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Michael Thissen

Der Service Guide

So sind Sie immer den entscheidenden Schritt voraus

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WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA

Vorwort

Ich schätze, dass Sie solche Sätze schon irgendwann und irgendwo einmal gehört haben. Und ich schätze, dass nach einer dieser Ausreden oder Floskeln schon leichte Emotionen entstanden sind. Sind Sie auch schon in Situationen gekommen, wo Sie sich selber gefragt haben, warum passiert das gerade mir oder warum bieten die keinen vernünftigen Service an?

Alle reden davon, wie wichtig Service heute ist. Unternehmen schreiben ihn sich auf die Fahne, um dem Wettbewerb gegenüber ihren besonderen Status hervorzuheben. Wie aber sieht die Realität aus? Was tun Unternehmen in der Praxis und damit hin zum Kunden dafür? Und was ist eigentlich »Service«?

Geht man mit dem Suchbegriff »Service« ins Internet, findet man ganz unterschiedliche Erläuterungen. Wikipedia erklärt den Begriff als »alle Arten einer Dienstleistung, Leistungen der Kundenbetreuung oder Leistungen eines Kundendienstes«. Wiktionary beschreibt unter anderem auch eine ausführende Tätigkeit an Kunden durch eine gastronomische Fachkraft und gibt Synonyme wie Kundenservice, Reparaturservice sowie Vor-Ort-Service an. Im Duden findet man noch lustigere Erläuterungen wie beispielsweise die Bedienung und Betreuung von Gästen (in Bezug auf den gastronomischen Bereich), Kundendienst, Dienstleistung oder die im Auftrag eines Kunden vorgenommene Inspektion, die Wartung (eines Geräts, einer Maschine, eines Fahrzeugs etc.). Sogar der (Tennis-)Aufschlag und Aufschlagball werden in diesem Kontext benutzt.

So habe ich auf den gängigsten Seiten die tollsten Erläuterungen gefunden, die den Begriff »Service« erklären. In meinen Augen ist es daher kein Wunder, dass in Deutschland heute die Servicewüste blüht! Denn hier wird sehr oft die klassische Dienstleistung mit dem Begriff Service 1:1 übersetzt.

All diese oberflächlichen Erklärungen haben für mich nichts mit echtem Service gemeinsam. Für mich ist Service eine Einstellung, eine Haltung, die man leben muss. Aber einen guten Service für seine Endkunden anzubieten, ist nur die halbe Wahrheit. Jedes Unternehmen muss sich heutzutage als erstes intern richtig aufstellen, um eine echte Service-Orientierung sicherzustellen. Und das bedeutet: jeder Einzelne darin, in seiner Organisationseinheit. Und die wiederum richtet sich entsprechend der Gesamtstrategie eines Unternehmens aus und der Einzelne darin verhält sich gegenüber seinen Kolleginnen und Kollegen ebenfalls serviceorientiert.

Es gibt eigentlich so einfache Möglichkeiten, zukünftig die oben genannten Aussagen zu vermeiden oder wirklich kundenorientierten Service anzubieten, aber leider leben wir noch immer in einer produktlastigen Welt, in der zwar die innovativsten Produkte unser Leben erleichtern, aber am Service hapert es weiterhin. Viele Unternehmen haben noch nicht erkannt, dass Service heutzutage einer der Wirtschaftstreiber ist und für eine sichere Zukunftsexistenz sorgt. Wir sind es nicht gewohnt, in Services zu denken, und wenn, dann in meinen Augen mit dem falschen Verständnis, modernes Denken sollte dies aber ermöglichen. Vergleichen wir mal die Service-Einstellung in Amerika, wo man für jeden Service gerne zahlt, oder in Singapur, wo echter Service rund um die Uhr freiwillig gelebt wird. Und wie sieht es in Deutschland aus? Hier wollen wir lieber einen »All-inclusive-Service« haben und am liebsten nichts dafür zahlen. Doch die aktuell angebotenen Services lassen noch deutlich zu wünschen übrig! Der alte Begriff »Servicewüste Deutschland« hat immer noch seine Berechtigung in der heutigen Zeit.

Willkommen zum Service Guide – dem Buch, welches Ihnen hilft, Service endlich einmal ganzheitlich und strukturiert anzugehen. Viele Servicebücher sind schon seit Jahren im Handel erhältlich, aber fast alle beschreiben nur, was man machen sollte bzw. welchen wirtschaftlichen Unterschied Service bringen könnte. Im Service Guide erfahren Sie das WIE! Wie muss man Service richtig verstehen? Wie setzt man Service-Strukturen auf? Wie funktionieren Service-Prozesse und wie optimiert man Services? Zusätzlich gibt es viele weitere Informationen, die einem Unternehmen helfen können, sich serviceorientierter aufzustellen.

