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PETER WENK

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FALLNAME: NATALIA

...denn mein ist die Rache

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© 2018 Peter Wenk

Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN

Paperback:978-3-7469-0672-0
Hardcover:978-3-7469-0673-7

e-Book: 978-3-7469-0674-4

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Prolog

Gegenüber der Hitze seines fast nackten Körpers strahlt die Kellertür aus Stahl eine gewisse Kühle ab. Das ist gut so, hilft ihm aber nicht. Ständig muss er daran denken, was sich hinter dieser Tür befindet. Weil er das weiß, ist sein Schwanz unter dem Badehandtuch, das er um die Hüften gewickelt hat und dass sein einziges Kleidungsstück darstellt, schon verdammt steif geworden. Fast schon schmerzhaft. Hinter dieser Kellertür befindet sich die lang ersehnte Erfüllung eines Traums, den er schon lange träumt. Jetzt wird dieser Traum Wirklichkeit werden und nicht nur das wird ihn zutiefst befriedigen. Gleichzeitig kann er Rache üben für ein Unrecht, das ihm wiederfahren ist. Jetzt öffnet er die Kellertür und seine Augen müssen sich erst einen Moment lang an die Dunkelheit gewöhnen, da dieser Raum nicht beleuchtet ist, im Gegensatz zu dem Kellergang, aus dem er gerade kommt. Der Raum hat eine besondere Ausstrahlung. In der Luft befindet sich der Geruch und die Feuchtigkeit von Schweiß, von viel Schweiß, von Angstschweiß. Und das ist gut so, weil er es genau so gewollt hat. Als er sich der Raummitte nähert, meint er einen süßlichen Geruch von Tränen wahrnehmen zu können und den gering eisenhaltigen Geruch von Blut. 24 Stunden hat er ihr gegeben, sich auf die unausweichliche Situation vorzubereiten, die jetzt nahezu zwangsläufig folgen wird. Lange Zeit hat er sich nach ihr gesehnt, lange Zeit hat er sie gejagt und nun hat er sie durch einen miesen und charakterlosen Trick bekommen und hier in sein Versteck gebracht. Nun liegt sie gefesselt in der Mitte des Raumes auf einem alten Gynäkologen Stuhl, den er am Boden verschraubt hat. Ihre Beine hat er gespreizt, nachdem er sie betäubt und sie ihrer Kleidung entledigt hat. Ihre Hüft-, Becken- und Oberschenkelmuskulatur muss inzwischen verdammt wehtun. Da kann er aber kein Mitleid für empfinden, schließlich hat sie es verdient. Ihre Handgelenke hat er über dem Kopf zusammen gebunden und diese Fesselung an einem Eisenring an der Wand befestigt. Bevor er ihr sich jetzt ihrer annimmt, schaltet er das Licht in dem Kellerraum ein, eine fast ärmlich wirkende 25 Watt Lampe. Jetzt will er ihre Angst in den Augen sehen, jetzt will er sie flehen hören, danach wird er ihre Schreie genießen, bis dann auch diese verstummt sein werden. Von einer Ablage unter dem Kellerfenster nimmt er eine Tube mit Gleitgel, öffnet den Schraubverschluss und geht mit der Tube vor den Gynäkologen Stuhl, stellt sich zwischen ihre gespreizten Beine. Ein Blick in ihr Gesicht zeigt ihm, dass sie entweder schläft, oder einfach nur erschöpft ist. Sie wird von der Kühle des Gleitgels schon erwachen, wenn ich es auf und in ihrer Fotze verreibe. Tatsächlich ist es auch so. Als er mit der für ihn notwendigen Vorbereitung auf die anstehende Vergewaltigung beginnt, schlägt sie die Augen auf. Marjan Hahn, diese kleine Bullenschlampe, die es damals mit Glück zweimal geschafft hatte, sich seinem Zugriff und damit ihrer Vergewaltigung, zu entziehen und die es ihm gedankt hat, indem sie im Vernehmungsraum des Polizeipräsidiums ihre Zunge in den Mund dieser lesbischen Staatsanwältin gesteckt und ihn damit provoziert hat. Das hatte bei ihm wieder Jähzorn und ungewollte Reaktionen ausgelöst und in seiner Wut hatte er Dinge gesagt, die als Täterwissen zu der Vergewaltigungsserie gewertet wurden, wegen der er zur Vernehmung erschienen war. Natürlich muss ein solches Verhalten gerächt werden. „Jetzt bekommst du, was du brauchst, Kripofotze“, sagt er zu ihr, als sie sich kurz aufrichtet und ihm beide Fäuste auf die Augen schlägt. In seiner Verwirrung, wie sie sich aus den Fesseln gelöst haben kann, vergisst er seine Abwehrreaktion und erkennt daher auch zu spät, dass sie ihm ihr Fesselungsmaterial gegen den Hals drückt, mit der rechten Hand eine schwungvolle Bewegung um seinen Kopf herum macht und seinen Hals damit in eine Schlinge einbindet, bevor sie beide Hände herunterreißt und sich an den Armlehnen des Gynäkologen Stuhls festkrallt, zeitgleich die Beine hinter seinem Rücken verschränkt und seinen Körper in einer Beinpresse gefangen hält. Als er anfängt, endlich nach ihr zu schlagen, sind schon viele wertvolle Sekunden vergangen und die Luft zum Atmen ist dünn geworden. Ihm wird bereits schwindelig und als er keine Wirkung seiner Schläge bei ihr spürt, greift er verzweifelt nach der Fesselung an seinem Hals und sucht einen Schwachpunkt, findet aber keinen. Diese Bullensau ist stark und durchtrainiert und sie hat den absoluten Willen zu überleben. „Ich hätte ihr nicht zu deutlich machen sollen, dass sie am Ende sterben wird“, denkt er sich, als er das Bewusstsein verliert……………………und wenig später schweißgebadet aufwacht und sich ungläubig in dem Raum umsieht. Es ist nicht der Kellerraum, sondern eine Gefängniszelle in der Kölner Justizvollzugsanstalt. Er hat also mal wieder nur geträumt. Sehr realistisch und angsteinflößend, aber eben nur geträumt. Er, den man vor seiner Inhaftierung „Servant“ nannte, weil er sich selbst in Botschaften an das Landeskriminalamt so bezeichnet hatte, weil er den Auftrag hatte, lesbische Frauen zu korrigieren, damit sie dem Manne wieder untertan sein können und dies, weil seine Mutter ihn wegen einer Frau verlassen hatte, als er noch ein kleiner Junge war. Er, Carl-Detlev Schriefer, verurteilt zu vier Jahren Haft, wegen mehrfacher Vergewaltigung. Die Haftzeit wird bald enden und sie hat eigentlich bei Carl-Detlev keine Spuren hinterlassen, weder physisch, noch psychisch. Wenn da nur nicht diese Träume wären, die er in der ein, oder anderen Version, aber regelmäßig, träumt. Carl-Detlev weiß, dass er erst wieder Ruhe finden wird, wenn er seinen Auftrag vollendet und die Rache an verschiedenen Personen ausgeübt hat. Im Gegensatz zu seinen Vergewaltigungen, die ihm diese Haftstrafe eingebracht haben, wird er diesmal keine Rücksicht nehmen. Diesmal wird er es auch nicht vermeiden müssen, Spuren zu legen. Diesmal dürfen die Ermittler ruhig wissen, dass Carl-Detlev Schriefer der Täter ist. Sie werden ihn aber nicht bekommen, weil er für die Zeit nach seiner Haftentlassung genügend Vorsorge getroffen hat. Er hat bereits eine neue Identität: Karl Korovic.

