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Christophe Losfeld (Hg.)

Die Reise des Fürstenpaares Franz und Louise von Anhalt-Dessau in die Schweiz im Jahr 1770

Aus dem Tagebuch der Fürstin Louise

(Juli-Oktober 1770)

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© 2018 Christophe Losfeld (Hg.)

Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN

Paperback: 978-3-7469-0595-2
Hardcover: 978-3-7469-0596-9
e-Book: 978-3-7469-0597-6

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Kommentierte Übersetzung des Reisetagebuchs

Originalfassung

Anlagen

Namensregister

Ortsregister

Bibliographie

Abbildungen

Die Reise des Fürstenpaares
Franz und Louise von Anhalt-Dessau
in die Schweiz im Jahr 1770
Einleitung

Bei der hier vorliegenden, erstmals edierten Quelle handelt es sich um einen Teil des im Landesarchiv von Sachsen-Anhalt aufbewahrten,1 eigenhändig verfassten Tagebuches (Abb. 1) der Fürstin Louise Henriette Wilhelmine von Anhalt-Dessau (1750-1811), welches sie in zwei ledergebundenen Büchlein im Duodezformat niedergeschrieben hat. Den ersten Teil des Tagebuches hatte die Fürstin bereits in ihrer Jugend begonnen, den zweiten Band erwarb sie anlässlich einer Reise in die Schweiz im Sommer und Herbst des Jahres 1770 in Zürich.

Einiges über diese Reise darf bereits als bekannt erachtet werden: So etwa durch eine kurze Anmerkung Ingo Pfeifers in seinem Aufsatz über die drei Reisen in die Schweiz, die die Fürstin zuerst in Begleitung von Franz und dann allein in den Jahren 1770, 1783 und 1788 (wobei seine Aufmerksamkeit primär den beiden letzten gilt)2 und durch die Abhandlung Erhard Hirschs über die Beziehung zwischen Dessau-Wörlitz und der Schweiz, in der er in knapper Form auf einige ihrer Höhepunkte verweist, „um die Interessenlage des Dessauers schon auf dieser ersten Studienreise in die Schweiz sprechen zu lassen".3

Die hierfür von Hirsch getroffene Auswahl musste zentrale Aspekte des Reisetagebuchs notwendigerweise außer Acht lassen.4 So kommt es unserer Edition zu, einen Beitrag zu den bisher vernachlässigten Jugendjahren der Fürstin zu leisten und zugleich die in den letzten Jahren erschienenen ertragreichen Forschungs- und Editionsarbeiten zum Gartenreich Dessau-Wörlitz bzw. zur Fürstin Louise Henriette Wilhelmine von Anhalt-Dessau zu ergänzen.5

Fürstin Louise wurde am 24. September 1750 als Tochter des Markgrafen Friedrich Heinrich von Brandenburg-Schwedt (1709-1788) und der Leopoldine Marie Prinzessin von Anhalt-Dessau (1716-1782), einer Tochter Leopolds I., des Alten Dessauers, geboren. Als sich ihre Eltern kurz darauf trennten, wurde die Mutter nach Kolberg verbannt, wo sie bis zu ihrem Tod lebte.6 Louise selbst empfand ihre Jugend im Schatten des Siebenjähriges Kriegs nicht als frei von Kümmernissen.7 Sie genoss eine standesgemäße Bildung, dem Erwerb der französischen Sprache kam eine große Bedeutung zu. Dies belegen die ersten Seiten ihres Tagesbuchs, die in Schönschrift historische Kriegsbegebenheiten8 und private, das Leben der Herrschenden betreffende Ergebnisse festhalten, wie es sich für das Erlernen dynastischer Aspekte9 in der Erziehung junger Adliger ziemte. Dass dem Verfassen des Tagebuchs ursprünglich eine rein pädagogische Absicht unterlag, ist auch der 1798 im Auftrag der Fürstin von Friedrich Matthisson, dem bedeutenden Schriftsteller aus Dessau, redigierten Zusammenfassung10 der Tagebücher zu entnehmen: „Im Jahre 1756 mußte ich zuerst, als ein sechsjähriges Kind, die Hauptbegebenheiten des Tages und in der Zeit aufzeichnen oder vielmehr sehr schlecht nachschreiben".11

Dies erfolgt, wie für eine Vertreterin des Hochadels angemessen, in französischer Sprache. Auch von dem Augenblick an, in dem das Tagebuch nicht länger pädagogischen Zwecken folgt, wird sich die Fürstin weiterhin des Französischen bedienen. Diese Sprache - und dies zeigt das Tagebuch sehr deutlich - bereitet ihr Schwierigkeiten. Die Syntax ist meist einfach, die Lexik nicht immer sicher. Auch ist die (zum Teil phonetische) Orthographie fehlerhaft, und die Sorge um grammatikalische Korrektheit darf als relativ erachtet werden.12 Kurz nach ihrer Rückkehr von der Reise in die Schweiz wird Louise ihr Tagebuch nur noch auf Deutsch verfassen - ob dies mit der Erkenntnis zusammenhängt, dass ihre Kenntnisse des Französischen nicht ausreichen, muss unbeantwortet bleiben.

Als Kind wurde die Fürstin gemeinsam mit ihrer Schwester Friederike Charlotte Leopoldine Louise von Brandenburg-Schwedt (1745-1808) von Leonhard Euler (1707-1783) in allen Gebieten der Physik und der Philosophie unterrichtet.13 In wie weit dieser Unterricht bei der Prinzessin Früchte getragen hat, lässt sich nur schwer beurteilen: Angesichts der Tatsache, dass Euler bereits 1762 Berlin verließ, sollte die Tragweite dieses Unterrichts nicht überschätzt werden.14

Wenige Monate später, am 8. April 1763 findet man im Tagebuch den ersten persönlichen Eintrag: „Der heutige Tag war für mich ein glücklicher, denn ich hatte die Ehre, unserem großen König vorgestellt zu werden, der mich gnädiglich empfing."15 Aus dieser kurzen Bemerkung liest man eine klare Freude, ja gar einen gewissen Stolz heraus, die im Kontrast steht zur kühleren Darstellung in der nachträglichen, von Louise selbst veranlassten und allem Anschein nach überprüften Zusammenfassung durch Matthisson.16

Ab diesem Zeitpunkt wird Louises Tagebuch zu einem Medium, dem sie persönliche Eindrücke und Erlebnisse anvertraut. Dies gilt ab dem Jahre 1765 für die Eheanbahnung mit dem Fürsten Leopold III. von Anhalt-Dessau. Dessen ursprüngliche Heiratspläne mit Johanna Eleonore Hoffmeier (1746-1816) waren an der Ablehnung des preußischen Königs gescheitert17, der auch eine Heirat der Prinzessin Louise mit dem Herzog von Kurland ablehnte.18 Am 8. März notiert die Prinzessin in ihrem Tagebuch: „Image heute Morgen um 10 Uhr habe ich zum ersten Mal den Fürsten von Anhalt-Dessau gesehen. Wir haben beim König Mittag gegessen und am Abend hat der Prinz Ferdinand zu Ehren des Fürsten ein Essen und einen Ball organisiert, zu dem er uns auf Befehl des Königs eingeladen hat."19 Auch hier klingt die Zusammenfassung von Matthisson ein wenig anders: Dort heißt es, der Ball sei „dem Fürsten und mir zu Ehren" 20 gegeben worden. Matthisson fährt fort: „Der Fürst blieb dieses erste Mal bis zum 20ten in Berlin und schenkte mir sein Miniaturbild an einer Uhr und [eine] Kette mit Brillanten"21

Im Originaltext handelt es sich nicht nur um andere Geschenke („ein Portrait und eine mit Brillanten geschmückte Uhr"), auch schreibt die Prinzessin dort, sie habe „die Freude gehabt"22, den Fürsten so lange zu sehen.

