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Andreas Zwengel & Olaf Kemmler
DAS AUGE DES RA


In dieser Reihe bisher erschienen:

 

01 Der Virenplanet von E.C. Tubb

02 Die Tochter des Pfauen von Matthias Falke & Y.F. Yenn

03 Welt der Kraken von Matthias Falke & Y.F. Yenn

04 Der Schwarm aus Stahl von Matthias Falke

05 In den Grauzonen von Matthias Falke & S.H.A. Parzzival

06 Der stählerne Krieg von S.H.A. Parzzival

07 Die schwarze Pagode von Matthias Falke & S.H.A. Parzzival

08 Planet der schwarzen Raumer von Matthias Falke & S.H.A. Parzzival

09 Das Orakel von Chron von Achim Mehnert

10 Notruf aus Katai von Achim Mehnert

11 Tod eines Cyborgs von Achim Mehnert

12 Der ewige Feind von Achim Mehnert

13 Welt in Flammen von Achim Mehnert

14 Die letzte Fahrt der Hindenburg II von Andreas Zwengel

15 Unsterbliche Rache von Andreas Zwengel

16 Der Weg der Kriegerin von Andreas Zwengel
17 Die Janus-Attentate von Andreas Zwengel

18 Das Auge des Ra von Andreas Zwengel & Olaf Kemmler

19 Die fremde Macht von Andreas Zwengel & Olaf Kemmler

20 Die Ruinen von Antaran von Andreas Zwengel & Olaf Kemmler


Andreas Zwengel & Olaf Kemmler


Das Auge des Ra


RAUMSCHIFF PROMET
Die Abenteuer der Shalyn Shan

Band 18




Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!
Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung 
ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.
Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de

© 2018 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 Windeck
Redaktion: Jörg Kaegelmann
Titelbild: MtP Art, Mario Heyer
Logogestaltung: Mark Freier
Satz: Harald Gehlen
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-95719-468-8

Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!



Prolog


von H. W. Stein


Den Eintritt ins heimische Sonnensystem konnte ich hin und wieder an den merkwürdig abgehackten Lichtreflexen festmachen. Es blitzte immer an der gleichen Stelle in gewissen Abständen, und wenn ich mein Gesicht fest an eine der runden Außenscheiben presste, erkannte ich die irisierenden Farben, die auf diese Weise nur in bestimmten Bereichen des Alls entstanden. Zumindest meiner Erfahrung nach.

Eine halbe Stunde später befanden wir uns im Landeanflug zum CRC-Gelände. Jörn saß neben mir, ich hatte mich an seine Schulter gelehnt und genoss seine Nähe. Die Hoffnung, meinen Mann einmal wiederzusehen, hatte ich fast aufgegeben, doch nun waren wir wieder vereint. Ich schielte in seine Richtung, unsere Blicke trafen sich, offenbar hatte er mich die ganze Zeit beobachtet.

Er strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Woran denkst du, Shalyn?“

Für einen kurzen Moment verlor sich mein Blick. Ja, woran dachte ich? Es gab ein komplexes Problempaket, das mein Gehirn in Abständen immer wieder versuchte, durchzuarbeiten, doch wenn ich die unangenehmen Baustellen beiseiteschob, blieb meist nur ein wichtiger Punkt übrig. Monja.

Für Jörn war noch alles so wie vor zwei Wochen. In meinem Leben waren jedoch fast vierzehn Monate ­vergangen. Ich hatte viel erlebt, unglaublich viel, oder besser: viel Unglaubliches. Und außer der Bekanntschaft mit Monja war nur wenig Erfreuliches dabei gewesen. Die haarsträubenden Abenteuer im Virtuversum, die Entführung von Amos Carter, dann der erste Anschlag auf mein Leben. Beide Verbrechen standen nicht miteinander in Verbindung, was alles jedoch nicht einfacher machte.

„Wie schön das All ist, Jörn“, beantwortete ich seine Frage bewusst vage. Er sagte nichts. „Und die Erde ist grausam“, ergänzte ich.

Nun ging sein Blick an mir vorbei. „Es wird schwierig für mich, die vergangene Zeit aufzuarbeiten“, sagte Jörn. „Du hast nur Andeutungen gemacht, doch bei uns scheint einiges aus den Fugen geraten zu sein.“

Wenn man kräftig untertreiben wollte, dann konnte man es vielleicht so ausdrücken. Ich beneidete Jörn nicht um das, was er alles noch erfahren musste.