Kapitel 1 Ein langer Weg

„Obwohl wir jetzt schon ein halbes Jahr ein Paar sind, war das die schönste Nacht in unserer bisherigen Beziehung“, sagt Marjan zu Sonja. Marjan Hahn, die Kriminalkommissarin beim KK 12 im Polizeipräsidium Köln, eine der Ermittlerinnen, die gegen den Serienvergewaltiger Carl-Detlev Schriefer, der sich Servant nannte, ermittelte und selbst als Opfer von ihm auserkoren war. Letztlich hatte sie es dem Schäferhund ihrer Nachbarin Edna Müller zu verdanken, dass sie nicht wirklich das Opfer des Servant geworden ist. „Warum die schönste Nacht? Weil du wenigstens einmal in unserer Beziehung der Mann sein durftest und es mir mit deinem umgebundenen Dildo so richtig besorgen durftest“?, fragt Sonja. Sonja Kirchhoff, die Staatsanwältin aus Köln, Fallstaatsanwältin für den Fall des Servant. Nun aber heißt sie Sonja Hahn und ist die Ehefrau von Marjan geworden, gestern. „Wie hast du das bloß hinbekommen, dass wir genau am Tag der Verurteilung des Servant getraut werden“? „Och, das war bloß eine kleine schöne Nebensächlichkeit“, antwortet Sonja auf Marjans Frage. „Viel schöner fand ich, wieviel Zuspruch und damit Gäste wir auf unserer Hochzeitsfeier hatten. Ich hätte gedacht, dass deine Kollegen und Kolleginnen bei der Polizei und meine bei der Staatsanwaltschaft viel verspannter sind und weniger Verständnis für eine lesbische Ehe aufbringen. Aber Gott sei Dank sind wir ja in Köln, in der wohl schönsten und liberalsten Stadt Deutschlands“. „Ja, Sonja, aber ich weiß nicht alles als Zustimmung der Kollegen zu würdigen“, sagt Marjan. „Dass die eine Stripperin zur Party bestellt haben, das war schon eine Lumpigkeit“. „Wieso, Marjan?, du scheinst es doch genossen zu haben, als sie sich auf deinen Schoß gesetzt hat und dich ein wenig angemacht hat.“ Ja, Sonja, hatte schon einen schönen Körper, aber hast du nichts gemerkt“? „Was soll ich denn gemerkt haben, Marjan? Ich habe mich nur gewundert dass sie dir etwas ins Ohr geflüstert hat. Wollte sie dich anmachen, vielleicht für ein Schäferstündchen“?. „Hast du sie nicht erkannt, als sie ihre Maske abgenommen hat, Sonja“?. „Nein, vielleicht war ich schon zu betrunken, oder zu eifersüchtig. Ich war nur froh, als sie endlich von deinem Schoß aufstand, ihre Klamotten wieder zusammengesucht hat, insbesondere ihren Slip, den sie mir ins Gesicht geworfen hat und dann wieder verschwunden ist. Wieso, kanntest du die denn“?. „Oh Sonja, mein Schatz. Manchmal bist du ja doch so ein Dummerchen. Vor unserer Trauung waren wir doch noch im Gerichtssaal und sie war auch da. Das war die, die von dem Pornoproduzenten vergewaltigt worden ist. Das war Melissa Lenski, das Mädchen, das unbedingt Pornodarstellerin werden wollte“. „Ach ja, stimmt ja, Marjan. Die hatte dir ja auch bei deinen Ermittlungen geholfen. Aber, was hat sie dir denn ins Ohr geflüstert“? „Auch wenn wir jetzt verheiratet sind, Sonja, kannst du alles essen, aber immer noch nicht alles wissen“. „Soll das etwa heißen, dass du mir das jetzt nicht sagst, Marjan“? „Genau, Sonja, das soll es heißen“. Das frisch vermählte Paar liegt noch im Bett und genießt die Ruhe und den Vorteil, in den nächsten Wochen nicht arbeiten gehen zu müssen. Jetzt gibt es erstmal Flitterwochen, aber keine Reise, sondern die Suche nach einer Eigentumswohnung, vielleicht auch nach einem kleinen Häuschen, wo die beiden ihre Ehe genießen können. „Ich lass mich sofort wieder scheiden, du falsche Schlange“, flüstert Sonja Marjan ins Ohr und umspielt dabei liebevoll mit ihrer Zunge Marjans Ohrläppchen“. Ich habe da noch etwas anderes, was du mit deiner Zunge umspielen kannst und wenn du das für mich tust, dann bekommst du auch deine Antwort, Frau Hahn“. „Ach, bildest du dir etwa etwas darauf ein, dass ich deinen Namen angenommen habe, du kleine Schlampe“? Außerdem verwöhne ich dich erst, wenn ich meine Antwort habe“. „Also lässt du dich für deine Leistung bezahlen, du Hure. Die Kommissarin und die Hure. Das klingt wie ein spannender Titel für einen Roman. Aber, gut, meine Hure. Nutten bezahlt man ja im Voraus.

