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BEST PRACTICES

Hiebeler | Kelly | Ketteman

BEST PRACTICES

VON DEN BESTEN LERNEN

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Von den Besten lernen

© 2011 Midas Management Verlag AG
     ISBN 978-3-907100-14-1

ISBN 978-3-907100-14-1

© Midas Management Verlag AG

Hiebeler / Kelly / Ketteman:
Best Practices – Von den Besten lernen
St. Gallen/Zürich: Midas Management Verlag, 2011.

Printed in Germany

Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte und Bilder,
auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlages
urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die
Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in Kursunterlagen und elektronischen Systemen.

Verlagsanschrift:
Midas Management Verlag AG, Dunantstrasse 3, CH-8044 Zürich

INHALT

Vorwort

Einleitung

1 Die Sprache des Prozesses

Benchmarking und mehr

2 Hören heißt Glauben

Die Best-Practice-Prüfung

3 Bewegliche Ziele

Märkte und Kunden verstehen

4 »Zutritt nur für Mitarbeiter«

Weshalb Sie Ihre Kunden miteinbeziehen sollten

5 Viele Wege führen zum Kunden

Die Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen

6 Präsenz im Bewusstsein der Kunden

Kunden in die Produktauslieferung einbeziehen

7 Service mit Hingabe

Wie Sie Ihren Kunden am besten dienen

8 Die effektive Nutzung von Daten

Was fangen Sie mit den Kundendaten an?

9 Jetzt sind Sie an der Reihe!

Best Practices funktionieren auch in Ihrem Unternehmen

Die Autoren

Index

Vorwort

Bereits zu Beginn der Neunzigerjahre fiel bei der damaligen Arthur Andersen Consulting die Entscheidung, eine Wissensdatenbank mit sogenannten Best Practices von Unternehmen und Organisationen auf der ganzen Welt aufzubauen. Es war eine der besten Entscheidungen, die in meiner Zeit als Partner getroffen wurden. Vereinfacht ausgedrückt, stellen Best Practices die bestmöglichen Methoden dar, um einen Geschäftsprozess auszuführen. Bei unseren Umfragen und anderen Aktivitäten wollten wir insbesondere erfahren, welche Anstrengungen die Organisationen unternehmen, um die Kundenbeziehungen so optimal wie möglich zu gestalten. Wir haben unter anderem folgende Fragen gestellt:

Image Welche Grundsätze gelten für den Kundendienst?

Image Wie geht das Unternehmen auf Anfragen, Bitten und Beschwerden von Kunden ein?

Image Was tun Best-Practice-Unternehmen, um Mitarbeiter zu finden und zu schulen, die ihre Aufgaben im Kundendienst richtig verstehen?

Image Wie kann ein Unternehmen mit seinen Kunden im Team zusammenarbeiten, um Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, zu verbessern und zu vertreiben?

Image Welches ist die effizienteste und produktivste Methode, um Informationen über Kunden und ihre Kaufgewohnheiten, ihre Einstellungen und ihre Loyalität zu gewinnen und zu nutzen?

Unser Klassifikationssystem für die Best Practices basierte auf allgemeinen Prozessen, die in allen Unternehmen ausgeführt werden:

Image Märkte und Kunden kennen

Image Produkte und Dienstleistungen entwickeln

Image Produkte und Dienstleistungen vermarkten

Image Kundenbedürfnisse und -wünsche erfüllen

Image Produkte und Dienstleistungen zur Verfügung stellen

Image den Kunden dienen

Die Verknüpfung der Best Practices mit den Unternehmensaufgaben hat es uns ermöglicht, die besten Ideen einzelner Firmen in einen größeren Zusammenhang zu stellen und damit das so verbreitete Schubladendenken zu überwinden. Dieses Schubladendenken lässt Unternehmer oft annehmen, dass Personalleiter nur von anderen Personalleitern lernen können oder große Unternehmen – in bestimmten Branchen und an bestimmten Orten – sich nur mit ihresgleichen messen sollten. Wenn man jedoch anfängt, sich mit universalen Prozessen zu beschäftigen, eröffnen sich völlig neue Horizonte und Möglichkeiten.

Ich hoffe, dass dieses Buch den Leserinnen und Lesern hilft, ihre eigene Suche nach den bestmöglichen Methoden auf neue Grundlagen zu stellen. In den folgenden Kapiteln werden rund 40 Best Practices beschrieben, die von Mitarbeitern der Arthur Andersen Consulting in der ganzen Welt zusammengetragen wurden.

James D. Edwards

ehemaliger Managing Partner

Global Markets, Arthur Andersen

Anmerkung zur deutschen Ausgabe

Die Firma Arthur Andersen wurde 1913 von Arthur Andersen und Clarence DeLany als Andersen, DeLany & Co. gegründet und gehörte während fast 100 Jahren zu den großen Prüfungsgesellschaften mit Dienstleistungen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Unternehmensberatung. Der Hauptsitz befand sich in Chicago, Illinois. Wegen der Verstrickung in den Enron-Skandal war das Unternehmen ab 2002 nicht mehr tätig und die selbstständigen Ländergesellschaften gingen in der Folge mit verschiedenen Wettbewerbern zusammen.