Die Übersicht in Abbildung 1.1 zeigt Ihnen, wie der Service Guide aufgebaut ist. So können Sie anhand jedes Kapitels sehen, welcher Fokus verfolgt wird. Eine langfristige Service-Orientierung funktioniert nur dann, wenn man sich stets hinterfragt. Genau in diesem Kontext ist das Buch aufgebaut, denn Sie können einen klaren Kreislauf erkennen und sich daran entlanghangeln. Starten Sie mit dem richtigen Verständnis über Service. Messen Sie Ihren Reifegrad. Optimieren Sie interne Organisationseinheiten und -prozesse und kreieren kreative Service-Ideen, dann überprüfen Sie, ob Sie den Service richtig verstanden haben, und überprüfen daraufhin wiederum Ihren Reifegrad.

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Abb. 1.1: Der Aufbau des Buches

Service ist heutzutage eines der wesentlichen Alleinstellungsmerkmale, die Sie zukunftssicher begleiten können. Leider haben viele Organisationen dies noch nicht so richtig erkannt und dümpeln in der Servicewüste Deutschlands weiterhin umher. Aber das muss nicht sein und ebenso wenig, dass große ausländische Firmen Ihnen die Kunden entziehen.

In diesem Buch werde ich Ihnen pragmatische Ansätze mitgeben, damit Sie sich serviceorientierter aufstellen können. Dabei müssen Sie nicht jedes einzelne Kapitel durcharbeiten, sondern Sie machen es wie beim Autofahren, denn Sie lesen wahrscheinlich auch nicht die Straßenverkehrsordnung (STVO), bevor Sie in ein Auto steigen. Nutzen Sie einzelne Ideen und Ansätze nur dann, wenn Sie sich serviceorientierter aufstellen wollen oder sich langsam mit der Service-Thematik in eine Spitzenposition bringen wollen. Und denken Sie dran: Service ist eine Einstellung!

Und wenn wir schon beim Thema »Mobilität« sind, dann gebe ich Ihnen ein Beispiel an die Hand, wie Service eigentlich richtig verstanden werden soll:

In Deutschland gibt es ein sehr gutes Autobahnnetzwerk. Man kann heutzutage sehr gut mit dem Auto von A nach B kommen. Die Bereitstellung von Autobahnen – und natürlich jede weitere Straßenmöglichkeit – ist eine Dienstleistung, die von Vater Staat und weiteren Akteuren bereitgestellt wird. Wir sind Nutzer und können somit nach klaren Kriterien – Führerschein und Fahrzeug – diese Leistung nutzen. Indirekt zahlen wir auch für diese Nutzung durch festgelegte Steuersätze. Aber immer mehr bekommen wir Nutzer dieser Leistung Probleme durch – sagen wir mal so – eine nicht optimale Bereitstellung dieser Dienstleistung! Die Begründung: Immer mehr Verkehr bedeutet Staus. Immer mehr Staus bedeuten Verschmutzung, Zeitverlust und ökonomische Nachteile. Abgesehen davon, dass man versäumt hat, frühzeitig das Streckennetzwerk an das heutige Verkehrsaufkommen anzupassen, ist vom eigentlichen Service-Gedanken zur Bereitstellung dieser Dienstleistung sehr wenig zu spüren. Erschreckend ist einerseits der Zustand einzelner Straßen – bauliche Substanz –, anderseits auch die klimabedingten Einschränkungen und der Umgang damit. Muss es wirklich sein, dass kilometerweite Staus entstehen, weil man nicht rechtzeitig die Straßen von Schnee und Glatteis befreit hat? Und warum müssen derzeit plötzlich gefühlt alle Brücken saniert werden?

Produkthersteller und Dienstleister müssen bei der Bereitstellung immer an die Kunden denken, wie diese in Alltagssituationen mit der Nutzung »klarkommen«. Man muss sicherstellen, wie, wann, wo und warum der Kunde diese Leistung nutzt, und muss ebenso sicherstellen, dass in Fehlersituationen schnell Hilfe bzw. direkte Lösungen angeboten werden können.

Ich könnte Ihnen viele Beispiele nennen, wo der Service im Alltag zu wünschen übrig lässt, aber das soll sich nun mit dem Service Guide ändern.

Ihnen viel Spaß beim Lesen und Erfolg auf der Reise weg von der Servicewüste Deutschland!