Melissa hat mir ins Ohr geflüstert, dass sie diesen Kuss nie vergessen wird“. „Und was hast du mir sonst noch so alles verschwiegen, Bullenschlampe?“ „Gar nichts. Aber wenn du es genau wissen willst. Melissa hat mich Feigling genannt, dass ich nie den Mut aufbringen würde, sie zu küssen. Niemand nennt mich Feigling, daher habe ich sie geküsst, so richtig, mit der Zunge und so und das war meine sozusagen erste körperliche lesbische Erfahrung. Wenn das nicht gewesen wäre, dann hätte ich nie so schnell den Mut aufgebracht, mich zu outen und dir meine Liebe einzugestehen. Dieser Kuss hat mich wahnsinnig gierig darauf gemacht, dich endlich zu küssen und mehr“. „Okay, Marjan. Dann muss ich Melissa ja eigentlich dankbar sein. Wenn ich daran denke, wie liebevoll und neugierig du meinen Körper erkundet hast, in unserer ersten Nacht. Kaum vorstellbar, dass ich ohne Melissa vielleicht darauf hätte verzichten müssen. Also gut, meine kleine süße Sau. Setz dich auf meine Brust und spreiz schön die Beine für mich. Du willst ja meine Zunge spüren“. „Oh ja, Sonja, das will ich. Aber vorher habe ich noch eine Frage, und zwar…….“. Sonja legt ihre Hand auf den Mund von Marjan und flüstert ihr ins Ohr, „pschscht, jetzt nicht. Du machst mich so geil, dass ich schon gar nicht mehr warten kann. Ich werde dich daran erinnern, dass du noch etwas fragen wolltest, aber jetzt, erlöse mich erst von meiner Geilheit. Ich saug dir jetzt jeden Tropfen deines geilen Saftes aus deiner Fotze“.

Währenddessen liegt „Servant“ auf der Pritsche in seiner Zelle in der Kölner Justizvollzugsanstalt. Obwohl das nicht so ganz zutrifft. „Servant“ ist Geschichte. Aus und vorbei. Jetzt ist er Carl-Detlev-Schriefer, der Musterhäftling, der während der mehrmonatigen Untersuchungshaft, die jetzt auf seine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren angerechnet wird, gelernt hat, worauf es für ihn in nächster Zeit ankommen wird. Gute Führung wird für ihn heißen, dass man ihm mehr Freiheiten gewähren wird. Vielleicht Aufgaben erledigen, in der Küche, in der Bibliothek, im Multimediaraum, wie auch immer. So wird Carl-Detlev nicht nur schneller einen Weg finden, von der Justiz unkontrollierte Kontakte nach außen aufzunehmen, sondern er wird auch das Vertrauen der Justizvollzugsbeamten gewinnen und die vielleicht um den ein, oder anderen, Gefallen bitten können. Wieder Carl-Detlev Schriefer zu sein, könnte gefährlich werden. Er selbst hat den Vornamen Carl-Detlev immer gehasst und diesen als Namen für Schwule und Missgeburten bezeichnet. Einen schwulen Vornamen zu haben, das kann in der Justizvollzugsanstalt zu Problemen führen, insbesondere mit den „Langjährigen“, die schon länger keinen Sex mehr hatten. Carl-Detlev hat sich mehrmals beim Hofgang mit einem dieser „Langjährigen“ unterhalten, eben über das Thema Knast und Sex. Paul Schroger, jetzt 42 Jahre alt, also so alt wie Carl-Detlev auch. Sitzt seit vier Jahren, weil er seiner Frau den Schädel eingeschlagen hat, nachdem sich die beiden mal wieder um Geld gestritten haben. Hatte zu viele Ansprüche, die Alte. Also hat Paul eine gusseiserne Pfanne genommen und sie der Alten in die Fresse geschlagen. Damit sie Paul nicht wegen häuslicher Gewalt anzeigt, hat er ihr die Pfanne noch einmal kräftig über den Schädel gezogen. Die Alte war auf der Stelle tot und Paul für mehrere Monate auf der Flucht. Diese Erfahrungen, auf der Flucht zu sein, wird Carl-Detlev später noch einmal anfragen. Vielleicht wird er selbst später einmal diese Erfahrungen nutzen können. Na, ja, auf jeden Fall sind die beiden ins Gespräch gekommen und Paul meinte auch, dass der Name Detlev schon Zündstoff für eine üble Anmache sein kann. „Normalerweise läuft das so“, hatte Paul gesagt. „Du kommst hier rein und hast erstmal einen Zellendeprie und drehst am Rad, weil du mit den Verhältnissen nicht klar kommst. Irgendwann hast du dich dran gewöhnt und schaust nach vorne, wieder in Richtung Freiheit, also dahin, wo auch genügend Fotzen rumlaufen. Dann fängst du an, dir selbst ab und zu einen runter zu holen. Das wird aber irgendwann langweilig. Also machst du dir ein Loch in die Matratze und fickst die, als wäre es die Muschi von Britney Spears. Das kannst du eine Zeit lang machen und dir in deiner Phantasie immer andere schöne Fotzen einbilden. Aber auch das reicht dann nicht mehr. Dann willst du richtiges Fleisch ficken und dafür gibt es hier leider nur Männerärsche. Also lerne, auf deinen Arsch aufzupassen. Aber ehrlich gesagt, mein lieber Carl-Detlev, darum mache ich mir bei dir keine Sorgen. Ich habe gehört, dass du diesen Rockertypen in der Dusche gekillt hast. Das hat dir hier im Knast schon mal eine Menge Respekt eingebracht. Daher wird es dir weniger passieren, dass dir einer an den Arsch will, sondern eher, dass sich die kleinen Schwuchteln bei dir anbiedern und sich von dir vögeln lassen, damit du sie im Gegenzug in Schutz nimmst. Ach ja, wo wir gerade über gewisse Abläufe reden“, hatte Paul angefragt angemerkt. „Du wirst ja schon gemerkt haben, dass du hier nicht alleine bist. Die Türken, die hier sind, sind fast alle Totschläger aus der Türsteherszene, oder Waffenhändler, oder Drogenhändler. Die benehmen sich hier genau so, wie sie sich da draußen auch benommen haben. Die halten alle Deutschen für Waschlappen und meinen, dass sie über die bestimmen könnten. Deswegen werden sie auch versuchen, dich hier im Knast in ihre kriminelle Machenschaften einzubinden. Drecksarbeit lassen sie immer von Deutschen erledigen, die sie einschüchtern können, oder sonst wie unter Kontrolle haben. Ich weiß nicht, ob du irgendwas mit Drogen zu tun hast, oder hattest, Carl-Detlev. Ist aber auch egal. Hier kommst du dran, an alles. Aber lass trotzdem die Finger davon, weil sie dich sonst auch im Griff haben. Wenn einer von diesen Dealern auf dich zukommt, dann mach diesem miesen Osmanen klar, dass er und seine ganze schwule Türkengang dich am Arsch lecken können. Mit dem Tod von dem Rocker hast du ja schon die richtige Visitenkarte. Der Typ, der mich damals angesprochen hatte, hat sich kurz danach in seiner Zelle aufgehängt. Ich muss dir nicht extra erklären, dass das kein Zufall war, sondern eine Botschaft von mir. Danach kam nie wieder einer von diesen Unterhändlern zu mir. Provozier die nicht, aber lass dich auch nicht auf die ein. Dann hast du genauso Ruhe vor denen, wie ich auch. Du wirst auch immer wieder feststellen können, dass die Türken sich immer sehr genau umschauen und wissen, wer von uns Deutschen mit wem abhängt. Die haben schon gemerkt, dass wir beide gut miteinander können und die wissen auch, dass es tödlich enden kann, wenn die sich mit uns anlegen. Aber, auch wenn es so für die Türken aussieht, so ist es nicht. Wenn du Probleme hast, kläre das selber. Ich halte mich aus allem raus, weil ich hier aus dieser Muffbude wieder raus will. Es wird ein langer Weg, aber wenn du dich an die notwendigsten Verhaltensmaßregeln hältst, dann kannst du diesen Weg ohne Schaden gehen“. Und so bereitet sich Carl-Detlev Schriefer vor, diesen langen Weg zu gehen. Aufrecht und diszipliniert, nachdenklich und planend. Wenn da nur nicht immer diese Träume wären.