*


Die Promet V tropfte – ihrer Form entsprechend – gemächlich durch die Abenddämmerung ihrem zugewiesenen Landeplatz innerhalb der CRC-Werft entgegen. Aus großer Höhe konnte ich bereits erkennen, dass das gesamte Gelände hell erleuchtet war. Auf Terra versuchte man wieder mal, ein weiteres Medienspektakel des Jahres zu vermarkten. Mir graute davor. Mit Amos Carter und seinen Managern hatte ich im Vorfeld besprochen, wie wir möglichst ohne große Belästigungen der Presse durch die üblichen Formalitäten kommen konnten. Als Zugeständnis mussten wir uns alle durch einen etwa zweihundert Meter langen durchsichtigen Gang zwischen Hangar und dem Verwaltungsgebäude bewegen. Möglichst gelassen, damit man uns ausreichend medial digitalisieren und verbreiten konnte.

Und so geschah es dann auch. Mein Mann Jörn, Peet Orell und Szer Ekka verharrten nebeneinander in der gläsernen Röhre, winkten fröhlich nach draußen und ließen sich geduldig ablichten. Schließlich waren sie die eigentliche Attraktion. Meine Crew marschierte wie gewohnt, und auch ich schritt rasch voran und besprach mich dabei über meine Com mit Amos Carter. Wie ich erst jetzt erfuhr, befand er sich außerhalb der Werft.

Mir war es recht, denn mein Flug mit Jörn zu meiner augenblicklichen Wohnung auf Kuramathi war bereits nahtlos nach unserer Ankunft eingeplant. Die anderen Crewmitglieder, ebenso Peet Orell und Szer Ekka, sollten zu Zielen ihrer Wahl gebracht werden. Für alle trat ab sofort so etwas wie Urlaub in Kraft. Auch für Peet, der sichtlich angespannt wirkte, da er sich bereits in die aktuellen News auf Terra vertieft hatte, und nicht glauben konnte, was sich während seiner Abwesenheit alles verändert hatte. Je mehr Infos er in sich aufnahm, umso mehr verdunkelte sich seine Miene. Sorgenfalten breiteten sich auf seiner Stirn aus. Es schien, als wolle sein Gesicht die verlorene Zeit von vierzehn Monaten aufholen, um nachzualtern. Eigentlich hatten er, Jörn und die anderen Lebenszeit gewonnen, doch dieser Gewinn war gleichzeitig auch ein Verlust. Der Transmitterunfall auf Bankor hatte ihnen vierzehn Monate erlebtes Erdenwissen gestohlen. Doch das konnte man reparieren.

Ich verabschiedete mich von meiner Crew, und ließ mich dann mit Jörn und dem Quogoren, der natürlich nicht von meiner Seite weichen wollte, und auch nicht musste, denn dafür gab es keinen Grund, per Gleiter-Shuttle in einen anderen Bereich unserer gigantischen Werft befördern. Dort bestiegen wir einen der bereitgestellten Großraumgleiter und starteten binnen weniger Minuten hinaus in die Nacht.


*


Angekommen auf dem Malediven-Eiland Kuramathi, einer der zahlreichen Wohnsitze der Moses-Familie, umgab uns sofort bilderbuchhaftes Urlaubswetter. Strahlend blauer Himmel, angenehme fünfundzwanzig Grad und ein gleichmäßig wehendes Lüftchen. Die Landeplätze für Gleiter befanden sich geschlossen in der Nordosthälfte der kleinen Insel. Davor das riesige Moses-Anwesen, weiter westlich die Forschungsstationen. Insgesamt hatte man die Insel vor zehn Jahren um mehrere Meter erhöht, und einen leicht abfallenden Rundumsandstrand angelegt. Die übrige Oberfläche war mit einem saftig-grünen Rasen und Zwergpalmen bestückt worden.

Nach unserer Ankunft begegnete ich zum Glück niemanden aus der Moses-Familie. Lediglich die mir bekannten Angestellten zeigten sich, sie nahmen uns respektvoll in Empfang. Sir Klakkarakk bekam eine eigene Wohneinheit zugewiesen, die, wie die meisten Apartments, zur Hälfte unterhalb der Erde lagen.

„Du streckst jetzt mal deine zahlreichen Glieder aus, Klakk“, sagte ich zu ihm.