Ihr

Michael Thissen

 

 

 

 

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Kapitel 1
Die wahre Bedeutung von Service

1.1 Die wahre Bedeutung von Service

Die Service-Welt kann wirklich so einfach sein, wenn wir nicht alle immer Fehler im Service machen würden. Grundlegend dazu muss man erst einmal den Begriff an sich richtig verstehen. In Deutschland wird es immer beliebter, englische Vokabeln zu übernehmen und diese allmählich einzudeutschen. Aber eine Dienstleistung ist kein Service!

Wir unterscheiden heute Unternehmen im Bereich Warenwirtschaft/Warenproduktion und Dienstleistung. In Abgrenzung zur Warenproduktion spricht man bei den Dienstleistungen von immateriellen Gütern. Als ein typisches Merkmal von Dienstleistungen wird dabei die Nutzung von Produktion und Verbrauch angesehen. Dienstleistungsunternehmen können auch für Produktionsbetriebe arbeiten, das heißt, dass Mitarbeiter einer Dienstleistungsfirma in einem Produktionsbetrieb arbeiten. So zum Beispiel Lagermitarbeiter bei einem Produktionsbetrieb wie beispielsweise BMW oder Audi. Ein Dienstleister ist aber auch ein Friseur oder ein Restaurant. Ein Dienstleister leistet für andere seine Dienste … Es ist also jemand, der für andere in deren Auftrag arbeitet! Sie beauftragen beispielsweise den Friseur, damit er Ihnen die Haare schneidet. Die dabei benutzten Haarpflegeprodukte werden von einem Produktionsbetrieb hergestellt.

Wichtige Erkenntnis ist, dass bei beiden Unternehmenstypen Service eine große Rolle spielen kann und auch sollte. Der Begriff Service ist daher nicht eine einfache Übersetzung der Dienstleistung aus dem Englischen, sondern viel mehr. Es ist egal, welches Business Sie heute betreiben – Sie haben immer Kunden. Ob interne oder externe Kunden! Und diese müssen jederzeit richtig »bedient« werden.

Der Begriff Service leitet sich ursprünglich von dem lateinischen Begriff servitium ab, welcher Sklavendienst bedeutete. Im Laufe der Zeit wurde der Begriff eher zu servire umbenannt, worin bereits das Servieren inbegriffen ist. In beiden Fällen handelt es sich dabei um die richtige Erläuterung des Begriffs Service, denn derjenige, der einen Service für jemanden anderen übernimmt, muss »seine Dienste anbieten« und den Kunden »bedienen«.

Das Wort Service ist innerhalb wie außerhalb unserer Arbeitswelt zu einem der Unwörter verkommen, deren typische Merkmale auch noch nicht durch Sprach- & Literaturwissenschaftler deutlich herausgearbeitet wurden. Es gibt zwar Ansätze, die Paul Huppertz1 zusammengefasst hat, die aber immer noch nicht den Wert und die richtige Bedeutung des Wortes Service herausstellen. Insbesondere sei hier festzuhalten, dass:

Daher ist es auch kein Wunder, dass wir alle mit dem Begriff Service falsch umgehen. Wenn Sie aber den Begriff Service richtig verstanden haben und die Service-Einstellung auch richtig leben, können Sie sich deutlich von der Konkurrenz abheben und langfristig am Markt überleben. Wichtig ist dabei immer die Konzentration auf den Kunden und seine Bedürfnisse – diese müssen Sie kennen und bedienen! Service ist die vollständige Erfüllung der Kundenerwartungen und wenn Sie noch einen Schritt weitergehen, dann reden wir von Kundenverblüffung.

Ron Kaufman, Bestsellerautor im Bereich Service und weltweit führender Ausbilder und Motivator zum Thema Verbesserung des Kundendienstes und Aufbau einer Dienstleistungskultur, definiert in seinem Buch Uplifting Service 6 Stufen der Service-Bewertung:

  1. Kriminell,
  2. Standard,
  3. Erwartet,
  4. Gewünscht,
  5. Überraschend,
  6. Nicht zu fassen.

Wenn man diese Abstufung einmal genau betrachtet, können wir viele Unternehmen so kategorisieren. Es wird sehr oft krimineller Service erbracht, dass man denkt, wir sind Jahrhunderte weg von zivilisiertem Leben. Standard-Service wird in meinen Augen fast überall angeboten, aber erst bei der dritten Stufe kommt der Kunde ins Spiel. Denn dieser erwartet heutzutage einen Service, der all seine Bedürfnisse »befriedigt«. Aber es sind noch drei weitere Stufen der Service-Erbringung möglich und genau dahin müssen wir kommen.

