in einem Zug. Er blies die Backen auf und klopfte sich gegen die Brust. »Der hat aber ganz schön Wumms dahinter«, meinte er mit tränenden Augen.

Conia grinste. »Sag ich doch. Medizin.« Sie schenkte die Gläser wieder voll. »Auf einem Bein kann man bekanntlich nicht stehen.« Sie blickte Thenning fragend an. »Wohin geht denn die Reise?«

»Nach Druulghard«, sagte Thenning.

»Geschäftlich?«

Thenning zögerte. »Wie man es nimmt. Ich besitze mehrere Unternehmen und komme gerade von einer Vorstandssitzung. Nun bin ich auf dem Weg nach Hause, wo ich mit meiner Frau und deren Sohn über gewisse Veränderungen in der Firmenstruktur reden muss.«

»Das klingt aber nicht sehr freudig. – Deshalb das Trübsalblasen?«

Thenning wiegte den Kopf. »Teils, teils. Die Sache ist ein wenig komplexer.« Er gab sich einen Ruck und lächelte. »Aber lassen wir das für den Augenblick.« Er griff nach dem Glas. »Prost, Conia. Vielleicht gibt es ja doch noch die eine oder andere Überraschung.«

 

*

 

Yannish Capata stand mit seinem Tablett im Restaurant und suchte nach einem freien Tisch. Er wollte nicht gerne allein zu Mittag essen, sich aber andererseits auch nicht einer größeren Gruppe anschließen. Yannish entschied sich für einen Tisch, an dem ein einzelner Mann saß.

»Hallo, Ernesto, darf ich mich zu dir setzen?«

Ernesto Kaurismogan sah hoch und lächelte. »Hallo, Yannish. Selbstverständlich. Nimm Platz.« Ernesto machte eine einladende Geste. Er arbeitete im Kasino an verschiedenen Spielgeräten und Tischen. Bisweilen half er auch hinter der Bar aus.

Yannish stellte sein Tablett auf den Tisch, setzte sich und begann zu essen. »Hab dich schon eine Weile nicht mehr gesehen«, sagte er zwischen zwei Bissen. »Wie geht es dir denn so?«

Ernesto beendete seine Mahlzeit. Er legte das Besteck zur Seite und lehnte sich auf dem Stuhl zurück. »Gut, danke. Wieso?«

Yannish wischte sich über den Mund und trank einen Schluck. »Weiß nicht. Du wirkst ein wenig müde und abwesend.«

Ernesto winkte ab. »Nicht weiter schlimm. Nur ein bisschen wenig Schlaf bekommen die Tage.« Er beugte sich vor. »Wir haben da seit zwei Tagen einen merkwürdigen Gast«, erklärte er im vertraulichen Flüsterton. »Ich glaub, der ist ein wenig wunderlich da oben.« Ernesto tippte sich mit dem Finger an die Schläfe.

»Ah ja?«, mümmelte Yannish mit vollem Mund. »Lass hören.«

Ernesto rückte ein Stück näher. »Also, er kommt rein – ich hatte Dienst an der Bar –, er bestellt sich einen Margarita und fragt mich, was wir hier denn alles zu bieten haben. Alles, was dein Herz begehrt, sage ich zu ihm. Und der Kerl? Nickt nur wortlos und geht zum Roulette-Tisch 1. Dort spielt er eine Weile. Wechselt dann zu Tisch 2. Später sehe ich ihn beim Black Jack. Er kommt wieder an die Bar, trinkt einen Margarita und begibt sich zu den Automaten. Dann geht er in die Abteilung, wo die ferronischen Brettspiele stehen. Irgendwann, nach Mitternacht, steht er wieder bei mir an der Bar. Na, sage ich, hast du was gewonnen? Und er schaut mich träge an, nickt und verschwindet.«

»Es gibt schon merkwürdige Typen«, pflichtete Yannish ihm bei.