Am 13. Juli fand die vom König selbst vorgenommene Verlobung statt. Diese wird im Originaltagebuch eher kurz thematisiert: „Der 13. war mein Verlobungstag. Aus diesem Anlass hat mir der Fürst von Anhalt einen schönen Ring, rosafarbige Ohrringe, eine Klammer und ein Halsband aus sieben Knöpfen geschenkt"23. Bei Matthisson hingegen liest man: „[am 13] wechselte der König zwischen dem Fürsten und mir die Verlobungsringe, wobei er mich liebreich küsste: Der Fürst schenkte mir Juwelen, eine Haarnadel mit sieben Glocken, große Ohrringe, wie Rosen geformt, einen großen Ring und sieben Knöpfe zum Halsbande".24

Das Überreichen von Geschenken entspricht selbstverständlich dem Ritual der Verlobung. In späterer Zeit sollte diese Geste das Ziel verfolgen, Zuneigung zum Ausdruck zu bringen oder zu erzeugen. Interessant ist, dass es im Bericht von Matthisson der König ist, der sie „liebreich" küsst, und nicht der Fürst.

Es lässt sich nicht definitiv klären, ob diese nachträglichen Änderungen bzw. Ergänzungen, die die Erwähnung von positiven Gefühlen zwischen den Eheleuten relativieren, eine Folge der späteren katastrophalen Entwicklung dieser Ehe darstellen, die im Herbst 1786 zur Trennung ohne Scheidung führte.25 Vorzeichen des Scheiterns der Ehe sind allerdings anfangs nicht auszumachen, auch wenn die Verlobten zunächst nur kurz zusammen blieben: Am 18. Oktober 1765, einige Monate nach der Verlobung, begab sich Franz auf seine Grand Tour, die ihn anderthalb Jahre von Dessau entfernen sollte, eine Zeit, in der die Fürstin ihr Tagebuch kaum anrührte.

Der Fürst kehrte am 28. März 1767 nach Dessau zurück, die Hochzeit fand darauf am 25. Juli im Schloss Charlottenburg statt. Nach einem bekannten Zitat aus der 1845 von Propst Reil verfassten Biographie, das in der Sekundärliteratur weiterhin ubiquitär Verwendung findet26, war dem Fürst nach nur zwei Wochen die Freude an der Ehe vergangen: „[..] schon nach den ersten vierzehn Tagen unserer Ehe haben wir uns überworfen. Ihr sentimentaler Platonismus war mir widerlich, ihr Eigensinn, der zuweilen in Starrköpfigkeit ausartete, unerträglich." 27

Aber auch diese rückblickende Äußerung scheint von den späteren Problemen in der Ehe geprägt worden zu sein: Im Tagebuch der Fürstin findet sich noch Anfang 1771 keinerlei Hinweis auf Spannungen zwischen Franz und Louise, die ein für damalige Verhältnisse in den Oberschichten normales Eheleben führen: So sehen sie sich regelmäßig und unternehmen einige Spaziergänge, wie sie es auch in der Schweiz tun werden.28

Dabei bemühen sie sich um dynastische Nachkommenschaft. Nach der Geburt eines Mädchens, das bald darauf verstirbt29, ist die Dynastie doch gesichert, als Erbprinz Friedrich von Anhalt-Dessau am 27. Dezember 176930 geboren wurde. Während sich die Fürstin rasch von den Strapazen der Schwangerschaft erholt, erkrankt der Fürst. Im Originaltagebuch finden sich keine Angaben zur Symptomatik dieser Krankheit, wohl aber in der Fassung von Matthisson31: Da er Blut speit, beschließt der Fürst, den schweizerischen Arzt Samuel-Auguste Tissot (1728-1797) aufzusuchen. Dies schreibt in einem Brief von Tissot an Zimmermann vom 19. September 1771, der sich auch positiv zum Ehepaar äußert:

Drei Wochen lang war der regierende Fürst von Anhalt-Dessau bei mir, der wegen eines Blutspuckens mit seiner Frau gekommen war. Man kann sich kein ehrbareres und liebenswürdigeres Paar vorstellen.32

Dass die Wahl auf Tissot (Abb. 2) fiel, hat mehrere Gründe: Zu diesem Zeitpunkt hatte dieser sich bereits einen Ruf als reformatorischer Arzt 33 erworben, nicht zuletzt durch mehrere Traktate34 , unter anderem seinen Avis au peuple sur sa santé, der nicht zu Unrecht als Anfang einer staatlich regulierten 35 Sozialmedizin gelten darf. 36 Im Sinne der demographischen Entwicklung unterbreitete Tissot in diesem Werk eine Reihe von Empfehlungen und Ratschlägen, die sowohl die Bekämpfung von Scharlatanen im medizinischen Bereich, als auch der Prävention und der Implementierung besserer hygienischer Verhältnisse37 intendierten. Ein solcher Ansatz korrespondierte ziemlich genau mit den Vorstellungen des Arztes Friedrich Samuel Kretschmar (1730-1793), der dank der Intervention von Johann Ulrich Bilgner 38 1770 Stadtphysikus (Amtsarzt) in Dessau wurde. Auch er publizierte 1768 in reformatorischer Absicht ein zweibändiges Buch: 1rrthümer, Warnungen und Lehren, welche das Publicum in Ansehung der praktischen Arzneykunst betreffen. Wie Tissot, auf den er sich im zweiten Band ausdrücklich beruft39 , möchte Kretschmar diejenigen anprangern, die ohne medizinisches Fachwissen die Bevölkerung mit falschen Versprechen auf Heilung betrügen. Und wie Tissot ergänzt er die genaue Beschreibung der Symptomatik einer Krankheit um die Angabe von Mitteln, diese zu bekämpfen. Die Notwendigkeit einer konsequenten Gesundheitspolitik, von der der Fürst bereits überzeugt war, wurde durch die Naturkatastrophen, die Deutschland im Allgemeinen und das Fürstentum im Besonderen im Winter 1770-1771 heimsuchten und die eine Hungernot hervorriefen, noch dringlicher empfunden.

Aus den Überlegungen, die Fürst Franz zu diesem Zeitpunkt zur Erneuerung des Gesundheitswesens anstellte40, resultierte nahezu zwangsläufig eine Beschäftigung mit den Schriften Tissots.

Auch im Privaten war der Fürst von der Wichtigkeit einer Gesundheitsfürsorge überzeugt: so ließ er etwa seine Familie gegen die überaus gefährlichen Pocken impfen.41 Und auch in diesem Kontext wird ihm der Name Tissots sicherlich bekannt gewesen sein, da dieser sich bereits Anfang der Fünfziger Jahre bei der Bekämpfung einer Pockenepidemie engagiert hatte und die Methoden, die er dabei erprobt hatte, 1754 in seiner ersten Publikation L'inoculation justifiee publik machte.