Der heutige Kunde wünscht sich von jedem Unternehmen ein richtiges Maß an Service. Idealerweise natürlich einen überraschenden, womit er nicht gerechnet hat. Die 6. Stufe, ein »nicht zu fassender Service« wäre dann die Kür, die aber auch einfach zu erreichen ist, wenn man will!

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Abb. 1.2: Das Kano-Modell der Kundenzufriedenheit

Hier ist der richtige Zeitpunkt, um das Kano-Modell wieder ins Leben zu rufen. Das Kano-Modell ist ein Modell zur Analyse von Kundenwünschen. Es systematisiert den Zusammenhang zwischen dem Erfüllungsgrad von Kundenanforderungen (durch ein Produkt oder eine Dienstleistung), indem es zwischen Basis-, Leistungs- und Begeisterungsmerkmalen unterscheidet. Noriaki Kano, emeritierter Professor der Tokyo University of Science, entwickelte 1978 das Kundenzufriedenheitsmodell – heute bekannt als Kano-Modell.

Noriaki Kano erkannte, dass Kundenanforderungen 5 verschiedene Merkmale besitzen können:

Eine Gesamtzufriedenheit lässt sich aber aus dem Kano-Modell nicht ableiten. Aber warum ist das KANO-Modell so wichtig in der Service-Welt geworden? Das Kano-Modell bietet viele wertvolle Ansätze, Fragen und Erkenntnisse, sich mit Kunden und deren Zufriedenheit auseinanderzusetzen:

1.2 Die 14 Todsünden im Service

Sie haben nun viele Informationen rund um die richtige Einordnung und die wahre Bedeutung des Begriffs Service erhalten. Mein persönliches Fazit ist daher:

Service ist dann notwendig oder richtig etabliert, wenn er für jemanden einen sinnvollen Mehrwert liefert. Alle Ideen und Ansätze bleiben wirkungslos, wenn die Einstellung nicht zu dem passt, was man tut. Der erste Schritt zu besserem Service setzt die richtige Grundhaltung voraus. Das bedeutet in erster Linie, Respekt vor dem Kunden zu haben und dessen Bedürfnisse richtig zu bedienen.

Damit Sie aber auf dem Weg zum überraschenden Service-Dienstleister nicht typische Fehler machen und auf die »Service Touch Points« achten, will ich Ihnen nun im Folgenden noch einige Todsünden des Service veranschaulichen:

Service-Einbahnstraßenkommunikation

Typische Servicefehler sind das »Nicht Reagieren« oder das »Nicht Antworten« in der heutigen Zeit. Ich persönlich bekomme sprichwörtlich einen dicken Hals, wenn ich Mails an Kundencenter sende und nie eine Antwort erhalte. Ich frage mich dann immer wieder, hab’ ich gerade eine Mail an schwarzes.loch@beispielunternehmen.de gesendet? Liebe Unternehmen, es ist doch so einfach, schnell und automatisiert Kundenanfragen zu beantworten. Mit dem zusätzlichen Einsatz von Lösungen und etablierter künstlicher Intelligenz werden Antworten oder Reaktionen auf schnellstem Wege zurück zum Melder geschickt. So weiß er, dass jemand auf sein Anliegen reagiert hat und bald eine Lösung für sein aktuelles Bedürfnis vorliegen kann.

Service-Abstellgleis

Klassisch ist auch, den Kunden auf das Abstellgleis zu schieben und ihn dann am besten noch total zu vergessen. Die Rede ist von Reaktions- und Wartezeiten mancher Unternehmen. Wie in der Einbahnstraßenkommunikation schon deutlich gemacht, müssen Sie dem heutigen Kunden schnell antworten. Konkret sollte mit Eintreffen der Kundenanfrage ein standardisierter Prozess aktiviert werden. Idealerweise werden bei festgelegten Zwischenschritten immer Meldungen an den Kunden versendet, damit er über den aktuellen Bearbeitungsstand informiert ist. Was aber heutzutage in der Realität gerne passiert, ist, dass nach der Eingangsbestätigung nichts mehr passiert und Kunden tage- oder wochenlang auf Reaktionen warten. Auf erneutes Anfragen kommt es daher nicht selten vor, dass man die Eingangsmeldung bzw. die Folgeaktivitäten nicht mehr finden kann, und schon sinkt die Kundenzufriedenheit deutlich. Schaffen Sie sich hier Lösungen an, die alle Kundenaktivitäten prozessual steuern und somit schnell auf den aktuellen Status zugegriffen werden kann.

