Kapitel 1: Große Zahnschmerzen

 

 

 

Es war einmal ein kleiner Junge, er hörte auf den Namen Oscar Poscar, er war ein guter Freund von allen Tiere und Pflanzen. Der kleine Oscar Poscar wohnte in einem winzigen, alten Haus am Waldrand von Bongelborn. Bongelborn, das war ein ganz kleiner, verschlafener Ort am Fuße eines großen Berges. Auf dem Berg stand ein schönes, großes Schloss. Bongelborn hatte nur sehr wenige Einwohner. Zwei von ihnen hatten einen kleinen Einkaufsladen, in dem Oscar Poscar regelmäßig die leckersten Süßigkeiten einkaufte. In diesem Laden gab es ausschließlich Süßwaren, nichts anderes. Die beiden Damen, denen der Laden gehörte, hießen Ronja Ponja und Anja Panja, sie waren Schwestern.

 

Die Stadt Bongelborn wurde regelmäßig von einem großen, feuerspeienden Drachen namens Morlobor heimgesucht. Er hatte es immer auf die leckersten und süßesten Süßigkeiten aus dem Laden von Ronja Ponja und Anja Panja abgesehen. Er fraß alle Süßigkeiten auf und verschwand dann wieder in seiner Höhle. Eigentlich wurde nie jemand verletzt, wenn man den Drachen in Ruhe seine Bonbons und Lutscher schlecken ließ, aber in letzter Zeit wurde der Drache aus unerfindlichen Gründen immer gereizter und wilder. Die Bewohner wussten nicht, was sie tun sollten, außer immer neue Vorräte an Süßigkeiten zu kaufen und zu hoffen, dass der Drache ihr Leben und ihre Häuser verschonen würde.

 

Auch König Schmodderbart, der mit seiner wunderschönen Tochter, Prinzessin Sarinda, im Schloss über der Stadt wohnte, hatte keine gute Idee, wie sie den Drachen loswerden konnten. Schon viele Abenteurer, Ritter und sogar Prinzen waren gekommen und wollten gegen den Drachen kämpfen, aber sie wurden entweder aufgefressen oder sie liefen, nachdem sie den großen Drachen Morlobor gesehen hatten, einfach weg. Einer machte sich sogar in die Hosen und lief dann weg. Man konnte ihn noch länger riechen, als man ihn sehen konnte.

 

Nachdem Oscar Poscar sich mit allen Tieren und Pflanzen so gut verstand, konnte er auch als einziger die Tier- und Pflanzensprache verstehen und sprechen. Als es eines Tages keine Süßigkeiten mehr gab und der nächste Besuch von Morlobor kurz bevor stand, hörte Oscar Poscar ein Gespräch zwischen zwei kleinen Vögelchen mit, die sich über den fürchterlichen und feuerspeienden Drachen unterhielten.

 

„Hast du schon gehört?“, sagte der eine Vogel, „Der große Drache Morlobor ist seit langer Zeit sehr, sehr traurig und jetzt hat er auch noch heftige Zahnschmerzen.“ „Nein, wirklich?!“, sagte der andere Vogel. „Warum ist er denn so traurig und hat Zahnschmerzen?“ „Na ja, er liebt Süßigkeiten und holt sie sich regelmäßig im Laden bei Anja Panja und Sonja Ponja in der Stadt ab. Seit einiger Zeit jedoch schmerzen seine schlechten Zähne, vom vielen Süßigkeiten naschen. Das macht ihn ziemlich traurig und wütend, er weiß einfach nicht, was er tun soll, um die Schmerzen loszuwerden. Außerdem ist er so schlecht gelaunt, weil er gar keine Freunde findet. Alle haben Angst vor ihm, weil er ein großer Feuerdrache ist“, sagte der eine Vogel zum anderen.