Er nickte, denn nun wusste er mich in Sicherheit. Nach dem verheerenden Anschlag auf mich, genau hier auf Kuramathi, hatte die World-Police um Wernher von Witzleben sehr intensiv nachgebessert. Nun gab es laut Aussage aller Verantwortlichen keinen sichereren Platz auf Terra als diese Insel. Wie weit dies sich in der Realität bewahrheiten sollte, konnte ich nicht sagen. Ich versuchte auch nicht, weiter darüber nachzudenken.

Klakk zwängte sich durch eine vollautomatische Schiebetür in seine Wohneinheit. Und zusammen mit meinem Mann ging ich weiter, um zu meiner Behausung, ebenfalls unterhalb der Erde gelegen, zu gelangen. Für einen Augenblick war ich mit Jörn alleine. Die Angestellten auf der Insel hatten zu tun, sonst war niemand zu sehen. Bei den Sicherheitsleuten gehörte das zum Berufsbild.

„Hier kann man es aushalten“, meinte Jörn gut gelaunt zu mir. „Ich bin gespannt, zu erfahren, wie du an diesen Ort gelangt bist.“ Ich hatte ihm nur oberflächlich und bruchstückhaft einiges erzählt. „Kaum zu glauben, dass man auf dieser kleinen Insel besonders sicher sein soll.“

„Es ist recht simpel, diesen Bereich durch Satelliten überwachen zu lassen“, entgegnete ich. „Darüber hinaus gibt es weitere Wachstation auf und unter Wasser. Sobald ein Sandkorn zu weit in die gepflegte Grasanlage fliegt, auf der wir gerade stehen, so wird dies protokolliert und bewertet.“

„Huch“, meinte Jörn amüsiert und gab mir einen Kuss auf die Stirn. „Und was passiert jetzt?“

„Nichts, nur dass mindestens hundert Leute Bescheid wissen, dass mich deine Lippen berührt haben. Sehr angenehm übrigens.“

„Die wissen aber hoffentlich, wer ich bin?“ Jörn versuchte, besorgt auszusehen.

„Die Sicherheitsleute wissen alles, was sie für ihren Arbeitsablauf benötigen“, entgegnete ich. „Und vermutlich noch einiges mehr.“

Monjas Lachen wehte zu uns rüber. Meine Freundin lag also wieder mal am Strand, warum auch nicht. Man hatte sie offenbar nicht darüber informiert, dass ich von unserem Testflug mit der Promet V nach Terra zurückgekehrt war. Die offiziellen Nachrichten interessierten sie nicht. „Jetzt wirst du Monja kennenlernen“, sagte ich zu Jörn und nahm seine Hand. „Sie wird dir gefallen.“ So wie sie mir gefallen hat, dachte ich dabei.

Wir schritten durch den exakt gleichgroß gestutzten Rasen zum Strand, Monjas Stimme folgend. Und wenig später hatte sie mich auch schon gesehen. Sie saß mit dem Pauli im Sand und freute sich ihres Lebens. Als sie sich erhob, und ich ihre leuchtenden Augen sah, erfasste mich eine große Welle der Glückseligkeit. Diese Gefühlsregung kam alleine von Monja.

Sie lief mir mit ihren langen blonden Haaren, die wie bei einem Pferdeschweif hin und her wogten, jauchzend wie ein Kleinkind entgegen, die Arme in der Luft wedelnd. „Shalyn!“, rief sie, gab mir einen Kuss und fiel mir um den Hals. „Ich wusste, dass du kommst.“

„Wer ...“

„Niemand, Shalyn, ich wusste es einfach.“

Ja, das war Monja. Und dann drehte sie sich zu Jörn. Und sie strahlte ihn ebenso glücklich an, wie mich zuvor. Ich spürte erneut diese Welle der Glückseligkeit, doch diesmal galt sie meinem Mann. Sie umarmte Jörn und nickte ihm freundlich zu. Sie wusste natürlich, dass sie jetzt nicht mehr bei mir an erster Stelle stand, da er wieder an meiner Seite war. Doch dies war ihr völlig egal, das spürte ich genau. Sie war froh, weil ich glücklich war. Ja, so war Monja.

„Hallo, Jörn“, sagte sie, und es klang so artig wie bei einem Schulkind.

„Hallo, Monja“, wurde sie von Jörn begrüßt. Und seine Stimme klang im Gegensatz zu ihrer Fröhlichkeit verlegen. Verlegen, auch wie bei einem Schulkind. Kein Wunder, denn Monja, durchgehend gebräunt, war wie immer am Strand bis auf einen knappen Tanga nackt. In Kombination mit ihrer Unbekümmertheit konnte das jeden gestandenen Mann in Verwirrung stürzen.