»Kannst du laut sagen. Am nächsten Abend ist er wieder da. Ich hab Dienst an den Tischen. Wieder spielt er alles rauf und runter, ohne Sinn oder erkennbares Muster. Er setzt kleine Beträge, gewinnt, erhöht den Einsatz, verliert, gewinnt wieder größere Summen. Dann hat er bei mir am Black Jack Tisch eine wahre Glückssträhne. Immer weiter. Ich dachte schon, ich muss dem Chef Bescheid geben, damit er den Tisch sperrt. Aber da ... BUMM! Verliert der Typ doch glatt eine Riesensumme. Unterm Strich geht er an diesen beiden Abend mit einem kleinen Gewinn nach Hause.«

Yannish zuckte mit den Schultern. »Jeder hat so seinen Spleen.«

Ernesto nickte. »Und weißt du, was das Merkwürdigste ist? Der Kerl freut sich nicht mal, wenn er einen satten Gewinn einstreicht. Verzieht keine Miene.« Er blies die Backen auf und fuchtelte mit dem Zeigefinger vor Yannishs Gesicht herum. »Und ich schwöre dir, ich habe den Kerl lächeln sehen, als er diese Riesensumme beim Black Jack verlor.«

Yannish winke skeptisch ab. »Mach mal halblang!«

Ernesto machte ein ernstes Gesicht und hob die rechte Hand. »Ehrlich. Ich schwör's!«

 

*

 

Floyd Thenning saß an der Bar im Kasino und hielt ein Glas Margarita in der Hand, als ein derber Schlag ihn an der linken Schulter traf. Thenning verschüttete einen Teil des Getränks und fluchte unterdrückt.

»Floyd, mein Bester«, sagte eine rauchige Stimme hinter ihm. »Schön, dich wieder zu sehen.«

Thenning wischte sich die Hand an einer Serviette ab und drehte sich ärgerlich herum.

»Oh, das tut mir leid«, sagte Conia Gogolja zerknirscht. »Das wollte ich nicht.« Unaufgefordert erklomm sie den Barhocker neben Thenning und gab dem Mann hinter dem Tresen ein Zeichen. »Hey, Fred, noch mal dasselbe für den Herrn.« Sie zwinkerte dem Barkeeper zu. »Und dann ein Fläschchen von ... du weißt schon.«

Thennings Ärger war verraucht, als er Conia erkannte, und er erhob keinen Einwand wegen ihrer Bestellung. »Hast du schon wieder dienstfrei?«, erkundigte er sich.

»Hm.« Conia nickte und kramte in ihrer Jackentasche. »Problemlose Strecke. Alle Maschinen laufen wie am Schnürchen. Da kann ich mir mal ein wenig mehr Ruhe gönnen.« Sie legte eine quadratische Schachtel auf den Tresen. Daraus zog sie ein braunes, knapp zehn Zentimeter langes und zwei Zentimeter dickes Etwas und steckte es sich in den Mund. Sie zog zweimal kräftig daran, worauf sich der Tabak entzündete und einen leicht muffigen Geruch verbreitete. Conia schloss genüsslich die Augen, paffte ein paar Mal und blies den Rauch langsam aus.

Thenning drehte sich etwas weg und wedelte mit der Hand. »Puh, was ist denn das für ein Kraut?«

Conia grinste, ihre schwarzen Augen funkelten ihn belustigt an. »Mein Glückskraut«, sagte sie verschmitzt. »Möchtest du auch mal?«

»Bloß nicht«, wehrte Thenning ab.

Conia griff nach den beiden Gläsern mit marsianischem Grappa und reichte eines Thenning. »Prost, Floyd, auf einen schönen Abend.«

Thenning leerte sein Glas und wischte sich über den Mund. »Glückskraut?«, nahm er den Faden von vorhin wieder auf. »Du meinst, es bringt dir Glück. Oder du mir?«

»Wer weiß?«

Entschlossen stieg Thenning vom Barhocker. »Versuchen wir es«, sagte er und streckte einladend die Hand aus. »Begleitest du mich bitte zu den Spieltischen?«

Conia zog genüsslich an ihrer Zigarre, dann legte sie sie auf einen Schwebeteller, damit der Rest entsorgt wurde. »Warum nicht?«

Es schien zu funktionieren. Thenning gewann eine durchaus erkleckliche Summe am Roulettetisch. Er erhöhte verbissen den Einsatz, spielte mit mehr Risiko. Und gewann.