Nicht zuletzt reisten 1767 mehrere Bekannte bzw. Verwandte des Fürsten Franz nach Lausanne, um sich von Tissot impfen zu lassen.42 Noch entscheidender für den Entschluss, Tissot aufzusuchen, dürfte allerdings dessen - weit über die Grenzen der Schweiz hinausgehender - Ruf als Vertreter des medizinischen und therapeutischen Naturismus sein: Tissot nahm sich Zeit, seine Patienten zu beobachten43 und verschrieb ihnen schonende Kuren, die die Einnahme von allzu schädigenden Medikamenten vermeiden sollten. Dies galt sowohl für die Behandlung des Volkes gemäß dem Avis au peuple sur sa santé, als auch für die Behandlung der höheren Stände, die Tissot im Essai sur les maladies des gens du monde von 1770 zum Gegenstand macht. So empfahl er beispielsweise, viel zu trinken, auf schwere Speisen zu verzichten, sowie Frischluft- und Wasserbäder usw.

Auch bei schweren Erkrankungen sollten ähnliche Vorschriften eingehalten werden, jedoch in Kombination mit anderen Heilverfahren, wie z. B. Aderlass. So empfahl Tissot bei Speien von Blut, einer Erkrankung, die seiner Meinung nach mit einer Prädisposition zur Lungenentzündung korrelierte, leichte Kost sowie gelegentliche Aderlässe am Arm, das Trinken von Molke im Frühling sowie Bäder.44 Nach einer Angabe Tissots in einem Brief an Zimmermann ist dies auch die Kur, die er dem Fürsten nahelegte.45 In diesem Brief finden Bäder keine Erwähnung, aber dass der Fürst von diesem Zeitpunkt an regelmäßig Bäder aufsuchte - wie es etwa die Ausführungen über die Reise nach England (1775) oder in die Schweiz (1782) zeigen dürfte mit den prophylaktischen bzw. therapeutischen Ansätzen des Schweizer Arztes zusammenhängen. Allerdings findet sich in dem oben erwähnten Brief Tissots auch der Hinweis auf „lait de tartre", d. h. Molke, ein Mittel, das er hauptsächlich bei Erkrankungen des Unterleibs verordnete.46

Es bleibt ungeklärt, ob man folgern kann, dass Tissot sich seiner Diagnose anfangs nicht sicher war, ob er das Blutspeien des Fürsten gleich als unbedenklich erachtete und rein präventiv handelte, denn er erwähnt auch eine ungefährliche Form des Blutspeiens als Folge einer Überanstrengung oder eines Wutanfalls.47 Sicher ist, dass er erklärte, die Krankheit des Fürsten sei nicht ernsthafter Natur48, was die Fürstin sehr beruhigte.49 Zudem war der Fürst mit den Ratschlägen des Mediziners offenbar zufrieden, wandte er sich doch auch in der Folge weiterhin an ihn.

So bat er im Frühjahr 1775, auf eine damals gängige Vorgehensweise rekurrierend, Tissot schriftlich um Rat.50 Nicht immer war es möglich, den Arzt persönlich aufzusuchen, so dass sich im Laufe des 18. Jahrhunderts die Praxis der Fernkonsultation entwickelte: Man beschrieb dem Arzt so präzise wie möglich die Krankheitssymptome, und er stellte daraufhin aus der Ferne eine Diagnose.51 So entstand im Laufe der Praxisjahre Tissots ein wahres Patientennetz, das sich europaweit ausdehnte.52

1770 beschloss der Fürst, den berühmten Arzt persönlich aufzusuchen und reiste zu ihm in die Schweiz, wie viele andere Ausländer auch, so dass man zu Recht von einem „medizinischen Tourismus"53 sprechen kann. So schreibt Seigneux de Correvon 1767 in einem Brief an Francois-Pierre de Diesbach: „Hier lebt zurzeit eine Menge von distinguierten Ausländern, die der Ruf von Herrn Tissot anlockt: Zuerst die Herzogin von Kurland und die Prinzen von Württemberg, die Söhne seiner Königlichen Hoheit dem Fürsten Eugen, die sich hier aufhalten. Es kommen aber weitere aus Dänemark, Deutschland, Italien, aus den französischen Provinzen, aus London, sogar aus Paris".54

Lange blieb diese Form des Reisens in der Forschung weitgehend unberücksichtigt, fokussierte man doch die doppelte Dimension der Reise in der Aufklärung - die repräsentative Reise und die als Grand Tour bekannte Bildungsreise.55 Wie die beiden anderen Formen hat die medizinische Reise ihre eigene Charakteristik: Es handelt sich um eine eher private Reise (das fürstliche Ehepaar reist anonym56 mit nur wenigen Begleitern57 in einer Postchaise und einem Vis á vis58) und die Geselligkeit, die es pflegt, ist oft privater Natur: Die Fürstin besucht Personen, die sie aus ihrer Berliner Jugendzeit kennt (vor allem Jean Henri Andrié de Gorgier und Marie Regule du Trey); in der Semiöffentlichkeit der Salons verkehrt das fürstliche Ehepaar mit Bekannten und Verwandten, von denen nicht wenige ebenfalls in medizinischer Behandlung sind. Dies gilt z. B. für die Herzogin von Württemberg oder die Prinzessin von Paar (die Tissot nicht wird retten können59). Nicht zuletzt richtet sich der Tagesablauf nach den Behandlungen60.

Diese neue Form des Reisens hebt allerdings die beiden anderen nicht auf. Vielmehr sind die Grenzen fließend. Die Reisenden werden unabhängig von der Art ihrer Reise stets mit den gleichen praktischen Problemen konfrontiert. So belegt auch die erste Reise der Fürstin Louise in die Schweiz, wie beschwerlich ein solches Unterfangen war: Regelmäßig beklagt sie sich61 über die mangelhafte Hygiene mancher Gasthöfe (und dies, obwohl das fürstliche Ehepaar, sofern möglich, in den besten Hotels logiert62), den Starrsinn der Kutscher und die Grobheit der Postmeister, den schlechten Zustand der Straßen usw. Mehr als einmal geraten die Reisenden in gefährliche Situationen wie den Bruch einer Achse, das drohende Kippen der Kutschen oder Stürme.63

