image

image

(Foto: Alison Marburger)

Dr. Ruth Katzenberger-Schmelcher,
Yvonne Katzenberger
und Helene Kohlschmid

Kleine Reiter –
ganz
GROSS

So lernen Kinder
das Pferde-Abc

image

Haftungsausschluss

Autorinnen und Verlag haben den Inhalt dieses Buches mit großer Sorgfalt und nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt. Für eventuelle Schäden an Mensch und Tier, die als Folge von Handlungen und/oder gefassten Beschlüssen aufgrund der gegebenen Informationen entstehen, kann dennoch keine Haftung übernommen werden.

Sicherheitstipps:

Achten Sie bitte immer auf entsprechende Sicherheitsausrüstung: Handschuhe und feste Schuhe bei der Bodenarbeit; Reithelm, Reitstiefel/-schuhe und gegebenenfalls eine Sicherheitsweste beim Reiten.

IMPRESSUM

image

Titelgestaltung und Layout: ravenstein2.de

Druck: Graspo CZ, a.s., Tschechische Republik, www.graspo.cz

Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme

Alle Rechte vorbehalten.

Abdruck oder Speicherung in elektronischen Medien nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung durch den Verlag.

Printed in Czech Republic

ISBN: 978-3-8404-1527-2
eISBN: 978-3-8404-6464-5

INHALT

Helm auf, ab aufs Pferd?

Der Traum vom gelassenen Kinderpferd

Anforderungen an ein Kinderpferd

Gelassenheit – für Pferd und Trainer

Die Gesunderhaltung des Kinderpferdes

Kinder – besondere Schüler im Reitstall

So lernen Kinder

Früh übt sich!

Das Vertrauensverhältnis zwischen Kind und Trainer

Stallrituale

Stallregeln

Das Auge schulen – Kinder und Pferde richtig einschätzen

Werkzeuge, Arbeitsumgebung und Ausrüstung

Werkzeug für kleine Hände

Das richtige Putzzeug

Pferdeausrüstung

So klappt’s mit der Ordnung

Trainingsequipment: Must-haves!

Die Kommunikation am Boden

Das Pferd kennenlernen

Die Sache mit der Körpersprache

Führtraining

Das Pferd kontrolliert bewegen

Hits für Zirkuskids!

Gundsätzliches zu vierbeinigen Clowns

Das Erlernen der einzelnen Zirkustricks

Und nun mit den Kids!

Auf dem Pferderücken

Das Körpergefühl schulen

Der hölzerne Freund

Von wegen wackelig! Kleine Reiter auf dem Pferd

Noch nicht genug? – Weitere Spielideen

Standing tall! – Spiele am stehenden Pferd

Pony, marsch! – Spiele mit dem geführten Pferd

Hoch zu Ross! – Spiele auf dem Pferd

Und wie geht es weiter?

Danksagung

Stichwortregister

image

(Foto: Alison Marburger)

image

(Foto: Alison Marburger)

HELM AUF, AB AUFS PFERD?

Schon wieder ein Buch zu Reiterspielen und Reitunterricht? Nicht so ganz! Pferde ziehen Kinder fast magisch an – und auch wir gehörten einmal zu den pferdeverrückten kleinen Mädchen. Die Idee zu diesem Buch entstand aus unseren eigenen leidvollen Erfahrungen in den ersten Reitstunden, denn diese waren weitaus weniger magisch als erwartet: Wir wurden auf – aus unserer damaligen Sicht – störrische, unwillige Ponys gepackt und los ging es mit dem Abteilungsreiten. Dass mindestens ein kleiner Reiter während der Stunde wenigstens einmal vom „fiesen“ Pony katapultiert wurde, versteht sich von selbst. Erklärtes Ziel war es, sich irgendwie und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln auf dem Pferderücken zu halten – nicht nur, um sich vor einem Sturz zu schützen, sondern auch, um dem strengen Zorn der militärisch anmutenden Reitlehrerin zu entgehen. Heute fragen wir uns: Warum hat uns damals niemand erklärt, dass unser „ungezogenes“ Pony einen Grund hatte zu buckeln? Warum hat uns niemand gelehrt, dass ein Pferd weitaus mehr Bedürfnisse hat, als gefüttert zu werden? Warum hat uns niemand gesagt, dass der Umgang mit Pferden so viel mehr Facetten hat, und nicht allein darin besteht, gertenschwingend auf einem stramm ausgebundenen Schulpony zu sitzen? Und müssen wir uns wundern, wenn Kinder entweder schnell die Lust am Pferdesport verlieren oder aber zu Reitern werden, die sich nicht scheuen, Gewalt am Pferd anzuwenden, um sich „durchzusetzen“?