Conia stupste ihn in die Seite. »Hey, es klappt«, rief sie erstaunt und erfreut zugleich. »Ich fass es nicht. Ich bring dir tatsächlich Glück?«

»Glück?«, sagte er gedehnt. »Ja, so kann man es auch sehen.«

Thenning raffte die gewonnenen Jetons zusammen, steckte sie in seine Jackentasche und bedachte Conia mit einem seltsamen Blick. »Du entschuldigst mich bitte. Ich bin müde.« Er nickte ihr kühl zu und verließ ohne ein weiteres Wort das Kasino.

Conia starrte ihm verdutzt hinterher. Sie suchte den Blick des Croupiers. »Was war denn das jetzt?«

Der Mann am Tisch zuckte nur mit den Schultern.

 

*

 

Der Ruf erreichte Yannish Capata gerade, als er seine Schicht beenden wollte. Seufzend blickte er auf sein Multikom, dann entschloss er sich, das Gespräch anzunehmen. Ein kleines Holo erschien über seinem Handgelenk

»Floyd Thenning, was kann ich für dich tun?«, sagte er bemüht freundlich.

Der kleine Mann blinzelte unsicher in die Gegend und kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe. »Ich hoffe, ich störe nicht gerade?«

Yannish setzte ein Lächeln auf und schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Ist schon in Ordnung. Wie kann ich dir helfen?«

»Nun ...« Thenning zögerte. »Du hast gesagt, ich könnte jederzeit anrufen, wenn ich Fragen wegen des Kasinos hätte.«

Yannish nickte. »So ist es«, bestätigte er.

»Ich hätte tatsächlich ein paar Fragen. Das würde ich gerne unter vier Augen besprechen. Können wir uns treffen? In meiner Kabine?«

Yannish signalisierte Zustimmung. »Ja, warum nicht? Wann wollen wir uns treffen?«

»Jetzt gleich?«

Jetzt? Der Chefsteward der STELLARIS überlegte kurz. Im Grunde war ihm das überhaupt nicht recht. Er hatte dienstfrei und eigentlich vorgehabt, im Hydroponium ein paar Runden zu laufen. Danach ein schöne heiße Dusche. Anschließend ein leichtes Abendessen in der Messe, und dann hätte er sich in seiner Kabine Trivids von exotischen Welten reingezogen und dabei von einem Lebensabend auf Alniak VII im Gürtel des Orion geträumt, irgendwo im Taugwalder-Gebirge.

Yannish seufzte lautlos. »Also gut«, sagte er. »Ich komme gleich mal vorbei. Ich habe nämlich gerade meine Schicht beendet, aber ich kann das schon einrichten.«

»Oh«, sagte Thenning. »Danke. Ich weiß das sehr zu schätzen. Ich hätte dich auch nicht angerufen, wenn es nicht wirklich wichtig wäre. Mir bleibt nämlich nicht mehr viel Zeit.«

 

*

 

Yannish Capata schüttelte bedauernd den Kopf, nachdem Thenning sein Anliegen erläutert hatte. Verdutzt versuchte er zu verarbeiten, was er eben gehört hatte. Mit gerunzelter Stirn blickte er den schmächtigen Mann an.

Thenning nippte an seinem Glas mit Chrisat-Wein. Gleich zu Beginn ihres Gespräches hatte Thenning ihnen jeweils ein Glas des seltenen und sündhaft teuren Weines eingeschenkt. Yannish hatte ziemlich überrascht die Flasche angestarrt. Offensichtlich hatte Thenning den Wein in seinem Gepäck gehabt, denn an Bord der STELLARIS gab es so etwas nicht.

»Nun ...«, setzte Thenning an, »ich dachte mir, vielleicht lässt sich da was arrangieren. Du weißt schon.«

Yannish nahm einen großen Schluck von dem Wein. Er wischte sich über den Mund und stellte das Glas hart auf den Tisch. »Wir sind ein Frachtraumschiff«, begann er vorsichtig, »kein fliegender Händler.«

»Ich weiß ja«, sagte Thenning zerknirscht.

