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Dieses E-Book ist die digitale Umsetzung der Printausgabe, die unter demselben Titel bei KOSMOS erschienen ist. Da es bei E-Books aufgrund der variablen Leseeinstellungen keine Seitenzahlen gibt, können Seitenverweise der Printausgabe hier nicht verwendet werden. Stattdessen können Sie über die integrierte Volltextsuche alle Querverweise und inhaltlichen Bezüge schnell komfortabel herstellen.

Zu diesem Buch

Mensch und Hund haben seit jeher eineintensive Beziehung zueinander. Der Hund als sprichwörtlich bester Freund des Menschen hat inzwischen in über 17 % der deutschen Haushalte Einzug gehalten. So sehr der Hund schon immer zum menschlichen Leben dazugehört, so stark hat sich seine Rolle im Lauf der Zeit jedoch verändert. Wurde er ursprünglich noch überwiegend in seiner Funktion als Nutztier gehalten, hat sich seine Rolle inzwischen zu der eines Familienmitglieds, Freundes und treuen Alltagsbegleiters entwickelt.

Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung weisen Hundehalter rein statistisch betrachtet einige Besonderheiten auf: Größtenteils leben Hunde in Haushalten von Menschen, die in den aktiven Berufsjahren stehen und zwischen 40 und 60 Jahre alt sind. Selbstständige, Facharbeiter, Freiberufler und Beamte im mittleren Dienst sind dabei besonders stark vertreten (Repräsentativstudie des Heidelberger Markt- und Sozialforschungsinstituts Sinus Sociovision aus dem Jahr 2002).

Die Chancen, am Arbeitsplatz auf einen Kollegen oder Vorgesetzten zu treffen, der Hunden gegenüber grundsätzlich aufgeschlossen und positiv gestimmt ist, stehen also nicht schlecht.

Der Grund, warum es in Unternehmen mit grundsätzlich hundefreundlichen und aufgeschlossenen Kollegen, Chefs und Führungskräften trotzdem an der Zulassung von Bürohunden mangelt, sind regelmäßig Bedenken der Entscheidungsträger, wenn es um die praktische Umsetzung geht. Denn sie tragen nicht nur Sorge für das Wohlergehen der Hundehalter unter ihren Mitarbeitern, sondern für das gesamte betriebliche Umfeld.

Um genau diese Überschneidung verschiedener Interessenlagen zusammenzuführen, Bedenken zu nehmen, mögliche Probleme erst gar nicht entstehen zu lassen und für eine reibungslose und gewinnbringende Einbindung der vierbeinigen Kollegen in den Büroalltag zu sorgen, haben wir dieses Buch geschrieben.

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1. Der Hund hat sich zum Familienmitglied, Freund und Alltagsbegleiter entwickelt.

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2. Den meisten Hundehaltern ist wichtig, dass es ihrem Vierbeiner gut geht.

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3. Wenn man Beruf und Hundehaltung miteinander vereinen könnte, wäre das für viele Menschen ideal.

VORTEILE VON BÜROHUNDEN

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Was für Hunde am Arbeitsplatz spricht

Für den Hund liegt der Vorteil, seinen Menschen mit an den Arbeitsplatz begleiten zu dürfen, auf der Hand: Zwar verschlafen Hunde einen Großteil des Tages, fühlen sich als hochsoziale Lebewesen, die sich eng an ihren Sozialpartner binden, aber in der Nähe „ihrer Menschen“ häufig am wohlsten.

Für viele Hunde ist es deshalb deutlich angenehmer, sich auch während der Arbeitszeit in der direkten Nähe ihrer Bezugsperson aufhalten zu können, anstatt allein zu Hause bleiben zu müssen.

Hinzu kommt, dass es im Anschluss an einen Arbeitstag oft noch weitere Verpflichtungen oder private Verabredungen gibt, zu denen der Hund nicht mitgenommen werden kann.

Die Zeit des Alleinseins summiert sich für den Hund so sehr schnell auf und erfordert unter Umständen viel Organisation und Rücksichtnahme des Halters, um dem Hund nicht zu viel zuzumuten. Dass aber nicht nur der Bürohund davon profitiert, seinen Menschen mit an den Arbeitsplatz begleiten zu dürfen, erkennen inzwischen auch immer mehr Unternehmen. Ein in diesem Zusammenhang immer wieder auftauchender Begriff heißt „Oxytocin“, das vielen auch unter dem Namen „Anti-Stress-Hormon“ geläufig ist.

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Hunde am Arbeitsplatz

Als hochsoziale Lebewesen fühlen sich Hunde in der Nähe ihrer Bezugspersonen am wohlsten.

DAS ANTI-STRESS-HORMON

Vor einiger Zeit erzählte uns die Mitarbeiterin eines großen IT-Dienstleisters von einer für sie zunächst sehr unangenehmen Situation: In ihrem Home-Office hatte sie an einem Freitag kurz vor Feierabend die letzte telefonische Anfrage eines Kunden angenommen. Im Vorfeld hatte es einige Missverständnisse gegeben, die nun zu einer extremen Zeitverzögerung führten. Der Feierabend rückte in weite Ferne, der Kunde wurde ungeduldig und die Mitarbeiterin stand gestresst vor einer zunächst unlösbar wirkenden Aufgabe, die so nicht eingeplant war. In just diesem Moment, erzählte sie uns, sei ihr Hund auf ihren Schoß gesprungen, habe sich eingerollt, sich an sie gekuschelt und sie habe gemerkt, wie sie augenblicklich entspannen und durchatmen konnte. Letztendlich konnte sie so das Anliegen des Kunden ruhig, konzentriert und unbeeinflusst von den widrigen Umständen erfolgreich lösen.