Leider hat sich vielerorts an dieser Art des „Unterrichts“ bis heute wenig geändert. Das zeigt sich zunächst einmal im Angebot: Der Fokus liegt auf „Reit“-Stunden. Frei nach dem Motto „Helm auf, ab aufs Pferd!“ wird Kindern vermittelt, dass die Kommunikation zwischen Pferd und Mensch ausschließlich reitend stattfindet. Betrachtet man die Reitstunden dann genauer, offenbart sich zuweilen Fragwürdiges: Reitlehrer, die sich offensichtlich mehr für das Smartphone als die eigenen Reitschüler interessieren; übertrieben ausgebundene Schulpferde, die nur anhalten, wenn sie auf das Vorderpferd auflaufen; Kinder, die mit ihren Schenkeln in den Pferdebauch boxen – und dazu fleißig ihre Gerte einsetzen. Wenn das Pferd dann nicht so will wie der kleine Reitschüler, ist Frust bei Zwei- und Vierbeinern vorprogrammiert. Von der magischen Anziehungskraft ist schnell nichts mehr zu spüren. Diesen Umstand einfach abzutun, indem man den Schwarzen Peter dem „sturen Schulpferd“ zuschiebt, verharmlost das Problem. Weder das Pferd noch das Kind hat Schuld, sondern der Ausbilder. Jeder Trainer, der Kindern Unterricht erteilt – und zwar ganz egal ob dieser Unterricht im professionellen oder privaten Rahmen stattfindet –, ist verantwortlich dafür, das Training kind- und pferdegerecht zu gestalten:

image

(Foto: Alison Marburger)

Pferdegerecht bedeutet in diesem Zusammenhang, den vierbeinigen Lehrmeister auf seine Arbeit vorzubereiten. Für Pferde stellen Kinder durchaus eine Herausforderung dar: Es wird gerannt, geschrien, nicht immer sanft geputzt oder vielleicht sogar einmal gezwickt. Anders als das klassische Dressur-, Spring- oder Fahrpferd muss das Kinderpferd ein gelassener Allrounder sein. So einer fällt aber nicht vom Himmel – ein spezielles Training ist unerlässlich.

Wer mit Pferden und Kindern arbeitet, muss außerdem sein Verhalten und seine Lehrmethode auf Kinder einstellen. Kinder leben in einer fantasievollen Welt, in der es viel zu entdecken und zu begreifen gibt. Anstatt in militärischer Manier Anweisungen zu erteilen, ist es mehr als einen Versuch wert, die Neugier der kleinen Schüler zu fördern und ihnen den respektvollen Umgang mit Pferden zu vermitteln. Daher darf es nicht nur beim Reiten bleiben; durch clevere Lernspiele, spielerische Bodenarbeit und Zirkustraining erfahren Kinder erst, wie breit gefächert und variantenreich das Miteinander zwischen Mensch und Pferd sein kann. Nicht zuletzt heißt kindgerecht auch, den kleinen Schülern die Stall- und Lernumgebung zugänglich zu machen. Wie kann man Selbstständigkeit erwarten, wenn das Kind die wichtigsten Utensilien gar nicht erreichen oder benutzen kann, weil sie z. B. zu schwer oder zu groß sind?