»Außerdem ist es illegal.« Yannish lehnte sich im Sessel zurück, fuhr sich mit beiden Händen durch sein Haar und musterte Thenning mit zusammengekniffenen Augen. »Du verkennst da was. Die Zeiten, in denen die Besatzung von Frachtern ein Haufen abenteuerlustiger durchtriebener Männer war und der Kapitän ein dubioser Geschäftemacher, sind längst vorbei. Die Romantik der Freibeuter und Piraten, der Glücksritter ist von jeher nur ein Klischee gewesen.«

Thenning blinzelte den Steward an. »Bist du traurig darüber?«

Verdutzt sah Yannish den kleinen Mann an. »Was?«

Thenning winkte ab. »Lass gut sein.« Er nahm sein Glas und prostete Yannish zu. »Auf die Freibeuter!«, sagte er mit wehmütigem Lächeln.

Yannish hob sein Glas und gab das Lächeln zurück. »Auf die Piraten!«

»Ich musste es wenigstens versuchen«, sagte Thenning. »Das verstehst du doch.«

Yannish nickte. »Ich wünschte nur, ich könnte dir helfen.«

 

*

 

Noch drei Tage. Allmählich wurde es knapp. Die Zeit arbeitete gegen ihn und machte gemeinsame Sache mit dem Schicksal. Es war zum Verrücktwerden. Ein alter terranischer Spruch kam ihn in den Sinn: »Glück im Spiel, Pech in der Liebe.«

Am Vorabend hatte er es noch mal versucht. Hatte alle möglichen Spiele ausprobiert, verschiedene Strategien angewandt. Aber nichts hatte geholfen. Er hatte Conia Gogolja, die herbe Schönheit, an der Bar getroffen und versucht, ihr zu erklären, was ihn umtrieb. Er hoffte inständig, dass sie ihn verstanden hatte. Nichts lag ihm ferner, als diese Frau zu verärgern. Er mochte ihre direkte, burschikose Art, das Leben zu nehmen. Sie war beileibe kein Kind von Traurigkeit.

Drei Tage. Vielleicht gab es ja doch eine Möglichkeit. Yannish hatte ihm zumindest versprochen, über sein Problem nachzudenken. Soweit er ihn verstanden hatte, wollte er jemanden fragen, der große Lebenserfahrung und ebenso viel diplomatisches Geschick besaß.

Thenning seufzte laut. Die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt.

 

*

 

Konsul a. D. Zirome lehnte sich in seinem Sessel zurück und griff nach der zierlichen Tasse, die auf einem Schwebetablett neben ihm in der Luft stand. Er hielt die Tasse vor den Mund, sog das kräftige Aroma des terranischen Espresso, den er so sehr liebte, genussvoll ein, dann trank er einen kleinen Schluck. Noch mit der Tasse in der Hand sah er Yannish Capata nachdenklich an.

»Das ist fürwahr ein seltsames Ansinnen«, sagte er gedehnt. »Du bist sicher, dass du das alles richtig verstanden hast?«

Yannish nickte zögernd. »Ich denke doch«, meinte er. »Ob ich jetzt die genauen Verflechtungen der Geschäftsanteile richtig behalten habe, kann ich nicht hundertprozentig sagen, aber im Großen und Ganzen ist das die Sachlage.«

»Hm«, machte Zirome. Der Swoon, Dauergast auf der STELLARIS und inoffiziell gerne als Berater in mancherlei Dingen um Rat gefragt, stellte die Tasse auf das Schwebetablett. Zirome bewohnte an Bord der STELLARIS eine Fünf-Meter Kabine, die für seine Bedürfnisse in fünf Etagen unterteilt worden war. In dem abgeteilten Eingangsbereich, Audienzsaal genannt, empfing der Konsul, wie jetzt eben, seine Gäste.

»Was sollen wir nun tun?«, fragte Yannish ungeduldig.

Zirome beugte sich ein wenig vor. »Überlegen.«

Yannish fuhr sich nervös mit der Hand durchs Haar. »Ja, schon. Aber was?«

»Gemach, mein Freund«, sagte der Swoon. »Lass mir ein wenig Zeit. Ich werde darüber nachdenken. Möglicherweise fällt mir etwas ein. Du kannst dem guten Mann sagen, ich suche nach einer Lösung. Und er soll ruhig weiterhin das Kasino aufsuchen und spielen, was immer ihm beliebt. Schaden kann es ja nicht. Wer weiß, vielleicht klappt es doch irgendwie. Eigentlich ist das ein Ding der Unmöglichkeit.«

»Eigentlich ...«, sagte Yannish verdrossen.

