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Sir Arthur Conan Doyle’s

SHERLOCK HOLMES

»Die neuen Fälle«

Band 5

 

DAS BILDNIS
DER DORIA
HAMILTON

 

von

AMANDA McGREY

 

IMPRESSUM

 

Sir Arthur Conan Doyle’s

SHERLOCK HOLMES

Herausgeber: ROMANTRUHE-Buchversand.

Cover: Romantruhe.

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ROMANTRUHE-BUCHVERSAND.

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Sie ging in die Kapelle und stieg in das Bild.

Bild vorhanden – Doria fort – völlig irrational!

Bin um 11 Uhr 30 bei ihnen.

 

Spencer

 

 

Ich schaute von dem Brief auf, den Holmes mir über den Frühstückstisch geschoben hatte.

»Er kam mit der Frühpost, Watson.«

Ich schüttelte den Kopf. »Was soll man damit anfangen?«

Sherlock Holmes begann, gemächlich seine Morgenpfeife zu stopfen. »Warten wir ab, was Mr. Spencer uns außer diesen Bruchstücken in dem Schreiben noch zu sagen hat. Spekulieren würde immer in die falsche Richtung führen.«

Ich lud mir noch eine Portion Spiegeleier auf den Teller. Mrs. Hudson hatte uns wieder ein hervorragendes Frühstück gezaubert.

Ferner Donner zeugte von einem aufziehenden Unwetter an diesem Oktobermorgen des Jahres 1894.

Meine Kriegsverletzung hatte den Wetterumschwung bereits lange angekündigt. Jetzt war es soweit.

Der Himmel bezog sich und bald klatschten – unterbrochen von Donner und Blitz – die ersten fetten Regentropfen gegen die Scheiben unseres gemütlichen Heims in der Baker Street 221b.

Ich muss gestehen, ich fühlte mich richtig geborgen.

Die alte Wanduhr wies uns die Zeit. Es waren noch gut zwei Stunden, bis dieser mysteriöse Mr. Spencer eintreffen würde.

Da vernahmen wir die Türglocke und bald erschien Mrs. Hudson mit einem Telegramm.

Holmes nahm die Pfeife aus dem Mund und brummte: »Von Mycroft … Himmel, muss denn das Empire immer brennen?«

Er riss den Umschlag auf und las.

Endlich meinte er: »Hören Sie sich das an, guter Doktor. Lady Curson verschwunden. Katastrophe. Papiere verschollen. Brauche Dich! – Mycroft.« Er lachte leise auf. »Als Nachsatz steht hier: Sofort!«

Ich nahm einen Schluck Kaffee – wir beide liebten das territoriale Getränk mehr als das der Insel – und bemerkte dann: »Wenn Bruder Mycroft Sie ruft, ist es immer ernst.«

Sherlock Holmes nickte. »Leider! Also …«, er stand auf, »lassen Sie uns dem Unwetter trotzen und nach Whitehall aufbrechen.«

Eine halbe Stunde später standen wir in der Empfangshalle des Diogenes Clubs.

Offiziell handelte es sich um einen Club von Exzentrikern, die hier eine Oase der Ruhe suchten. Es war bei Club-Ausschluss verboten, eines der Mitglieder anzusprechen. Das Gerücht ging um, man habe einmal erst nach einer Woche bemerkt, dass eines der Club-Mitglieder in seinem Sessel einem Herzinfarkt erlegen war. Und das auch nur, weil einer Ordonnanz auffiel, dass das Cognacglas sich immer noch halb gefüllt zeigte. Aber – wie gesagt – es handelt sich um ein Gerücht.

Gesprochen werden durfte nur im sogenannten ›Sprechzimmer‹.

Nun – ich wusste inzwischen, dass hier im Diogenes Club in Wahrheit die wichtigsten Geheimnachrichten des Empire einliefen. Mycroft Holmes war der Mann, der in der Lage war, alle Nachrichten auf einen Nenner zu bringen und auszuwerten.

Er besaß den messerscharfen Verstand, der auch Sherlock auszeichnete. Jedoch gab es körperlich keine Übereinstimmung. Sherlock – asketisch schlank, Mycroft – füllig und eher behäbig. Ein reiner Kopfmensch.

Daher brauchte er oftmals Sherlock. Einen Mann der Tat.

Die Ordonnanz führte uns rasch in das bereits genannte Sprechzimmer.

Mycroft wirkte erstmalig, seitdem ich ihn kennengelernt hatte, leicht fassungslos. Ohne Begrüßung rief er seinem Bruder zu: »Sherlock – wir stehen am Abgrund!«

Dann erst besann er sich und blickte in meine Richtung. »Verzeihung, Dr. Watson, aber es ist außergewöhnlich!«

»Na, na«, machte mein Freund Sherlock Holmes. »So aus dem Häuschen kenne ich dich gar nicht. Was ist passiert?«

Der korpulente Mycroft schnaufte, dann bedeutete er uns, in der Sitzecke Platz zu nehmen. Die Ordonnanz kredenzte Sherry.