Unser Anliegen ist es, ein Bindeglied zum klassischen Reitunterricht und zu Reiterspielen zu schaffen: Wir möchten Kindern die Kommunikation mit dem Partner Pferd verständlich machen. Auch Kindern ist es möglich, kreative Bodenarbeit und faires Horsemanship mit Pferden zu erleben. Nur so können sie lernen, das Pferd als Partner eines Teams zu respektieren und eine Beziehung voller Vertrauen und Fairness aufzubauen.

Unser Buch richtet sich deshalb an diejenigen, die pferdebegeisterten Kindern spannenden Unterricht erteilen wollen mit dem Ziel, ihnen nicht nur korrektes Sitzen beizubringen, sondern auch, wie man Pferden zuhört und fair mit ihnen umgeht. Wer sich diese Mühe macht, leistet nicht nur einen wertvollen Beitrag für die Zukunft der Pferdeszene. Er wird darüber hinaus mit strahlenden Kinderaugen und zufriedenen Pferden belohnt.

In diesem Sinne

Ruth Katzenberger-Schmelcher,
Yvonne Katzenberger und Helene Kohlschmid

image

(Foto: Alison Marburger)

image

(Foto: Alison Marburger)

DER TRAUM VOM GELASSENEN KINDERPFERD

Gerade Kinder haben eine ziemlich klare Vorstellung davon, wie ihr Pferd sein soll: stolz wie Black Beauty und ein so treuer Freund wie Ostwind. Der vierbeinige Gefährte muss ein Kumpel sein, der sich für „seinen“ Menschen einsetzt, der mit dem kleinen Reiter durch dick und dünn geht und mit dem man gemeinsam alle möglichen Probleme in jeder Lebenslage lösen kann. Dass die Mensch-Pferd-Beziehung so nicht funktioniert, begreifen Kinder im Stallalltag recht schnell: Spätestens wenn für das Pferd der Futtertrog interessanter als der junge Reiter ist, setzt sich die Erkenntnis durch, dass ein Pferd nicht mit einem menschlichen Freund vergleichbar ist. Auch wenn diese Einsicht für den kleinen Pferdefreund zunächst schmerzlich sein mag, ist sie doch unverzichtbar. Ein Pferd ist und bleibt ein Tier. Dem Pferd sind menschliche Eigenschaften und Gedankenstrukturen fremd, es folgt seinen natürlichen Instinkten. Dieser Tatsache muss stets Rechnung getragen werden: Wird ein Pferd wie ein Mensch und eben nicht wie ein Tier mit all seinen Urinstinkten behandelt, sind Probleme zu erwarten. Ein Pferd ist ein Flucht- und Herdentier. Die daraus resultierenden Grundbedürfnisse und Ängste müssen stets berücksichtigt werden. Gerade bei der Arbeit mit Kindern stoßen Pferde oft an ihre Grenzen – umso wichtiger ist es, ein geeignetes Pferd zu finden und es entsprechend auf die Arbeit mit Kindern vorzubereiten.

Anforderungen an ein Kinderpferd

Was genau macht ein Pferd zu einem guten Kinderpferd? Zunächst einmal: Pferde werden nicht als optimale Kinderpferde geboren. Es gibt Pferde, die sich aufgrund ihres Exterieurs und Interieurs besser als Kinderpferde eignen als andere. Dennoch müssen auch diese Pferde entsprechend trainiert werden. Am wichtigsten bei der Auswahl und Ausbildung eines Kinderpferdes ist es, dass Sie sich ständig vor Augen halten, was es später leisten muss: Das Kinderpferd soll in erster Linie mit Kindern zurechtkommen und die Kinder natürlich ebenso mit dem Pferd.