Im Hintergrund saß das Pauli und wühlte mit seinen Pfoten missmutig im Sand.


*


Später bekam das Pauli doch noch gute Laune, denn ich bezog mit Jörn ein gemeinsames Apartment. Und der Wollmops konnte alleine mit Monja bleiben. Ich wurde mit dem kleinen Kunstwesen einfach nicht warm, obwohl ich mir bisher eigentlich stets alle Mühe gab, nett zu ihm zu sein. In ihm steckte ein Mann der World-Police, der durch den hiesigen Anschlag auf mich zu Tode kam und dessen Geist mehr oder weniger zufällig in diesem Prototyp eines Spielzeugroboters aufgefangen wurde. Monja hatte sich seiner angenommen, die beiden kamen gut zurecht. Und solange ich nicht in der Nähe war, lebte das eifersüchtige Pauli vergnügt vor sich hin.

Gemeinsam verbrachten wir einen sehr harmonischen Nachmittag in einem der beiden Nebenhäuser von Michael Moses. Ich wollte gar nicht genau wissen, was er und seine Tochter gerade in der Weltpolitik trieben. Obwohl mir natürlich zugetragen worden war, dass Vater und Tochter sich momentan bis aufs Blut bekämpften, da jeder von ihnen die Vorherrschaft über World-Market erlangen wollte. Von daher betraten sie den neutralen Boden von Kuramathi nicht. Schließlich bestand Gefahr, aufeinanderzutreffen.

Mir war dieses typische Verhalten der Menschen einfach zuwider. Letztendlich war es stets die normale Bevölkerung, die das angerichtete Unglück der Machtbesessenen erleiden musste. Energie wurde künstlich verknappt, Kriege mit Genmonstern wurden geführt. Und die extre­men Klimakatastrophen, die teilweise auch von Menschenhand herrührten, taten ihr Übriges. Ich wollte davon im Augenblick nichts hören, und auch Jörn wollte ich noch nicht damit belasten. Um all dem aus dem Wege zu gehen, forderte ich ihn auf, weiter von seinen Erlebnissen zu berichten. Er tat dies, und sie waren abenteuerlich genug. In erster Linie versuchten wir uns aber daran zu erfreuen, einander wiedergefunden zu haben.

Monja hingegen hatte natürlich rein gar nichts zu erzählen. Die klinisch saubere und abgeriegelte Welt auf Kuramathi hatte nicht viel Abenteuerliches zu bieten. Die Technik im Pauli wurde inzwischen auf höchstem Niveau optimiert, das war Monjas Neuigkeit. Der Geist in diesem Pauli-Roboter war allerdings weiter auf einem eher bescheidenen Level. Zumindest blieb das mein Eindruck. Monja mochte da gerne anderer Ansicht sein.

Zum Abschluss des Tages gingen wir alle schwimmen und freuten uns, dass das Leben manchmal so wunderbar sein konnte. Daran konnte auch das Pauli nichts ändern, das wütend versuchte, eine Sandburg zu bauen, während wir in den Wellen herumtollten.


*


Erst am nächsten Tag tauchte ich in die bitteren Wahrheiten und Unwahrheiten dieser Welt ein, die Welt der aktuellen News und persönlichen Nachrichten an mich. Die Zustände auf Terra waren weiterhin katastrophal, hatten sich sogar noch verschlimmert. Während meiner Abwesenheit war es niemandem gelungen, daran etwas zu ändern.

Unter den verbliebenen Nachrichten, nach manueller Filterung der CRC-Mitarbeiter, an meine Adresse, fanden sich zwei Mails von Michiko. Ihre Zeilen konnte ich nicht recht deuten, offenbar wollte sie sich mit mir treffen. Es schien dringlich zu sein, doch ein Grund dafür erschloss sich für mich nicht. Aber im Augenblick hatte ich genug Zeit, um meine japanische Studienfreundin aufzusuchen. Also schlug ich meinem Mann vor, dass wir uns mit einem Besuch bei Michiko den heutigen Tag auf interessante Weise vertreiben sollten.

Doch gerade, als ich die Reisevorbereitungen im Detail mit den zuständigen Stellen abklären wollte, meldete sich mein Boss Amos Carter. Er wirkte besorgt.