Multilaterales Instrument

Herausgegeben von

 

Prof. Dr. Florian Haase, M.I.Tax

Professor für Bürgerliches Recht, Wirtschafts- und Steuerrecht,
insbesondere Internationales und Europäisches Steuerrecht,
an der HSBA Hamburg School of Business Administration
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht

 

Bearbeitet von

Dr. Kai-Uwe Bandtel, Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht
Dr. Isabel Bauernschmitt, Steuerberaterin
Dipl.-Betriebsw. (FH) Tanja Creed, M.I.Tax, Steuerberaterin
Frank Dißmann, Steuerberater
Dipl.-Kfm. Bernd Frenzel, Steuerberater
Dipl.-Steuer-Jur. (FH) Malte Geils, Steuerberater
Prof. Dr. Florian Haase, M.I.Tax, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Christian Hackethal, Rechtsanwalt, Steuerberater
Dipl.-Kfm. Florian Kaiser, Steuerberater
Dr. Achim Kestler, Steuerberater
Dr. Susanne Kölbl, Steuerberaterin
Dr. Melanie Köstler, Steuerberaterin
Dipl.-Kffr. Anna Luce, Steuerberaterin
Dr. Dagmar Möller-Gosoge, Steuerberaterin
Dipl.-Finanzw. (FH) Philip Nürnberg

 

 

 

kein Alternativtext verfügbar

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Vorwort

Sie, lieber Leser, halten einen der ersten Kommentare zum sog. Multilateralen Instrument in Händen, mit dem die abkommensbezogenen Maßnahmen des sog. BEPS-Projekts der OECD umgesetzt werden sollen und der von Experten der Praxisgruppe „Internationales Steuerrecht“ von Rödl & Partner verfasst worden ist. Der Kommentar ergänzt meinen in gleicher Reihe beim C.F. Müller-Verlag bereits in 3. Auflage erschienenen Kommentar zum AStG und dem OECD-Musterabkommen gleichsam um die Perspektive der Maßnahmen rund um „Base Erosion and Profit Shifting“.

Mit dem Kauf haben Sie ohne Zweifel eine gute Entscheidung getroffen, denn ohne Übertreibung lässt sich sagen, dass mit dem Multilateralen Instrument eine neue Ära des Internationalen Steuerrechts angebrochen ist. Ähnlich drückte sich auch der OECD-Generalsekretär Angel Gurría aus: „The signing of this multilateral convention marks a turning point in tax treaty history.“ Dies gilt sowohl in theoretischer als auch in ganz praktischer Hinsicht.

Aus theoretischer, eher akademischer Sicht ist es bemerkenswert, dass sich eine derartig große Zahl an Staaten mit teils sehr unterschiedlichen Interessen überhaupt innerhalb kürzester Zeit auf ein so komplexes Regelungswerk einigen konnte. Ferner ist es bemerkenswert, dass die Idee eines mehrseitigen Doppelbesteuerungsabkommens, die es theoretisch schon seit den frühen 1990er Jahren gibt, nicht nur revitalisiert, sondern sogleich „im großen Stil“ umgesetzt worden ist. Immerhin 68 Staaten waren am 7. Juni 2017 anlässlich der Unterzeichnungs-Zeremonie repräsentiert.

In ganz praktischer Hinsicht kommt niemand, der sich mit internationalen Steuerfällen zu beschäftigen hat (sei es als Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht, Richter, Finanzbeamter oder Mitarbeiter in der Steuerabteilung eines Unternehmens), an der Beschäftigung mit dem Multilateralen Instrument vorbei. Es wird künftig ebenso wie ein bereits zwischen zwei Staaten in Kraft befindliches Doppelbesteuerungsabkommen in vielen grenzüberschreitenden Steuerfällen zu Rate zu ziehen sein. In jedem Einzelfall muss dann näher geprüft werden, ob sich aus dem Multilateralen Instrument Änderungen des jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommens ergeben. Im ersten Durchgang hat allein Deutschland bereits 35 konkrete Doppelbesteuerungsabkommen benannt. Dass dies die Anwendungspraxis vor allem für das Massenfallrecht der Einkommensteuer nicht einfacher macht, liegt auf der Hand.

Ähnlich wie beim OECD-Musterabkommen wird es dem Vernehmen nach perspektivisch einen OECD-Kommentar zu dem Multilateralen Instrument geben – einstweilen müssen die „Explanatory Statements“ für dessen Auslegung genügen. Es wäre erfreulich, wenn sich dadurch für die Praxis nicht allzu viele Auslegungsschwierigkeiten, offene Fragen oder gar Wertungswidersprüche zu bestehenden DBA oder zu deren primärer Auslegungshilfe, dem OECD-Musterabkommen, ergeben werden. Herausgeber und Autoren hoffen daher insbesondere, Ihnen, lieber Leser, mit diesem Kommentar einen ersten Wegweiser durch das neue Regelungswerk an die Hand gegeben zu haben.

Mein Dank gilt, wie immer, der Geschäftsführung und den Mitarbeitern des C.F. Müller-Verlags, allen voran Frau Annette Steffenkock und ihrem Team. Sie haben weitsichtig gehandelt, als sie sich ohne großes Zögern entschieden, eines der spannendsten Projekte des Internationalen Steuerrechts der Gegenwart verlegerisch zu begleiten – ganz gleich, wie man im Übrigen zum BEPS-Projekt stehen mag.

Hamburg, im Oktober 2017       Florian Haase

Bearbeiterverzeichnis

Einführung, Art 1 und 2:

Prof. Dr. Florian Haase, M.I.Tax

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Rödl & Partner, Hamburg

Art 3:

Dr. Achim Kestler

Steuerberater, Rödl & Partner, München

Art 4:

Dipl.-Betriebsw. (FH) Tanja Creed, M.I.Tax

Steuerberaterin, Rödl & Partner, Nürnberg

Art 5:

Prof. Dr. Florian Haase, M.I.Tax

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Rödl & Partner, Hamburg

Art 6:

Dipl.-Betriebsw. (FH) Tanja Creed, M.I.Tax

Steuerberaterin, Rödl & Partner, Nürnberg

Art 7:

Christian Hackethal

Rechtsanwalt, Steuerberater, Rödl & Partner, Nürnberg

Art 8:

Dipl.-Kffr. Anna Luce

Steuerberaterin, Rödl & Partner, Nürnberg

Art 9:

Dr. Isabel Bauernschmitt/Frank Dißmann

Steuerberaterin/Steuerberater, beide Rödl & Partner, Nürnberg

Art 10:

Dr. Susanne Kölbl

Steuerberaterin, Rödl & Partner, München

Art 11:

Dipl.-Kfm. Bernd Frenzel

Steuerberater, Rödl & Partner, Nürnberg

Art 12:

Dr. Dagmar Möller-Gosoge

Steuerberaterin, Rödl & Partner, München

Art 13:

Dr. Susanne Kölbl

Steuerberaterin, Rödl & Partner, München

Art 14:

Dipl.-Kfm. Florian Kaiser

Steuerberater, Rödl & Partner, Nürnberg

Art 15 bis 17:

