BT_Indianerpferde_eBook_COVER_EPUB.jpg
32280.jpg

37974.jpg

Wilder Westen, wir kommen!

Auf der Horsehead Ranch

Echte Indianer

Jim’s Saloon

Das Tipi

Nächtlicher Überfall

Unglaubliches Pech

Die Geisterstadt

Gefangen

Auf dem Kriegspfad

Ein gemeiner Plan

Das Gold vom Horsehead Rock

Die Eule ruft

Besucher in der Nacht

Entscheidung in der Höhle

Geständnisse

Wahre Freunde

Leseprobe "Der wilde Hengst"

36640.jpg

36641.jpg

37663.jpg

„Fasten your seatbelts, bitte schnallen Sie sich an“, sagte die Stewardess mit freund­lichem Lächeln.

Bibi Blocksberg, die kleine Hexe, ließ die beiden Enden ihres Gurtes mit einem Klicken einrasten. Sie war total aufgeregt! Zum Glück saß ihre Freundin Tina gleich neben ihr.

Einen Sitz weiter hatte es sich Tom Brown gemütlich gemacht, der den Mädchen aufmunternd zulächelte. „Gleich geht’s los!“, sagte er.

In diesem Augenblick nahm das Flugzeug Tempo auf. Rasend schnell schoss es über die Startbahn und hob ab. Sie flogen! Bibi sah zum Fenster hinaus auf die immer kleiner werdenden Häuser der Stadt.

Wenig später durchdrang das Flugzeug die Wolkendecke, und strahlend blauer Himmel umgab sie. Was für ein tolles Abenteuer ihnen bevorstand! Ihre Freundin Tina und sie flogen nach Amerika, genau­er gesagt: in den Bundes­staat Wyoming, in die Heimat von Tom Brown. Tom hatte ihnen erklärt: „In Wyoming ist es heute noch so wie damals im Wilden Westen.“

Bibi sah Tina an, und beide Mädchen riefen im Chor: „Wilder Westen, wir kommen!“

„Ihr scheint euch ja richtig zu freuen“, bemerkte Tom lächelnd.

„Aber ja“, sagte Tina. „Wir freuen uns wie verrückt. Stimmt’s Bibi?“

Noch vor ein paar Wochen war Tinas Laune alles andere als gut gewesen. Bibi und sie hatten miteinander telefoniert, weil Bibi wie jedes Jahr die Sommer­ferien auf dem Martinshof verbringen wollte und es noch viel zu besprechen gab. Dabei hatte Tina erzählt, dass ihr Freund Alex während der ganzen Sommer­ferien nicht da sein würde. Er plante mit seinem Vater eine Reise nach Griechenland, um antike Stätten zu besuchen.

Bibi konnte verstehen, dass Tina des­wegen nicht glücklich war, aber sie wollte sich die Ferien nicht vermiesen lassen. Außerdem hatte sie schon eine großartige Idee: „Wie wär’s, wenn wir auch eine kleine Reise machen? Wir könnten Tom Brown besuchen“, hatte sie vorgeschlagen. „Er hat uns doch letzten Sommer eingeladen.“

Tom Brown war Amerikaner und betrieb mit seiner Frau in Rotenbrunn eine Western­ranch. Bibi und Tina hatten Tom im letzten Jahr dabei geholfen, einen wertvollen Mustang einzufangen, der ihm weggelaufen war.

Tina fand Bibis Idee sofort gut. Sie rief umgehend bei Tom an, um zu fragen, ob sie in den Ferien kommen könnten. Doch Tom berichtete, dass er in dieser Zeit nach Wyoming fliegen würde, da sein Vater sich den Arm gebrochen habe und er ihn besuchen wolle. Tina war zuerst sehr enttäuscht gewesen, aber dann hatte Tom Brown einen geradezu fantastischen Vorschlag gemacht: „Kommt doch einfach mit nach Amerika, Bibi und du!“

Natürlich war es alles andere als leicht gewesen, Tinas Mutter und Bibis Eltern davon zu überzeugen, ihre Töchter nach Amerika fliegen zu lassen. Aber schließlich hatten es die beiden Mädchen doch geschafft – und nun saßen sie tatsächlich mit Tom Brown im Flugzeug.

Europa hatten sie schon hinter sich gelassen. Unter ihnen erstreckte sich der Atlantik. Bibi wusste, dass über dieses Meer einst Kolumbus gesegelt war, um den Seeweg nach Indien zu finden. Doch dann hatte er – ohne es zu wissen – Amerika entdeckt und dessen Ureinwohner, weil er glaubte, in Indien zu sein, Indianer genannt.

„Gibt es in Wyoming eigentlich Indianer?“, fragte Bibi Tom Brown.

„Aber ja. Früher lebten in Wyoming viele Stämme“, nickte Tom, „zum Beispiel die Cheyenne oder die Shoshone. Heute gibt es in Wyoming ein großes Indianerreservat. Und gleich in der Nähe der Ranch meiner Eltern lebt Many Horses. Einer seiner Vorfahren war ein berühmter Shoshone-Häuptling.“

„Many Horses? Das bedeutet ,viele Pferde‘, oder?“, fragte Tina.