Kunden wollen nicht warten! Kunden wollen wissen, wann was passiert. Und das jederzeit!

Service- und Systemunzuverlässigkeit

Sind Sie ein Dienstleister oder sogar ein Produkthersteller im technischen Umfeld? Dann ist die Verfügbarkeit, also die Systemzuverlässigkeit, einer Ihrer wichtigsten Service-Messpunkte. Wir wollen nicht vermuten oder hören, dass Hersteller extra die eigenen Produkte so erstellen, dass nach einiger Zeit ein Ausfall oder sogar eine komplette »Nicht-Mehr-Nutzung« aktiviert wird. Mit den jahrelangen Erkenntnissen und Qualitätssteigerungen müssen dem Kunden Produkte heutzutage höchst zuverlässig zur Verfügung gestellt werden. Ein Ausfall darf nur noch in seltensten Fällen auftreten, der dann aber wirklich serviceorientiert behandelt wird – also schnell und unterstützend für die Kundenbedürfnisse.

»Service-Know-how-Luftpumpen«

Auch ein klassisches Serviceverhalten ist das fehlende Wissen oder das Know-how der Mitarbeiter. In jeder Situation muss dem Personal das richtige Maß an Wissen zur Verfügung gestellt werden, sodass Kundenanfragen schnellstmöglich bearbeitet und idealerweise gelöst werden. Es kommt leider viel zu oft vor, dass bei Kundenanfragen oder sogar mitten im Prozess Aussagen aufkommen, dass dies derzeit nicht beantwortet werden kann oder dass hier im Moment das eigene Wissen fehlt. Ich erlebe zu oft, dass ich »Know-how-Luftpumpen« am Hörer habe, sodass ich auf Antworten des Öfteren länger warten muss. Auch Aussagen, dass ich eine fundierte Anleitung dann per E-Mail bekomme, verläuft meistens im Sande. Eine einfache Lösung kann hier schnell helfen! Etablieren Sie eine Wissensdatenbank, die mit einem Kunden-Ticket-System verbunden ist, und stellen Sie so Ihren Mitarbeitern schnell und einfach gezieltes Wissen zur Verfügung. Hier punkten Sie mit vorgefertigtem Wissen – dass Experten aus den eigenen Reihen definiert haben – und Wissensdatenbankeinträgen bei Ihren Kunden, wenn diese schnell und zuverlässig helfen würden.

Service-Taubheit oder Beschwerde-Ignoranz

Respektvoller Umgang mit Kunden bedeutet, stets aktiv zuzuhören. Ein Kunde hat meistens ein Bedürfnis in seiner aktuellen Situation und dieses muss sofort erkannt werden. Leider kommt es immer wieder vor, dass der jeweilige Ansprechpartner in einem Unternehmen – wie beispielsweise die eigene Hotline – taub gegen die klaren Beschwerden eines Kunden ist. Hier kann man nur deutlich darauf hinweisen, dass Kundenbeschwerden ein wichtiger Indikator für die Leistungen im Unternehmen sind. Je besser und qualifizierter diese in Ihrem Unternehmen aufgenommen werden, umso effizienter können Sie daraus Optimierungsmaßnahmen ableiten. Gehen Sie auf den Kunden ein und lassen Sie sich alle Informationen rund um seine Beschwerde mitgeben. So können Sie schnell erkennen, wie Sie dem Kunden helfen können, und idealerweise noch Verbesserungen an Produkten oder Dienstleistungen für sich identifizieren.

Und auch an dieser Stelle sei noch einmal hervorgehoben: Kunden finden sich intern und extern in Unternehmen! Eigene Mitarbeiter oder Organisationsbereiche sind ebenfalls Kunden, denen aktiv zugehört werden muss. Gerade im Telefonsupport neigen viele Service-Mitarbeiter dazu, schon beim ersten Stichwort mit einer Patentantwort zu kommen – sie fühlen sich zu sicher. Der Kunde fühlt sich schnell über den Mund gefahren und die Chance ist groß, dass es mit der Patentantwort nicht getan ist. Andere Service-Mitarbeiter hören sich komplett alles an, was der Kunde sagt, signalisieren dabei jedoch nicht, dass sie zuhören – es ist stumm in der Leitung. Dies irritiert den Kunden, der in irgendeiner Form Reaktion erwartet, genauso wie die voreilige Patentantwort. Aktives Zuhören ist gefragt. Souverän und professionell zeigt sich, wer dann die richtigen und analytischen Fragen stellt, um die Situation schnell zu priorisieren und gezielt agieren zu können.