»Ach, und ich würde dem Kapitän vorerst nichts davon erzählen.«

 

*

 

Floyd Thenning saß auf einer Bank auf dem Aussichtsdeck am Rande der ausgedehnten Grünanlagen und starrte wehmütig hinauf zur Panzertroplon-Kuppel. Das sanfte Licht der Sterne strahlte eine beruhigende Wirkung aus. So fern und doch so nah. So vertraut. Thenning spürte, wie er sich etwas entspannte, obwohl er wusste, dass es sich hierbei lediglich um eine Projektion handelte. Schließlich befand sich die STELLARIS gegenwärtig im Linearflug. Aber das war ihm im Augenblick egal. Er wollte einfach hier sitzen, ganz alleine, in den Sternenhimmel schauen und sich seinen schwermütigen Gedanken hingeben.

»Hier steckst du also?«

Thenning zuckte erschrocken zusammen und wandte den Kopf. Schuldbewusst wie ein kleiner Junge, der bei etwas Unerlaubtem ertappt worden ist, sah er Conia Gogolja entgegen.

Die Chefingenieurin kam näher und setzte sich unaufgefordert neben ihn auf die Bank. »Schön, nicht?«, sagte sie und blickte nach oben.

»Hm«, sagte Thenning mürrisch. »Ist aber bloß eine Projektion.«

»Weiß ich doch.« Conia nickte. »Ist aber trotzdem schön.«

Thenning gab keine Antwort.

Conia spürte garantiert, dass Thenning in ganz mieser Stimmung war, aber das focht sie nicht an. Sie plauderte munter weiter. »Weißt du, wenn man hier sitzt, fühlt man sich den Sternen ganz nah. Man fühlt sich ganz leicht und ruhig.«

Sie griff in die Tasche ihrer Jacke und holte eine ihrer schweren dunklen Zigarren hervor, zog zweimal daran, bis sie sich entzündet hatte, dann paffte sie genüsslich.

»Ich war verwundert, dich heute Abend nicht im Kasino zu sehen«, sagte sie unvermittelt. »Hab sogar den Barkeeper gefragt, aber der hat gemeint, du wärst den ganzen Tag nicht da gewesen. Auch in den Restaurants hat dich keiner gesehen.«

Thenning rückte ein wenig von ihr ab und sah sie ärgerlich an. »Du spionierst mir nach?«

»Ach was!« Conia machte eine wegwerfende Geste. »Ich habe dich halt vermisst.« Ihre dunklen Augen glänzten.

»Vermisst?«

»Na ja«, sagte Conia und fuhr sich durch ihr kurz geschnittenes schwarzes Haar. »Schon irgendwie. Ich finde dich ganz nett. Auch wenn du ein wenig kauzig bist.«

»Kauzig?«

Conia zuckte mit den Schultern. »Ich kann es nicht anders ausdrücken. Du scheinst ein feiner Kerl zu sein. Aber das, was du im Kasino ablieferst, ist schon ein wenig spleenig.«

Thennings Kopf ruckte herum. Zum ersten Mal sah er sie direkt an. »Ein Spleen, findest du?«

»Finde nicht nur ich. Den Bediensteten im Kasino ist das auch aufgefallen. Die halten dich für ein bisschen schrullig. Schrullig, aber harmlos.«

Thenning lachte leise. »Was weißt denn du schon«, sagte er abweisend.

Conia ließ sich nicht beirren. Sie beugte sich ein wenig zu ihm hinüber. »Dann klär mich doch auf! Sag mir, was dich bedrückt.« Sie hob abwehrend die Hand, um seinen Protest umgehend zu ersticken. »Und erzähl mir nicht, da sei nichts. Ich spür doch, dass du Trübsal bläst.« Sie griff in die Jackentasche und zog eine Flasche hervor. Der Inhalt schimmerte grünlich im sanften Sternenlicht. »Ich hab hier was Hochprozentiges. Was ganz Feines, das die Trübsal vertreibt und das Reden erleichtert.«

Sie stieß Thenning freundschaftlich in die Seite, entkorkte die Flasche und zauberte aus ihrer Jacke zwei kleine Gläser hervor, die sie bis zum Rand füllte. Sie reichte eines Thenning und prostete ihm zu.