Was sich so banal anhört, ist in Wahrheit eine große Herausforderung für den vierbeinigen Lehrmeister. Die meisten Kinder zeichnen sich durch einen großen Bewegungsdrang aus, wobei ihre Bewegungen oft hektisch und ein wenig unkoordiniert sind. Emotionen wird häufig mit energischer Gestik Ausdruck verliehen. Ein aufgeregtes Kind kann vor Freude stürmisch auf das Pferd zurennen, ein nervöses Kind ständig an seiner Jacke ziehen und zerren oder von einem Bein auf das andere treten. Ein wütendes Kind kann sich durchaus schreiend auf den Boden werfen, ein unkonzentriertes Kind versehentlich gegen den Pferdepopo laufen, weil es den Traktor beobachtet, der gerade über den Hof fährt. Kleine Kinder haben noch nicht die koordinativen Fähigkeiten eines Erwachsenen, es kommt schon einmal vor, dass ein Kind beim Hufeauskratzen das Gleichgewicht verliert und unter den Pferdebauch fällt. Auch eine adäquate Kraftdosierung entwickelt sich erst im Lauf der Jahre. Manch kleiner Zweibeiner striegelt das Pferd so zaghaft, dass der Druck des Striegels dem einer Fliege gleichkommt, während ein anderer mit der Bürste regelrecht auf das Pferd einhämmert. Kurzum: Kinder haben ihren Körper und ihre Emotionen nicht in dem Maß unter Kontrolle wie Erwachsene.

Sie sollten bedenken, dass so ein Verhalten auf ein Pferd alles andere als vertrauenswürdig oder beruhigend wirkt. Sie müssen Ihrem Pferd deshalb durch geeignetes Training beibringen, Kinder nicht als kleine Monster zu betrachten, deren Leibspeise Schulponys sind. Und nicht zuletzt sind Kinder im Pferdestall, um etwas zu lernen. Das bedeutet aber auch, dass Grundkenntnisse komplett fehlen oder vielleicht nur sehr schwach ausgeprägt sind. Ein Kinderpferd muss also in der Lage sein, sogar auf sehr schwache oder nicht immer völlig korrekte Hilfengebung zu reagieren – schließlich ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Als intelligentes und lernwilliges Tier wird es diese Herausforderung aber mit Ihrer sachkundigen Unterstützung sicher annehmen.

Damit das erforderliche gezielte Training tatsächlich zum Erfolg führt, sollten Sie beim Pferdekauf noch einige Dinge beachten.

SCHÖN UND GELASSEN: GEDANKEN ZUM INTERIEUR UND EXTERIEUR

Ein Kinderpferd sollte grundsätzlich ein ruhiges, geduldiges Gemüt besitzen und sich auch von quirligen Kindern nicht stören lassen. Schließlich wird es den einen oder anderen Fehler beim Umgang oder der Hilfengebung hinnehmen müssen. Sehr sensible, hochblütige und schnelle Pferde eignen sich deshalb nur bedingt, denn oft können sie nur schwer einen kühlen Kopf bewahren oder heizen sich auf.

Ziel ist es, dass es Ihrem Pferd bei seiner Arbeit gut geht. Es sollte daher mit Menschen und insbesondere mit Kindern bisher keine schlechten Erfahrungen gemacht haben. Bei sogenannten Problempferden können über einen sehr langen Zeitraum immer wieder die sprichwörtlichen Schubladen aufgehen. Sie eignen sich deshalb nicht für den Einsatz im Kinderunterricht, sondern müssen grundsätzlich von einer erfahrenen Person trainiert werden. Machen Sie sich selbst und vor allem dem Pferd das Leben nicht unnötig schwer und wählen Sie sorgfältig einen vierbeinigen Lehrmeister aus, der die Anforderungen, die der Umgang mit Kindern mit sich bringt, auch psychisch meistern kann.

image

Damit ein entspannter Umgang möglich ist, muss das Pferd oder Pony einige Grundvoraussetzungen erfüllen. (Foto: Alison Marburger)