Arthur Andersen und Andersen Consulting waren bereits vorher unabhängige Gesellschaften unter dem Dach der gemeinsamen Holding Andersen Worldwide Société Coopérative (AWSC) mit Sitz in der Schweiz. Im Jahr 2000 erreichte Andersen Consulting die gewünschte Trennung von Andersen Worldwide durch einen Schiedsspruch der Internationalen Handelskammer. Als Resultat der Trennung musste Andersen Consulting zum 1. Januar 2011 auf die Verwendung des Namensanteils Andersen verzichten. Das neue Unternehmen nennt sich seitdem Accenture und ist einer der weltweit größten Managementberatungs-, Technologie- und Outsourcing-Dienstleister mit rund 223.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 21,6 Milliarden Dollar im Geschäftsjahr 2010.

(Quellen: Wikipedia und www.accenture.com)

Einleitung

In Best Practices lüften wir viele Geheimnisse, die hinter dem Erfolg führender Unternehmen von heute stehen. Nachdem wir zahlreiche Klienten über Jahre hinweg beobachtet und dabei herausgefunden haben, wie sie ihre Best Practices immer weiter verbesserten, glauben wir und unsere Kolleginnen und Kollegen bei Arthur Andersen, dass die bestmöglichen Methoden nicht auf einzelne Unternehmen oder Branchen beschränkt sind, sondern auf große wie kleine Firmen übertragen werden können. Bei der Suche nach Best Practices geht es immer darum, über das eigene Unternehmen hinauszusehen. Dazu allerdings benötigt man einen übergreifenden und allgemeingültigen Rahmen, in dem Prozesse beobachtet und eingeordnet werden können.

Diese Vorgehensweise hat uns, um nur einige Beispiele zu nennen, folgende Einblicke verschafft:

Nike, Inc.

Innerhalb von nur zwei Jahren konnte Nike den Anteil des mit der Zielgruppe Frauen erzielten Umsatzes von 15 auf 65 Prozent steigern. Wie konnte das gelingen? Nike hatte eine Werbekampagne gestartet, in der gezielt Frauen angesprochen wurden. Die Kampagne, in der etliche gesellschaftliche Stereotypen über Bord geworfen wurden, hieß Dialogue und stellte Frauen als starke, zu Höchstleistungen fähige Sportlerinnen in bis zu 18 Seiten langen Anzeigen in Printmedien dar.

DHL (Malaysia)

DHL (Malaysia) fing mit vier Mitarbeitern an und stieg zu einem der größten Express-Luftfrachtunternehmen im Land auf. Heute werden drei Millionen Aufträge jährlich bearbeitet. Wie war dieser Erfolg möglich? DHL hat »ExpressLine« gegründet, einen Onlineservice, der den Kunden die Option bietet, ihre Sendungen sofort abholen zu lassen. Diese Aufträge gingen in ein unternehmensweites Informationssystem ein, das es DHL ermöglichte, nicht nur den Status eines jeden Frachtauftrags zu überwachen, sondern auch Informationen über die Kunden zu sammeln und auszuwerten, um den Service ständig zu verbessern.

Ritz-Carlton

Ritz-Carlton ist die einzige Hotelkette, der jemals ein Malcolm Baldrige National Quality Award verliehen wurde. Womit hat sich das Unternehmen diesen prestigeträchtigen Preis verdient? Zu den vielen vorbildlichen Methoden gehörte es etwa, dass in jedem Ritz-Carlton-Hotel täglich Berichte über 720 verschiedene Aufgabenbereiche erstellt wurden. So ermittelten die Hotelmanager, wie viel Zeit die Zimmermädchen für die Reinigung der Zimmer benötigen. Wenn ein Hotelpage zufällig hörte, dass ein Kunde zusätzliche Handtücher wünschte, gab er diese Information an einen Supervisor weiter, der sich um die Erfüllung des Wunsches kümmerte. Jeder Mitarbeiter trug ein Notizbuch bei sich, um sofort aufzuschreiben, wenn ihm Vorlieben von Gästen auffielen oder wenn er Beschwerden erhielt. Seine Beobachtungen gingen dann in die Datenbank des Unternehmens ein, wo sie weiter genutzt wurden.

American Express

Einem Boykott im Jahr 1991, mit dem ein Restaurant in Boston gegen die Arroganz und Inflexibilität von American Express protestierte, ist es zu verdanken, dass die Kreditkartengesellschaft eine umfassende Neubewertung ihrer Serviceabläufe durchführte. Drei Jahre später hatte sie 350.000 neue Händler gewonnen, die niedrigere Provisionen abführen mussten und einen besseren Service erhielten. Wie gelang American Express diese Kehrtwende? Das Unternehmen begann, täglich persönliche Gespräche mit unzufriedenen Kunden zu führen und mit den Händlern zusammenzuarbeiten, um denjenigen Endkunden Nachlässe und andere Belohnungen anzubieten, die ihre Einkäufe mit der American-Express-Karte bezahlten.

Varian Associates, Inc.

Ende der Neunzigerjahre gab das Marktforschungsunternehmen VSLI Research, Inc., bekannt, dass Varian Associates in Palo Alto unter sämtlichen Halbleiterherstellern weltweit den ersten Platz im Hinblick auf die Kundenzufriedenheit belegte. Was hatte Varian Associates unternommen, um so viele zufriedene Kunden zu gewinnen? Bei der Planung und Entwicklung einiger hoch spezialisierter Spektroskopiegeräte richtete das Unternehmen Fokusgruppen in Nordamerika, Europa und Australien ein, zu denen die Kunden der Wettbewerber ebenso wie Varians eigene Kunden gehörten. Bei Varian flossen die Vorschläge und Erkenntnisse dieser Kunden in die Produktentwicklung ein. Auf diese Weise entstanden Produkte, die leichter zu bedienen waren und den Kundenbedürfnissen optimal entsprachen.