Dr. Kai-Uwe Bandtel

Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht, Rödl & Partner, München

Art 18:

Dr. Susanne Kölbl

Steuerberaterin, Rödl & Partner, München

Art 19 und 20:

Dr. Achim Kestler

Steuerberater, Rödl & Partner, München

Art 21:

Dr. Isabel Bauernschmitt

Steuerberaterin, Rödl & Partner, Nürnberg

Art 22:

Dipl.-Kffr. Anna Luce

Steuerberaterin, Rödl & Partner, Nürnberg

Art 23:

Dipl.-Finanzw. (FH) Philip Nürnberg

Rödl & Partner, Hamburg

Art 24:

Dr. Dagmar Möller-Gosoge

Steuerberaterin, Rödl & Partner, München

Art 25:

Dipl.-Finanzw. (FH) Philip Nürnberg

Rödl & Partner, Hamburg

Art 26:

Dipl.-Betriebsw. (FH) Tanja Creed, M.I.Tax

Steuerberaterin, Rödl & Partner, Nürnberg

Art 27:

Dipl.-Kfm. Bernd Frenzel

Steuerberater, Rödl & Partner, Nürnberg

Art 28:

Dr. Melanie Köstler

Steuerberaterin, Rödl & Partner, Nürnberg

Art 29:

Dipl.-Kfm. Bernd Frenzel

Steuerberater, Rödl & Partner, Nürnberg

Art 30:

Dipl.-Kfm. Florian Kaiser

Steuerberater, Rödl & Partner, Nürnberg

Art 31:

Dr. Melanie Köstler

Steuerberaterin, Rödl & Partner, Nürnberg

Art 32:

Prof. Dr. Florian Haase, M.I.Tax

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Rödl & Partner, Hamburg

Art 33:

Dr. Dagmar Möller-Gosoge

Steuerberaterin, Rödl & Partner, München

Art 34:

Dipl.-Steuer-Jur. (FH) Malte Geils

Steuerberater, Rödl & Partner, Hamburg

Art 35:

Dr. Melanie Köstler

Steuerberaterin, Rödl & Partner, Nürnberg

Art 36:

Dipl.-Finanzw. (FH) Philip Nürnberg

Rödl & Partner, Hamburg

Art 37 und 38:

Dipl.-Steuer-Jur. (FH) Malte Geils

Steuerberater, Rödl & Partner, Hamburg

Art 39:

Dipl.-Kffr. Anna Luce

Steuerberaterin, Rödl & Partner, Nürnberg

 

 

 

Zitiervorschlag

Haase/Kaiser MLI Art. 14 Rn. 1

Inhaltsverzeichnis

 Vorwort

 Bearbeiterverzeichnis

 Abkürzungsverzeichnis

 Literaturverzeichnis

 Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung

 Einführung

Teil IGeltungsbereich und Auslegung von Ausdrücken

 Artikel 1Geltungsbereich

 Artikel 2Auslegung von Ausdrücken

Teil IIHybride Gestaltungen

 Artikel 3Transparente Rechtsträger

 Artikel 4Rechtsträger mit doppelter Ansässigkeit

 Artikel 5Anwendung von Methoden zur Beseitigung der Doppelbesteuerung

Teil IIIAbkommensmissbrauch

 Artikel 6Zweck eines unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens

 Artikel 7Verhinderung von Abkommensmissbrauch

 Artikel 8Transaktionen zur Übertragung von Dividenden

 Artikel 9Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen oder Rechten an Rechtsträgern, deren Wert hauptsächlich auf unbeweglichem Vermögen beruht

 Artikel 10Vorschrift zur Missbrauchsbekämpfung für in Drittstaaten oder -gebieten gelegene Betriebsstätten

 Artikel 11Anwendung von Steuerabkommen zur Einschränkung des Rechtes einer Vertragspartei dieses Übereinkommens auf Besteuerung der in ihrem Gebiet ansässigen Personen

Teil IVUmgehung des Betriebsstättenstatus

 Artikel 12Künstliche Umgehung des Betriebsstättenstatus durch Kommissionärsmodelle und ähnliche Strategien

 Artikel 13Künstliche Umgehung des Betriebsstättenstatus durch die Ausnahme bestimmter Tätigkeiten

 Artikel 14Aufteilung von Verträgen

 Artikel 15Bestimmung des Begriffs der mit einem Unternehmen eng verbundenen Person

Teil VVerbesserung der Streitbeilegung

 Artikel 16Verständigungsverfahren

 Artikel 17Gegenberichtigung

Teil VISchiedsverfahren

 Artikel 18Entscheidung für die Anwendung des Teiles VI

 Artikel 19Obligatorisches verbindliches Schiedsverfahren

 Artikel 20Bestellung der Schiedsrichter

 Artikel 21Vertraulichkeit von Schiedsverfahren

 Artikel 22Regelung eines Falles vor Abschluss des Schiedsverfahrens

 Artikel 23Art des Schiedsverfahrens

 Artikel 24Verständigung auf eine andere Regelung

 Artikel 25Kosten von Schiedsverfahren

 Artikel 26Vereinbarkeit

Teil VIISchlussbestimmungen

 Artikel 27Unterzeichnung und Ratifikation, Annahme oder Genehmigung

 Artikel 28Vorbehalte

 Artikel 29Notifikationen

 Artikel 30Nachträgliche Änderungen von unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen

 Artikel 31Konferenz der Vertragsparteien

 Artikel 32Auslegung und Durchführung

 Artikel 33Änderungen

 Artikel 34Inkrafttreten

 Artikel 35Wirksamwerden

 Artikel 1Geltungsbereich

 Artikel 37Rücktritt

 Artikel 38Verhältnis zu Protokollen

 Artikel 39Verwahrer

AnhangUnterzeichner und Vertragsparteien des Mehrseitigen Übereinkommens zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (The multilateral convention to implement tax Treaty related measures to prevent base erosion and profit shifting)

 Stichwortverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

abgedr

abgedruckt

Abh

Abhandlungen

Abk

Abkommen

abl

ablehnend

ABl

Amtsblatt

ABlEG

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften

ABlEU

Amtsblatt der Europäischen Union (ab 1.2.2003)

Abs

Absatz

Abschn

Abschnitt

abw

abweichend

aE

am Ende

AE

Anwendungserlass

aF

alte Fassung

AG

Amtsgericht, Aktiengesellschaft, Ausführungsgesetz

allg

allgemein

Alt

Alternative

aM

anderer Meinung

amtl

amtlich

Anh

Anhang

Anm

Anmerkung

APA

Advance Pricing Agreement

ARGE

Arbeitsgemeinschaft

Art

Artikel

AStG

Außensteuergesetz

ATAD

Anti-Tax Avoidance Directive

Aufl

Auflage

ausf

ausführlich

ausl

ausländisch

Az

Aktenzeichen

BB

Betriebs-Berater

Bd

Band

Bearb, bearb

Bearbeiter, Bearbeitung, bearbeitet

Begr

Begründung; Begriff

Beil

Beilage

Bek

Bekanntmachung

BEPS

Base Erosion and Profit Shifting

ber

berichtigt

bes

besonders, besonderen/es/er

Beschl

Beschluss

bestr

bestritten

betr

betreffend/e/es/er/en

BFH

Bundesfinanzhof

BFHE

Sammlung der Entscheidungen des BFH

BFH/NV

Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH

BGBl

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGHZ(St)