Mycroft zündete sich eine Zigarre an, deren Kaufpreis sicherlich ein Viertel meiner Kriegsrente ausmachte. Nach einigen mächtigen Zügen fragte er heiser: »Sagt dir das Southampton-Konzept etwas, Sherlock?«

Mein Freund lächelte. »Tut mir leid, Mycroft. Politik gehört nicht zu meinem Interessengebiet.«

Mycroft schloss kurz die Augen. Dann erklärte er leise: »Es handelt sich dabei um das Ergebnis einer Konferenz zwischen Kaiser Wilhelm von Deutschland und … seiner Großmutter – unserer Königin –, das besagt, dass es im Falle eines Eingriffs Russlands in Schlesien zu einer Sperrung der Ostseehäfen kommen wird. Durch zwei Bruce-Padington-Unterseeboote. Du erinnerst dich daran, dass die Pläne des ersten U-Bootes auf mysteriöse Art verschwanden. Du beschafftest sie wieder.«

Sherlock Holmes stopfte konzentriert seine Pfeife und nickte dazu.

»Sind die Pläne wieder verschwunden?«, warf ich die Frage ein.

Mycroft schüttelte unwirsch den Kopf. »Das wäre zum jetzigen Zeitpunkt kein Problem. Aber es gibt jemanden, der weiß, dass die beiden Unterseeschiffe in der Ostsee sind. Wir haben sie auf geheimen Wegen vor einem Jahr dort hingebracht und gut getarnt.«

»Aha«, machte Sherlock Holmes zwischen zwei Rauchwolken aus seiner Pfeife. »Aber ich nehme an, das bereitet dir weniger Sorgen.«

»Richtig!«, bestätigte Holmes der Ältere. »Es geht um eine Abschrift des Abkommens. Lady Curson – eine Nichte des Premierministers – besaß es zur Aufbewahrung und sollte es nach Berlin bringen. Man wählte diese Dame, weil es uns am unauffälligsten schien. Nun – Lady Dorothea Curson ist spurlos verschwunden. Seit zwei Tagen und mit ihr das Abkommen.«

Mycroft zog heftig an seiner Zigarre. »Wir müssen davon ausgehen, dass sich die Abschrift auf dem Wege nach Sankt Petersburg befindet.«

Erschöpft lehnte sich Mycroft in seinem Sessel zurück.

Mein Freund hatte die schmalen Klavierspieler-Hände gefaltet. Die Pfeife hing in seinem rechten Mundwinkel, die Augen hielt er geschlossen.

Schweigen lag über dem Raum.

Endlich bewegte Sherlock Holmes die schmalen Lippen. »Wenn sich das Papier auf dem Weg nach Russland befindet, lieber Bruder – dann weiß ich nicht, was ich noch tun könnte.«

Mycroft rang die Hände. »Vielleicht ist es ja noch nicht zu spät. Möglicherweise befindet sich das Dokument noch in London oder auf der britischen Insel.«

»Wo wohnt … wohnte Lady Curson?«

»Am Eaton Place Nummer Zwölf.«

Sherlock Holmes stand rasch auf. »Gut! Ich werde mein Möglichstes tun.«

Mycroft winkte schlaff mit der rechten Hand. »Das ist nicht genug.«

Mein Freund nahm die Pfeife aus dem Mundwinkel. »Wir werden sehen. Kommen Sie, Doktor!«

Wenig später ratterten wir mit einer Droschke durch den Regen. Zu meiner Verblüffung führte der Weg aber nicht zum Eaton Place, sondern zur Baker Street.

Auf meine Frage entgegnete Sherlock Holmes. »Ich hoffe, Mrs. Hudson konnte unseren Besucher aufhalten.«

Ich blickte erstaunt. »Was hat das mit diesem Fall zu tun? Ist es nicht wichtiger …?«

Sherlock Holmes unterbrach mich. »Später, guter Freund, später!«

 

*

 

Unser Besucher, das sah ich an dem großen Alabaster-Aschenbecher, hatte in der Zwischenzeit sechs Zigaretten geraucht.

»Verzeihen Sie, Sir, dass Sie warten mussten. Eine dringende Angelegenheit …« Sherlock Holmes nahm die Whiskyflasche aus dem Regal mit den abgeschlossenen Akten und schenkte ein.

»Nehmen Sie wieder Platz. Ist Spencer ihr Nachname oder Vorname?«, setzte er fragend hinzu. Dann lächelte er und bemerkte: »Natürlich! Sir Edward Spencer – Vierter Lord of Greenwich Manor. Neffe des Lord Staatssekretärs Ihrer Majestät. Sie kommen direkt von Balmoral, wie ich sehe.«

Unser Gast, ein großer stattlicher Mann von vielleicht dreißig Jahren, versteifte sich und blickte Holmes verblüfft an. Der kicherte nur.

»Entschuldigen Sie, Sir – aber mein Freund Dr. Watson kennt mein Faible für solche Dinge. Der Falt-Fahrplan der Royal Railroad guckt ein Stück aus Ihrer Jackentasche und der Zug 14 Uhr 37 nach Ballater ist angekreuzt.«

»Ach so … ja …« Der junge Mann wirkte leicht verwirrt.

Holmes lehnte sich zurück. »Ihr Brief ist sehr rätselhaft.«