Robert Bosch GmbH

Bei der Robert Bosch GmbH, dem weltweit führenden Hersteller von Elektronikbauteilen für die Autoindustrie, wie ABS-Systemen, Einspritzsystemen und Airbags, hat die Produktion fehlerloser Produkte schon immer sehr hohe Priorität. In der Fabrik in Eisenach wurde die Zahl der fehlerhaften Produkte innerhalb eines Jahres auf nur 300 pro eine Million gesenkt. Wie schaffte das Unternehmen diesen Erfolg? Es setzte funktionsübergreifende Teams ein, die für ihre jeweiligen Produktions- und Distributionsprozesse verantwortlich waren und jedes Detail ihres Arbeitsumfeldes kannten und überwachten.

Außerdem durchliefen potenzielle zukünftige Mitarbeiter ein strenges und unbezahltes Trainingsprogramm, das nicht einmal eine Beschäftigungsgarantie bot. Die Kandidaten befassten sich vierzehn Wochen lang abends drei Stunden mit der Unternehmensgeschichte, sie erlernten Techniken der Führungsarbeit, absolvierten Tests, führten Gespräche mit Supervisoren und lernten, wie man den Kunden besser zufriedenstellt. Teilnehmer, die zwei Abende verpassten, wurden aus dem Programm entlassen.

Holy Cross Hospital

Zwischen 1991 und 1994 schaffte das Holy Cross Hospital in Chicago den Sprung von einem Platz unter den schlechtesten 5 Prozent der Krankenhäuser in den USA zu den besten 5 Prozent. Wie kam dieser Wandel zustande? Es wurden neun »Kommandoteams« gebildet, in denen Mitarbeiter aller Krankenhausbereiche vertreten waren, die für die Lösung sämtlicher Probleme der Kunden – also der Patienten – zuständig waren. Eines der Teams beschäftigte sich etwa damit, alle Hindernisse zu finden, die einem guten Service im Weg standen, wie übermäßig lange Wartezeiten – in welcher Abteilung auch immer. So musste kein Patient mehr länger als zehn Minuten auf eine Röntgenaufnahme warten.

In Best Practices beschreiben wir die innovativen Methoden von über 40 Unternehmen. Dabei haben wir besonderes Augenmerk darauf gerichtet, darzustellen, wie diese Unternehmen ihre Kunden identifizieren, wie sie herausfinden, wie die Kunden die angebotenen Produkte und Dienstleistungen bewerten, und wie sie versuchen, ihre Bedürfnisse zu verstehen. Außerdem haben wir aus der Untersuchung von buchstäblich Hunderten von Unternehmen weltweit ein aus sechs Schritten bestehendes Schema abgeleitet, das die kundenorientierten Prozesse dieser Best-Practice-Unternehmen darstellt, um ihre Dienstleistungen zu verbessern, Partnerschaften aufzubauen und sich die Treue ihrer Kunden langfristig zu sichern.

Die meisten der heutigen Managementbücher versprechen ihren Lesern und Leserinnen ein Universalrezept – eine bahnbrechende Theorie oder eine Methode, mit der sie alle Probleme mit einem Schlag aus der Welt schaffen können. Sie halten sich erst gar nicht damit auf, die Abläufe zu verbessern, sondern empfehlen, einfach die Pferde zu wechseln und alles ganz anders machen. Aber in der Realität müssen Veränderungen nun einmal Schritt für Schritt erfolgen; die berühmten Quantensprünge sind die große Ausnahme.

Wir behaupten deshalb nicht, Ihnen in diesem Buch ein Universalrezept anzubieten. Was wir Ihnen jedoch bieten können, ist eine neue Methode, um geschäftliche Probleme zu untersuchen, und – das ist noch wichtiger – eine neue Methode, um sie zu lösen. Die folgenden Kapitel decken ein sehr breites Feld von Geschäftsprozessen ab und enthalten zahlreiche Beispiele für Best Practices und ihre Anwendungen. In jedem Kapitel konzentrieren wir uns auf die bestmöglichen Methoden für einen der oben genannten Prozesse und beschreiben, warum gerade sie die besten sind.

Schließlich präsentieren wir am Ende eines jeden Kapitels eine Best-Practice-Liste, in der die wichtigsten Merkmale des im jeweiligen Kapitel beschriebenen Prozesses noch einmal zusammengefasst werden. Das Kapitel wird schließlich mit einer Diagnose abgeschlossen – einer Liste von gezielten Fragen, um die Abläufe Ihres Unternehmens, bezogen auf den besprochenen Prozess, zu untersuchen. Diese Diagnose kann Ihnen helfen, die Leistung Ihres Unternehmens zu beurteilen und einzuordnen und es mit anderen Unternehmen zu vergleichen – unabhängig von der Branche. Danach können Sie die Bereiche benennen, in denen Verbesserungen erforderlich sind.

Wir haben in diesem Buch das Ziel verfolgt, Ihnen und Ihren Mitarbeitern zu helfen, Best Practices zu erkennen, zu analysieren und an die eigene Situation anzupassen.