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BGH in Zivilsachen (Strafsachen)

BIT

Bulletin for International Taxation

BMF

Bundesministerium der Finanzen

BR

Bundesrat

BR-Drucks

Bundesratsdrucksache

BReg

Bundesregierung

B/K/L/M/R

Brezing/Krabbe/Lempenau/ Mössner/Runge, AStG-Kommentar

BsGaV

Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf Betriebsstätten

Bsp

Beispiel

bspw

beispielsweise

BStBl

Bundessteuerblatt

BTag

Bundestag

BT-Drucks

Bundestagsdrucksache

Buchst

Buchstabe

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungen des BVerfG

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

BVerwGE

Entscheidungen des BVerwG

bzgl

bezüglich

BZSt

Bundeszentralamt für Steuern

bzw

beziehungsweise

ca

circa

DB

Der Betrieb

DBA

Doppelbesteuerungsabkommen

Dbest

Doppelbesteuerung

ders

derselbe

DE-VG

Deutsche Verhandlungsgrundlage für DBA

dh

das heißt

dies

dieselbe/n

Diss

Dissertation

DRiZ

Deutsche Richter-Zeitung

DStZ

Deutsche Steuer-Zeitung

dt

deutsch/e/er/en

DVO

Durchführungsverordnung

ECOFIN

Rat Wirtschaft und Finanzen

EFG

Entscheidungen der Finanzgerichte

EFTA

European Free Trade Association

EG

Einführungsgesetz, Europäische Gemeinschaften

EGV

Einigungsvertrag

Einf

Einführung

Einl

Einleitung

Entsch

Entscheidung

entspr

entsprechend

Erg, erg

Ergänzung, Ergebnis, ergänzend

Erl

Erläuterung

EStG

Einkommensteuergesetz

EStH

Einkommensteuer-Hinweise

etc

et cetera

EuGH

Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften

evtl

eventuell

EWG

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

f

folgende

FA

Finanzamt

ff

fortfolgende

FG

Finanzgericht

FinMin

Finanzministerium

FinVerw

Finanzverwaltung

Fn

Fußnote

FR

Finanz-Rundschau

FVerlV

Funktionsverlagerungsverordnung

GAAR

General Anti-Abuse Rule

GBl

Gesetzblatt

gem

gemäß

Ges

Gesellschaft

GeschO

Geschäftsordnung

gg

gegen, gegenüber

ggf

gegebenenfalls

glA

gleicher Ansicht/Auffassung

GmbHR

GmbH-Rundschau

grdl

grundlegend

grds

grundsätzlich

Grds

Grundsatz

hA

herrschende Ansicht

Hdb

Handbuch

HFR

Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung

hL

herrschende Lehre

hM

herrschende Meinung

HR

Handelsregister

Hrsg

Herausgeber

HS

Halbsatz

ICCLR

International Company and Commercial Law Review

idF

in der Fassung

idR

in der Regel

IDW

Institut der Wirtschaftsprüfer

iE

im Ergebnis

ieS

im engeren Sinne

iF

im Fall

IHK

Industrie- und Handelskammer

iHv

in Höhe von

inkl

inklusive

insb

insbesondere

int

international

IPR

Internationales Privatrecht

iRd

im Rahmen der/des

iRe

im Rahmen einer/eines

iRv

im Rahmen von

iSd

im Sinne der/des

IStR

Internationales Steuerrecht

ITPJ

International Transfer Pricing Journal

iSv

im Sinne von

im Übrigen

iVm

in Verbindung mit

IWB

Internationale Wirtschafts-Briefe

iwS

im weiteren Sinne

Jb

Jahrbuch

JbFSt

Jahrbuch für Fachanwälte für Steuerrecht

JStG

Jahressteuergesetz

Justiz

Die Justiz

JZ

Juristenzeitung

Kap

Kapitel

KapGes

Kapitalgesellschaft

KG

Kammergericht, Kommanditgesellschaft

KGaA

Kommanditgesellschaft auf Aktien

Kj

Kalenderjahr

Komm

Kommentar

krit

kritisch

KStH

Körperschaftsteuer-Hinweise

LG

Landgericht

lit

Buchstabe

Lit

Literatur

LOB

Limitation on benefits

LS

Leitsatz

lt

laut

MA

Musterabkommen

Mat

Materialien

mE

meines Erachtens

MLI

Multilaterales Instrument

MK

Musterkommentar

MK-E

Entwurf des Musterkommentars

mN

mit Nachweisen

MS

Mitgliedstaaten

mwN

mit weiteren Nachweisen

MTR

Mutter-Tochter-Richtlinie

nF

neue Fassung

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NJW-RR

NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht

Nr

Nummer

NStZ

Neue Zeitschrift für Strafrecht

NWB

NWB Steuer- und Wirtschaftsrecht

oa

oben angegeben

oder Ähnlich/e

OECD

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

OFD

Oberfinanzdirektion

OFH

Oberfinanzhof

og

oben genannte/n

OLG

Oberlandesgericht

OLGE

Rechtsprechung der Oberlandesgerichte

OLGZ(St)

Entscheidungen der OLG in Zivilsachen (Strafsachen)

PersGes

Personengesellschaft

PIStB

Praxis Internationale Steuerberatung

PPT

Principal Purposes test

ProgressVorb

Progressionsvorbehalt

Prot

Protokoll

RdErl

Runderlass

RefE

Referentenentwurf

RegE

Regierungsentwurf

RegE Begr

Regierungsentwurf Begründung

REIT

Real Estate Investment Trust

RFH

Reichsfinanzhof

RG

Reichsgericht

RGBl

Reichsgesetzblatt

RGZ(St)

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des RG in Zivilsachen (Strafsachen)