Nach einem ausgiebigen körperlichen Erlebnis kuschelt das Ermittlerehepärchen eng beieinander. „Ich hoffe, dass diese spezielle Lust aufeinander niemals nachlassen wird“, sagt Marjan, „aber, ich hatte da ja noch eine Frage an dich, Sonja“. „Was brennt dir denn so auf der Seele, mein kleiner Kuschelhase“? „Nun. Dieses Urteil gegen diesen „Servant“. Findest du das so in Ordnung, Sonja“? „Selbst, wenn ich das nicht in Ordnung finden würde. Ich kann nur eine Strafe beantragen, darüber entscheiden muss ein Richter. Du warst ja noch dabei, als ich die doppelte Strafe, also acht Jahre Freiheitsstrafe zur Verbüßung in meinem Schlussplädoyer gefordert habe. Dass daraus nur vier geworden sind liegt daran, dass dieser „Servant“, oder bürgerlich: Carl-Detlev Schriefer, weder als Jugendlicher, noch als Erwachsener und das immerhin bis zum Alter von jetzt 41 Jahren, jemals strafrechtlich belangt werden musste. Diese kriminelle Entwicklung, auch wenn sie in diesem Fall nicht vorhanden, oder zumindest nicht erkennbar, ist, muss immer mit berücksichtigt werden. Dazu kommt ja noch das psychiatrische Gutachten, dass der Typ sein Leben lang unter diesem traumatischen Erlebnis leiden musste, dass seine Mutter in ihm ausgelöst hatte, indem sie den kleinen Jungen allein am Flughafen zurück gelassen hat, um sich dann mit ihrer Freundin nach Amerika zu verabschieden. Es ist sogar nachvollziehbar, dass sich der kleine Junge damals monatelang, jahrelang, gefragt hat, warum und wann und ob Mutter vielleicht wieder kommt. Dann darfst du auch nicht vergessen, dass der „Servant“ vor Gericht damit gepunktet hat, als er glaubhaft machen konnte, dass er die Opfer nicht wirklich verletzen wollte. Das hat er ja auch mit seinen freiwilligen Entschädigungszahlungen deutlich unterstrichen. An dieser Stelle habe ich mich auch geärgert, dass in dem Fall von Claudia Formes nicht doch der versuchte Totschlag zur Verhandlung gekommen ist. Aber das war ja die Verfahrensabsprache, ohne die wir nie das lückenlose Geständnis bekommen hätten. Doch, ja, so unterm Strich geht das wohl in Ordnung mit dem Urteil, Marjan“. „Das meine ich nicht, Sonja. Ich meine das, was danach kommt“. „Hä, was. Ich verstehe nicht, Marjan“. „Dieser Servant ist zwar verurteilt worden, aber für die Zeit nach seiner Entlassung ist keine Vorsorge getroffen worden. Der Typ ist nicht als rückfallgefährdeter Sexualstraftäter eingestuft worden. Und weil das so ist, haben wir keine Möglichkeit, ihn nach der Entlassung zu überwachen“. „Ja, Marjan, aber glaubst du wirklich, dass sich dieser Typ nach seiner Entlassung direkt auf irgend so ein unschuldiges Lämmchen stürzt und sie vergewaltigt? Oder glaubst du, dass er seinen Auftrag, die sexuelle Ausrichtung lesbischer Frauen zu korrigieren, weiter fortsetzt? Also, das psychiatrische Gutachten hat nicht dafür gesprochen. Ich selbst glaube das aber auch nicht. Wenn dieser Servant aus dem Knast entlassen wird, dann nimmt er sicherlich ein bisschen von seiner reichhaltigen Kohle und vögelt damit erstmal ein paar Nutten durch. Aber vergewaltigen wird er mit Sicherheit nicht mehr“. „Davor habe ich ehrlich gesagt auch keine Angst, Sonja.

Was mir Sorgen bereitet ist der Blick. Weißt du noch, was er uns für einen Blick zugeworfen hat, als du die wahnsinnige Idee hattest, mich im Verhörraum zu küssen? Das hat ihn total aus der Fassung gebracht und ohne dieses Ereignis hätte er auch niemals gestanden. Er hat schlichtweg die Kontrolle verloren und dieser Blick, das war eine Drohung, das war eine Botschaft. Ich habe ihn so verstanden: „Das war ein Fehler, was ihr da gemacht habt, ihr Lesben. Ihr habt meinen Schwachpunkt ausgenutzt und mir noch einmal dieses traumatische Erlebnis vor Augen geführt, das mich getroffen hat, als meine Mutter ihre Freundin geküsst und mich dann verlassen hat, für immer. Das habt ihr mit Sicherheit nicht ungestraft gemacht. Ich weiß noch nicht, welche Strafe euch erwartet, aber sie wird sicherlich nicht nett werden“. Sonja nimmt Marjan in den Arm und gibt ihr einen sanften Kuss auf die Stirn. „Bist du nicht ein wenig zu sensibel, mein Hase“? Glaubst du wirklich, dass dieser Servant einer dieser Psychopathen ist, der jetzt alle eliminiert, die an dem Fall beteiligt waren. So ungefähr Level 22 auf der Stone-Skala“? „Was meinst du, Sonja? Was für ein Level“? „Ich dachte, du bist die Polizistin, Süße? Falls du es nicht weiß. In den USA, an der Columbia Universität in New York, gibt es diesen Gerichtspsychiater Dr. Michael Stone, der eine Skala entwickelt hat, mit der sich die Bedeutung und Schwere von Gewalttaten bestimmen lässt. Level 22 ist die höchste dieser Stufen. Das sind meist psychopathische Foltermörder, die das Unrecht einer Tat aber nicht einsehen, sogar leugnen, die begangen zu haben. Sie schaffen sich ihre Welt und alle anderen müssen zu ihrem Gefallen darin funktionieren. Das sind Narzissten ohne jegliche Empathie, ohne Hunmanität. Wenn du da etwas mehr drüber wissen willst, geh an mein Bücherregal und lies die Bücher von Anthony E. Zuiker. Level 26“. „Sonja, bei aller Liebe. Was laberst du? Du hast doch eben gesagt, dass es nur Level 22 als Ende der Skala gibt“. „Ja, Hase. Aber in Amerika muss man ja immer alles übertreiben.