Auch wenn sie primär aus medizinischen Gründen reisen, kommt das Fürstenpaar in Berührung mit „den repräsentativen Institutionen der Ständegesellschaft und den Zentren des höfisch-gesellschaftlichen Austauschs"64. Dies gilt insbesondere für den Aufenthalt in Mannheim, wo sie nicht nur die bei allen Reisenden beliebten Sehenswürdigkeiten besichtigen65, sondern auch standesgemäß empfangen werden.66 Angesichts der politischen Verfassung in der Schweiz verhält sich dies hier ein wenig anders. Doch auch dort lernen die Eheleute Vertreter der Obrigkeit kennen, und viele Honoratioren der besuchten Städte machen ihnen ihre Aufwartung. Durch ihre soziale Stellung und ihre Vernetzung - so begegnen sie Verwandten und Bekannten, die ihnen weitere Türen öffnen67 - erhalten der Fürst und die Fürstin während ihres Aufenthaltes Zugang zu den exklusiven Kreisen der schweizerischen Städte, in denen Mitglieder der verzweigten Patrizierfamilien verkehren.68 Sie begegnen zudem oftmals ausländischen aristokratischen Familien, die entweder aus protestantischen Ländern stammen69 oder ihrer Religion wegen in Frankreich verfolgt wurden und ausgewandert sind.70 Diese Kreise streben danach, ihre gesellschaftliche Kohäsion aufrechtzuerhalten und ein angenehmes Klima zu sichern71 und unterliegen so einer strikten Organisation, wie z. B. der Kreis aus der Rue du Bourg.72 Die Behauptung des Grafen Golowkin, der abgeschirmte Charakter dieser Kreise mache ihren Charme aus73, hätte die Fürstin sicherlich unterschrieben, die sich in einem Brief an ihre Tante Anna Wilhemline über die Unerzogenheit junger Engländer beklagt74 und die vermeintliche französische Höflichkeit nicht billigt, ja sogar lächerlich findet.75

Um Verabredungen zu treffen, verwendete man zur damaligen Zeit entweder Visiten- oder Spielkarten, die den Name des Absenders sowie eine kurze Nachricht enthielten.76 Dies erklärt, warum sich im Anhang des Tagebuchs 33 Karten mit Namen finden lassen77, die hier im Anhang abgedruckt werden.

Über die soziale Homogenität hinaus lassen sich weitere Grundzüge der gesellschaftlichen Kreise herausarbeiten: Auffallend ist zunächst, dass sich in diesen Zirkeln viele Vertreter der schweizerischen Aufklärung bewegen. Da der junge Dessauer Regent Franz an allen Vorschlägen Interesse zeigt, die zur Verbesserung der Lebensumstände seiner Heimat beitragen könnten, ist es nicht verwunderlich, dass er den Kontakt zu den reformorientierten Persönlichkeiten der Schweiz sucht. Diese treten nicht nur als Einzelperson auf, wie die bereits erwähnten Ärzte, die eine praktische Aufklärung anstrebten, sondern vereinigten sich in aufklärerischen Gesellschaften, um wirksamer handeln zu können. Dies gilt vor allem für die ab der Mitte des 18. Jahrhunderts gegründeten patriotischen Gesellschaften.78 In der „Société économique" von Lausanne trafen sich viele der Persönlichkeiten, mit denen das fürstliche Ehepaar verkehren wird, um Vorschläge zur Verbesserung der Wirtschaft, der Technik und der Landwirtschaft zu sammeln, wie beispielsweise Brenles, Crousaz de Meseri, Rosset, Seigneux und nicht zuletzt Tissot,79

Es nimmt nicht Wunder, dass der Fürst sich auch für eine Persönlichkeit wie Jacques Gujer interessiert, der zum Prototyp des denkenden Bauern erklärt wurde und dank des Buchs von Hans Kaspar Hirzel, Le Socrate rustique, ou Description de la conduite économique et morale d'un paysan philosophe, berühmt werden sollte.80 Hirzel war gemeinsam mit Salomon Gessner 1760 Mitbegründer der Helvetischen Gesellschaft, die die Verbesserung der politischen Zustände der Schweiz zum Ziel hatte.81

Zu erwähnen ist auch die auf Anregung des Herzogs von Württemberg 1765 gegründete „Société morale“.82 Aus dieser entstand 1766 unter der Leitung des Buchhändlers Grasset die Zeitschrift Aristide ou le citoyen, zu der de Bons, Brenles, Tissot, Frau Blaquière beitrugen. Intention dieser Zeitschrift war es, „die Tugend zu fordern, das, was von ihr heute übrig bleibt, wieder zu beleben, sie unter ihren liebenswürdigsten Formen zu zeigen, die wachsenden Laster und die verderbenden Beispiele einzudämmen, die schädlichen Vorurteile zu zerstreuen […]."83

Die reformatorische Tendenz der Kreise, in denen der Fürst während dieser Reise in die Schweiz verkehrt, ergibt sich nicht zuletzt aus der Tatsache, dass Tscharner, Mingard, de Bons und Andrie de Gorgier84 zu den Redakteuren der ab 1770 unter der Leitung von Fortunato Bartolomeo De Felice (1723-1789) publizierten Encyclopedie d'Yverdon85 zählten.

Durch den Kontakt mit diesen Kreisen erweist sich für den Dessauer Fürsten der Aufenthalt in der Schweiz und insbesondere in Lausanne, „einer Stadt der Aufklärung"86, offensichtlich als Bildungsreise.87 Zwar war mit dem Abschluss der Grand Tour formal die Zeit seiner Bildung beendet, und manche der ästhetischen Grundsätze, die die Gestaltung des Gartenreichs Dessau-Wörlitz bestimmen werden, standen bereits fest, doch lässt er keine Möglichkeit ungenutzt, seine architektonischen Kenntnisse zu erweitern. Sein Interesse gilt barocken Monumenten, insbesondere jedoch gotischen Gebäuden88 wie dem Dom von Straßburg, Basel oder Lausanne89 und somit einer Stilrichtung, die er bereits in England für sich entdeckt hatte und die den Ausbau von Wörlitz prägen sollte. 90 Während seiner zuvor unternommenen Englandreise hatte der Fürst die dort herrschende Tradition ausgedehnter Gartenanlagen entdeckt, was ihn motiviert haben dürfte, die schweizerischen Gärten zu besichtigen.91

Aus dem Wunsch heraus, seine Bildung zu vertiefen, besucht er auch die Kurpfälzische Gemäldegalerie in Mannheim 92 , die Bildersammlung der Universität Basel93 sowie private Sammlungen, wie z. B. die von Achilles Ryhiner (1731-1788)94 und von Nicolas Henri Joseph de Fassin (1728-1811).95 In diesem Zusammenhang knüpft er Kontakte zu Kunsthändlern wie dem damals europaweit bekannten Kupferstecher Christian von Mechel (1737-1817), mit dem er eine jahrzehntelange Geschäftsverbindung eingehen wird.96 Ein solches Anbahnen von Geschäftsbeziehungen gilt insbesondere für Georg Melchior Kraus (1737-1806), dem das fürstliche Ehepaar am 15. September 1770 zufällig in Basel begegnet, und der 178397 die ersten grafischen Ansichten des Gartenreichs in Dessau anfertigen wird. Der Fürst interessiert sich auch für Naturgeschichte (so besucht er mehrere Naturkabinette, so z. B. die europaweit bekannten Kabinette von Nicolaus Bernoulli (1704-1786) und seinem Sohn Hieronymus (1745-1829).98 Obwohl die Fürstin bei solchen Gelegenheiten den Eindruck erweckt, aus reinen Pflichtbewusstsein ihren Mann zu begleiten99, und sie in manchen Momenten Tätigkeiten nachgeht, die als frauentypisch gelten dürfen100 , hat die Reise in die Schweiz auch für sie den Stellenwert einer Bildungsreise. Wie der Fürst betrachtet seine Gemahlin mit großem Interesse die Zeugnisse der gotischen Kunst und die Gemälde der verschiedenen Sammlungen. Dabei erweist sie sich trotz ihrer Beteuerungen, ihr mangele es an Erfahrung durchaus im Stande; ästhetische Urteile zu fällen:

So schreibt sie z. B. am 3. August, die antiken Skulpturen in Mannheim hätten sie nicht überrascht, da sie solche bei ihrem Gemahl bereits gesehen habe. Die Werke von Peter-Anton Verschaffelt, dem sie seine abwertenden Worte über Bartolomeo Cavaceppi nicht verzeiht, taugen ihres Erachtens nicht viel. 101 Sie ist für die Schönheit spätgotischer Werke wie das Straßburger Münster sehr empfänglich. 102 Allerdings hält sie sich mit Äußerungen zurück, wenn sie in Begleitung von Experten ein Gemälde betrachtet.103

Bedeutsam ist die Reise in die Schweiz für die Fürstin durch die Entdeckung neuer Landschaften. Einige ihrer Notizen zur Landschaft doch es gilt sich stets ihres nicht vorzüglichen Französisch zu vergegenwärtigen, in dem sie das Tagebuch verfasst, mindert es doch ihre Ausdrucksmöglichkeiten erheblich - mögen lapidar anmuten. So schreibt sie am 1. August 1770 beim Anblick der Bergstraße: „[d]ieser Weg ist vorzüglich schön"104 , bei der Ankunft in Basel: „Dies alles bildet einen entzückenden Anblick"105, oder vor dem kleinen Rheinfall in Laufenburg: „Er ist sehr schön"106. Viele ihrer Bemerkungen belegen jedoch, wie sehr die Landschaft der Schweiz sie beeindruckt. Tatsächlich ist die Natur, die sie während der Fahrt wahrnimmt, die „schöne, einfache und kultivierte Natur"107 , die als Gegenbild der Zivilisation verstanden werden kann und sicherlich an das „goldene Weltalter"108 erinnert, das die Idyllen Gessners109 darstellen, dessen Werke, wie die Fürstin schreibt, „so entzückend" sind.110 Ganz im Sinne Gessners, der mit Haller111 (dessen Gedichte der Fürst während einer Rast liest112 ) einer der Autoren ist, die das Bild der Schweiz geprägt haben, deutet sie hier die schweizerische Landschaft als „locus amoenus".113 Dabei bleibt das Bild, das die Fürstin entwickelt, unpolitisch, womit sie sich von der Vorstellung einiger Autoren um 1770 abhebt, die in der Folge von Addison mit der Schweiz das Motiv der Freiheit verbinden.114

Die Einwohner dieser Landschaften leben arbeitsam und schlicht, fern von jeglichem Luxus, und zeigen alte Tugenden wie Gastfreund- und Hilfsbereitschaft115 sowie nicht zuletzt Gottesfurcht: Nachdem ein furchtbares Gewitter den Garten einer einfachen Familie verwüstete, die das Paar empfangen hatte, notiert Louise: „Weder murrten diese armen Leute noch beklagten sich sie, sie weinten leise. Solche Tränen sind der leider sehr natürliche Ausdruck der Empfindsamkeit, wenn sie betrübt ist, und sie sind zugleich ein Trost für den weisen Christen".116

Gerade diese Empfindsamkeit (sensibilité) zeichnet die Tagebucheinträge aus, die die Fürstin ihren Landschaftseindrücken widmet. Ihre Darstellungen enthalten begeisterte Kommentare: Bereits bei Eisenach genießt sie ein Schauspiel, das „so schön wie neu"117 für sie ist und sie betont, bisher nichts Vergleichbares gesehen zu haben. Als sie am 5. September den stürmischen Genfer See erblickt, genießt sie, die nie das Meer gesehen hat, es, „quasi direkt unter unserem Wagen die Brandung der herrlichen Wellen zu sehen, die aus der Entfernung grün, schwarz und blau erschienen, die immer höher wurden, je mehr sie sich dem Ufer näherten". Und als sie den Wasserfall118 von Schaffhausen betrachtet, wird sie nachgerade schwärmerisch:

Es war ein Schauspiel, das nie wieder aus meinem Gedächtnis gelöscht wird. Ein Schauspiel, das zu großartig, zu majestätisch ist, um nicht bis zum tiefsten Grunde der Seele ergriffen zu sein. Ich war davon berührt und fühlte, wenn das möglich ist, bei diesem Anblick den Respekt dem Wesen gegenüber, das dieses wunderbare Objekt geschaffen hat, noch stärker werden. Und just da muss man ausrufen: „Oh, dreifach großer Gott, unsere Seelen sind zu klein angesichts Deiner Werke". Derjenige, dem sogar der Himmel sein Dasein verdankt, braucht keine Lobpreisungen von einem kleinen Wurm wie mir.119

Angesichts der überschwänglichen Reaktion, die der Anblick des Wasserfalls hervorruft, dürfte es kein Zufall sein, dass ein Gemälde von Christian Georg Schütz (1718-1791), „Rheinfall bei Schaffhausen", später im Luisium hängen wird.120 Dies alles ist ein Beleg für die Bedeutung, die die Fürstin einer Ästhetik der Erhabenheit beimisst.

Die Berge beeindrucken sie nicht im gleichen Maße wie die Wasserfälle. So schreibt sie zum Beispiel am 8. August: „Ungefähr in dieser Gegend [Neubreisach] entdeckten wir die Alpen, und vor allem die Berge, die mit ewigem Schnee bedeckt sind. Für mich war es ein bemerkenswertes Erlebnis, da ich sie zum ersten Mal in meinem Leben sah."121 Sie ist dabei weit von der Begeisterung entfernt, die die Begleiter von Franz während der Grand Tour ergriffen hatte und die Georg Heinrich von Berenhorst in seinem Tagebuch festhielt:

Ganz oben zeigen die Gletscher von der Schweiz und von Savoyen ihre schneeweißen Häupter. Unzählbare Städte und Felder säumen unten alle Ufer und das Wasser vermehrt sie, indem es sie abbildet. Im Gewölbe des Himmels war keine Spur von Wolken zu sehen, sondern nur der reinste Äther. O Leser, mein Freund! Ich überlasse es Deiner Fantasie, dieses Gemälde zu vervollkommnen, das ich bloß skizzieren kann. Meine gab sich entzückt, es aus der Mitte einer klaren und kristallreinen Flut zu betrachten.122

Erst später in ihrem Leben sollte die Betrachtung der Berge für die Fürstin zur wahrhaften Offenbarung werden: Am 18. August 1801 traf sie in der Nähe des Mont-Blanc den begeisterten Alpinisten Marc-Théodore Bourrit (1739-1819), der ihr von seinen Wanderungen erzählte und ihren Blick so öffnete, dass sie bei der Ansicht dieses „Phönixes der Berge" nur noch „Anbethung höher Innigkeit" empfinden kann.123 Sie wird nicht nur Bourrits Werk Description des Alpes pennines et rhétiennes (Genf 1781)124 lesen, sondern in einem Brief an Bourrit, der in seinem 1803 publizierten Werk Description des cols, ou passages des Alpes abgedruckt wurde, darlegen, wie er sie beeinflusst habe. Dank ihrer Begegnung werfe sie nunmehr einen neuen Blick auf die Alpen, sei ihr doch das „entzückende und erhabene Schauspiel der Berge" nicht länger eine „unfruchtbare Betrachtung für ihre Seele, sondern ein lehrreiches Buch, dessen Lektüre ihre Gedanken erhebt".125

Somit gehört Louise nicht nur zu einer breiten Bewegung von Reisenden, die die Alpen als Ort des Faszinierenden126 entdeckten, sondern auch zu denjenigen, die zur Verbreitung dieses Bildes beigetragen haben.