Tom nickte abermals. „Ja! Many Horses hat tatsächlich viele Pferde. Er züchtet Appaloosas, echte Indianerpferde.“

„Wow! Das ist eine ganz besondere Rasse!“, rief Tina begeistert. „Können wir ihn mal besuchen und uns die Tiere ansehen?“

„Na klar!“, sagte Tom. „Many Horses ist ein guter Freund meines Vaters. Er gehört praktisch zur Familie.“

Bald fielen alle in einen leichten Schlaf. Als sie wieder erwachten, befanden sie sich bereits über dem amerikanischen Kontinent.

Am Flughafen erwarteten sie Toms Eltern, deren Ranch nur einige Autostunden entfernt lag. Winkend kamen sie ihnen entgegen. Toms Vater war groß wie ein Bär. Unter seinem Cowboyhut lugten weiße Haare hervor; sein Gesicht war wetter­gegerbt. Man sah ihm an, dass er sich am liebsten in der freien Natur aufhielt. Sein linker Arm war eingegipst und steckte in einer Schlinge. Toms Mutter war eine kleine Frau mit halblangen dunkel­blonden Haaren und warmen Augen, die von zahllosen Lachfältchen umgeben waren. Die beiden waren etwa sechzig Jahre alt.

Nachdem Tom und seine Eltern sich begrüßt hatten, streckte Toms Vater Bibi die Hand entgegen. „Herzlich willkommen“, sagte er mit breitem Lächeln. „Ich bin John.“ Anschließend begrüßte er Tina mit festem Händedruck.

Toms Mutter Ellie nahm die beiden Mädchen einfach in die Arme. Ihre Augen strahlten. „Ach, ich freue mich ja so, dass Tom euch mitgebracht hat“, sagte sie. „Endlich sind mal wieder Kinder im Haus, die ich nach Herzenslust verwöhnen kann.“

John Brown ließ es sich nicht nehmen, den Gepäckwagen mit seiner gesunden Hand zum Auto zu schieben – einem ziemlich alten, verbeulten taubengrauen Kombi. Fahren durfte er mit seinem gebrochenen Arm allerdings nicht. Nachdem Tom das Gepäck verladen hatte, setzte Ellie sich ans Steuer.

Inzwischen war es Nacht geworden, und von der Landschaft, die sie durchfuhren, war kaum etwas zu erkennen. Nur hin und wieder begegnete ihnen ein Auto. Bibi und Tina überkam eine ungeheure Müdigkeit, und kurz darauf schliefen sie tief und fest.

Bibi erwachte erst wieder, als Ellie plötzlich scharf bremste. Ein Gabelbock stand mitten auf der Straße und blickte unverwandt ins Licht der Scheinwerfer. Schlaftrunken betrachtete Bibi das riesige Tier, das sie durch die Windschutzscheibe anglotzte und dann in der Dunkelheit verschwand. Kaum fuhr Ellie weiter, fielen Bibi die Augen wieder zu. Im Halbschlaf hörte sie, wie sich die Browns unterhielten. Tom erkundigte sich bei seinem Vater, wie es zu seinem Unfall gekommen war.

„Dein Vater ist vom Pferd gefallen“, sagte Ellie, bevor John antworten konnte.

„Unsinn!“, bellte John sofort. „Das heißt, es stimmt schon, ich bin tatsächlich vom Pferd gefallen. Aber das ist nicht mit rechten Dingen zugegangen.“

„Wie meinst du denn das, Pa?“, erkundigte sich Tom erstaunt.

John Brown räusperte sich zweimal. „Ich vermute, dass dieser aalglatte Jim Smith dahintersteckt.“

„Jim Smith? Meinst du etwa Jim, der mit mir in die Schule gegangen ist?“, fragte Tom.

„Genau den!“, bestätigte John. „Er ist inzwischen ein wichtiger Mann in Western Town geworden. Er besitzt ein Hotel und einen Saloon und will groß ins Tourismusgeschäft einsteigen.“

„Hm“, meinte Tom nachdenklich. „Jim war schon immer ein ehrgeiziger Typ. Aber ich verstehe nicht ganz, was das mit deinem Reitunfall zu tun hat, Pa.“

„Ganz einfach! Vor ein paar Wochen war er bei uns auf der Ranch. Er wollte mir den Horsehead Rock abkaufen. Der könnte ein richtiger Touristenmagnet werden, meinte er. Man könnte dort Klettertouren und Höhlenführungen anbieten. Und weil der Felsen ein heiliger Ort für die Indianer ist, wäre er für viele Touristen besonders interessant.“

„Und was hast du ihm gesagt?“, wollte Tom wissen.

„Ich habe ihn rausgeworfen“, sagte John grimmig. „Ich kann den Kerl einfach nicht ausstehen. Außerdem lebt Many Horses mit seinen Pferden am Horsehead Rock; was sollte aus ihnen werden, wenn ich verkaufe? Aber ein paar Tage später ist mein Sattelgurt gerissen, und ich bin vom Pferd gefallen. Dabei war der Sattel nagelneu!“

„Ach was“, meinte Ellie beruhigend, „dein Vater sieht vermutlich Gespenster. Er will einfach nicht wahrhaben, dass er langsam zu alt dafür ist, um mit seinem Pferd über Zäune zu springen.“

Tom lachte, und sein Vater stieß ein Brummen aus. Dann schwiegen die Browns. Während der Kombi durch die Nacht brauste, fiel Bibi wieder in einen tiefen Schlaf.

Irgendwann rüttelte sie jemand sanft an der Schulter.

„Bibi, Tina, wir sind angekommen“, hörte sie Ellies Stimme. „Aufwachen!“