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Rolf Morrien | Heinz Vinkelau

Alles, was Sie über

Benjamin Graham

wissen müssen

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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1. Auflage 2018

© 2018 by FinanzBuch Verlag,

ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

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Redaktion: Judith Engst

Korrektorat: Sonja Rose

Umschlaggestaltung: Melanie Kretzschmar

Umschlagabbildung: picture alliance/AP Images

Satz: inpunkt[w]o, Haiger (www.inpunktwo.de)

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

eBook: ePubMATIC.com

ISBN Print 978-3-95972-119-6

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96092-207-0

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96092-208-7

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INHALT

Einleitung – Warum Sie eine Buchreihe über Börsen-Legenden lesen sollten

BENJAMIN GRAHAM: DER BEGRÜNDER DER WERTPAPIERANALYSE

Kindheit und Jugend in New York (1894 – 1911)

Studium am Columbia College in New York (1911 – 1914)

Die frühen Jahre an der Wall Street – Vom Laufburschen zum Wertpapieranalysten (1914 – 1920)

Juniorpartner im Maklerbüro (1920 – 1923)

Erster Schritt in die Selbstständigkeit – Die Graham Corporation (1923 – 1925)

Das Benjamin-Graham-Konsortium und die Krisenjahre (1925 – 1936)

Die Graham-Newman Corporation (1936 – 1956)

Die Zeit des (Un-)Ruhestands (1956 – 1976)

DIE ERFOLGSBILANZ DES BENJAMIN GRAHAM IN ZAHLEN

DIE INVESTMENT-STRATEGIE VON BENJAMIN GRAHAM

Auf die wahren Werte achten – Der Value-Ansatz

Viele Aktien streuen das Risiko – Das Prinzip der Diversifizierung

Gegen den Strom schwimmen – Nicht von Mr. Market verrückt machen lassen

Traue keinem Analysten – Mach dein eigenes Ding

Aus der Mode gekommen – Zigarrenstummel-Käufe und Arbitrage-Geschäfte

Grahams Testament – Zehn Regeln für die Auswahl der richtigen Aktien

CHECKLISTE: SO INVESTIEREN SIE WIE BENJAMIN GRAHAM

Über die Autoren

Glossar

Anmerkungen

EINLEITUNG – WARUM SIE EINE BUCHREIHE ÜBER BÖRSEN-LEGENDEN LESEN SOLLTEN

Warren Buffett, der wahrscheinlich berühmteste und erfolgreichste Investor der modernen Börsengeschichte, sagt über die Geldanlage: »Sie ist einfach, aber nicht leicht.« Sein kongenialer Partner Charlie Munger formuliert es ganz ähnlich: »Nehmen Sie eine einfache Idee und nehmen Sie sie ernst.« Ihrer beider Ansatz des Value Investing geht ursprünglich auf Benjamin Graham zurück – und der plädiert ebenfalls für einen unaufgeregten, rationalen Anlagestil: »Die besten Anlageentscheidungen basieren auf Fakten und nicht auf Spekulation.«

Die erfolgreiche Geldanlage ist keine Geheimwissenschaft. Viele Strategien, die wir Ihnen in unserer Buchreihe »Legenden der Börse« vorstellen, sind sogar – ganz im Sinne von Buffett, Munger und Graham – denkbar einfach. Man muss nur wissen, wie die einzelne Strategie funktioniert, und dieses theoretische Wissen dann konsequent in die Praxis umsetzen.

In dieser Buchreihe starten wir immer mit dem Lebenslauf der jeweiligen »Börsen-Legende«. Sie werden schnell erkennen, dass oft schon die frühen Lebensjahre die späteren Investoren geprägt haben. Fast schon ein Klassiker ist eine Anekdote aus den Kinderjahren von Warren Buffett. Ausgerüstet mit einem Münzwechsler klapperte der kleine Warren die Häuser in der Nachbarschaft ab und verkaufte Coca-Cola für 5 Cent pro Flasche. Vorher hatte er die Cola als Sixpack im Lebensmittelgeschäft seines Großvaters für 25 Cent eingekauft. Seine Rechnung lautete: 25 Cent investieren, um einen Umsatz von 30 Cent zu erzielen (6 x 5 Cent je Flasche). Die Gewinnmarge lag also bei 20 Prozent. Der Legende nach hat ihn diese Gewinnmarge von 20 Prozent sein Leben lang geprägt. Buffett hat bei seinen Geschäften immer wieder ähnliche Renditen angestrebt und auch erreicht.