Nicht zuletzt bedeutet die Reise in die Schweiz für die Fürstin die Entdeckung des Schreibens. Im Verlauf der wenigen Wochen, die sie dort verbringt, entdeckt sie ihre große Freude am Führen ihres Tagebuchs, so dass die Einträge nicht nur länger, sondern auch persönlicher werden, auch wenn sie sich oft nicht fähig fühlt, ihre Gefühle und Empfindungen in Worte zu kleiden.127 Von der einstigen Pflichtübung wird das Tagebuch zu einem Ort, an dem die Fürstin die wichtigsten Erlebnisse ihres Alltags sowie Gefühle und Empfindungen festhält, die sie sonst nicht oder nicht uneingeschränkt artikulieren könnte, und deswegen zu einem treuen Begleiter der Fürstin. Es wird, um die schöne Formulierung von Helga Heise zu verwenden, zum Ort des „archivierten Ichs".128

Herrn Uwe Quilitzsch von der Kulturstiftung Dessau Wörlitz möchte ich hier für seine Durchsicht des Textes und seine sehr wertvollen Verbesserungs- und Kommentierungsvorschläge danken. Mein Dank gilt auch Frau PD Dr. Kathrin Vandermeer für ihre kritische und sehr anregende Lektüre des Manuskripts und nicht zuletzt meiner Frau für ihre unermüdliche Unterstützung wegen des Editionsprojekts.

 

Prinzipien der vorliegenden Edition:

Der edierte Teil umfasst insgesamt 150 recto und verso geschriebene Blätter:

- 56 Blätter aus dem ersten Notizheft (26'-54') und 94 (1-47') aus dem zweiten - zu denen zwei nur recto verfassten Blätter inseriert wurden. Die Nummerierung der Blätter ist nachträglich im Archiv hinzugefügt worden.

Die Quelle ist weitgehend vollständig. Nur an wenigen Stellen fehlen offenbar Seiten oder inserierte Blätter, so dass die entsprechenden Textquellen unverständlich werden.

Eine Transkription der Quelle liegt der Edition bei. Die Transkription übernimmt treu die zum Teil sehr freie Rechtschreibung und Grammatik der Fürstin. Die Interpunktion, die sie systematisch vernachlässigt, wurde nicht ergänzt, da der Text in seiner Originalform sehr gut verständlich ist. Aus Gründen der Lesbarkeit wird der Monat am Rande angegeben.

Bei der Transkription wurden die Veränderungen im Text folgendermaßen wiedergegeben:

I : Ergänzungen über die Zeile

I: Ergänzung unter der Zeile

Kursiv: Im Original-in altdeutscher Schrift

Text: Text gestrichen

XXX: Text gestrichen und nicht mehr lesbar.

In der Übersetzung wird nur an den Stellen, bei denen die Streichung zu einer auffälligen Sinnverschiebung führt, auf den ursprünglichen Text hingewiesen.

Die Transkription übernimmt nicht die von der Fürstin verwendeten Zeichen, wie etwa Striche, um die unterschiedlichen Einträge voneinander zu trennen.

Die Angabe der Folien erfolgt mit [x] (recto) und [x'] verso. Um den Lesefluss in der Übersetzung nicht zu beeinträchtigen, stehen die Seitenangaben am Ende eines jeweiligen Absatzes. In der Übersetzung wird der Lesbarkeit halber das Datum systematisch ergänzt.

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Diese Kommentare, die nach der Überzeugung redigiert wurden, dass Kommentare die Lektüre der Quelle nicht ersetzen, sondern vielmehr erleichtern sollen, beschränken sich daher auf Anmerkungen, die den Text erläutern bzw. Zusammenhänge erklären.

Die Kommentierung ist nur in der Übersetzung zu finden. Mittels der Zeitangaben bzw. der Orts- und Personenindices lassen sich die Kommentare leicht der Originalversion zuordnen.

Die vorliegende Edition wurde um drei Anlagen ergänzt:

Rechnungen, die Verron La Croix an die Fürstin gesendet hat (Anhang 1). Diese Rechnungen sind im Landesarchiv von Sachsen-Anhalt unter der Signatur Z 44, A 9e Nr. 15 (2) (Fol. 117-118) zu finden.

Abschrift der Visiten- und Spielkarten, die als Visitenkarten fungierten. Diese befinden sich ebenfalls im Landesarchiv von Sachsen-Anhalt unter der Signatur LASA Z 44, A 9e Nr. 15 (2).

Zwei Briefe der Fürstin an ihre Tante Anna Wilhelmine (LASA, Z 44, A 10 Nr. 116, Fol. 6ff.)

Aus dem Tagebuch der Fürstin Louise
(Juli-Oktober 1770)

 

Aus dem Tagebuch der Fürstin Louise
(Juli-Oktober 1770)

[I, 26'] Am 8. [Juli 1770]129 beschloss mein Fürst, nach Lausanne zu reisen, um Herrn Tissot, den bekannten Arzt130, um Rate zu ziehen.

Am 13. [Juli] aß die Prinzessin Wilhelmine131 hier zu Mittag, sowie die Gräfin von Anhalt, die ihre Tochter abholen wollte132, welche sich seit dem ersten dieses Monats hier aufgehalten hatte.

Am 14. [Juli] fuhren wir nur in die Stadt, um bei meiner Tante, von der wir Abschied nahmen, Mittag133 zu essen.

Der Fürst offenbarte ihr, dass er in die Schweiz reisen wolle. [I, 27] Am selben Abend fuhren wir nach Wörlitz zurück.

Am 15. [Juli] aß Prinz Eugen134 bei uns. Wir erzählten ihm von unserem Reisevorhaben. Dies teilte mein Fürst an diesem Tag auch dem König mit.135 Unsere Ehrendamen136 kamen ebenfalls hierher.

Am 18. [Juli] fuhren wir alle nach Dessau zurück.

Am 19. [Juli] erhielt der Fürst die Antwort des Königs.

Am 20. [Juli] fuhr der Fürst mit mir wieder nach Wörlitz, und wir nahmen am Nachmittag des selben Tages in Heinrichswalde 137 Abschied von Prinz Eugen.

Am 21. [Juli] fuhren wir am Abend mit meinem Sohn138 und allen, die außerhalb der Stadt waren, nach Dessau zurück.

