Band 2

Hexen, Teufel, Ketzer

 

 

Was in Folterkammern geschah

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(Kopfpresse)

 

 

von

Bruno Emil König

 

 

 

 

 

 

 

 

Cover, Design, Layout und Satz aischab

ISBN 978-3-946182-44-3

 

© Copyright aischab Münster 2017

Die Illustrationen und Fotografien sind von Ulrike Bauer.

 

 

1. Neuauflage 2015 (ISBN 978-3-943312-49-2) im Verlag EMPIRE Münster, Erstausgabe erschienen im Verlag U. Bock 1893 Rudolstadt unter dem Originaltitel: „Ausgeburten des Menschenwahns im Spiegel der Hexenprozesse und der Auto da fe‘s“

 

 

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In der Folterkammer galt ein Prinzip:

 

ICH WILL IHN AUF DIE PROBE STELLEN,

WO ER UNTERLIEGEN MUSS.

 

 


1. Wie stelle ich fest, dass es Hexen sind?

HEXENPROBEN

Sobald entsprechende Anzeigen wegen Zauberei gegen eine Person vorlagen, konnte der Richter gegen dieselbe sogleich auf Folter erkennen. Man unterwarf die der Hexerei Verdächtigten jedoch meist zuvor der „Hexenproben“, von denen in der Regel mehrere nacheinander in Anwendung kamen, nämlich die Tränenprobe, die Nagelprobe, die Feuerprobe, die Wasserprobe, auch Hexenbad genannt, und die Hexenwaage.

Da nach dem allgemeinen Aberglauben die Hexen nicht weinen konnten, so legte der Richter der Angeklagten die Hand auf den Kopf und sprach:

„Ich beschwöre Dich um der bitteren Tränen willen, die von unserem Heiland, dem Herrn Jesus Christus, am Kreuze für unser Heil vergossen worden sind, dass Du, im Falle Du bist unschuldig bist, Tränen vergießest, wenn schuldig – nicht!“

Gewöhnlich stellten die Richter mit Genugtuung fest, dass die also Beschworene sich vergebens angestrengt habe, zu weinen. Woher aber, fragen wir, soll eine unglückliche, nackte Person in der Folterkammer angesichts der Marterwerkzeuge auf Erfordern sogleich die Tränen hernehmen? Als ob nicht Schreck und übermäßiger Schmerz den Tränenquell verschlossen hielten!

Man glaubte übrigens auch, dass wirklichen Hexen die Tränen auf der Folter ebenfalls versagt seien. Weinte wider Erwarten die Gemarterte dennoch, so war das nach der Ansicht der unfehlbaren Richter teuflisches Blendwerk.

Hier und da glaubte man auch, dass nur das rechte Auge einer Hexe in der Pein drei Tränen zu vergießen vermöge. Das Sprichworte: „Hexen weinen nicht“, kam daher schnell in Gebrauch.

Noch größeres Gewicht als der Tränenprobe legte man der Nadelprobe bei.

 


TEUFELSMAL

Wie nämlich nach dem Propheten Ezechiel (9, 4) und der Offenbarung Johannis (7, 3) die Auserwählten Gottes das Zeichen des Heils auf der Stirne tragen, so meinte man, drückt der Teufel denen, die von Gott abgefallen sind und sich ihm ergeben haben, ein unversiegbares Zeichen auf, das sogenannte Stigma diabolicum. Er führt dies entweder mit der einfachen Berührung seines Fingers aus oder er ritzt der neugewonnenen Hex an irgendeinem Körperteil die Haut und saugt das rinnende Blut auf. Häufig bringt er dieses Merkmal an offenen sichtbaren Stellen an wie an der Hand, häufiger jedoch verborgen wie unter der Zunge. Es sollte daran zu erkennen sein, dass es unempfindlich sei und kein Blut gebe. Man schor der Anschuldigten daher alle Haare glatt am Leibe weg, selbst die Augenbrauen, um das Teufelsmal zu finden und wehe der Armen, wenn man ein Muttermal, einen Leberflecken oder dergleichen vorfand!

Nach den Bekenntnissen der zu Logrona in Spanien im Jahre 1610 hingerichteten Hexen zeichnet der Teufel auch mit einem Goldstücke in den Stern des linken Auges die Figur einer Kröte zum Erkennungszeichen für andere Zauberer und übergibt dem Paten eine für den Neuling bestimmte Kröte, die demselben hinfort die Kraft verleiht, sich unsichtbar zu machen, durch die Luft zu fliegen und allen möglichen Schaden zu stiften. Die Kröte findet sich auch in englischen, französischen und deutschen Prozessen. Im englischen kommt auch bisweilen ein weißer Hund, eine Katze, eine Eule, ein Maulwurf usw. vor und die Hexen sind verpflichtet, diese bösen Geister an sich saugen zu lassen. Die Kröte muss sorgfältig gepflegt und geliebkost werden.