Service-Fehlzündung

Wir sind ja alle schon recht verwöhnt. Wir bestellen heute etwas und morgen, teilweise auch schon am gleichen Tag, wird das bestellte Produkt geliefert. Die Dienstleistung dahinter ist sowas von komplex geworden, dass wir erst gar nicht zulassen, dass eine Verzögerung oder Verspätung akzeptiert wird. Unter Fehlzündung verstehe ich aber, dass sehr oft zum falschen Zeitpunkt falsche Aktivitäten durchgeführt werden und somit wieder Kundenärgernisse vorprogrammiert sind. Ein Beispiel: Ich hatte ein neues Handy mit einem neuen Tarif bestellt. Aus irgendwelchen Gründen wurde das Handy erst ein paar Tage später geliefert, als es eingangs angemeldet wurde. Dennoch erhielt ich an dem vorherigen Termin eine Info, dass man sich für mich freue, dass nun das Handy da sei und in vollem Umfang mit dem neuen Tarif genutzt werden könne. Dass ich es letztendlich jedoch erst ein paar Tage später bekommen habe und dennoch für den neuen Tarif schon von Anfang an zahlen musste, war dem Dienstleister nicht bewusst. Der Fehler war im Zusammenspiel der beiden Partner nicht eindeutig geklärt und somit wurden falsche Aktivitäten durchgeführt. Was ich damit aufzeigen will: Im Service sind klare Prozessschritte und -schnittstellen zu beachten. Je strukturierter Sie also im Endeffekt aufgestellt sind, umso einfacher ist der Kundenservice.

Service-Neandertalerverhalten

Krimineller Service wird dann erbracht, wenn die eigenen Mitarbeiter unhöflich dem Kunden gegenüber auftreten. Ich habe es oft schon selbst erlebt, dass mit Brüllen und Klopfen auf der Brust die eigene oft falsch verstandenen Meinung zum Kunden hin geäußert wird. Service-Empathie spielt hier eine große Rolle und wird im Buch auch des Öfteren ausführlich erläutert. Sicherlich gibt es Kunden, die einen zur »Weißglut« bringen können, dennoch ist im Umgang mit Kunden immer die Ruhe zu bewahren. Wir sind stets höflich und respektvoll im Umgang mit dem Kunden und das sollte in jeder Unternehmens- oder Service-Leitlinie platziert sein.

Service Blackbox

Fehlende Transparenz in der Leistungserbringung ist ebenfalls einer der häufigsten Fehler beim Service, die mir immer wieder auffallen. Als Kunde will man zur jeder Zeit genau wissen, welche Leistungen im Service erbracht werden. Je genauer Sie das machen, umso leichter ist nachher eine Rechtfertigung oder der Umgang mit Kundenbeschwerden. Alle enthaltenen Leistungen müssen so transparent dargestellt sein, dass jeder Kunde vollständig sicherstellen kann, ob dieser Service für ihn der geeignete ist. Und wenn Sie dieses Thema angehen, ist die Zusammenstellung der Preise auch noch ein wichtiges Indiz für den Kunden. Viel zu oft bekommen wir mit, dass nachträgliche Preisnennungen zu erneuten Kundenbeschwerden führen. Sie kennen sicherlich das Thema Schlüsseldienst. Es ist schon vorgekommen, dass der Kunde aufgrund eines vergessenen Schlüssels mehrere hundert Euro bezahlen sollte. Warum nicht ganz einfach dem Kunden direkt mitteilen, was die Leistung wirklich kostet? Je präziser Sie da sein können, umso vertrauensvoller gehen Sie mit dem Kunden um und werden sicherlich gerne von ihm weiterempfohlen.

Service-Egotrip

Für wen stellen wir eigentlich den Service bereit? Vielmehr müssen wir wissen, wer unser Kunde ist. Wir müssen ein echtes Interesse daran haben, unseren Kunden kennenzulernen, damit er für uns eben keine Blackbox mehr ist. Wir müssen uns auf den Kunden voll und ganz einstellen und eben nicht unsere eigenen Interessen und Bedürfnisse in den Vordergrund stellen. Dann kommen Nutzen und Mehrwert von ganz allein. Im Service ist Egomanen-Verhalten absolut fehl am Platz. Durch fehlende Kundenfokussierung – wenn man zum Beispiel nicht zuhört oder den Kunden nicht zu Wort kommen lässt – sind schon oft Kundenanliegen in extreme Situationen eskaliert. Die Devise ist: Erst den Kunden ausreden lassen, dann sich die Zeit nehmen und den Kunden ausführlich beraten oder bedienen. Hier ist immer der Kunde im Fokus und nicht die eigene Situation. Auch ich erlebe dies immer wieder und frage mich jedes Mal, ob ein Dienstleister gerade überhaupt seine Aufgabe verstanden hat. Ich möchte nicht wissen, was derjenige gerade selbst erlebt hat und wie er sich geholfen hat, ich will eine klare und konkrete Unterstützung vom Ansprechpartner haben. Die Ich-Perspektive ist nicht zu nutzen, denn es geht um den Kunden. Für Sie bedeutet das: Sie müssen auf die Sie-Perspektive umschalten und schnell nach der Lösung für das jeweilige Kundenbedürfnis suchen.