Am Sonntag, dem 22. [Juli], ging ich in Dessau in die Kirche139. Mittag aßen wir bei Prinz Eugen. Am Abend speisten die Gräfinnen von Anhalt140 bei uns und sie, sowie alle Cavaliere141 nahmen von uns Abschied. [I, 27']

Der 23. [Juli] 142 war der Tag, an dem wir unsere Reise in die Schweiz begannen. Um sieben Uhr früh stiegen wir in die Wagen, das heißt der Fürst und ich in die Postchaise143 und Herr von Erdmannsdorff144 mit der Scheifler145 ins Vis-à-vis146 . Die Diener, die wir mitnahmen, waren Schröder, Bernenhouver, der Koch Jänicke et Stockmann147, der Diener von Herrn Erdmannsdorff, der stets voranritt, um die Pferde zu bestellen. In dieser Besetzung verließen wir Dessau. Ich ließ meinen gesunden Sohn zurück, der zu diesem Zeitpunkt älter als sechs Monate war148 und empfahl ihn dem Schutz Gottes. Mit unseren eigenen Pferden fuhren wir bis nach Zörbig [I, 28] zweieinhalb Meilen149 von Dessau entfernt. Dort bekamen wir Postpferde, die uns 12,5 Meilen nach Halle führten. Wir hätten eine ganz andere Strecke genommen und wären noch eine Station mit unseren eigenen Pferden gefahren, wenn die Leute uns nicht missverstanden hätten. Von dort fuhren wir noch zwei Meilen bis nach Merseburg. Wegen des Hochwassers der Flüsse, unter anderem der [Lupe], die alle Felder überschwemmt und sogar einige Deiche durchbrochen hatte, erreichten wir diese Stadt erst um 7 Uhr am Abend. Unsere Herberge hieß die Sonne.150 [I, 28'] =Dort wurden wir gut untergebracht und gut bewirtet.

Am Tage darauf, Dienstag dem 24. [Juli] 151, verließen wir Merseburg. Unsere erste Station war Freyburg, zweieinhalb Meilen davon entfernt. Es ist ein hässlicher Ort, wo wir nur mit Mühe neue Pferde bekamen. Ab da wurden die Wege schlechter. Die nächste Station war [Häßler], zwei Meilen entfernt. Wir stiegen im Posthaus ab, wo wir eine Kleinigkeit zu uns nahmen. Dann legten wir eine dritte Strecke von weiteren zwei Meilen zurück und erreichten um acht Uhr abends Neuhausen, einen Landstrich, der dem Grafen von Werthern152 gehört. [I, 29] Dieser Herr war aber abwesend, so dass wir gezwungen waren, im Posthaus zu logieren, wo es furchtbar dreckig war und entsetzlich stank.

Als Zimmer hatten der Fürst und ich bloß ein Loch und die Scheifler schlief im selben Raum. Zu Glück verließen wir bereits am Mittwoch, dem 25., um vier Uhr früh diesen Ort. An diesem Tag fuhren wir drei Stationen à drei Meilen. Die erste war Erfurt, eine ziemlich hübsche Stadt und die erste Reichsstadt153, die wir auf unsere Route fanden. Die zweite war Gotha, eine Stadt, die mir sehr gefiel und die tatsächlich sehr schön aussieht. Das Schloss154 ist sehr groß und weist eine sehr schöne Fassade auf, vor allem, wenn man sie von der Straße sieht, eine Straße, die man nimmt, um nach Eisenach zu gelangen, was an diesem Tag unsere dritte und letzte Station war. [I, 29']

Dort kamen wir um 11 Uhr am Abend an. Auf der Landstrasse nicht weit von Gotha erlebten wir ein Gewitter und einen starken Regen. Als dieser vorbei war, bot mir die Natur ein Schauspiel, das für mich so schön wie neu war: Die Bildung der Wolken in den Bergen, die in dieser Landschaft bereits beginnen, hoch zu werden. Jungen Augen wie meinen, die bisher nichts Vergleichbares155 gesehen hatten, bereiten sie eine angenehme Abwechslung.

An diesem Tag kamen wir, [I, 30] wie ich es bereits sagte, in Eisenach an. Unsere Herberge hieß Zum Anker. Unser Aufenthalt dort war ziemlich angenehm und wir erholten uns den ganzen Donnerstagvormittag.

Am 26. [Juli] 156 schrieben wir Briefe, ich an meine Damen157 und der Fürst an Harling158. Nach dem Mittagessen fuhren wir gegen zwei Uhr am Nachmittag los. Unsere erste Station war das zwei Meilen entfernte Berka. Während der gesamten Strecke fuhren wir durch Berge. Diese Gegend bot unseren Augen die malerischsten Anblicke. In Berka war der Postmeister so langsam und so träge, dass er uns sehr lange aufhielt, bevor er uns Pferde gab. Endlich erhielten wir welche und fuhren noch eine zwei Meilen lange Strecke bis nach [Vacha], wo wir übernachteten. [I, 30']. Wir wurden im Posthaus untergebracht, das schön gelegen war: ganz nah an einer Brücke und umspült vom Wasser der Werra, die unter unseren Fenstern entlang floss.

Am Freitag, dem 27. [Juli], fuhren wir um sieben Uhr morgens wieder los. Unsere erste Station war Hünfeld, drei Meilen entfernt, und die zweite, nach zwei Meilen in Fulda. Wir stiegen in einer Herberge ab, die Der Storch159 heißt. Das Essen war ordentlich, die große Unsauberkeit in den Zimmern hingegen schrecklich.

Am Samstag, dem 28. [Juli], 160 fuhren wir um sechs Uhr früh los. Unsere erste Station war in Neuhof, zwei Meilen davon entfernt. Dort aßen wir Erdbeeren. Die zweite war Schlüchtern, ebenfalls zwei Meilen entfernt. Während die Pferde ausgetauscht wurden, sahen wir uns ein Haus an, an dem man noch Spuren vom Hochwasser bemerkte, das ganze Scheunen bedeckt hatte. [I, 31]

Von dort fuhren wir noch zwei Meilen bis nach Sahlmünster, wo wir im Posthaus eine Kleinigkeit aßen. An diesem Tag fuhren wir weitere zwei Meilen bis nach Gelenhausen. Unsere Absicht war ursprünglich, bis nach Hanau zu fahren, aber dies erschien uns unmöglich, da der Tag sich neigte und es fast acht Uhr war. Wir mussten daher dort bleiben und in einer Herberge namens Der Hirsch übernachten, die sehr sauber war. Da wir an diesem Tag bereits zu Mittag gegessen hatten, nahmen wir nur ein sehr leichtes Abendessen zu uns.

Am Sonntag, dem 29. [Juli] 161, fuhren wir von dort um sechs Uhr in der Früh los, nachdem wir uns ein wenig besser angezogen hatten, da wir an diesem Tag meine Tante162 in Bockenheim besuchen wollten. Ungefähr gegen zehn Uhr kamen wir in Hanau an, das drei Meilen entfernt war. Dort trafen wir einen polnischen Prinzen, der hier auch die Pferde wechselte und [I, 31'] bis kurz vor die Toren von Frankfurt vor uns her ritt. Dann fuhr er in die Stadt, während wir sie umfuhren, um uns zuerst nach Bockenheim zu begeben, das eine knappe halbe Stunde entfernt liegt. Wie ließen uns ankündigen, als ob wir Fremde wären und meine Tante erkannte mich erst, als ich in ihrer unmittelbaren Nähe stand. Dort trafen wir den Grafen von Solms-Baruth163 mit seinen zwei Kindern sowie zwei französische Eheleute namens d'Utheuil164, die alle gerade frisch aus Paris angekommen waren. Der andere Wagen mit Herrn Erdmannsdorff kam eine Stunde nach uns. Zuerst begannen wir zu essen, es war nach Mittag oder vielleicht ein Uhr. Nach dem Mittagessen gingen wir im Garten spazieren und wohnten einem kleinen Theaterstück oder Lustspiel bei, das die jungen Kinder des Grafen von Solms mit den d'Utheuils aufführten. Danach nahmen wir das Abendessen ein. [I, 32]

Anschließend zogen sich alle zurück. Der Fürst und ich waren in den zwei Kabinetten untergebracht, die auf den beiden Seiten des Salons liegen, von denen aus man in den Garten gehen kann. Erdmannsdorff hatte eine Unterkunft im Dorf.