RIW

Recht der Internationalen Wirtschaft

RL

Richtlinie

Rn

Randnummer

Rpfleger

Der Deutsche Rechtspfleger

Rs

Rechtssache

Rspr

Rechtsprechung

RStBl

Reichssteuerblatt

S

Seite, Satz, siehe

SG

Sozialgericht

so

siehe oben

sog

so genannte/r/n

Sondernr

Sondernummer

StBJb

Steuerberater-Jahrbuch

StBp

Die steuerliche Betriebsprüfung

SteuK

Steuerrecht kurzgefasst

StPfl

Steuerpflicht/ige/iger

str

streitig

stRspr

ständige Rechtsprechung

StuW

Steuer und Wirtschaft

stv

stellvertretend

su

siehe unten

SV

Sachverständiger

SWI

Steuer und Wirtschaft international

teilw

teilweise

Tz

Teilziffer

ua

unter anderem, und andere

und Ähnliche/s

Ubg

Die Unternehmensbesteuerung

uE

unseres Erachtens

umstr

umstritten

unstr

unstreitig

Unterabs

Unterabs

unzutr

unzutreffend

Urt

Urteil

usw

und so weiter

uU

unter Umständen

Var

Variante

Verf

Verfasser, Verfassung

vern

verneinend

VG

Verwaltungsgericht

vGA

verdeckte Gewinnausschüttung

vgl

vergleiche

VO

Verordnung

Vorb

Vorbemerkung

VZ

Veranlagungszeitraum

wiss

wissenschaftlich

Wj

Wirtschaftsjahr

WM

Wertpapier-Mitteilungen

WP1

Working Party No.1 on Tax Conventions and Related Questions

WÜRV

Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge

WVK

Wiener Vertragsrechts-Konvention

zB

zum Beispiel

ZIP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

zit

zitiert

zT

zum Teil

zust

zustimmend

zutr

zutreffend

zz

zurzeit

Literaturverzeichnis

Blümich Einkommensteuergesetz und Nebengesetze, Loseblatt

Brezing/Krabbe/Lempenau/Mössner/Runge AStG-Kommentar, Loseblatt

Dötsch/Jost/Pung/Witt Körperschaftsteuergesetz, Loseblatt

Erle/Sauter Körperschaftsteuergesetz, 3. Aufl 2010

Ernst & Young Körperschaftsteuergesetz, Loseblatt

Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld Außensteuerrecht, Loseblatt

Frotscher Internationales Steuerrecht, 4. Aufl 2015

Fuhrmann Außensteuergesetz, 3. Aufl 2017

ders Einkommensteuergesetz, Loseblatt

Gosch Körperschaftsteuergesetz, 3. Aufl 2015

Gosch/Kroppen/Grotherr DBA-Kommentar, Loseblatt

Haase Außensteuergesetz – Doppelbesteuerungsabkommen, 3. Aufl 2016

ders Internationales und Europäisches Steuerrecht, 5. Aufl 2017

ders Die Hinzurechnungsbesteuerung, 2. Aufl 2015

Herdegen Völkerrecht, 16. Aufl 2017

Herrmann/Heuer/Raupach Einkommensteuergesetz und Körperschaftssteuergesetz, Loseblatt

Hübschmann/Hepp/Spitaler Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Loseblatt

Jacobs Internationale Unternehmensbesteuerung, 8. Aufl 2016

Kirchhof Einkommensteuergesetz, 16. Aufl 2017

Kirchhof/Söhn/Mellinghoff Einkommensteuergesetz, Loseblatt

Klein Abgabenordnung, 13. Aufl 2016

Koenig Abgabenordnung, 3. Aufl 2014

Kraft AStG, 2009

Kühn/von Wedelstädt Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 21. Aufl. 2015

Lademann Einkommensteuergesetz, Loseblatt

Lenski/Steinberg Gewerbesteuergesetz, Loseblatt

Mössner ua Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl 2012

Reith Internationales Steuerrecht, 2004

Rupp/Knies/Ott/Faust Internationales Steuerrecht, 3. Aufl 2014

Schaumburg Internationales Steuerrecht, 4. Aufl 2017

Schmidt Einkommensteuergesetz, 36. Aufl 2017

Schönfeld/Ditz Doppelbesteuerungsabkommen, 2013

Schwarz Abgabenordnung, Loseblatt

Strunk/Kaminski/Köhler Kommentar zu AStG und DBA, Loseblatt

Tipke/Kruse Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Loseblatt

Vogel/Lehner DBA-Kommentar, 6. Aufl 2015

Vögele/Borstell/Engler Handbuch der Verrechnungspreise, 4. Aufl 2015

Wassermeyer DBA-Kommentar, Loseblatt

Wöhrle/Schelle/Gross AStG-Kommentar, Loseblatt

Multilateral Convention

to implement Tax Treaty related Measures
to prevent Base Erosion
and Profit Shifting

(‚Multilateral Instrument‘)

Übereinkommen

zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen
zur Verhinderung der Gewinnverkürzung
und Gewinnverlagerung

(„Multilaterales Instrument“)

Multilateral Convention › Einführung

Einführung

Einführung

I.Hintergrund1 – 24

 1.Internationaler (schädlicher) Steuerwettbewerb1 – 4

 2.Vorstöße der OECD und der EU-Kommission5 – 8

 3.Base Erosion and Profit Shifting (BEPS)9 – 11

 4.BEPS-Umsetzung in nationales Recht im Übrigen12 – 15

 5.ATAD-Richtlinien16 – 20

 6.Bewertung21 – 24

II.Bedeutung des Multilateralen Instruments25 – 30

III.Aufbau und Inhalt des Multilateralen Instruments31 – 37

 1.Allgemeines31 – 33

 2.Aufbau34 – 37

IV.Methodik der Anwendung38 – 49

 1.Allgemeines38 – 45

 2.Überblick über Optionen und Wahlmöglichkeiten46 – 49

  a)Abwahl einzelner Artikel zur Gänze ohne weitere Bedingung46, 47

  b)Abwahl einzelner Artikel oder einzelner Absätze unter bestimmten Voraussetzungen48

  c)Artikel mit Optionsmöglichkeit49

V.Offene Fragen50 – 53

VI.Fazit54 – 57

I. Hintergrund

1. Internationaler (schädlicher) Steuerwettbewerb

1

Nie war es einfacher als heute, binnen Sekunden erhebliche Vermögenswerte in das Ausland zu transferieren. Auch die Mobilität der Steuerpflichtigen hat ein nie gekanntes Ausmaß angenommen. Beides zusammen führt, auch und gerade vor dem Hintergrund der Globalisierung und dem dadurch bewirkten verschärften Wettbewerb zwischen Unternehmen, aber auch dem Wettbewerb um qualifizierte, hochbezahlte Arbeitskräfte, nahezu zwangsläufig dazu, dass Steuerpflichtige – vor allem im unternehmerischen Bereich – auch nach Möglichkeiten suchen, ihre Steuerlast zu minimieren oder eine solche im Extremfall sogar gänzlich zu vermeiden, sei es nun über Verrechnungspreise, über klassische Steuerarbitrage, über hybride Vehikel oder Instrumente, über Basisgesellschaften, Trustkonstruktionen und dergleichen mehr. Den beteiligten Fisci ist dies naturgemäß ein Dorn im Auge, auch wenn die Steuerminimierung bzw Steuervermeidung jedenfalls nach deutschem Recht ausdrücklich legal ist.[1]

2

Abseits dessen gilt aber ebenso, dass die Staaten, die sich in der Staatengemeinschaft jedenfalls im Ausgangspunkt als gleichberechtigte Rechtssubjekte gegenüberstehen, miteinander in punkto Steuervergünstigungen in einen Steuerwettbewerb nach Art eines „race to the bottom“ eingetreten sind, dessen Ende noch immer nicht absehbar ist. All dies führt letztlich dazu, dass die Staaten um wirtschaftlich rege und finanzkräftige Steuerpflichtige konkurrieren, weil sich der stetig steigende Finanzbedarf anderenfalls nicht mehr hinreichend decken lässt. In einem Wohlfahrtsstaat wie der Bundesrepublik Deutschland, die als Hochsteuerland in besonderem Maße auf Wettbewerbsneutralität und außersteuerliche Anreize zur Attraktion von Steuerpflichtigen angewiesen ist, zeigt sich dies beinahe täglich aufs Neue und erklärt wahrscheinlich auch die Verve, mit der das BMF sich dieser Themen in der Vergangenheit trotz der stetig steigenden inländischen Steuereinnahmen angenommen hat.