1 Die Sprache des Prozesses

Benchmarking und mehr

Mobil Oil hätte vielleicht nie den richtigen Weg zu dem schnellen, freundlichen und kompetenten Service gefunden, den sich die Kunden wünschten, wären da nicht ein Boxen-Team, ein Hotelportier und ein Vertreter für Sanitärinstallationen gewesen.

Gab es ein besseres Vorbild als das Boxen-Team von Roger Penske, wenn man ein Auto zügig durch den Servicebereich schleusen wollte?

Immerhin benötigte Roger Penskes Team nur 15 Sekunden, um die Reifen zu wechseln, den Ölstand zu kontrollieren, den Tank zu füllen und die Windschutzscheibe zu reinigen. Natürlich lautete das Ziel der Mobil-Manager nicht, Autos derartig schnell durch ihre Tankstellen zu jagen. Sie interessierten sich jedoch dafür, welche Geheimnisse es dem Penske-Team ermöglichten, ihr Meisterstück an der Rennbahn abzuliefern.

Die Mobil-Manager gingen also auf die Rennbahn und beobachteten das Penske-Team bei der Arbeit. Sie nahmen Notizblöcke und Stoppuhren mit. Sie hörten zu, wie die Teammitglieder miteinander über Kopfhörer und Mikrofone kommunizierten. Von diesen Besuchen nahmen die Mobil-Manager viele Anregungen mit nach Hause, wie sie ihre Schulungen für Tankstellenwarte verbessern konnten. Wie bei Roger Penske wurden auch sie mit Kopfhörern ausgerüstet, damit die Kommunikation einfach und schneller vonstatten ging. Diesen Innovationen war es zu verdanken, dass die Kunden nunmehr über 30 Sekunden von den insgesamt drei Minuten sparten, die sie im Durchschnitt für einen Halt an einer Mobil-Tankstelle benötigten.

Gab es einen besseren Ort als die Ritz-Carlton-Hotels, wenn man ein Vorbild für freundlichen Service suchte?

Die Ritz-Carlton-Kette schult ihre Portiers darin, sich konsequent auf die Bedürfnisse der Gäste zu konzentieren. Also nahmen die Mobil-Manager an Schulungen der Hotelkette in Tysons Corner in Virginia teil und holten sich dort Ideen, wie man eine echte Servicekultur entwickeln konnte. Die neuen Anregungen führten schließlich zu einschneidenden Veränderungen in den Einstellungskriterien und Schulungsmethoden bei Mobil Oil.

Während Mobil Oil es früher als sehr wichtiges Kriterium betrachtet hatte, ob ein Bewerber Erfahrungen an der Kasse mitbrachte, suchte man nun ganz gezielt nach freundlichen Menschen, denen es tatsächlich Spaß machte, die Kunden zufriedenzustellen. Die Manager erkannten, dass jeder Angestellte den Umgang mit der Kasse schnell lernte, wenn er nur wollte, dass man aber niemandem die Freude am Umgang mit den Kunden beibringen konnte.

Gab es ein besseres Vorbild für zuverlässigen, kompetenten Service als die Abteilung für Sanitärinstallationen im Bau- und Heimwerkermarkt Home Depot?

Home Depot versucht, Kunden fürs Leben zu gewinnen. Dahinter steckt der Gedanke, dass ein Kunde, der ein einziges Mal von der Freundlichkeit und Verständnisbereitschaft eines Mitarbeiters in Erstaunen versetzt wurde, immer wiederkommt. Wenn ein Kunde eine Armatur kauft und versehentlich die Dichtung entfernt, bekommt er sie bei Home Depot ohne weitere Fragen ersetzt. In der Regel geben die Mitarbeiter in einem Home-Depot-Markt ohnehin schon beim Kauf Tipps zur Montage.

Nach dem Vorbild der Methoden bei Home Depot hat Mobil Oil das Programm Friendly Serve entwickelt, das unter anderem auch vorsieht, dass die Angestellten auf den Selbstbedienungsinseln eine Ölstandkontrolle und die Reinigung der Scheiben anbieten.

Mobil Oil hat sich große Mühe gegeben, die eigenen Best Practices zu identifizieren und mit denen anderer Unternehmen zu vergleichen. Bei diesem Vorgang können Unternehmen – ob von der Größe des Mobil-Oil-Konzerns oder eines Tante-Emma-Ladens – mittlerweile auf eine Wissensdatenbank von Arthur Andersen zurückgreifen, die über 3.000 Best Practices enthält und über hundert universale Geschäftsprozesse abdeckt. Wir nennen diese Datenbank Global Best Practices, und sollte Ihnen der Begriff global ein wenig übertrieben erscheinen, dann denken Sie an Folgendes: Arthur Andersen hat über 30 Millionen Dollar investiert, um einen Prozess in Gang zu setzen, in dessen Verlauf die Andersen-Mitarbeiter in 365 Büros auf allen Kontinenten ihr Wissen einbringen und unsere weltweite Wissensdatenbank ständig auf dem neuesten Stand halten.