»Zum Wohl, Kumpel. Und damit du es weißt: Ich hab Zeit.«

 

*

 

»Um es auf den Punkt zu bringen: Ich möchte als armer Mann nach Druulghard kommen. So einfach ist das.« Thenning seufzte laut. »Oder eben gerade nicht.«

Solomon Coscor hob fragend die Augenbrauen und lehnte sich im Sessel zurück. Abwartend, die Arme vor der breiten Brust verschränkt, musterte er den Passagier. Yannish Capata hatte ihm bereits einige verworrene Andeutungen gemacht, und Coscor hegte wohl die Befürchtung, das Floyd Thenning Ungemach in seine geliebte Ordnung bringen würde.

Sie hielten sich in einem kleinen Besprechungsraum unweit der Zentrale auf. Ein wenig unwirsch, weil Thenning sich nicht weiter erklärte, beugte sich Coscor nach vorne und ließ einen stechenden Blick auf Yannish Capata ruhen, der am Kopfende des Tisches saß. Daneben, auf seiner Antigravscheibe mit dem roten Sessel, schwebte Zirome. Im Gegensatz zu Capata wirkte der Konsul ruhig und entspannt, obgleich man die Mimik des Swoon nur schwer deuten konnte.

Coscor ließ seine großen Hände auf die Tischplatte klatschen und sah Thenning gereizt an. »Wenn wir dir helfen sollen, musst du schon ein wenig mehr erzählen«, sagte er ärgerlich. »Yannish hier hat mir gegenüber zwar schon ein paar Andeutungen gemacht – aber ehrlich gesagt bin ich nicht so recht schlau daraus geworden.« Er hob die rechte Hand und deutete mit ausgestrecktem linken Finger auf Thennings Brust. »Und lass dir gesagt sein: Ich habe weder Zeit noch Lust, den ganzen Tag hier zu verbringen.«

»Natürlich«, beeilte sich Thenning zu versichern.

»Wir hätten da auch schon eine Lösung des Problems, denke ich«, ließ sich Zirome vernehmen.

Coscor reckte angriffslustig das Kinn vor. »Ach ja? Darf ich vielleicht zunächst das Problem erfahren, bevor ihr mir die Lösung präsentiert?«

»Das wäre durchaus zweckdienlich«, sagte Zirome ungerührt. Der Konsul wusste sehr wohl, dass sich hinter der bärbeißigen Art des Kapitäns ein guter Kern verbarg. Coscor war zwar streng, vor allem was die Bordroutine und die nötige Ordnung betraf, aber bei allem, was er tat, blieb er stets ein überaus fairer Mann.

Zudem genoss der Swoon als Dauergast an Bord der STELLARIS eh Sonderrechte und wurde von Coscor und vielen Besatzungsmitgliedern gerne um Rat gefragt.

Erneut ließ Coscor seinen Blick durch den Raum schweifen. Yannish Capata hatte überhaupt nichts gesagt, seit sie hier waren.

»Also!«

 

*

 

»Im Grunde ist die Sache recht einfach«, begann Thenning. »Oder sollte es eigentlich sein.« Er zuckte resigniert mit den Schultern. »Aber wiederum ist es ziemlich vertrackt und kompliziert. Wie ich wohl schon erwähnt habe, besitze ich ein gut gehendes Unternehmen, das Spezialmaschinen zum Abbau von Hyperkristallen herstellt. Des Weiteren habe ich einige lukrative Beteiligungen an diversen Firmen. Ich bin also, alles in allem, ein recht wohlhabender Mann.« Thenning hielt kurz inne und seufzte.

Yannish zog die Augenbrauen hoch. Wie Thenning sich hier gab, wirkte er alles andere als ein knallharter, mit allen Wassern gewaschener Geschäftsmann, der erfolgreich ein großes Unternehmen leitete.

»Alles begann vor fünf Jahren«, fuhr Thenning fort, »als meine liebe Frau Amunda starb. Ich war eine Zeit lang am Boden zerstört, dachte daran, alles hinzuschmeißen und die Firma zu verkaufen. Ich hatte schon meine Fühler auf der Suche nach einem möglichen Nachfolger ausgestreckt. Aber dann lernte ich Serinia kennen. Sie hat meinem Leben einen neuen Sinn gegeben. Sie machte mir Mut, bestärkte mich darin, weiterzumachen. Irgendwann verliebte ich mich in sie, wir heirateten.« Er unterbrach sich und schielte zu Solomon Coscor hin, der alle Zeichen von Ungeduld zeigte.