3

Vor diesem Hintergrund nimmt es nicht Wunder, dass die internationale Steuerplanung in den vergangenen Jahren stark an Attraktivität und Praxisrelevanz gewonnen hat. Die zunehmende Regelungsdichte, das Nebeneinander nationaler Steuerhoheiten, die Verteilung von Besteuerungsansprüchen zwischen den Staaten durch Doppelbesteuerungsabkommen und auch rein faktische Schwierigkeiten (etwa Sprachbarrieren oder unterschiedliche Kulturen) haben dabei zu einer Komplexität geführt, die auch von dem Kundigen nicht immer leicht zu durchschauen ist. Hinzu kommt, dass die internationale Beweglichkeit von Steuerpflichtigen und Einkunftsquellen gegenläufige Reaktionen der Finanzverwaltungen hervorruft, die nicht eben zur Vereinfachung des Steuerrechts und einer praxistauglicheren Anwendung führen. Der § 50i EStG und seine Genese sind ein „schönes“ Beispiel für eine gänzlich misslungene Norm, die letztlich mehr Probleme aufwirft als sie löst.

4

Das im Grundsatz verständliche Buhlen der Staaten um Steuerpflichtige und Besteuerungssubstrat ist aber nur die eine Seite der Medaille. Erreicht die Gesamtheit der staatlichen Maßnahmen nämlich eine Intensität, die geeignet ist, die Steuerpflichtigen gezielt an Investitionen in anderen Staaten zu hindern, kommt es zu einem schädlichen Steuerwettbewerb, der aus der Sicht der Staatengemeinschaft und auch aus der Sicht der OECD nicht mehr wünschenswert sein kann (harmful tax competition). Nur im Extremfall handelt es sich bei den damit angesprochenen Staaten um typische Steueroasen. Auch innerhalb der Europäischen Union sind von der OECD bereits eine ganze Reihe schädlicher Steuerpraktiken der Mitgliedsstaaten identifiziert worden.[2]

2. Vorstöße der OECD und der EU-Kommission

5

Auch die OECD und zeitlich etwas später die EU-Kommission haben sich des volkswirtschaftlich unerwünschten Problems des schädlichen Steuerwettbewerbs über die Jahrzehnte mit unterschiedlicher Stoßrichtung angenommen. In früherer Zeit konzentrierte sich die Aufarbeitung und Kritik allein auf die Ebene der Staaten. Bereits 1998 gab die OECD ihren Bericht „Harmful Tax Competition – An Emerging Global Issue[3] heraus, in dem sie die schädlichen Elemente des internationalen Steuerwettbewerbs erstmals wirklich systematisch zu erfassen suchte. Zu diesem Zweck wurde Richtlinien erlassen, die eine grundsätzliche Beseitigung schädlicher Steuerpraktiken bis spätestens zum Jahr 2005 vorsahen.[4] Zudem wurde das „Forum on Harmful Tax Practices“ als OECD-Arbeitsgruppe gegründet. Ihm verdanken wir die Vorarbeiten zur Zusammenarbeit der Finanzbehörden in Steuersachen, die sich inzwischen über die allgemeine Rechts- und Amtshilfe bis hin zur sog. Joint Audit erstreckt.[5]

6

In den letzten Jahren hat die Diskussion hingegen einen anderen Zungenschlag angenommen und konzentrierte sich nunmehr nicht so sehr auf die Staaten, sondern eher auf die multinationalen Unternehmen, die insbesondere über Verrechnungspreise und steuerliche Präferenzregime weltweit betrachtet zu teilweise in der Tat nahezu „unanständigen“ Konzernsteuerquoten im niedrigen einstelligen Bereich gelangten. Angefacht auch durch unseriöse mediale Berichterstattung gerieten so zunächst vor allem US-amerikanische Multimedia-Konzerne in den Fokus der Öffentlichkeit, und infolgedessen entdeckte die EU-Kommission das Rechtsinstitut der verbotenen Beihilfe für das Steuerrecht für sich neu und setzte es seitdem recht erfolgreich ein.[6] Vor allem IP-Boxen,[7] aber auch andere präferentielle Steuerregime und vor allem damit im Zusammenhang stehende „advance rulings[8] gehören daher unter dem Gesichtspunkt gemeinschaftsrechtswidriger Beihilfen in Europa bald der Vergangenheit an oder werden jedenfalls in ihrer Wirkung deutlich zurückgedrängt.

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Die Kommission hatte insoweit bereits am 6.12.2012 einen Aktionsplan zur Verstärkung der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung auf den Weg gebracht, der 34 Einzelvorschläge zu diesem Bereich enthält. Er wird ergänzt durch eine Empfehlung gleichen Datums betreffend aggressive[9] Steuerplanung, die insbesondere die Überarbeitung der ertragsteuerlichen Richtlinien sowie die Aufnahme allgemeiner und besonderer Missbrauchsklauseln in DBA zum Gegenstand hatte. Eine weitere Kommissionsempfehlung gleichen Datums befasst sich mit dem verantwortungsvollen Handeln von Drittstaaten, mit der diese zu Mindeststandards im steuerlichen Bereich angehalten werden sollen (Beispiele: Anknüpfung an Kriterien des sog Code of Conducts zum unfairen Steuerwettbewerb, Erstellung einer „schwarzen Liste“ von Steueroasen, Anknüpfung an Kriterien des Global Forums zu Transparenz und Informationsaustausch, etc.).

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In diesem Umfeld befand sich die OECD, als sie ab 2013 mit den Arbeiten an einem wahrlich epochalen Projekt begann, nämlich dem Aktionsplan gegen BEPS (Base Erosion and Profit Shifting). Er wurde mit dem Ziel initiiert, gegen den schädlichen Steuerwettbewerb der Staaten und aggressive Steuerplanungen international tätiger Konzerne vorzugehen. Das BEPS-Projekt schlägt daher eine gedankliche Brücke zwischen der og Herangehensweise der letzten drei Jahrzehnte: Einerseits werden die Staaten in den Blick genommen, andererseits aber auch die multinationalen Unternehmen.

3. Base Erosion and Profit Shifting (BEPS)

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Die OECD hatte den G20 bereits im Februar 2013 einen umfassenden Bericht über die Ursachen und Auswirkungen von Gewinnkürzungen und Gewinnverlagerungen von multinational tätigen Unternehmen vorgelegt. Aufgrund dieses Berichts haben die G20 der OECD ein Mandat für die Erarbeitung eines umfassenden Aktionsplans[10] erteilt. Bei der Erstellung des Aktionsplans, der von der G20 am 20.7.2013 in Moskau gebilligt wurde, haben Deutschland bzw das BMF ganz maßgeblich mitgewirkt (und wohl auch finanziert). Beim BEPS-Projekt und der konkreten Erarbeitung des Aktionsplans haben im Ausgangspunkt 62 Staaten mitgewirkt. Darunter sind alle Staaten der OECD und der G20, aber auch Entwicklungs- und Schwellenländer. Internationale Organisationen wie die UNO, der Internationale Währungsfonds, die Weltbank und die Europäische Union waren ebenso beteiligt wie regionale Steuerorganisationen. Der Aktionsplan ist als ein Katalog mit Maßnahmen gegen Base Erosion and Profit Shifting zu verstehen, auf dessen Grundlage bis Ende 2015 wirksame, international abgestimmte Regelungen gegen Gewinnkürzungen und Gewinnverlagerungen erarbeitet werden sollten.