In diesem Buch gehen wir mit unseren Methoden und Vorgehensweisen zum ersten Mal an die Öffentlichkeit und illustrieren sie mit repräsentativen Beispielen einiger Best Practices aus unserer Wissensdatenbank. Außerdem zeigen wir, wie diese Praktiken auf andere Unternehmen oder einzelne Abteilungen, unabhängig von ihrer Größe und Branche, übertragen werden können. Gleich zeitig geben wir viele Lektionen von allgemeinem Interesse weiter, die wir gelernt haben, als wir diese enorme Sammlung von Erfahrungen und Erkenntnissen in der Datenbank organisiert haben. Die Best Practices werden hauptsächlich durch Fallstudien illustriert. Wenn ein Bild so viel wie 1.000 Worte sagt, dann sagt eine Geschichte über eine Best Practice so viel wie 100 gute Ideen.

Ihren Anfang nahm die Wissensdatenbank Global Best Practices im Dezember 1991. Damals stellten wir bei Arthur Andersen fest, dass wir schon so viel Wissen über Best Practices besaßen, dass wir damit unseren Zehntausenden Klienten weltweit bereits einen beachtlichen Zusatznutzen bieten konnten. So fingen wir also 1991 an, unser Wissen über bestmögliche Methoden in unserer Wirtschaftsprüfungs- und Unternehmensberatungsarbeit einzusetzen. Im Laufe unserer Prüfungsaufträge verbrachten wir oft Hunderte, in manchen Fällen sogar Tausende von Stunden in den Büros, Fabriken und Niederlassungen unserer Auftraggeber, um geschäftliche und finanzielle Abläufe zu untersuchen. Die Ergebnisse, zu denen wir dabei kamen, wurden mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Rechnungslegung verglichen und bildeten die Grundlage für den Prüfungsbericht. So gestaltete sich bis dahin im Wesentlichen unsere Tätigkeit. Aber dann stellten wir fest, dass wir unseren Klienten einen deutlichen Zusatznutzen anbieten konnten, indem wir nämlich ihre individuellen Abläufe mit spezifischen Best Practices anderer Unternehmen verglichen.

Diese Idee eröffnete uns und unserer Arbeit ganz neue Dimensionen. Auch zuvor hatten wir unsere Klienten zwar schon über Best Practices in ihrer jeweiligen Branche informiert, aber wir waren uns bewusst, dass dies keinen wirklichen Mehrwert darstellte. Die Kenntnis der Best Practices der Konkurrenz bot keinerlei Hilfe dabei, sich im Wettlauf um die Marktanteile von den Konkurrenten abzusetzen. Was wir brauchten, war eine Methode, um Best Practices zu identifizieren, die nicht nur für eine einzelne Branche galten, sondern für alle Branchen, überall.

Wir beschlossen, uns dabei auf Prozesse zu konzentrieren. Gemeinhin werden Best Practices identifiziert, indem man die Produkte oder Dienstleistungen eines bestimmten Unternehmens sowie die jeweiligen Branchentrends unter die Lupe nimmt: Autohersteller analysieren andere Autohersteller und Einzelhändler andere Einzelhändler. Dieser branchenorientierte Ansatz verschafft sicherlich wichtige, doch letztlich sehr beschränkte Erkenntnisse. Unsere Erfahrung hat uns jedoch gelehrt, dass sich Best Practices auf eine Vielzahl von Branchen übertragen lassen.

Ebenso werden Best Practices gemeinhin durch die Linse der Unternehmensfunktionen untersucht: Forschung und Entwicklung, Produktion, Vertrieb und andere Aufgaben. Aber diese an den Funktionen orientierte Methode beschränkt die Anwendung der Best Practices auf einen Teil eines Prozesses, wodurch wiederum ihre Wirkung begrenzt wird. Wir glauben, dass man Best Practices immer vor dem Hintergrund der universalen Prozesse betrachten und anwenden sollte – und zwar Schritt für Schritt auf dem Weg zu einem festgelegten Ziel. Ein »universaler« Prozess ist nicht spezifisch für eine bestimmte Branche oder geografische Region, sondern wird aus der eingehenden Beobachtung und Analyse vieler verschiedener Unternehmen abgeleitet und dann auf einzelne Unternehmen oder Branchen übertragen und – wenn notwendig – angepasst.

Eine universale Definition der Best Practices überwindet die Grenzen einer branchen- oder funktionsorientierten Perspektive. Da universale, an Prozessen orientierte Best Practices leichter in allgemeinen als in branchenspezifischen Begriffen beschrieben werden können, sind sie flexibler und lassen sich einfacher an die unterschiedlichsten Geschäftssituationen anpassen. Wenn die Branchengrenzen keine Rolle mehr spielen, eröffnet die Prozessperspektive ein größeres gemeinsames Spielfeld und ebnet den Weg zum freien Austausch kreativer Lösungen.

Wir erhalten Anrufe von Unternehmensführern aus aller Welt, die auf der Suche nach bestmöglichen Methoden sind. Solange sie allerdings nicht die Sprache des Prozesses sprechen, können wir nicht viel für sie tun. »Haben Sie Best Practices für Hühnerfarmen in Australien?«, fragen sie uns. Und wir antworten: »Einen Augenblick, bitte. Welchen grundlegenden Prozess möchten Sie denn verbessern? Welchen Bestandteil davon? Welchen Interessensgruppen möchten Sie besser dienen?« Und wenn der Anrufer seine Frage in den Zusammenhang eines Prozesses gestellt hat, müssen wir ihm vielleicht erklären, dass die besten Praktiken für logistische Abläufe in australischen Hühnerfarmen möglicherweise bei der Dell Computer Corporation oder Entenmann’s Bakery zu finden sind.