Anthony E. Zuiker ist der Erfinder und Macher der CSI-Fernsehserie und er hat eindrucksvoll die dunkelste Seite menschlicher Psyche in diesen Büchern dargestellt“. „Was habe ich doch für ein belesenes Weibchen geheiratet. Ich liebe dich, Sonja“. Marjan küsst Sonja leidenschaftlich, fühlt sich dadurch aber noch nicht beruhigt. „Sonja, glaubst du wirklich, dass von dem „Servant“ keine Gefahr für uns ausgeht, wenn er wieder frei ist? Ich glaube ja nicht, dass er alle umbringt, wenn er freigelassen wird. Aber auf mich war er schon immer scharf und er hat es noch nicht geschafft, mich zu vergewaltigen. Ich glaube, dass ihn nicht nur das Vergnügen antreiben wird, mich endlich zu seinem Opfer zu machen, sondern das darüber hinaus eine noch stärkere Antriebsfeder die Rache ist. Und die wird uns beide treffen. Ich hoffe, dass er nie erfahren wird, dass wir beide jetzt auch noch verheiratet sind. Das würde ihn zusätzlich noch einmal extrem in Rage versetzen“. „Mach dir keine Sorgen, Marjan. Ich werde rechtzeitig Kenntnis erlangen, wann der „Servant“ entlassen wird und wie er sich bis dahin geführt hat. Ich werde das dann schon richtig zu bewerten wissen. Keine Angst, meine kleine Kommissarin, ich werde schon auf dich aufpassen“.

In diesem Moment ahnt „Servant“, der Musterhäftling Carl-Detlev Schriefer, noch nichts davon, dass seine beiden Erzfeindinnen ein Ehepaar geworden sind. Was er aber mit Sicherheit weiß, ist, dass sie seiner Rache nicht entkommen werden. Für ihn beginnt die Planungsphase bereits jetzt und bis zur Ausübung seiner Rache liegt noch ein langer Weg vor ihm.