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Der Aktionsplan umfasste im Einzelnen die folgenden 15 Maßnahmen: 1. Besteuerung der digitalen Wirtschaft;[11] 2. Verhinderung doppelter Nichtbesteuerung bei hybriden Gestaltungen;[12] 3. Erarbeitung von internationalen Standards für die Hinzurechnungsbesteuerung;[13] 4. Verhinderung von Steuerverkürzungen durch Regelungen zur Versagung des Zinsabzugs;[14] 5. Umgestaltung der Arbeiten zu steuerschädlichen Regimes;[15] 6. Verhinderung von unrechtmäßiger Inanspruchnahme von DBA-Vorteilen;[16] 7. Aktualisierung des Betriebsstättenbegriffs, um die künstliche Vermeidung des Betriebsstättenstatus zu verhindern;[17] 8. Aktualisierung der Verrechnungspreisleitlinien im Hinblick auf immaterielle Wirtschaftsgüter;[18] 9. Aktualisierung der Verrechnungspreisleitlinien im Hinblick auf Risiko- und Kapitalzuordnungen;[19] 10. Aktualisierung der Verrechnungspreisleitlinien im Hinblick auf andere risikobehaftete Transaktionen;[20] 11. Entwicklung von Methoden und Regelungen, um Daten über Gewinnkürzungen und Gewinnverlagerungen zu erlangen;[21] 12. Überarbeitung der Dokumentationsanforderungen für die Verrechnungspreisermittlungen;[22] 13. Verbesserung der Transparenz in Hinblick auf aggressive Steuerplanungen;[23] 14. Verbesserung der Verwaltungszusammenarbeit in Verständigungs- und Schiedsverfahren;[24] 15. Entwicklung einer multilateralen Vertragsgrundlage für die Umsetzung von (abkommensbezogenen) BEPS-Maßnahmen (sog Multilaterales Instrument).[25]

11

Damit reagiert die Staatengemeinschaft in einem breiten internationalen Konsens auf die Beobachtung der vergangenen Jahre, wonach multinationale Unternehmen im Vergleich zu vorwiegend national tätigen Unternehmen durch Ausnutzung unterschiedlicher Steuersysteme in zunehmendem Maße ihre Steuerlast auf ein Minimum senken. Die Ergebnisse des BEPS-Projekts zielen deshalb darauf ab, Informationsdefizite der Steuerverwaltungen abzubauen, Ausmaß und Ort der Besteuerung stärker an die tatsächliche wirtschaftliche Substanz zu knüpfen, die Kohärenz der einzelnen nationalen Steuersysteme der Staaten zu erhöhen und unfairen Steuerwettbewerb einzudämmen. Dies ist im Grundsatz aus mehreren Gründen notwendig. Natürlich hat BEPS primär nachteilige Folgen für den Fiskus, denn schädlicher Steuerwettbewerb und aggressive Steuergestaltungen führen zu Steuerausfällen, die sich die Staaten gerade in Zeiten notwendiger Haushaltskonsolidierung kaum noch leisten können. Es ergeben sich aber auch weitere Nachteile. So verringert sich die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, die solche Steuergestaltungen nicht nutzen und deswegen eine höhere Steuerlast tragen. Dies betrifft vor allem kleine und mittelständische Unternehmen. Zudem ist ganz grundsätzlich das Gebot der Steuergerechtigkeit betroffen, wenn einige wenige durch komplexe Konstruktionen ihre Steuerlast auf ein Minimum reduzieren und andere nach dem gesetzlichen Regelsteuersatz besteuert werden.

4. BEPS-Umsetzung in nationales Recht im Übrigen

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Am 1.6.2016, dh in vergleichsweise kurzer Zeit, wurde vom BMF der bereits mit Spannung erwartete Referentenentwurf des „Gesetzes zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen“ (auch „BEPS-Umsetzungsgesetz I“ genannt) veröffentlicht.[26] Mit dem Gesetzesentwurf sollten insbesondere erste Empfehlungen des BEPS-Projekts der OECD sowie Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie umgesetzt werden, soweit sie sich nicht auf abkommensbezogene BEPS-Maßnahmen (also Maßnahmen, die sachlich in einem DBA geregelt werden sollten) beziehen. Hierfür ist ausschließlich das Multilaterale Instrument vorgesehen. Es steht freilich zu erwarten, dass weitere nationale „BEPS-Umsetzungsgesetze“ folgen werden. Andere Vertragsstaaten verfahren in gleicher Weise.

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Schwerpunkt des BEPS-Umsetzungsgesetzes I im Entwurf war dabei u.a. die nationale Umsetzung eines Country by Country Reportings (CbCR): (a) Umsetzung der neuen Vorgaben von Seiten der OECD bzgl. Verrechnungspreisdokumentationen in einem entsprechend neu gefassten § 90 Absatz 3 AO (Masterfile/Localfile-Konzept gem BEPS Aktionspunkt 13); (b) Umsetzung der Verpflichtung zur Erstellung von länderbezogenen Berichten (dh eines Country-by-Country Reportings) gem BEPS Aktionspunkt 13 in § 138a AO-E (neu); (c) Umsetzung von Regelungen zum internationalen Informationsaustausch durch eine Anpassung des EU-Amtshilfegesetzes an die Änderungen in der EU-Amtshilferichtlinie; (d) Überschreibung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Umfang des abkommensrechtlichen Fremdvergleichsgrundsatzes in § 1 AStG (e) sowie weitere steuerliche Anpassungen (beispielsweise Hinzurechnungsbesteuerung oder im Bereich des § 50d EStG).

14

Das Gesetz ist inzwischen mit vergleichsweise geringfügigen, aber gleichwohl wichtigen Änderungen verabschiedet worden[27] (insbesondere ist zunächst auf die im Regierungsentwurf vorgesehene Klarstellung zum Inhalt des Fremdvergleichsgrundsatzes in § 1 Abs 1 S. 5 AStG verzichtet worden).

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Bei der BEPS-Umsetzung im Allgemeinen muss zwischen dem Mindeststandard und reinen best practice-Empfehlungen unterschieden werden. Zum Mindeststandard gehören lediglich die Aktionspunkte 5, 6, 13 und 14. Diese müssen von den Teilnehmern des BEPS-Projekts umgesetzt werden, weil hier die Überzeugung besteht, dass eine unilaterale Regelung nicht den gewünschten Erfolg bringen kann. Alle anderen Aktionspunkte sind hingegen als reine Empfehlungen zu verstehen, was indes nicht ausschließt, dass auch hier eine flächendeckende Regelung gefunden wird (so etwa durch die ATAD-Richtlinien, dazu sogleich).