Unser erster Schritt beim Aufbau der prozessorientierten Wissensdatenbank Global Best Practices bestand darin, die zentralen Geschäftsprozesse zu definieren, für die wir Best Practices sammeln wollten. Wir wollten nicht nur die universalen Prozesse hervorheben, sondern auch jene, die für die einzelnen Unternehmen von besonderer Bedeutung waren. Wir arbeiteten auch eng mit International Benchmarking Clearinghouse zusammen, einer Non-Profit-Organisation mit Sitz in Houston, die 1992 mit dem Ziel gegründet wurde, eine Klassifizierung der universalen Prozesse zu entwickeln. Wir identifizierten schließlich 13 Hauptprozesse und 260 Unterprozesse. Wir betrachten diese Kategorisierung als Standard zur Klassifikation von Geschäftsprozessen, analog zum Standardsystem für die Klassifikation von Branchen.

Die meisten Hauptprozesse definieren die wesentlichen Ab läufe in einem Unternehmen, wie etwa folgende:

Image Märkte und Kunden kennen

Image Produkte und Dienstleistungen entwickeln

Image Produkte und Dienstleistungen vermarkten

Image Produkte und Dienstleistungen herstellen

Image Produkte und Dienstleistungen zur Verfügung stellen

Image Kundenservice bieten

Neben diesen grundlegenden Abläufen gibt es Führungsprozesse und unterstützende Prozesse, die den Nutzen von Informationen und Technologien, finanziellen und physischen Ressourcen sowie vielen anderen Elementen maximieren.

Unser zweiter Schritt bestand darin, durch die Einteilung der Hauptprozesse ein möglichst großes Netz für Best Practices auszuwerfen. Wir haben die verfügbare Literatur durchforstet, Experten zu jedem Hauptprozess angehört und Best-Practice-Informationen aus den Reihen unserer 50.000 Mitarbeiter auf der ganzen Welt eingeholt.

In der Vergangenheit wäre die Erfassung so umfassender Informationen praktisch unmöglich gewesen. Das Wissen von Arthur Andersen war zum einen in den Köpfen der einzelnen Mitarbeiter, zum anderen in ihren riesigen Aktenschränken lokalisiert. Tauchte bei einem Klienten ein bestimmtes Problem auf, dann beratschlagten wir uns eben mit einem Mitarbeiter, der Klienten in derselben Branche beriet. Aber diese Methode funktionierte natürlich nur so lange, wie es einen kompetenten Mitarbeiter gab und dessen Wissen auch noch »übertragbar« war. Oft war es also Glückssache, ob wir zum Ziel kamen.

All das begann sich zu ändern, als wir unsere Wissensdatenbank Global Best Practices mit ihren 1,2 Gigabyte und 30.000 Seiten schufen. Heute gehört Global Best Practices zu den Meilensteinen in der Geschichte von Arthur Andersen. Die Datenbank ermöglichte es uns, Tausenden von Unternehmen in aller Welt zu helfen.

In diesem Buch wird eine Vielzahl spannender und aufschlussreicher Best Practices beschrieben, die natürlich nicht immer automatisch auf jede Situation übertragen werden können. Schließlich wollten wir kein zentnerschweres Buch verfassen. Deshalb führen wir ausgewählte Beispiele von Unternehmen an, welche die zentralen Punkte der Best Practices verstanden und sie erfolgreich auf ihre Abläufe angewandt haben. Hier sind ein paar Beispiele:

1. Granite Rock

Die Manager des Unternehmens Granite Rock, das einen Baustoffhandel betreibt sowie selbst als Bauunternehmer auftritt, erkannten die Unzulänglichkeit der Prozesse, wenn Kunden auf das Gelände fuhren, Kies oder anderes Material in Empfang nahmen und die notwendigen Papiere ausfüllten. In der Regel wurde die Menge des Baumaterials ebenso einfach wie ungenau bestimmt, indem nämlich die auf den Lkw entleerten Baggerschaufeln gezählt wurden. Der ganze Vorgang nahm bis zu 30 Minuten in Anspruch, verursachte einen großen bürokratischen Aufwand und öffnete Irrtümern Tür und Tor.

Granite Rock führte eine Best-Practice-Prüfung dieses Prozesses durch und stieß dabei auf eine Idee, die dem Prinzip der Geldautomaten von Banken nachempfunden war. Steine sind zwar schwerer als Bargeld, aber das Prinzip bleibt dasselbe: Die Fahrer parkten ihre Lkws auf einer elektronischen Waage, schieben ihre Datenkarte in ein Lesegerät und geben die benötigte Art und Menge des Materials ein. Dann ging es weiter zu einer Beladungsanlage, wo die gewünschte Menge automatisch geladen wurde. Durch dieses System wurde die durchschnittliche Verweildauer der Lkws von 24 Minuten auf sieben reduziert und der Steinbruch konnte fortan 24 Stunden am Tag an sieben Tagen in der Woche öffnen.

2. GTE

Als die Manager des Telekommunikationskonzerns beschlossen, den Prozess der Rechnungsstellung zu verschlanken und zu vereinfachen, um Fehlerquellen zu beseitigen, fragten sie sich: »Wo sonst noch muss eine so enorme Anzahl von Transaktionen mit hundertprozentiger Genauigkeit bewältigt werden?« Anstatt also Best Practices in einem anderen Kommunikationsunternehmen zu suchen, formulierten die GTE-Manager ihr Problem im Sinne eines Prozesses und warfen ihre Netze viel weiter aus. So stießen sie auf die Securities Industry Automation Corp. (SIAC), die zwischen 400 und 600 Millionen Transaktionen pro Tag für die New Yorker Börse aufzeichnet.