Kapitel 2 vier Jahre später

„Es ist einfach frustrierend“, sagt Winfried Schnell zu seiner Kollegin Martina Graf. „Kein einziger Schritt nach vorne und das nach immerhin drei Monaten. Das wird noch der Horrorfall meiner Karriere. „Was meinst du, Winni“?, entgegnet Martina. „Die von der Flandernstraße“. Winfried Schnell und Martina Graf sind beide Hauptkommissare und bei der Mordkommission der hessischen Polizei in Wiesbaden tätig. „Die“, über die beiden sich jetzt unterhalten, war eine auf übelste Art zu Tode gekommene junge Frau, zu deren Identität es auch jetzt, nach drei Monaten, immer noch keine Hinweise vorlagen. Anfang Juli hatte ein Jogger, der entlang der Bundesstraße 455 seinen morgendlichen Lauf machte, aus Richtung der Flandernstraße Rauch und Feuerschein wahrgenommen und die Feuerwehr angerufen. Nach wenigen Minuten war ein Löschzug an der Einsatzörtlichkeit und konnte schnell ein brennendes Kraftfahrzeug in einem Grüngelände an der Flandernstraße als Ursache der Rauchentwicklung ausmachen. Noch zu Beginn der Löscharbeiten wurde die Polizeiinspektion Wiesbaden über Funk informiert und entsandte einen Streifenwagen zur Brandstelle. Als die Streife eintraf, war der Pkw bereits total ausgebrannt. Die Feuerwehr hatte nur noch verhindern können, dass umliegendes Gestrüpp nicht in eine großflächige Brandfläche ausgeartet war. Das einzige, was die Polizei auf Anhieb ermitteln konnte, war, dass es sich bei dem ausgebrannten Pkw um einen BMW, wahrscheinlich 5er, gehandelt hatte. Amtliche Kennzeichen waren nicht mehr an dem Auto dran gewesen. Nach Aussagen des Einsatzleiters der Feuerwehr, war der Pkw „zur Brandzeit unbemannt“, was soviel heißt, dass sich keine Person in dem brennenden Auto befunden hatte. Da keine Unfallspuren zu erkennen waren, ging man allgemein davon aus, dass wohl irgend so ein Idiot von Fahrzeughalter seinen Schrott hier unerkannt und kostengünstig entsorgen wollte. Dieser Verdacht bestätigte sich, als die Feuerwehr die Motorhaube aufgebrochen hatte, um die restlichen Brandnester bekämpfen zu können. Eine irgendwo eingeschlagene Fahrzeugidentifizierungsnummer konnte nicht gefunden werden. Die wurde wahrscheinlich vor dem Brand heraus geschliffen, um keine Hinweise auf den Besitzer des BMW zu hinterlassen. Ob die Spurensicherung der Kriminalpolizei in Wiesbaden später noch eine Identifizierung des Fahrzeuges an sich ermöglichte, wurde von vornherein bezweifelt. Selbst, wenn dieses Auto irgendwo gestohlen worden war, es war halt eine alte Karre und niemand würde sich über die Maßen hinaus bemühen, in diesem Fall zu ermitteln. Irgendwann rückte die Feuerwehr dann wieder ab und die Polizeistreife hatte die Aufgabe, den Schrotthaufen von Auto noch sicherzustellen. Das hieß zunächst ein Sicherstellungsunternehmen über die Einsatzleitung bestellen, nachdem man sich beim Kriminaldauerdienst vergewissert hatte, dass von denen da niemand hinkommt, weil keine Sofortmaßnahmen erforderlich waren. Die Anschlussermittlungen konnte immer noch später das zuständige Kriminalkommissariat übernehmen. Auf ein Plateauwagen eines Sicherstellungsunternehmens warten, das heißt immer, erst einmal rumstehen und das kann dauern. „Das dauert mir jetzt eindeutig zu lange hier“, hatte Simon Schaber, Polizeioberkommissar, daher zu seinem Kollegen Jörg Meurer, auch Polizeioberkommissar, gesagt. „Ich muss erstmal pissen“. Also war der gute Simon ausgestiegen und hatte sich nach einem Platz umgesehen, den nicht jeder einsehen kann, wo man also ungestört pinkeln kann. Ca. 150 m vom Standort des Streifenwagens entfernt begann ein kleines Waldstückchen. Hier war mit Sicherheit für Simon ein schattiges Plätzchen für seine Notdurft vorhanden und schon nach drei Metern in das Wäldchen hinein fühlte sich Simon unbeobachtet genug, dass er stehenblieb und seinen „Lurch“ herausholte. Gerade, als Simon die ersten Tropfen ließ und seinen Blick vom Boden weg wieder nach oben richtete, sah er es und der Anblick dessen, was Simon jetzt sah versetzte ihm spontan einen Schock, der ihm die Beine unter seinem Körper wegriss und ihn auf den Hintern fallen ließ. Abgestorbene Hände, das war das erste, was Simon auffiel. Abgestorbene Hände, die sich in Arme fortsetzten, die einen Baum umschlangen und irgendwo dahinter endeten, das konnte Simon nicht sehen. Die Handgelenke waren gefesselt, wahrscheinlich war diese Fesselung auch der Grund des Absterbens der Hände gewesen, eine gestoppte Durchblutung. Jetzt spürte Simon auch die Feuchtigkeit des Waldbodens, die vielleicht auch eben erst durch sein Pinkeln entstanden war. Simon rappelte sich auf und machte erstmal die schmerzliche Erfahrung, dass man seinen „Lurch“ besser erst wieder in die Hose steckt, bevor man versucht den Reißverschluss wieder zuzumachen. Nach diesem kleinen Missgeschick ertastete Simon das an seinem Gürtel hängende Funkgerät und rief seinen Kollegen. „Jörg, du musst mal kommen“. „Mädchen gehen zusammen pinkeln, Jungens nicht“, antwortete Jörg, der beinahe schon im Streifenwagen eingeschlafen war. „Außerdem kann ich nicht mal gerade so rüberkommen, weil wir doch auf den Sichersteller warten. Was kann es schon so wichtiges zu entdecken geben, wenn man einfach nur pinkeln geht, Simon“? „Komm einfach rüber, du Schlaumeier“. Jörg quälte sich aus dem gemütlichen Beifahrersitz des Streifenwagens und sinnierte schon einmal darüber nach, wie er sich rächen würde, wenn sich das jetzt hier als Verarschung heraus stellte. Eilig hatte Jörg es nicht gerade, die 150 Meter zurück zu legen. Als er seinen Kollegen entdeckte, fiel ihm aber auch direkt auf, wie blass der geworden war. Nach dem Grund musste Jörg nicht lange fragen, weil er einen anderen Blickwinkel auf den besagten Baum hatte. „Heilige Scheiße“, entfuhr es ihm. „Komm da weg und lass uns Meldung machen, Simon“. Beide waren sich einig, dass die Frau, die nackt an den Baum gefesselt worden war, definitiv tot sein musste. Sie musste erstickt sein an dem, was sie im Hals hatte und was ihr noch sichtbar aus dem Mund heraus ragte. Aufgrund dieser Tatsache, wollten die beiden Polizisten nichts weiter an dem Fundort der Leiche verändern und nicht näher heran gehen. Jetzt einfach nur das Absperrband aus dem Streifenwagen holen und den Fundort der Leiche so gut wie möglich absperren. Die Meldung an seine Einsatzleitstelle machte Jörg lieber über das dienstliche Mobiltelefon, weil er Angst hatte, dass die Geier von der Presse den Funk wieder mithören könnten. Jörg ließ sich direkt mit der Mordkommission verbinden und schilderte dem Tagesdienstbereitschaftsbeamten, was man vorgefunden hat. Der Bereitschaftsbeamte war an dem Tag Winfried Schnell. „War schon ein Arzt vor Ort, um den Tod offiziell fest zu stellen“? „Nein, wir wollten euch den Fundort nicht versauen und haben deswegen keinen Notarzt gerufen. Du kannst mir aber vertrauen, dass die schon mehrere Stunden nicht mehr geatmet hat und daher leider tot ist. Ihr bringt doch sowieso immer einen Gerichtsmediziner zum Tatort, oder Fundort, mit. Der wird schon den Tod feststellen“. „Da hast du Recht, Jörg. Wie sieht es denn sonst so aus? Meinst du, dass ist das tragische Ende irgend so einer Sado-Maso-Geschichte“? „Ich befürchte, dass es das nicht ist. Zu Sado-Maso gehört auch intensives Vertrauen, dass man auch auf die vereinbarten Zeichen achtet, mit denen man signalisiert, dass es zu viel wird, oder dass etwas nicht gewünscht ist. Ich fürchte, dass diese arme Frau keine Zeichen mehr geben konnte. Viel zu wenig Bewegungsfreiheit wie die so an den Baum gefesselt ist. Außerdem würde keiner die so zurück lassen, wenn es sich um einen Sexunfall handelt. Nein, mein lieber Kripomann, das ist mehr und damit Arbeit für euch“. „Danke Streifenhörnchen. Schön warten, bis die Kavallerie kommt“. So lief die Absprache zwischen den beiden, die sich allerdings schon vorher kannten, weil sie schon Lehrgänge zusammen besucht hatten. „Hey Kripomann, eins noch“. Jörg erzählt die Geschichte von dem abgebrannten Auto, der Grund, warum die Polizei überhaupt an diesem Ort erschienen ist. „Also, Kripomann. Es sollte mich doch verdammt noch einmal wundern, wenn diese beiden Geschichten nicht zusammengehören würden. Außerdem könnte ich dafür wetten, dass die Frau ihren letzten nassen Furz gelassen hat, als das Auto angefangen hat, seinen letzten Burnout zu machen. Entschuldige die laxe Ausdrucksweise“. „Ja, Jörg. Trotz deiner Ausdrucksweise denke ich, dass du Recht hast. Das Auto also sicher stellen, aber nicht zum Sicherstellungsgelände damit, sondern direkt zum Landeskriminalamt zur kriminaltechnischen Untersuchungsstelle. Der unmittelbare Auffindungsort des Autos ist ja spurentechnisch eh schon nicht mehr auswertbar, weil ihr Streifenhörnchen und die Schlauchmänner von der Feuerwehr da alles platt gemacht habt. Aber sieh zu, dass der Sichersteller nicht auch noch den Rest an Spuren vernichtet. Also, Jörg. Schön warten und deinen Einsatzbericht natürlich möglichst noch gestern und direkt zu meinen Händen“. „Klar, Kripomann. Du Chef, ich nix. Bimbo schreibt“, lachte Jörg, der in dieser emotional belastenden Situation, gerade eine Leiche gefunden zu haben, über kleine Scherzchen seinen Stressabbau suchte. „Kripomann“ Winfried Schnell telefonierte also die Bereitschaftslisten ab, um sich ein Team für die Tatortaufnahme zusammen zu stellen. Martina Graf, als seine Teampartnerin, Horst und Marianne als Spurensicherungsteam, Oberstaatsanwalt Hermann Pinder und das Urgestein Professor Doktor Joachim Oberloth als Gerichtsmediziner. In erfreulich kurzer Zeit konnte man also die „Streifenhörnchen“ in der Flandernstraße ablösen. Der Gerichtsmediziner, den jeder für einen Eremiten halten konnte, der augenscheinlich Probleme hatte, seinen Weg zurück in den Wald zu finden, war eine Koryphäe auf seinem Gebiet, auch wenn er so seine Eigenarten hatte. Wie immer verlangte er . dass man ihm seinen Ring aufbaut, eine weiträumige Absperrung rund um den Fundort der Leiche, den nur er selbst betreten durfte. Nur nach seinen Anweisungen durfte der Ring betreten werden, zum Beispiel, um Fotos zu machen, oder um Dinge zu markieren. Fotos machte der „Eremit“, das war inzwischen auch sein Spitzname geworden, allerdings fast immer selbst. Bei dem Eremiten konnte man sich auf jeden Fall darauf verlassen, dass er alles durchdachte, bedachte, schlussfolgerte und dokumentierte. In die Reihenfolge seiner tatrelevanten Erhebungen durfte man ihm allerdings nie reinreden. Nach fast vier Stunden hatte der „Eremit“ seine Arbeit beendet und den Ring wieder verlassen. „Jetzt kannst du mir die Leiche in das gerichtsmedizinische Institut schaffen lassen, damit ich noch ein bisschen mit ihr „spielen“ kann“, sagte der Eremit zu Winfried Schnell. „Erstes Statement gefällig“?