Oscar Poscar hörte dieses Gespräch mit an und hatte eine wunderbare Idee. „Wenn Morlobor von den vielen Süßigkeiten Zahnschmerzen hat, dann kann ihm doch geholfen werden. Er muss mal ordentlich Zähne putzen“, dachte Oscar Poscar, „aber wie?“ Oscar Poscar ging mit seinen Freunden in den Wald, in dem viele verschiedene Tiere lebten. Er sprach mit allen dort lebenden Tieren. Er fragte die Elefanten, die Giraffen, die Zebras, die Affen und alle anderen Tiere nach einer Lösung. Leider hatte niemand eine spontane Lösung, also berief Oscar Poscar eine Tierversammlung ein.

 

So trafen sich alle Tiere mit Oscar Poscar, Anja Panja, Ronja Ponja, dem König Schmodderbart und auch der wunderschönen Prinzessin Sarinda zu einer Beratung, wie sie weiter vorgehen sollten. Die Elefanten schlugen vor, den Drachen Morlobor wegzutragen, aber dann würde der Drache bestimmt Feuer speien, und danach zu allem Überfluss wieder zurückkommen. „Nein“, sagte König Schmodderbart, „das ist viel zu gefährlich, am Ende wird jemand verletzt oder der Drache Morlobor steckt unsere Häuser mit seinem Feuerstrahl in Brand und wir verlieren alles. Wir brauchen eine andere Idee. Wie sieht es mit euch Flusspferden aus? Habt ihr eine Idee?“

 

Die Flusspferde wollten Morlobor in einen nahen Bach ziehen, damit sein Drachenfeuer erlöschen würde und er keinen Schaden mehr anrichten könnte. Der kleine und sehr, sehr kurzsichtige Maulwurf schlug vor, ein großes Loch zu buddeln und den Drachen Morlobor dort, Kopf voran, einzugraben, bis nur noch seine Schwanzspitze heraus sehen würde. Und der Löwe wollte sogar mit dem Drachen kämpfen.

 

Alle diese Ideen brachten die große Versammlung aber nicht weiter. Sie wollten gerade die Versammlung auflösen, da kam, wie immer etwas zu spät, das Stachelschwein Ida. Als Oscar Poscar das Stachelschwein Ida sah, hatte er sofort eine Idee. „Warum nehmen wir nicht Ida als Drachenzahnbürste?“, rief er. „Oh ja, gute Idee“, riefen die anderen, nur das Stachelschwein Ida streckte vor lauter Entsetzen alle Stacheln weit von sich und zitterte vor Angst. „Was wollt ihr mit mir machen? Ich bin doch nicht lebensmüde! Aber ihr seid wohl alle verrückt geworden?“, rief es und wollte schnell weglaufen.

 

Doch König Schmodderbart versprach dem Stachelschwein eine extra große Belohnung, wenn es mitmachen würde. Also machten sich das Stachelschwein, Oscar Poscar und alle anderen Waldbewohner auf den Weg zum gefährlichen Drachen. Der Drache Morlobor wohnte gleich unterhalb des Schlosses, hinter einem großen Tor. Er schnarchte fürchterlich und wollte gar nicht aufwachen. Das Stachelschwein wurde ganz grün und fleckig vor Angst, als es den Drachen Morlobor sah, und wollte direkt umdrehen, aber Oscar Poscar hielt es auf und versprach ihm: „Weder dir, noch irgendeinem anderen wird auch nur das kleinste Haar bzw. der kleinste Stachel gekrümmt werden.“

 

Bei dieser Aufgabe half auch die Prinzessin Sarinda. Die Prinzessin war eine sehr gute Sängerin und konnte so toll singen, dass es eine wahre Freude war. Der große Vorteil an ihrem Gesang war, jeder der diesen Gesang hörte, konnte nicht anders, als still zu sitzen und friedlich und voller Genuss dem Lied von Sarinda zu lauschen. Also bat Oscar Poscar die Prinzessin, ihr schönstes Lied zu singen, und nicht eher damit aufzuhören, als alle wieder in Sicherheit waren. Als die Prinzessin anfing zu singen, erwachte Morlobor und wollte gerade, als er die ganzen Menschen und Tiere erblickte, einen riesigen und tödlichen Feuerstoß aus seinem Maul speien. Doch als er den Gesang vernahm, konnte er nicht anders, als mit offenem Maul dazusitzen und zu lauschen.