Während nun große Unterschiede zwischen der Abwicklung von Aktiengeschäften und der Erstellung von Telefonrechnungen zu bestehen scheinen, gilt dies nicht für den zugrunde liegenden Prozess bei SIAC und GTE. SIAC hatte herausgefunden, wie man diesen Prozess effizient und absolut zuverlässig ausführt. Genau dieses Wissen benötigte GTE für die Erneuerung der Abläufe zur Rechnungserstellung.

Es versteht sich von selbst, dass die GTE-Manager die SIAC-Lösung nicht einfach kopieren konnten. Vielmehr mussten sie zunächst einmal die Lücke zwischen dem SIAC-System und ihrem eigenen System analysieren und dann kreative Wege suchen, um die Best Practice von SIAC an die eigenen Gegebenheiten anzupassen. Wie sich herausstellte, verfügte SIAC über eine einzigartige Eingabevalidierungsroutine, die für GTE sehr nützlich war.

Als die GTE-Manager zu einem späteren Zeitpunkt Probleme im technischen Support- und Reparatursystem feststellten, beschäftigten sie sich mit den Methoden bei der Otis Elevator Company, die einen fast narrensicheren Prozess für ihr Callcenter entwickelt hatte. Mit Hilfe von Datenbanken können sämtliche Informationen zu den einzelnen Aufzügen, die das Unternehmen jemals eingebaut hat, abgerufen werden, und bei notwendigen Reparaturen wird der für den Service verantwortliche Techniker angepiepst. Ein einziger Anruf genügt, um den Reparaturprozess in Gang zu setzen.

Im Laufe unserer Arbeit bei Arthur Andersen haben wir herausgefunden, dass die Fähigkeit, die Kernpunkte einer Best Practice zu begreifen und sie dann als Katalysator der Leistungsverbesserung zu verwenden, erlernbar ist. In diesem Buch zeigen wir Ihnen anhand von Regeln und Beispielen, was dabei zu beachten ist.

Seit dem Beginn der Initiative Global Best Practices sind wir oft gefragt worden, welche »globalen Lektionen« wir gelernt und welche neuen Einblicke wir gewonnen haben, die Führungskräften und Unternehmensleitern die Richtung weisen könnten. Nachdem wir lange über diese Fragen nachgedacht hatten, kristallierte sich tatsächlich ein Muster aus den Tausenden Best Practices und Unternehmen heraus. Es besteht aus drei universalen und dauerhaft gültigen Botschaften. Die erste lautet:

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Wir haben festgestellt, dass Best-Practice-Unternehmen ständig nach Methoden suchen, um ihre Produkte und Dienstleistungen sowie ihre Beziehungen zu Lieferanten und Kunden noch weiter zu verbessern. Ihre Manager halten ständig die Augen offen, um zu sehen, was es Neues gibt und ob es ihnen nützen könnte. Sie achten auf alle Arten von Veränderungen, ob revolutionäre oder scheinbar unbedeutende, und fragen sich, welche Auswirkungen sie auf die Wünsche der Verbraucher haben könnten.

Täglich müssen wir uns in einem so hart umkämpften, wechselhaften und unberechenbaren Geschäftsumfeld behaupten, dass wir für andere wichtige Einflüsse leicht blind werden. Neue Technologien tauchen über Nacht auf – zumindest scheint es oft so – und verändern die Wettbewerbsbedingungen radikal. Das Internet wurde für die Wissensunternehmen das, was die Elektrizität für die Industriewirtschaft war. Neue Konkurrenten besetzten Nischen mit maßgeschneiderten Produkten und Preisen, um die lukrativsten Kunden abzuschöpfen. Das bedeutet, dass Manager hochsensible Antennen ausfahren müssen, um zu erkennen, was in der Dunkelheit hinter dem nächsten Hügel liegt. Wenn sie lernen, vorauszuahnen, woher die nächste Herausforderung kommt, wer ihr nächster Geschäftspartner sein wird und welche neuen Kunden sie gewinnen, sind sie auf diese Unwägbarkeiten viel besser vorbereitet.

Vor diesem Hintergrund überrascht es auch nicht, dass diejenigen Unternehmen, die sich am erfolgreichsten auf Veränderungen einstellen, auch diejenigen sind, denen gar keine andere Wahl bleibt. So kann es sich in der Elektronikbranche, in der die Produktlebenszyklen 12 bis 18 Monate betragen, niemand leisten, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen. Vielmehr richten diese Unternehmen ihre Antennen immer genauer aus, und sie suchen ständig neue Wege, um ihre Prozesse zu verbessern und zu beschleunigen. Ein Unternehmen, das davon lebt, dass es Pakete zuverlässig über Nacht ausliefert, behält ständig die neuen Entwicklungen in den Bereichen Logistik, Rechnungsstellung und Kundenverkehr im Auge, denn sonst würde es nicht überleben. Einfach ausgedrückt: Wer in einem bestimmten Prozess Spitzenleistungen zeigen muss, verfügt meist auch über die Best Practices in diesem Bereich.