»Um es kurz zu machen. Eines Tages erschien ein junger Mann in meinem Büro. Er stellte sich als Bucan Darost vor, Serinias Sohn. Im Laufe der Zeit drängte sich mein Stiefsohn immer mehr in die Geschäfte der Firma hinein. Seine Mutter schaffte es, mir Kontraktfolien unterzuschieben, die ich gutmütig unterschrieb. Ich vertraute ihr.« Er lächelte traurig. »Liebe macht eben blind, das war schon immer so. Stück für Stück unterwanderten sie so die Firma, hatten immer größeren Anteil daran.

Nun bin ich auf dem Weg nach Druulghard zu einer Aufsichtsratssitzung – ein alter Freund hat mir gegenüber angedeutet, dass es wohl darum geht, mich aus dem Vorstand zu drängen. Obwohl ich die meisten Anteile halte. Keine Ahnung, wie sie das geschafft haben sollen. Nur so viel: Wir haben einen Ehevertrag, an mein Privatvermögen kann sie nicht heran. Allerdings gibt es wohl einen Passus in dem Vertrag, dass ich meine Anteile oder mein Vermögen weder verkaufen noch verschenken darf.«

»Schön und gut«, sagte Coscor. »Und was hat das mit uns zu tun?«

»Diese Frau und ihr nichtsnutziger Sohn haben mich systematisch belogen und betrogen«, ereiferte sich Thenning. »Ich denke nicht daran, ihr auch nur einen Galax zu überlassen.«

»Ja und?«, machte Coscor.

Thenning grinste hinterlistig. »Nun, es steht nirgends geschrieben, dass ich kein Spielkasino aufsuchen darf.« Er zuckte mit den Schultern. »Tja, und wenn ich dummerweise verliere – Pech!«

Yannish blickte verständnislos in die Runde.

Coscor zog die Augenbrauen hoch. »Verstehe.«

»Ich nehme an, dein Freund ist Anwalt«, sagte Konsul Zirome.

Thenning nickte. »Wirtschafts- und Erbrecht.« Ein kleines Lächeln überzog sein Gesicht.

»Und wo ist jetzt, bitteschön, das Problem?«, wollte Yannish wissen.

»Ich kann anscheinend nicht verlieren«, sagte Thenning heftig. »Das solltest du doch inzwischen mitbekommen haben. Ich gewinne, spiele riskant, verliere mal ein bisschen, aber in der Summe gehe ich immer mit einem Gewinn raus.«

Dem Chefsteward ging ein Licht auf; er machte ein zerknirschtes Gesicht.

»All die Abende in den Spielkasinos. Auf Terra, auf Olymp. Hier an Bord.« Thenning machte eine abfällige Handbewegung. »Alles umsonst!«

»Und hier kommen wir ins Spiel«, sagte Zirome leise.

Coscor kniff die Augen zusammen. »Was immer du vorschlagen willst, vergiss es«, blaffte er den Swoon an. »Wenn du so schaust, hast du was vor.«

»Ich?«, sagte Zirome, ganz die personifizierte Unschuld.

»Vielleicht könntet ihr ein wenig nachhelfen«, schlug Thenning vor.

Coscor riss die Augen auf. »Du verlangst von uns, dass wir unsere Spieltische manipulieren!«, rief er entrüstet. Er drohte mit dem Zeigefinger. »Das ist ungesetzlich. Weißt du überhaupt, was du da sagst?«

Floyd Thenning sackte auf dem Stuhl zusammen.

»Und du?« Coscor funkelte den Konsul wütend an. »Für so einen Blödsinn lässt du mich hier antanzen?«

Zirome lehnte sich entspannt in seinem roten Sessel zurück. »Es gibt da noch eine andere Möglichkeit«, sagte er ungerührt.

Coscor fuchtelte mit seiner riesigen Hand vor Zirome herum. »Oh nein!«, rief er. »Ich will nichts davon hören.«

 

*