Sie können jetzt zwar nicht die Kindheitserinnerungen der großen »Börsen-Legenden« nachholen, aber Sie erfahren in unseren Büchern, wie sich die Personen zu Persönlichkeiten entwickelt haben. Im zweiten Schritt zeigen wir Ihnen die Investitionserfolge und abschließend die Strategien, mit denen Buffett, Munger und ihr »Lehrmeister« Graham so erfolgreich wurden.

Warum sollten Sie auch versuchen, eine ganz neue, nicht erprobte Anlage-Strategie zu »erfinden«, wenn es doch ein Dutzend Spitzenkönner gibt, die in den vergangenen Jahren, Jahrzehnten oder Jahrhunderten jeweils einen erfolgreichen Weg gefunden haben? Die Strategien der Meister in Grundzügen nachzuahmen, ist kein Makel. Im Gegenteil: Es ist eine Kunst, eine erfolgreiche Strategie zu erkennen, zu verstehen und neu umzusetzen. Wer dagegen nur auf eigene Ideen baut und die Erkenntnisse der nachweislich erfolgreichen Investoren ignoriert, läuft leicht Gefahr, bereits bekannte Fehler zu wiederholen – und auf diese Weise irgendwann in einer Sackgasse zu landen. Einen solchen Irrweg können Sie sich ersparen, wenn Sie von den Besten lernen.

Dabei geht es nicht darum, einen berühmten Investoren in allen Dingen 1 zu 1 zu kopieren. Es geht darum, Entscheidungsprozesse und Entscheidungen zu verstehen. Sehr schön hat das Tren Griffin in seinem bemerkenswerten Buch »Charlie Munger – Ich habe dem nichts mehr hinzuzufügen« formuliert:

»Niemand anders kann Charlie Munger sein, ebenso wenig, wie jemand anders Warren Buffett sein kann. Es geht nicht darum, jemanden als Helden zu feiern, sondern darum, zu überlegen, ob Munger wie sein eigenes Vorbild Benjamin Franklin Qualitäten, Merkmale, Systeme oder Lebenskonzepte hat, denen wir nacheifern wollen, vielleicht auch nur zum Teil. Genau diese Möglichkeit ist auch der Grund dafür, warum Munger Hunderte von Biografien gelesen hat: Vom Erfolg wie vom Scheitern anderer zu lernen, ist die schnellste Methode, um intelligenter und klüger zu werden, ohne dabei allzu viel selbst erleiden zu müssen.«

Zum Abschluss noch ein Durchhalteappell von Charlie Munger, falls die Börsengewinne bei Ihnen nicht sofort fließen: »Die ersten 100.000 Dollar sind eine echte Zicke.«

Viel Vergnügen bei der Lektüre und üppige Börsengewinne in der Zukunft wünschen Ihnen

Heinz Vinkelau & Rolf Morrien

BENJAMIN GRAHAM: DER BEGRÜNDER DER WERTPAPIERANALYSE

»Der Grund, warum Graham der unumstrittene Lehrmeister [der Wertpapieranalysten] ist, liegt darin, dass es vor ihm den Beruf [des Analysten] nicht gab und man erst nach ihm anfing, sich so zu benennen.«1

Benjamin Graham war der »Lehrmeister der Wall Street«: Er hat das Aktiengeschäft revolutioniert, indem er Aktien nicht – wie es vor ihm üblich war – aufgrund von Insiderinformationen und Modeerscheinungen kaufte, sondern sich bei seinen Kaufentscheidungen am inneren Wert eines Unternehmens orientierte. Benjamin Graham entwickelte die Theorie des wertorientierten Investments – bzw. des Value Investing – ein sehr solider Ansatz, der das Risiko hochspekulativer Aktienkäufe nahezu ausschließt. Mit dieser Methode war er – und sind noch heute seine Nachfolger wie zum Beispiel Warren Buffett, Charlie Munger und Bill Ruane – sehr erfolgreich.