Ohne großartig auf Antwort oder Zustimmung vom Team zu warten, begann der Eremit seinen Monolog: „Hier ging zu Ende, was hier nicht begonnen hat, was wahrscheinlich schon vor längerer Zeit begonnen hat. Aufgrund von Außentemperatur, den Witterungsverhältnissen der letzten Stunden, dem Ausmaß der Leichenstarre und dem bisherigen Insektenbefall, gehe ich davon aus, dass der Tod vor ca. vier bis sechs Stunden eingetreten ist, das heißt, vor unserem Eintreffen hier, also jetzt vor ungefähr 10 Stunden. Es mag vielleicht tröstlich klingen, oder auch nicht, dass die Feuerwehr, die den Brand an dem Pkw gelöscht hat, die Dame hier auch nicht mehr hätte retten können. Die Frau ist schon vor der Brandlegung an dem Pkw zu Tode gekommen. Das eine schließt aber das andere bekanntlich nicht aus, was heißen soll, dass beide Ereignisse trotzdem zusammengehören können und dies wahrscheinlich auch tun. Also, das Opfer ist definitiv erstickt, an dem Gegenstand, der ihr tief in den Rachen gedrückt wurde. Es handelt sich hierbei um einen Hartgummidildo. Wahrscheinlich ist sie während des Erstickens noch vergewaltigt worden. Garantiert kein Unfall bei einem perversen Sex Spiel. Ihr Tod war beabsichtigt. Das zeigt schon, dass sie derart an dem Baum festgemacht wurde, dass sie keine Chance hatte, sich noch großartig zu rühren, zu bewegen, oder sonst etwas. In der Lage ist es, wie der Beamte am Telefon wohl schon behauptet hatte, vollkommen unmöglich, noch großartig auf sich aufmerksam zu machen. Sie hätte kein Zeichen mehr geben können, wenn ihr etwas missfällt, oder wenn etwas gestoppt werden soll. Jemanden so zu töten, das zeugt von absolutem Hass, wahrscheinlich von aufgestautem Hass. Ihr Todeskampf wird Minuten gedauert haben und sie hat sich so heftig in ihren Fesseln hin und hergeworfen, dass sie sich eine Brustwarze an der Baumrinde abgerissen hat, von den übrigen Schürfwunden einmal abgesehen. Diese Zurschaustellung, nackt, gefesselt, missbraucht an einem öffentlichen Weg, oder nicht weit davon entfernt, präsentiert zu werden, das ist postmortale Erniedrigung. Ja, der Mörder und das Opfer haben sich gekannt, ganz sicher. Vermutlich sind die beiden mit dem ausgebrannten Auto hierhin gekommen. Von dem Opfer gibt es keine Fußspuren, sie muss also getragen worden sein. Erst als sie gefesselt am Baum stand, lassen sich Fußspuren von ihr feststellen, nicht aber auf dem Weg dorthin. Sie müsste zum Beispiel auch Grashalme unter den Füßen haben, weil sie vom Auto aus über ein Stück Wiese hätte gehen müssen. Hat sie aber nicht. Ich habe nirgendwo, weder in der Baumrinde, noch am Boden, noch sonst wo, irgendwelche Fasern von Bekleidung finden können. Das Opfer wird aller Wahrscheinlichkeit nach schon nackt hierhin getragen worden sein. Also: keine Kleidung, keine Ausweise, bisher keine Hinweise auf ihre Identität. Aber es ist auch nicht versucht worden, mit aller Gewalt ihre Identität zu verschleiern. Ihr wurden keine Fingerkuppen abgeschnitten, keine Zähne ausgeschlagen, oder sonst etwas. Sie wurde auch nicht wie das Auto angezündet. Das heißt für mich folgendes: Der Täter weiß, dass wir eine Verbindung herstellen, zwischen ihm und seinem Opfer. Trotzdem macht er sich keine Sorgen, dass wir das Opfer schnell identifizieren könnten und so auch schnell eine direkte Verbindung zu ihm herstellen können. Also ist das Opfer nirgendwo registriert, keine Fingerspuren, keine DNA, keine Vermisstenmeldung. Da werden wir uns die Zähne ausbeißen, bis wir wissen, wer das ist. Wahrscheinlich irgendeine Rumtreiberin, die nirgendwo wirklich hingehört. Mit dem Auto sieht es wohl genauso aus, vielleicht hat es auch ihr gehört. Wird auf jeden Fall noch ein ganzes Stück Arbeit. Ich fahre jetzt erstmal in mein rechtsmedizinisches Institut und bringe die Sektion zu Ende. Bericht kommt dann morgen. Ich werde die Leiche so präparieren, dass Fotos von ihrem Gesicht vielleicht doch ein Wiedererkennen möglich machen. Abschlussbericht in zwei Tagen. Viel Spaß noch hier draußen“.