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Mag sein, dass diese zweite für Best-Practice-Unternehmen typische Botschaft in nahezu jedem beliebigen Jahresbericht stehen könnte. Die XYZ, Inc. ist »kundenorientiert … behandelt Mitarbeiter als ihren wichtigsten Aktivposten … geht Partnerschaften mit ihren Lieferanten ein … maximiert die Rendite für die Aktionäre … und verhält sich umweltbewusst«. Aber in den besten Unternehmen sind diese Botschaften eben mehr als bloße Lippenbekenntnisse.

Das Produktionsunternehmen AMP, Inc. wählt seine Lieferanten nach ihrem Platz auf einem intern erstellten Index aus, der alle Kosten berücksichtigt, die im Rahmen dieser Geschäftsbeziehung anfallen, und zwar nicht nur die Produktkosten, sondern auch die Kosten für Qualität, Lieferung und Zuverlässigkeit in allen Bereichen der Zusammenarbeit. Die Lieferanten auf den oberen Plätzen werden mit Mehrjahresverträgen belohnt, die sie zu echten Partnern des Produktionsunternehmens machen. Sie verpflichten sich zu einer Philosophie des dauerhaften Qualitätsmanagements, während der Hersteller verspricht, sie bei der Verbesserung der entsprechenden Prozesse zu unterstützen.

Die meisten Unternehmen betonen, wie wichtig ihre Beziehungen zu den Kunden seien. Aber das volle Potenzial der Kundenbeziehung kann nur erschlossen werden, wenn auch andere Gruppen in diese Bemühungen einbezogen werden. Mit unzufriedenen, unterbezahlten und überarbeiteten Mitarbeitern an der Kundenfront kann man keine zufriedenen Kunden gewinnen, sondern nur eine wachsende Armee von Ex-Kunden. Deshalb ist das Wechselspiel der Beziehungen zwischen Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern ein heikler Balanceakt, der eine ständige Überwachung und Verbesserung erfordert.

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Best-Practice-Unternehmen bauen starke, dauerhafte Beziehungen auf, indem sie sich auf die Förderung des Vertrauens und der Kommunikation zwischen sich und ihren Zielgruppen konzentrieren. Dieses Vertrauen ermöglicht den Ausbau und die Vertiefung der Beziehungen.

Die dritte Botschaft schließlich verlangt, Unternehmensprozesse als eine Reihe von Schritten auf dem Weg zur Erfüllung bestimmter Aufgaben zu betrachten – wie Kundendienst oder Umweltschutz. Die Schritte, die ein Unternehmen unternimmt, um einen guten Kundendienst zu gewährleisten, können sich, oberflächlich betrachtet, von denen eines anderen Unternehmens unterscheiden, aber es gibt grundsätzliche Gemeinsamkeiten. Das eine Unternehmen mag Prototypen planen und bauen, während sich ein anderes darauf konzentriert, sein bestehendes Warenangebot zu verbessern, doch beide durchlaufen denselben Prozess: Sie entwickeln Produkte und Dienstleistungen. Diese Gemeinsamkeit eröffnet eine Fülle von Möglichkeiten.

Die Prozessperspektive überwindet interne funktionale Grenzen und ermöglicht es damit den Managern, ihr Unternehmen zum ersten Mal als Ganzes zu sehen – ohne die Trennlinien durch Divisionen, Titel und Produktlinien. Sie erlaubt es ihnen, jeden Prozess aufzuzeichnen, jeden Schritt auf dem Weg zum Ziel nochmals zu prüfen und dabei genau herauszufinden, wo Verbesserungen möglich sind.

Wenn wir in diesem Buch den Begriff der Best Practices verwenden, soll das nicht heißen, dass bestimmte bestmögliche Praktiken in jeder Situation funktionieren. Bestmöglich ist ein kontextabhängiger Begriff und bedeutet, dass eine Methode »am besten für Sie« ist – im Kontext Ihres Unternehmens, Ihrer Unternehmenskultur, Ihrer technologischen Umgebung und Ihrer Wettbewerbsstrategien.

Der Zweck dieses Buches besteht nicht darin, Ihnen vorzugaukeln, dass es perfekte Lösungen gäbe, die von einem Hotel auf eine Stahlfabrik übertragen werden könnten. Solche Fälle sind extrem selten. Wir beabsichtigen vielmehr, Sie mit neuen Ideen und Einsichten zu stören. Den Begriff stören verstehen wir dabei als etwas Positives: Alle kreativen Ideen und Erkenntnisse haben ihren Ursprung in den Köpfen von Menschen, die entweder unzufrieden mit ihrem Umfeld sind oder sich davon verwirrt fühlen. Dieser Widerspruch und diese Spannung erzeugen in ihnen den Wunsch nach Lösungen. Manchmal finden sie diese in einer plötzlichen Eingebung, manchmal müssen sie sich die Lösung durch monatelanges Ausprobieren erarbeiten. Der griechische Mathematiker und Physiker Archimedes, der herausfinden wollte, ob eine Krone aus reinem Gold oder aus einer Legierung mit Silber bestand, erkannte auf dem Weg ins öffentliche Bad plötzlich, dass Gold weniger Wasser verdrängte, da es eine höhere Dichte als Silber hatte. Der Legende zufolge soll er in der Aufregung seiner Entdeckung splitternackt nach Hause gelaufen sein und gerufen haben: »Heureka!« (»Ich hab’s gefunden!«)