Service-Komplexität

Kennen Sie das womöglich aus eigener Erfahrung, dass ein Verkäufer Sie mit Nutzenargumentation sprichwörtlich außer Gefecht gesetzt hat? Minimieren Sie das Nutzerchinesisch auf ein Minimum. Ikea hat es mit seinen Anleitungen schon vorgemacht und eigentlich sollten alle Anleitungen so schlicht wie möglich aufgebaut sein. Für Kunden ist die richtige Usability unumgänglich. Leider findet sich immer wieder eine komplizierte Nutzung, sodass sich viele Kunden erschreckt zurückziehen und das Produkt oder die Dienstleistung nicht mehr nutzen wollen. »Keep it simple« ist die Devise, die zum verblüffenden Service einfach dazugehören muss. Und das sollte in allen Ebenen, die einen Kunden betreffen, umgesetzt werden. Ob es sich dabei um eine Installation einer Anwendung, die Inbetriebnahme eines technischen Geräts handelt oder möglicherweise eine Vertragsverlängerung oder sogar Kündigung … für den Kunden sollten einfache Schritte fokussiert werden. Nehmen Sie die Komplexität raus und schaffen Sie Leichtigkeit. Je einfacher es ist, umso zufriedener ist der Kunde.

Und hier können Sie heutzutage viel mehr Innovationen nutzen, indem Sie zum Beispiel kleine Anleitungsvideos online stellen, anstatt mühselig Dokumentationen zu erstellen. Nicht umsonst ist YouTube so eine erfolgreiche Plattform.

Service-Verständnislücken

Wenn ein Unternehmen sagt, dass man Service anbietet, dann muss auch das Verständnis durchgängig sichergestellt sein. Und das an jedem «Service Touch Point«! – also dort, wo Ihr Kunde mit Ihrem Unternehmen in Berührung kommt.

Waren Sie schon mal in einem Hotel, wo jeden Tag das Bett neu gemacht wurde und immer wieder eine neue Überraschung wartete? Die Handtücher als lustiges Tier geformt? Der Teddybär der Tochter mit Schokolade in der Hand? Am nächsten Tag mit frischen Blumen den Teddybären umstellt?

Früher gab es im holländischen De Efteling Freizeitpark animierte Mülleimer – die riefen immer »Papier hier«. Jeder hatte Spaß, den Müll dort hineinzuwerfen.

Alles Genannte ist doch so einfach, aber leider sind immer wieder Verständnislücken zu finden. Sie sollten immer überlegen, wo der Kunde einen potenziellen Kontaktpunkt mit Ihrem Unternehmen haben könnte. Und an all diesen Punkten muss der richtige und professionelle Eindruck gewahrt werden.

Ich meine hier ganz deutlich die vollgestopften Aschenbecher vor der Tür oder das Unkraut auf dem Weg zum Eingang, ebenso die Freundlichkeit des Empfangs – nicht nur persönlich, auch am Telefon.

Der erste Eindruck sollte immer zufriedenstellend für den Kunden sein, damit er von Anfang an ein gutes Gefühl aufbauen kann. Insbesondere dort, wo Kunden einen Wartebereich haben, sollte eine harmonische Ordnung vorliegen. Solche Kontaktpunkte können auch »online« sein und, wenn nicht richtig bedacht, zur Verärgerung führen, wie beispielsweise die zu hohe Lautstärke der Telefonagenten oder die völlig überfrachtete Webseite mit zu vielen Informationen, Pop-ups hier und Flashs da.

Service-Datenlöcher

Kundendaten und deren Datenqualität ist das A und O eines Unternehmens. In vielen Firmen fallen fehlende, fehlerhafte oder noch nicht aktualisierte Daten intern erst einmal gar nicht besonders auf, haben aber aus verschiedenen Perspektiven große Folgen.