5. ATAD-Richtlinien

16

Parallel zu den og Arbeiten der OECD hat auch die EU-Kommission ähnliche Problemfelder des internationalen Steuerrechts adressiert. Am 17.6.2016 erreichten die Mitgliedstaaten im ECOFIN eine politische Einigung über die Anti-Tax Avoidance Directive,[28] die die Mitgliedstaaten verpflichtet, bis Ende 2018 bestimmte Missbrauchsverhinderungsmaßnahmen umzusetzen. Die EU-Kommission hatte zuvor am 28.1.2016 den ersten offiziellen Entwurf einer Richtlinie gegen BEPS vorgestellt. Obwohl grundsätzlich die gleichen Themen wie im OECD-Aktionsplan gegen BEPS behandelt wurden, gab es in einigen Fällen abweichende Umsetzungen. Es handelte sich um eine „de minimis“-Richtlinie, dh es steht den Mitgliedstaaten also grundsätzlich frei, strengere Regeln zu erlassen.

17

Die ATAD-Richtlinie soll ausdrücklich (nur) auf alle Steuerpflichtigen – einschließlich Betriebsstätten von Unternehmen aus Drittstaaten – anwendbar sein, wenn diese in einem oder mehreren Mitgliedstaaten der Körperschaftsteuer unterliegen. Die ATAD-Richtlinie enthält Vorgaben an die Mitgliedstaaten, vornehmlich in den folgenden Bereichen Missbrauchsverhinderungsvorschriften zu erlassen: Zinsabzugsbeschränkungen, Wegzugsbesteuerung (Exit Tax), Allgemeine Missbrauchsvermeidungsvorschrift (General Anti-Abuse Rule, GAAR), Hinzurechnungsbesteuerung und vergleichbare Systeme, hybride Gestaltungen (ohne doppeltansässige Gesellschaften).

18

Hierbei sind allerdings die Vorgaben des Primärrechts, namentlich die EU-Grundfreiheiten zu beachten. Dort, wo nationale Vorschriften hinter den Vorgaben zurückbleiben, sind die Mitgliedstaaten nach Art 288 AEUV verpflichtet, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Die hierfür vorgesehene Umsetzungsfrist endet am 31.12.2018 – das war zu erwarten, und die Frist erscheint auch angemessen lang. Ob allerdings die Richtlinie als den Steuerpflichtigen belastendes Regelungswerk überhaupt von der Ermächtigungsgrundlage des Art 115 AEUV gedeckt ist, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. Das Handeln der EU muss hierfür im Lichte des gemeinschaftsrechtlichen Subsidiaritätsprinzips nämlich streng genommen erforderlich sein, dh ein uni- oder bilaterales Handeln der Mitgliedstaaten darf das Problem nicht ebenso gut beseitigen. Angesichts der bisherigen Arbeiten der OECD-Mitgliedstaaten, aber auch der diesbezüglich weit entwickelten nationalen Steuerrechte vieler Staaten erscheint dies doch zumindest fraglich.

19

Wir haben es bezüglich der ATAD-Richtlinie in mehrfacher Hinsicht mit einem Novum zu tun. Das betrifft erstens die Zeit, in der diese verabschiedet wurde. Von dem ersten Vorschlag bis zur politischen Einigung sind nur sieben Monate vergangen – das gab es noch nie auf EU-Ebene. Damit ist auch schon die zweite Besonderheit angesprochen, nämlich dass sich neben der OECD nun quasi ein zweiter Regelungsgeber einmischt, dh OECD und EU werkeln beide gleichzeitig, und man möchte fast meinen: nebeneinander, an demselben Projekt. Weiterhin handelt es sich bei der ATAD-Richtlinie, wenn man mal vom Korrespondenzprinzip in der Mutter/Tochter-Richtlinie absieht, um die erste Richtlinie im Bereich der direkten Steuern, die primär keine begünstigende Wirkung für den Steuerpflichtigen mit sich bringt, sondern in Wahrheit eine Belastung darstellt. Und schließlich ist zu bemerken, dass die Richtlinie, ebenfalls anders als die bisherigen Richtlinien im Bereich der direkten Steuern, keine Harmonisierung bis ins Detail, sondern lediglich einen Mindeststandard vorschreibt. Strengere Vorschriften, als es die Richtlinie vorsieht, bleiben den Mitgliedstaaten unbenommen.[29]

20

Auf ATAD I folgte sodann bereits Mitte 2017 ATAD II: Die Mitgliedstaaten haben nun bis zum 31.12.2019 (bzgl Art 9a der ATAD II bis zum 31.12.2021) Zeit, die ATAD II in nationale Rechtsvorschriften umzusetzen und ab dem 1.1.2020 (Art 9a der ATAD II ab dem 1.1.2022) anzuwenden. Die Änderung der RL (EU) 2016/1164 ist die neueste Maßnahme in einer Reihe von Maßnahmen zur Verhinderung von Steuervermeidung durch große Unternehmen bezüglich hybrider Gestaltungen mit Drittländern und geht auf den BEPS Aktionspunkt 2 zurück.

6. Bewertung

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Das BEPS-Projekt der OECD war ein wahrhaft historisches, internationales steuerpolitisches Vorhaben. Seine Umsetzung ist es auch – sowohl auf der zeitlichen Schiene als auch inhaltlich. Innerhalb kürzester Zeit haben sich die Staaten, deren individuelle Interessen teils gegensätzlicher nicht sein könnten, auf konkrete Ergebnisse geeinigt und schritten sodann nach gerade einmal zwei Jahren zu ihrer Implementierung. Dass die Sinnhaftigkeit des BEPS-Projekts durchaus bezweifelt werden darf, spielt daher angesichts seines Fortschritts heute keine Rolle mehr. Dennoch: Valide empirische/quantitative Untersuchungen zu Gewinnverlagerungen lagen, entgegen den Behauptungen des BMF, kaum vor, und auch dass die Probleme, dh die BEPS-Ursachen, zu einem Gutteil in der Steuerpolitik und Steuergesetzgebung der Staaten selbst zu suchen sind, ist nunmehr müßig zu betonen.

22

Gerade Deutschland gibt hier kein gutes Bild ab. Wenn der Gesetzgeber etwa versucht, im Inbound-Fall über das Institut des Sonderbetriebsvermögens Besteuerungssubstrat in das Inland zu verlagern, dann nimmt es nicht Wunder, wenn im Outbound-Fall eben solches Besteuerungssubstrat verloren geht. Nur hat dies nichts mit BEPS oder gezielten Gewinnverlagerungen von Unternehmen zu tun, sondern ist die logische Folge einer konsequenten und systemgerechten Steuerpolitik, die von einem Staat, dessen Steuereinnahmen beständig ansteigen, hinzunehmen wäre.