Diese Führungsrolle würdigte der erfolgreichste Value-Investor Warren Buffett in einem Memo zum ersten Investorentreffen der sogenannten Graham-Gruppe wie folgt: »Da ich das Faible von einigen von euch für lange Reden kenne, will ich von vornherein klarstellen, dass er die Biene ist und wir die Blumen! Wenn ich mir die Adressliste für dieses Memo ansehe, beschleicht mich die Furcht, dass dieses Treffen zu einer türkischen Teppichauktion ausarten könnte, wenn wir uns nicht am Riemen reißen und abwarten, was wir von Ben lernen können.«2 In seiner berühmt gewordenen Rede über »Die Superinvestoren von Graham- und Doddsville« ernannte Buffett seinen Lehrmeister Graham zum »intellektuellen Patriarchen« der Value-Investoren.3

Auch der erfolgreiche Value-Investor Bill Ruane würdigt Graham als Vater des Value Investing: »Graham entwickelte einen Bezugsrahmen, mit dessen Hilfe die Leute wirklich bis ins letzte durchdenken konnten, was diese Zahlen tatsächlich aussagen.«4 »Wenn man die beiden [Graham und Buffett] zusammen nimmt, dann hat man das ganze Paket. Der eine schrieb, was wir die Bibel nennen, und Warren schrieb das Neue Testament.«5

KINDHEIT UND JUGEND IN NEW YORK (1894 – 1911)

Benjamin Graham wurde am 9. Mai 1894 als drittes Kind der Eheleute Dora und Isaac Grossbaum in London als britischer Staatsbürger geboren. Seinen Geburtsnamen Grossbaum änderte er aufgrund der antideutschen Stimmung in den USA während des Ersten Weltkriegs. Nach Kriegsende nahm Benjamin Graham auch die amerikanische Staatsbürgerschaft an.

Die jüdisch-orthodoxe Familie Grossbaum war durch den Handel mit Porzellanwaren in England zu bescheidenem Wohlstand gelangt. 1895 beschloss Benjamins Großvater, den Handel auch auf die USA auszuweiten und schickte seinen Sohn Isaac samt Familie auf die weite Reise. »Also fuhren wir fünf im Jahr 1895 – ich war damals gerade ein Jahr alt – nach New York. Wir reisten zweiter Klasse, wurden bei unserer Ankunft nachlässig von einem Arzt des Gesundheitsdienstes untersucht und gingen die Gangway hinab in unsere neue Heimat. Einwanderungspapiere oder andere Formalitäten waren nicht erforderlich. Das gab es nur für Zwischendeckpassagiere, die auf Ellis Island im New Yorker Hafen abgefertigt wurden.«6

Kaum in den USA angekommen, begann Isaac Grossbaum mit dem Aufbau seines neuen Porzellanhandels. Er war häufig auf Geschäftsreisen unterwegs und das mit Erfolg, wie Benjamin Graham in seinen Memoiren berichtet: »Er war ein exzellenter Geschäftsmann, scharfsinnig, energisch und findig. In seinen letzten Lebensjahren wurde der britische Zweig unseres Unternehmens erfolglos, und mit dem Gewinn, den mein Vater in Amerika machte, brachte er nicht nur uns durch, sondern auch Eltern, Onkel, Tanten und Cousins in England – eine ganze Heerschar. Den Preis, den mein Vater dafür zahlte, waren eine enorme Arbeitsbelastung und eine fast ununterbrochene Reisetätigkeit im ganzen Land.«7

Um die Erziehung der drei Söhne kümmerte sich die Mutter, unterstützt von Bediensteten. Während der kleine Benjamin ein folgsames Kind war, entwickelte sich Victor, der mittlere der drei Brüder, zu einem aufsässigen Problemkind. Der älteste Bruder, Leon, war ein »ausgeglichener und bodenständiger Junge, der oft in Schwierigkeiten geriet, sich aber nie die Finger verbrannte.«8 Benjamin wurde mit sechseinhalb Jahren eingeschult und war – nach eigener Aussage – ein eifriger und hervorragender Schüler.