Man glaubte, sobald eine Hexe keine Hare mehr habe, so habe der Teufel keine Macht mehr über sie und sogar ein Gutachten der Göttinger Juristenfakultät hat sich dahin ausgesprochen. Allen Respekt vor solcher Universitäts-Weisheit, die nur dem Mittel zum Zweck dient nicht aber der Wissenschaft!!

Mittels einer langen Nadelstach nun der Henker in jede Narbe, jeden Leberfleck, jedes Muttermal am Leibe der Angeklagten. Dabei kam es vor, dass der Untersuchende boshafter Weise statt mit der Spitze mit dem Kopfe der Nadel auf die Stelle drückte und nun diese für ein Hexenzeichen erklärt wurde oder dass er sich bloß stellte, als ob er steche und darauf rief, er habe das Zeichen gefunden, die Stelle sei unempfindlich und es fließe kein Blut. Nun war kein Zweifel, dass dieses Zeichen der Teufel aufgedrückt habe als Besiegelung des mit ihm eingegangenen Bündnisses. Darauf musste die Person gefoltert und sie zum Geständnis gebracht werden.

Der Erfolg dieser Probe lag völlig in der Willkür des Henkers. Denn er war während derselben meist mit der Angeklagten in einer Kammer allein und konnte nachher aussagen, was er wollte.

Indes, wenn er auch nichts Verdächtiges fand, so ließ sich der Hexenrichter dadurch keineswegs irre machen. Es galt die Devise, „der Teufel zeichnet nur diejenigen, deren er noch nicht ganz sicher ist. Seine getreuesten Anhänger lässt er ohne Zeichen“, und so wurde das Nichtvorhandensein des Hexenmals nur ein umso schlimmerer Verdachtsgrund.

Diese Probe war ganz allgemein verbreitet. Sie findet sich in Deutschland, Frankreich, Belgien und Spanien. Busecksche Akten aus dem Jahre 1674 enthalten eine von zwei Gerichtsschöffen beglaubigte Urkunde über eine solche Ermittlung.

In Frankreich und der Schweiz wurde diese Untersuchung gewöhnlich von Chirurgen vorgenommen, in Deutschland vom Scharfrichter im Beisein der Schöffen. In Belgien bestimmte eine Verordnung aus dem Jahre 1660, dass der Büttel nicht mehr zuzulassen sei sondern nur ein neutraler Arzt.

Dennoch findet sich eine Rechnung des Scharfrichters von Melin im Hennegau vom Jahre 1681, worin für dessen Bemühungen beim Suchen des Stigmas einer Inquisitin und die Folterung derselben 62 livres 8 soli angesetzt sind.

Die Feuerprobe (ferrum candens) war weniger beliebt als die Wasserprobe. Nach dem „Hexenhammer“ sollte zwar der Richter die Angeklagte fragen, ob sie zum Beweise ihrer Unschuld das glühende Eisen tragen wolle. Er sollte ihr aber diese Probe nicht gestatten. Denn, so lautet die Begründung, die meistern erklären sich dazu bereit, weil sie auf die Hilfe des Teufels hoffen. Auch gäbe es betrügerische Mittel, um die Hand unverletzt zu erhalten. Daher sei die Berufung auf die Feuerprobe geradezu als ein weiterer Verdachtsgrund zu betrachten.

Ein Fall ist bekannt, in dem eine der Zauberei Angeschuldigte die Feuerprobe bestanden hat. Es war dies allerdings kurz vor Erscheinen des „Hexenhammers“. Im fürstlichen Fürstenbergischen Archiv zu Donau-Eschingen befindet sich nämlich eine Urkunde, wonach sich eine gewisse Anna Henne von Röthenbach im Schwarzwalde im Jahre 1485 durch Tragen des heißen Eisens von der Beschuldigung des Hexenwerks zu reinigen vermochte.

 

WASSERPROBE

Die Wasserprobe oder das Hexenbad war am weitesten verbreitet. Das Ordale (Gottesurteil) des kalten Wassers (judicium aquae frigidae) reicht tief in das Mittelalter zurück. Ludwig der Fromme verbot es, Hinkmar von Reims trat als sein Verteidiger auf, zur Zeit Bernhards von Clairvaux wurde es gegen die sogenannten Manichäer in Frankreich angewendet. Seitdem aber Innocenz III. auf dem lateinischen Konzil 1215 ein neues Verbot darauf legte, kam es in Abnahme. Dabei band man der angeschuldigten entkleideten Person den rechten Daumen an die rechte große Zehe fest, so dass sie sich nicht rühren konnte, worauf sie der Henker an einem Seil in ein Gewässer, Fluss oder Teich dreimal hinabließ.