 

Oscar Poscar sprang, mit dem Stachelschwein unter dem Arm, wagemutig in das riesige Maul des still sitzenden Drachens. Er drehte das Stachelschein Ida auf den Rücken, so sah es aus wie eine große Zahnbürste mit Beinen. Er fing gleich an, die wirklich schlechten Zähne von Morlobor zu putzen. Der Drache konnte nicht anders als dem Gesang zu lauschen, er war wie verzaubert und gelähmt. Drachen haben aber extra viele und scharfe Zähne, deshalb brauchte Oscar Poscar mit dem Stachelschwein ganz schön lange für die Zahnreinigung nach Stachelschwein-Art. Als das Lied zu Ende war, hörte die Prinzessin auf zu singen und wollte eine kurze Pause machen.

 

Doch der Drache erwachte sogleich aus seiner Starre und schloss das riesige Maul. So schluckte er Oscar Poscar und das Stachelschwein, ohne es vorher zu bemerken, hinunter. Alle, sogar der Drache Morlobor, waren ganz erstaunt. Sofort schrien die Affen panisch los und wollten schon wegrennen, doch da begann die Prinzessin wieder zu singen, und der Drache entspannte sich erneut und öffnete wieder das Maul. Zum Glück hatte sich das Stachelschwein im Hals von Morlobor verhakt und Oscar Poscar und das Stachelschein Ida konnten sich aus unschönen Situation befreien, und den Rest der vielen und scharfen Drachenzähne putzen, bis sie wieder ganz blitzeblank waren.

 

Nach der Putzaktion stieg Oscar Poscar noch über die Nase des Drachen Morlobor, bis hin zu seinem Ohr, und flüsterte ihm etwas zu. Kurz darauf beendete die Prinzessin ihren Gesang, und Morlobor begann, etwas dämlich, zu grinsen. Alle anderen wussten gar nicht, was sie machen sollten, und wollten wieder fliehen, aber Morlobor hielt sie, mit ein paar kräftigen Flügelschlägen, zurück. „Oh Gott, er wird uns alle fressen“, schrie ein Zebra. „Jetzt hat er uns, jetzt hat er uns“, schrien die Bonobo Affen, aber es geschah überhaupt nichts.

 

Der Drache Morlobor stellte sich in seiner ganzen Größe vor allen auf und fing an zu sprechen: „Seit vielen Jahrhunderten esse ich Süßigkeiten ohne auf meine Zähne zu achten. Seit einigen Jahren habe ich deshalb fürchterliche Zahnschmerzen. Die Zahnschmerzen sind, dank der tollen Idee meines neuen Freundes Oscar Poscar und seinem Stachelschwein Ida, aber jetzt vorbei.

 

Oscar Poscar hat mir erklärt, dass man nicht zu viele Süßigkeiten essen darf, und sich danach die Zähne putzen soll. Das Stachelschwein Ida will aber, aus verständlichen Gründen, nicht immer meine Zahnbürste spielen, also hat mir Oscar Poscar eine neue Drachenzahnbürste versprochen. Das macht mich sehr glücklich und zufrieden.“ Der König war über diese Wendung so begeistert, dass er dem Drachen Morlobor anbot, in eine Hütte am Fuß des Berges zu ziehen. Dort würde er regelmäßig Kaugummis und Lutscher bekommen. Das freute den Drachen doppelt, er versprach das Dorf Bongelborn zu schützen und regelmäßig seine Zähne mit der neuen Bürste zu putzen. Daraufhin fingen alle an zu singen und zu tanzen. Morlobor stellte sich als erstklassiger Sänger heraus, und die Feier ging drei Tage und Nächte, bis alle einfach auf der Wiese vor dem neuen Drachenhaus umfielen und erschöpft einschliefen.