In den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts wurde die junge Familie von schweren Schicksalsschlägen getroffen. Zunächst starb der Patriarch der Familie Grossbaum – Benjamins Großvater – in London an einer Lungenentzündung. Nur ein Jahr später verstarb Benjamins Vater mit 35 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Den Verlust seines Vaters und die Folgen für die Familie beschreibt Benjamin wie folgt: »Was die Lebensverhältnisse unserer Familie angeht, so begann mit dem Tod meines Vaters ein neues Kapitel. Es war ein langer und beschwerlicher Weg durch immer schwierigere Verhältnisse, ein jahrelanger Kampf gegen den sozialen Abstieg.«9 Doch in dieser Situation nahm Benjamins Mutter die Zügel in die Hand. Sie versuchte das Porzellan-Geschäft mit Unterstützung von drei Schwagern und ihrem Bruder Maurice aufrechtzuerhalten, was aber missglückte. Nach einem Jahr musste das Geschäft aufgegeben werden, die Lagerbestände wurden verkauft. Auch der Versuch Dora Grossbaums, eine Pension aufzubauen und zu führen, scheiterte nach zwei Jahren. Und zu guter Letzt verlor Benjamins Mutter noch Geld im Börsencrash von 1907. Auf Anraten eines Freundes der Familie, der Börsenmakler war, hatte Dora Grossbaum in Aktien der US Steel Company investiert. »Die Grossbaums waren fortan gezwungen, von der Hand in den Mund zu leben und waren die armen Verwandten in einem erfolgreichen und wohlhabenden Familienclan. Während eines Großteils dieser frühen Jahre lebten Dora und die Kinder bei [ihrem Bruder] Maurice Gerard und seiner Familie.«10

Auch die Brüder versuchten, die schlechte Finanzlage der Familie im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu verbessern und nahmen Jobs an. Mit neun Jahren wurde Benjamin so Zeitungsjunge bei der Wochenzeitung Saturday Evening Post. Er verkaufte täglich 30 Exemplare der Post mit einer Marge von 2 Cent pro Zeitung. Später verkaufte Benjamin zusammen mit seinem Cousin Louis Grossbaum Baseball-Ansichtskarten am Stadion der Highlander, den Vorläufern der New York Yankees. Der Gewinn war beachtlich: An Wochentagen brachte jeder etwa 20 Cent nach Hause, am Wochenende sogar bis zu einem Dollar. Am meisten Geld verdiente Benjamin jedoch mit Nachhilfe. Er gab einem Freund, der ein Jahr älter war als er selbst, wöchentlich drei Nachhilfestunden und erhielt dafür 50 Cent. Für kurze Zeit war Benjamin auch als Lieferjunge für einen Lebensmittelladen tätig. Hier verdiente er sogar zwei Dollar die Woche. Graham selbst zieht aus der prekären finanziellen Lage seiner Familie folgendes Resümee: »Von Natur aus war ich immer eher an der intellektuellen und spirituellen Seite des Lebens interessiert als an der materiellen. Aber die schwierigen Lebensverhältnisse meiner Kindheit betrafen mich nicht weniger als meine Brüder. Geld wurde mir immer wichtiger. Ich sah es als selbstverständlich an, dass hohe Einnahmen und Ausgaben das wichtigste Anzeichen für Erfolg im Leben waren.«11

Benjamin schloss die Grundschule (Elementary School) mit zwölf Jahren als Jahrgangsbester ab. Er durfte daher – wie in den USA üblich – die Abschiedsrede halten und wurde zum Herausgeber der Abschlusszeitung ernannt. 1906 wechselte Benjamin zur Townsend Harris Hall High School. Diese Schule war »das Beste, was Amerikas öffentliches Bildungswesen zu bieten hatte«,12 so der Rhetorikprofessor und Literaturkritiker Seymor Chatman. Nach einem Jahr wechselte Benjamin aber die Schule und ging ab dann zur Boys High School in Brooklyn. Die Familie war wieder einmal umgezogen und der Schulweg zur Townsend Hall war dadurch zu lang geworden. Aber auch die Boys High hatte einen guten Ruf, wie Benjamin in seinen Memoiren bestätigt: »Tatsächlich gehörte die Boys High School lange zu den Schulen mit dem besten Ruf im Land, und es war ein Glück für mich, dorthin gehen zu können. Ich verbrachte zwei fruchtbare Jahre an der Boys High School.«13

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Exkurs: Graham der Tüftler und Erfinder