Bei der Wasserprobe galten entgegengesetzte Anschauungen. Nach der einen handelte es sich für den Angeklagten oder die Angeschuldigte darum, sich lange unter Wasser zu halten. Nach der anderen Anschauung sollte die Unschuld des Angeklagten durch Untersinken, die Schuld durch Oben schwimmen erwiesen werden. Das Untersinken galt überhaupt für ein günstiges Zeichen.

Das ums Jahr 1230 von Eike von Repkow verfasste Rechtsbuch „Der Sachenspiegel“ ordnet an:

„Wenn zwei Männer ein Gut beanspruchen und die Nachbarn darüber kein Zeugnis zu geben wissen, so soll das Wasserurteil entscheiden.“

Dieselbe Bestimmung auch das schwäbische Landrecht im „Schwabenspeigel“, der in der letzten Hälfte des 13. Jahrhunderts verfasst worden ist.

Erst aus dem 16. Jahrhundert lassen sich Fälle dieser Art der Hexenprobe in Deutschland nachweisen, die frühesten in Westfalen, dann in Lothringen, den Niederlanden etc.

Das Hexenbad geschah meist öffentlich. War die auf das Wasser hinabgelassene Angeklagte eine „Hexe“, so schwamm wie „wie ein Pantoffelholz“. Diese Wasserprobe stützte man einmal auf die Meinung, dass der Teufel den Hexen eine spezifische Leichtigkeit verliehen habe, welche sie nicht untersinken konnte, sodann auf den Satz, „das Wasser nehme diejenigen nicht in seinem Schoß auf, welche das Taufwasser bei der Lossagung vom christlichen Glauben von sich geschüttelt hätten“.

Häufig findet sich in den Akten, der Teufel habe der Hexe versprochen, ihr bei der Wasserprobe mit einer Eisenstange zum Sinken zu verhelfen. Er habe ihr im entscheidenden Augenblick zum Hohn jedoch nur eine Nähnadel gebracht.

Auch beim Hexenbad hing der Erfolg der Probe meist nur vom Henker ab und gar oft wurde die Beschwerde laut, dass derselbe boshafter Weise die Unglückliche in der Art an seinem Seil über dem Wasser gehalten habe, dass sie nicht sinken konnte. Schon unterm 9. Januar 1594 gab die medizinische und philosophische Fakultät der Universität Leyden das Gutachten ab, „dass die angeblichen Hexen so oft auf dem Wasser schwämmen, erkläre sich aus der Art, wie sie kreuzweise gebunden ins Wasser gesenkt würden, indem sie auf dasselbe mit dem Rücken wie kleine Schiffe zu liegen kämen.“

Trotzdem brachte man das Hexenbad mit Vorliebe fortwährend und selbst gegen wenig Verdächtige gern zur Anwendung und zwar vor zahlreichen Zuschauern. Reizte es doch die Sinne, nackte, hilflose Frauen, kreuzweise zusammengebunden am Strick über dem Wasser zappeln zu sehen. Dass dadurch Scham und Sittlichkeit vernichtet und die Grausamkeit gefördert wurde, erwog niemand. So ließen Bürgermeister und Schöffen von Herford ums Jahr 1630 eines Morgens über dreißig der Zauberei bezichtigte Weiber aufs Rathaus bringen, wo sie sofort vom Henker gebunden und dann aufs Wasser geworfen wurden. Da sie oben schwammen, wurden sie festgenommen und gefoltert und auf Grund der durch die Tortur erpressten Geständnisse sämtlich vom peinlichen Halsgericht zum Feuertode verurteilt und verbrannt.

Theologen und Juristen gründeten, wie schon erwähnt, die Unfehlbarkeit der Wasserprobe auf die Heiligkeit, welche dem Wasser durch die Taufe verliehen werde, so dass es alles, was durch die Berührung des Teufels befleckt sei, von sich stoße.

„Es ist offenbar“, schrieb ein berüchtigter Hexenschlächter, König Jacob I. von England, „Gott hat als ein übernatürliches Zeichen von der ungeheuren Gottlosigkeit der Hexen angeordnet, dass das Wasser diejenigen in seinen Schoß aufzunehmen widerstrebt, welche das heilige Wasser der Taufe von sich geschüttelt haben.“

Dazu kam, dass man den Zauberern wegen ihrer angeblichen Fähigkeit, durch die Luft zu fliegen, ein geringes Gewicht zuschrieb.

In Frankreich wurde dieses Ordal (Gottesurteil), das man dort gegen geringe Leute in einer Kufe Wasser anzuwenden pflege, im Jahr 1601 verboten.

In den österreichischen Gesetzen war gleichfalls schon im 17. Jahrhundert die Wasserprobe „als eine verborgene, ungewisse, teuflische, Gott versuchende Anzeige“ ausgeschlossen.

Dagegen ließ der bayrische Obrist Hans Sporck im Jahre 1644 zu Schwäbisch-Hall eine Anzahl Soldatenweiber binden und zur Probe in den Kocher werfen.