23

Mit anderen Worten: Das BMF ist einem klassischen, und, nota bene, vermeidbaren Paralogismus unterlegen, als es sich ohne Not zum Vorreiter im BEPS-Projekt aufgeschwungen hat, weil Ursache und Korrelation miteinander verwechselt wurden. Es mag ja sein, dass – um bei dem genannten Beispiel zu bleiben – in Einzelfällen durch Steuerpflichtige aufgrund des Sonderbetriebsvermögens ein doppelter Zinsabzug im In- und Ausland gestaltet wurde, nur liegt dies im Kern nicht in der behaupteten aggressiven Steuerplanung von Unternehmen oder ihren Beratern, sondern in der Tatsache begründet, dass der deutsche Gesetzgeber bereits auf rein nationaler Ebene sein Heil in der geradezu neurotischen Ausweitung der Gewerbesteuerbemessungsgrundlage gesucht hat.

24

Zu guter Letzt wird auch die Rechtsanwendung durch das BEPS-Projekt und seine Ergebnisse nicht einfacher werden. Bereits die oben genannte, in seinem Fahrwasser am 17.6.2016 durch die Mitgliedstaaten im ECOFIN verabschiedete „Anti-Tax Avoidance Directive I“ wirft mehr Fragen auf, als sie löst, und auch das in diesem Kommentar behandelte Multilaterale Instrument wird die Lösung von praktischen, grenzüberschreitenden Steuerfällen nicht erleichtern.

II. Bedeutung des Multilateralen Instruments

25

Mit Datum vom 24.11.2016 hat die OECD den finalen Text einer „Multilateral Convention to Implement Tax Treaty Related Measures to Prevent BEPS“ in englischer sowie französischer Sprachfassung veröffentlicht.[30] Zudem wurde ein begleitendes „Explanatory Statement“ erstellt. Eine „offizielle“ deutsche Übersetzung hatte sodann das BMF in seiner Eigenschaft als OECD-Mitglied der entsprechenden Ad-hoc-Arbeitsgruppe zeitnah vornehmen lassen,[31] die Ad-hoc-Arbeitsgruppe selbst hatte am 16.5.2017 sodann eine weitere deutsche Übersetzung angefertigt.[32] Letztgenannte Übersetzung liegt dem vorliegenden Kommentarwerk zugrunde. Der deutsche Titel des Vertragswerks lautet danach nunmehr: „Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung“.

26

Ungeachtet des oben Gesagten ist das Multilaterale Instrument von immenser praktischer Bedeutung – das lässt sich heute schon absehen. Alle Steuerpflichtigen und Berater, die grenzüberschreitende Steuerfälle zu lösen haben, werden sich grundlegend damit befassen müssen, weil das Multilaterale Instrument in allen Steuerfällen, die einen konkreten DBA-Bezug haben, zu Rate zu ziehen ist. Innerhalb der Staatengemeinschaft, die das Multilaterale Instrument zeichnen wird, spricht man gar von über 1000 DBA, die potenziell durch das Multilaterale Instrument betroffen sein könnten. Aus deutscher Perspektive allein sind es aufgrund der knapp über 90 in Kraft befindlichen DBA zwar deutlich weniger, aber gleichwohl wird es – dafür muss man kein Prophet sein – die Rechtsanwendung im Internationalen Steuerrecht auf eine nie gekannte Komplexitätsstufe heben, mit der alle Beteiligten inklusive der Finanzverwaltung selbst noch lange zu kämpfen haben werden.

27

Diese Komplexität ergibt sich einerseits aus der ganz praktischen Anwendung und ihren Problemen. Schon heute muss der Rechtsanwender neben zwei oder mehr nationalen Steuerrechten die Regeln eines DBA, die Auslegungshilfe in Gestalt des OECD-MA und des OECD-MK, sowie die zu einem DBA ergangenen Denkschriften, Protokolle und sonstige Nebenabreden beachten. Letztere enthalten nicht selten Überraschungen in Form von Ergänzungen zum Abkommenstext, weitere materielle Voraussetzungen oder sogar zum DBA kontradiktorische Äußerungen. Schon heute hat der Rechtsanwender zuweilen Mühe, Sicherheit über das Inkrafttreten eines DBA oder zumindest seine Ratifizierung zu erhalten. Die Website des BMF gibt hierüber, obwohl sie an sich länderbezogen aufbereitet ist und viel Wissenswertes bereithält, keine Auskunft.

28

Nun also tritt daneben noch das Multilaterale Instrument als gewissermaßen neuer Regelungskomplex, welcher künftig heranzuziehen ist, um zu prüfen, ob und wenn ja, in welchen Punkten ein konkret bestehendes DBA zwischen zwei Staaten durch das Multilaterale Instrument geändert worden ist. Hinzu tritt die oben bereits genannten ATAD-Richtlinien der EU, die materiell einige wichtige Punkte des BEPS-Projekts aufgreifen und die sodann noch der Umsetzung in das nationale Recht der EU-Mitgliedstaaten bedürfen. Zudem ist auch die Umsetzung des Multilateralen Instruments selbst seitens des BMF in letzter Zeit als herausfordernd bezeichnet worden.

29

Damit die vereinbarten BEPS-Maßnahmen zur Änderung von Doppelbesteuerungsabkommen in der Praxis wirksam werden können, müssen die bestehenden Abkommen entsprechend geändert werden (insbesondere hinsichtlich der Aktionspunkte 6 und 7). Die dazu erforderlichen bilateralen Verhandlungen würden sich angesichts der großen Anzahl der bestehenden Abkommen über einen (zu) langen Zeitraum hinziehen. Um diesen Prozess zu beschleunigen, sollte gem dem Aktionspunkt 15 des BEPS-Projekts und BEPS-Aktionsplans ein multilateraler Vertrag erarbeitet werden, der die bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen „überschreibt“ oder ergänzt und die abkommensbezogenen BEPS-Empfehlungen flächendeckend in diese Abkommen implementiert.[33]

30

In den meisten Bereichen haben die beteiligten Staaten und Jurisdiktionen einen (teilweise sehr weiten) Spielraum, welche Änderungen sie in ihre DBA übernehmen wollen. Mehr als 100 Staaten haben ab Februar 2015 bei der Erstellung des Multilateralen Instruments mitgewirkt, immerhin 68 von ihnen haben am 6.6.2017 in Paris in einem ersten Schritt gezeichnet. Bemerkenswert und zugleich bedauerlich ist es allerdings, dass es zum Aktionspunkt 15 und damit anders als bei allen anderen BEPS-Aktionspunkten keine echte öffentliche Anhörung und auch keine Veröffentlichung eines Diskussionsentwurfs gab. Welche Zwecke die OECD damit verfolgte, erschließt sich nicht. Es darf allerdings die Frage gestellt werden, ob es der Sinn einer Organisation wie der OECD sein sollte, ausgerechnet bei einem so wichtigen und für die Praxis der Vertragsstaaten relevanten Projekt quasi „im Geheimen“ zu operieren. Ein Gleiches gilt für das BMF, das in der Entstehungsphase des Multilateralen Instruments mit öffentlichen Informationen sehr zurückhaltend war und dessen Vertreter im Wesentlichen nur Allgemeinplätze von sich gegeben haben. Der – wichtige – fachöffentliche Diskurs kann so natürlich nicht geführt werden, aber möglicherweise war auch genau das beabsichtigt.