Am 30. [Juli] nahmen wir das Frühstück mit meiner Tante ein und verbrachten den ganzen Morgen mit ihr. Zum Zeitpunkt des Mittagessens kam dann der Graf mit seiner Familie. Wir aßen zusammen und am Nachmittag sangen wir, unterhielten uns und gingen im Garten spazieren. Dann nahmen wir das Abendessen ein. Im Anschluss verabschiedeten sich der Graf und seine Familie von uns, da sie am folgenden Tag ihre Reise nach Baruth fortsetzen wollten.

Am 31. [Juli] begaben wir uns nach dem Frühstück, das wir mit der Prinzessin eingenommen hatten, in unsere Zimmer, wo wir Briefe nach Dessau schrieben: Der Fürst an Harling und ich an die Prinzessin W[ilhelmine] 165 und an die Gräfin Leopoldine166 . Nach dem Mittag besuchte eine Gräfin von Rödelheim167 meine Tante. Wir widmeten uns der Handarbeit bis sechs Uhr und um diese Zeit fuhr die Gräfin wieder ab. Mit meiner Tante machten wir dann einen Ausflug in ihrem Wagen, um Frankfurt zu besichtigen. [I, 32']

Die schönste Straße von Frankfurt und auch diejenige, in der die größten Häuser stehen, heißt [Zeil]168. Nach diesem Ausflug fuhren wir nach Bockenheim zurück und aßen zu Abend.

Am 1. August169, nachdem wir mit der Prinzessin gefrühstückt hatten, erzählten wir ihr von unserer Absicht, sie noch am heutigen Tag oder am Tage darauf zu verlassen. Sie liess verstehen, dass sie gern Mannheim ein zweites Mal besuchen würde. Der Fürst bat sie darauf hin, diese kleine Reise mit uns zu unternehmen, und sie stimmte zu. Sofort wurde beschlossen, unmittelbar nach dem Mittagessen zu fahren. Wir fingen an zu packen und uns anzuziehen. Während ich damit beschäftigt war, betrat meine Tante mein Zimmer und schenkte mir zwei Ohrgehänge aus feinen Perlen. Es sind wunderbare Schmuckstücke, sowohl ihrer wunderbaren Größe als auch ihrer Qualität wegen. Ich musste ihr versprechen, sie im Besitz des Hauses von Anhalt zu lassen und stimmte dieser Bedingung zu.170 Nach drei Uhr am Nachmittag fuhren wir los. Meine Tante, der Fürst und ich saßen in einem Wagen, die Herren von Erdmannsdorff und Rackmann171 in einem zweiten und die zwei Zofen im dritten. [I, 34]

So kamen wir nach acht Uhr abends in Darmstadt an, das nur drei Meilen von Frankfurt entfernt ist. Wir schliefen in einem Haus und aßen ein ziemlich gutes Abendessen.

Am 2. [August] 172 setzten wir nach sieben Uhr morgens unsere Fahrt fort. Die erste Station war [Heppenheim], in dreieinhalb Meilen Entfernung. Ein armer bettelnder Alter spielte dort Harfe. + [I, 33]

173 + Dieser Weg ist vorzüglich schön. Er wird die Bergstrasse174 genannt. Auf der linken Seite sieht man stets fruchtbare Berge, wo Getreide und Wein angebaut werden. Wälder bedecken den größten Teil dieser Berge und ab und zu sieht man die Ruine einer alten Burg. Auf der rechten Seite liegen Felder und Wiesen. Der Weg ist von beiden Seiten von Nussbäumen gesäumt, von denen viele so hoch sind wie Eichen.

Von dort fuhren wir noch dreieinhalb Meilen bis Mannheim, wo wir gegen Mittag ankamen. Die Herberge, in der wir untergebracht waren, hieß der Prinz Karl175. Sofort nach unserer Ankunft aßen wir Mittag und da uns gesagt wurde, dass an diesem Tag eine französische Komödie in Schwetzingen176 gegeben werden sollte, und dass wir dort inkognito sein könnten, fuhren wir in einer Mietkarosse hin, meine Tante, der Fürst, Erdmannsdorff und ich. Die Straße zwischen Mannheim und Schwetzingen ist sehr angenehm: Es ist eine von Bäumen gesäumte Chaussee. Mit zwei Pferden brauchten wir zwei Stunden bis nach Schwetzingen. Die Komödie hatte bereits begonnen. Wie wir es gewünscht hatten, bekamen wir ganz oben in der dritten Etage eine vergitterte Loge. Ich wage zu behaupten, dass mir dieses Schauspiel nicht gefallen hat. Die jungen Prinzen177 und die Höflinge waren sehr neugierig, uns kennenzulernen. Sie waren sogar so unhöflich, sich uns in den Weg zu stellen, weil sie dachten, uns so treffen zu können. [I, 34']

Es war fast 10 Uhr, als wir zu unserer Unterkunft zurückkamen.

Am Vormittag des 3. [August] 178 fuhren wir zunächst verschiedene Modelle von antiken Statuen anschauen. Sie waren schön, aber ich war nicht übermäßig überrascht, denn ich hatte schon ähnliche bei meinem Fürsten gesehen. Dort sahen wir auch einige Skulpturen von Herrn Verschaffelt179, die allerdings nicht taugten, bis auf die Büste des Herzogs von Lothringen180, die ihm, nach dem was man sagt, sehr ähnlich ist. Im Übrigen war dieser Herr Bildhauer sehr arrogant: Er sprach von Cavaceppi181, als wäre dieser ein bloßer Statuenhändler und vom seligen Winckelmann182 sagte er nur eine große Grobheit. Hätte er diese über sich selbst gesagt, hätte man ihm nur schwerlich widersprechen können. Danach gingen wir zum Schloss, einem sehr geräumigen Gebäude, um uns zunächst die Bibliothek anzusehen, die sehr umfangreich ist.183 Der Saal ist groß und hat die Höhe von zwei Etagen. [I, 35] Die Bücher sind in drei Klassen eingeteilt (siehe den kleinen Almanach der Pfalz für das Jahr 69184). An beiden Enden des Saales stehen zwei große Tische, in der Mitte befindet sich ein großer Globus185, der das System von Kopernikus186 abbildet, und an den beiden Seiten sieht man weitere zwei Globen.

Von dort gingen wir in die beiden Zimmer, wo der Schatz aufbewahrt wird. Alles, was man darüber im oben erwähnten Almanach sagt, stimmt. Aber was ich am bemerkenswertesten fand und was man in diesem nicht erwähnt, ist ein großer Napf, eine große Schale187188189190191192193