  • So kann eine Frau mit der Anrede »Herr« angeschrieben werden oder es erhält sogar ihr verstorbener Mann noch von einer Firma Post, obwohl dort die Information über dessen Ableben längst eingegangen ist. Dies kann einen sehr unangenehmen Eindruck hinterlassen!
  • Ebenso kommt es sehr oft vor, dass jemand umziehen möchte und die neue Adresse rechtzeitig an den zuständigen Energieversorger weitergibt. Und dann doch die Abschlussrechnung immer noch an die alte Adresse ging und nicht zugestellt werden konnte!
  • Oder zielorientierte Werbung über Seniorenreisen an jemanden senden, der gerade 30 geworden ist!
  • Ein Kunde ist in unterschiedlichen Systemen hinterlegt, weil der Lieferant verschiedene Verkaufsquellen hat. Jedoch sieht keiner den Zusammenhang und stellt daher gegebenenfalls die falschen Fragen oder legt Angebote vor, die der Kunde schon von woanders erhalten hat!
  • Ein Kunde ruft an und wird mehrmals weiterverbunden. Jedes Mal muss er alles zu seinem Anliegen wiederholen, weil keine ordentliche Dokumentation durchgeführt wird!

Ich könnte hier noch gerne weitere scheinbar lustige Perspektiven nennen, doch irgendwann ist Schluss mit lustig und der Kunde ist verärgert. Das Thema ist hier die Datenqualität. Mein Tipp: Achten Sie hier besonders auf Historien. Je besser Sie nachvollziehen können, was um den jeweiligen Kundendatensatz schon alles geschehen ist, umso gezielter können Sie den Kunden ansprechen und für sich gewinnen. Und ein persönlicher netter Gruß zum Geburtstag kommt immer noch gut an.

Service-Floskeln

»Hat’s geschmeckt« – wie oft haben Sie diesen Satz schon von einer gastronomischen Servicekraft gehört? Die meisten haben bisher immer mit »Ja, hat geschmeckt« geantwortet.

Warum antworten Sie nicht auf die Frage so: »Nennen Sie mir bitte einen Grund, warum ich Ihnen diese Frage beantworten soll!« Machen Sie das mal bitte und genießen Sie das verdutzte Gesicht der Servicekraft für diesen Moment.

Ganz ehrlich … die Frage, ob es geschmeckt hat, ist nicht richtig formuliert. Eine richtige Fragestellung könnte in diesem Beispiel sein: »Darf ich Sie bitten, uns ein Feedback zum Essen und dem Service zu geben, damit wir dies nutzen können, um uns stetig verbessern zu können?«

Eine serviceorientierte Frage zielt auf eine Antwort ab, mit der man auch etwas anfangen kann. In dem Falle wäre die richtige Fragestellung der gastronomischen Servicekraft eine solche, mit der täglich pro Gast analysiert werden kann, wo Optimierungen angesetzt werden sollten. Man setzt sich regelmäßig mit allen Beteiligten zusammen und versucht, aus den gewonnen Kundeninformationen Verbesserungen am Service bzw. an der ganzen Service-Kette identifizieren zu können.

In der heutigen Service-Welt sind zu viele Floskeln gegenüber den Kunden spürbar. Diese nichtssagenden Redewendungen werden meist nur aus Höflichkeit gebraucht. Hier müssen die richtigen Formulierungen und erstgemeinten Gesten erzielt werden, damit eine Kundenverblüffung sichergestellt wird.

Problemschieberei

Ist Ihnen das auch schon vorgekommen, dass Sie eine Serviceleistung beauftragt haben und dann aus irgendwelchen Gründen eine Verzögerung aufgetreten ist? Das kann ja immer wieder vorkommen, aber dann bitte nicht so agieren, dass man das eigene Problem zum Kundenproblem macht!

Gelebte Praxis: Das Auto einer Freundin von mir wurde aufgrund eines Unfalls in eine Meisterwerkstatt geliefert. Mit den abschließenden Worten wurde inklusive der Bereitstellung eines Leihwagens eine Reparaturzeit von 5 Tagen vereinbart. Der Meister selbst war total überzeugt davon, in diesem Zeitraum den Wagen reparieren zu können. Am letzten Tag rief man an, um mitzuteilen, dass sich die Reparatur wegen eines unvorhergesehenen Zwischenfalls doch noch verzögere, aber der Leihwagen dringend wieder zurückgegeben werden müsse. Hier gab es keine Lösungsvorschläge, sondern nur Problemverschiebungen.

Bitte, machen Sie nie den Fehler, Ihre Probleme zu den Problemen anderer zu machen!