Nachdem der Eremit seinen Ring verlassen hatte, begutachtete die Spurensicherung noch einmal den Tatort, begutachtete den Waldboden, harkte und siebte Laub, suchte nach dem, was vielleicht gar nicht da war, suchte nach dem möglichen Weg zwischen dem Auto und der Leiche, begutachtete noch einmal den Baum, insbesondere die Rinde, worin sich noch Spuren der abgerissenen Brustwarze befanden und dokumentierten alles mit Fotos und gespeicherten Sprachaufzeichnungen, die später in den Tatortbefundbericht umgeschrieben würden. Frustrierender weise fand man jedoch nichts. Winnie und Martina machten, nachdem der Staatsanwalt die Szenerie bereits wieder verlassen hatte, den sogenannten Tatortspaziergang. Das heißt, sie bewegten sich rund um den Tatort ohne an das eigentliche Geschehen zu denken und ließen einfach alles auf sich einwirken und wenn es nur der laue Ostwind war. Manches Mal übersieht man einfach Dinge, weil man viel zu konzentriert darauf ist, sie zu finden. Diese Tatortspaziergänge führten so manches Mal zur Auffindung neuer Beweise, oder zu komplett neuen Betrachtungsweisen des Tatortgeschehens. „Warum gerade hier, Martina“?, fragte Winnie. „Wiesbaden ist groß und es gibt auch verschiedene Parkanlagen. Warum also gerade hier“?. „Wenn wir die Antwort darauf wüssten, wären wir der Aufklärung des Falles schon ein ganzes Stück näher. Die Stelle hier hat vielleicht etwas mit dem Opfer zu tun, vielleicht sind Täter und Opfer hier früher verliebt durch den Park gegangen und haben ihre Initialen in die Bäume geritzt. Wer weiß das schon. Bevor du jetzt weiter fragst, warum gerade heute?, lass uns lieber weiter gehen und die Eindrücke einfach auf uns einwirken“, antwortete Martina. Horst und Marianne, das Spurensicherungsteam, war schon abgerückt. Die Untersuchung des sichergestellten Autos würde ja ein Brandermittler des LKA Hessen übernehmen. „Wir sind dann auch mal weg, Winnie“, rief Horst und „Bericht kommt dann morgen“. „Ja und schönen Dank, bis hierhin“, rief Winnie hinterher. „Komm Martina, wir hauen auch ab hier. Bringt ja nichts mehr“.

Nicht nur diese ersten Feststellungen am Tatort ließen Böses erahnen, sondern auch die wesentlichen Erkenntnisse, die der Eremit in seinem vorläufigen Obduktionsbericht mitteilte. Schon allein die Opferbeschreibung: „Weiblich, westeuropäisch, 164,5 cm groß, 49,8 kg schwer. Offensichtlich noch keine Geburten. Altersbestimmung nach den Schädelnähten, dem Zahnstatus und dem Beckenstand ca. 24 bis 28 Jahre alt. Absolut keine körperlichen Auffälligkeiten. Keine Tattoos, keine Piercings, keine Unfallund/oder Operationsnarben, keine körperlichen Fehlbildungen. 32 Zähne, also auch die sogenannten Weisheitszähne, alle Zähne ohne Kronen, Füllungen, alle einfach augenscheinlich noch nie zahnärztlich behandelt. Naturhaarfarbe schwarz, Augenfarbe graugrün. Letzte Nahrungsaufnahme nach dem Mageninhalt: ca. sechs Stunden vor Eintritt des Todes, Bratkartoffeln und Sülze, kein Salat. Hinweise auf alkoholische, oder andere toxikologische Indikationen vorhanden, allerdings in so geringer Menge, dass weitere Analyseschritte nicht möglich sind. Kein Hinweis auf Drogenkonsum. Todesursache: Ersticken. Einzige Auffälligkeit im Befund: Einbringung eines körperfremden Gegenstandes in die Vagina, genau gesagt in den Gebärmutterhals, vermutlich postmortal. Bei dem Gegenstand handelt es sich um einen 100-Euro-Spielchip der staatlichen Spielbank Bad Aachen. „Also doch“, dachte sich Winnie, als er den vorläufigen Obduktionsbericht gelesen hatte. Wenn sich das arme Opfer schon zu einer „Jane Doe“ entwickelt, dann kommen wir vielleicht über die Spielbank weiter. Wenigstens ein Ermittlungsansatz“, dachte Winnie weiter. Die Ermittlungen in den Hotels, Motels und sonstig vermieteten Gasträumen rund um die Spielbank verlief ebenso negativ; es konnte sich einfach niemand an Jane Doe erinnern, zumindest nicht, nachdem man in mühsamer Kleinarbeit den jeweiligen Rezeptionisten ein Foto der Toten aus der Gerichtsmedizin gezeigt hatte. Nach diesem negativen Ermittlungsergebnis hatte sich das mit den Ermittlungen in der staatlichen Spielbank Bad Aachen auch erledigt. Diese Spielbank war über 250 Kilometer weit entfernt und es konnte kein zeitlicher Zusammenhang zwischen einem Spielbankbesuch in Aachen und dem Auftauchen der Jane Doe in Wiesbaden hergestellt werden. Trotzdem musste es mit dem Spielchip irgendetwas auf sich haben. Der war nicht grundlos im Unterkörper der Toten platziert worden. Blieb also noch die Veröffentlichung von Lichtbildern im Bundeskriminalblatt unter der Rubrik unbekannte Tote. Aber das hatte bis heute ebenso wenig gebracht, wie die Recherchen über VICLAS (Violent Crime Linkage Analysis System =System zur Feststellung und Analyse von Zusammenhängen bei Gewaltverbrechen). Es gab keine Hinweise auf ähnliche Taten. „Bleiben nur noch zwei Möglichkeiten, Martina, nachdem sich jetzt drei Monate lang keine Fortschritte erzielen ließen. Das mit dem abgebrannten BMW war ja auch ein vollkommener Flop“. „Ja ich weiß“, entgegnet Martina. „Zuschauerhilfe ist angesagt. Ich kümmere mich um eine Veröffentlichung von Bildern der Toten bei Aktenzeichen XY ungelöst und in den Interpol-Fahndungsblättern. Hoffentlich ist das irgendwie von Erfolg gekrönt. Sonst können wir den Fall nämlich bei Seite legen und in 10 Jahren als Cold Case wieder auspacken.

Kapitel 3 Lonesome Wolf