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Oxytocin

Was fast wie ein magischer Vorgang klingt, hat einen ziemlich nüchternen Hintergrund: Er heißt C43H66N12-O12S2, besteht u. a. aus Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel und Kohlenstoff und trägt den pharmakologischen Namen „Oxytocin“.

Oxytocin wird umgangssprachlich als „Kuschel“- oder „Anti-Stress-Hormon“ bezeichnet. Diesen Namen hat das aus Aminosäuren bestehende Neurohormon, das von der Hirnanhangsdrüse produziert wird, sich auch redlich verdient.

Oxytocin wird die Fähigkeit zugeschrieben, Bindung und Vertrauen zu stärken, Stress und Angst zu reduzieren, Aggressionen zu dämpfen und das Einfühlungsvermögen zu steigern. Insbesondere nach der Geburt eines Kindes ist Oxytocin maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Mutter eine schnelle und starke emotionale Bindung zu ihrem Neugeborenen aufbaut.

Das „Kuschelhormon“ funktioniert dabei im Rahmen eines positiven, sich wechselseitig verstärkenden Kreislaufs: Es fördert nicht nur aktiv die Bereitschaft, Körper- oder Augenkontakt zu suchen, sondern wird auch selbst durch die daraus resultierenden wohligen Gefühle produziert und ausgeschüttet. Und dass nicht nur im Kontakt zwischen Mensch und Mensch, sondern auch im Kontakt zwischen Mensch und Hund.

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Streicheleinheiten machen glücklich.

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Das Kuschelhormon wirkt bei Mensch und Hund gleichermaßen.

Wissenschaftlich bewiesen

Weil wir uns nicht mit Verdachtsmomenten begnügen wollen, werfen wir einen kurzen Blick auf die Wissenschaft: Im Rahmen einer japanischen Studie ließen Forscher eine Gruppe von Hunden und deren Haltern eine halbe Stunde lang gemeinsam kuscheln und spielen. Auf Basis von vor und nach der gemeinsamen Aktion durchgeführten Messungen des Oxytocins bei Mensch und Hund konnten die Forscher nachweisen, dass der Spiegel des „Anti-Stress-Hormons“ während des gemeinsamen Kontakts deutlich anstieg. Eine prägnante Erhöhung war zudem an den Stellen nachweisbar, an denen Hund und Halter sich lange und intensiv in die Augen gesehen hatten. In weiteren Studien, die u. a. in Deutschland und Frankreich durchgeführt wurden, konnte außerdem belegt werden, dass Menschen unter dem Einfluss von künstlich zugeführtem Oxytocin konstruktiver, offener und interessierter diskutieren konnten und empfänglicher auf soziale Signale ihres Gegenübers reagierten.

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Oxytocin sorgt dafür, dass der sprichwörtliche Hundeblick auf viele Menschen unwiderstehlich wirkt.

Gesundheitsfördernd

Weiterhin wird Oxytocin die Fähigkeit zugeschrieben, durch seine stressmindernde Wirkung das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko, die Gefahr eines Burnouts und das Risiko für die Entwicklung psychosomatischer Krankheitsbilder zu verringern.

So positiv die Wirkung des Anti-Stress-Hormons auf den menschlichen Körper klingt, sollte allerdings eines nicht unerwähnt bleiben: Oxytocin entfaltet seine volle Wirkung nur bei den Menschen, die Hunde mögen. Der Hundehalter steht deshalb in der Pflicht, gerade im unternehmerischen Umfeld Rücksicht auf jene Menschen zu nehmen, die Hunden skeptisch gegenüberstehen, ängstlich sind oder aus anderen Gründen keinen Kontakt zum Bürohund haben möchten.

TIPP

Schon der intensive Augenkontakt zwischen Hund und Halter führt zu einer messbaren Erhöhung des Anti-Stress-Hormons.

Positive Auswirkungen

Schaut man sich einen typischen Arbeitstag in einem Büro an, so ist dieser regelmäßig von langem Sitzen, wenig Bewegung, Arbeiten am Monitor, der Notwendigkeit von Konzentration und Fokussierung auf das Aufgabengebiet und teilweise auch von Stress und Zeitdruck geprägt.

S pätestens zur Mittagszeit kommt es oft zu einem kleinen Leistungstief und dem Gefühl, eine Pause einlegen zu müssen. Die Pause von Hundehaltern verläuft nun zwangsläufig anders als die ihrer Arbeitskollegen ohne Hund: Der Vierbeiner hat sich über den Vormittag ausgeruht, wird munter, muss auch mal und fordert Bewegung an der frischen Luft ein …

Genau darin liegt ein weiterer Vorteil eines Bürohundes. denn die gemeinsame Mittagspause im Freien, die Bewegung und die Beschäftigung mit dem Hund reduzieren Stress, machen den Kopf frei, schaffen vorübergehende Distanz zum beruflichen Aufgabenbereich, machen Spaß und sorgen somit für neue Energie und bestenfalls auch Kreativität, um sich nach der Pause wieder mit voller Kraft den anstehenden Aufgaben zu widmen.

WAS MACHT WOHL MEIN HUND?

Befragt man Hundehalter, die ihren Hund nicht mit zur Arbeit nehmen dürfen, ergibt sich während der Mittagspause ein interessantes Phänomen: Durch die Arbeitsunterbrechung richten sich die Gedanken auf den Hund und die Frage, wie es ihm wohl gerade geht. Selbst wenn ein Hund gut allein bleiben kann oder während der Arbeitszeit betreut wird, hat fast jeder Hundehalter einen Zeitplan im Kopf, wie lang der Hund allein bleiben kann oder wann er aus der Betreuung abgeholt werden muss. Spätestens, wenn sich abzeichnet, dass der Arbeitstag nicht nach Plan verläuft und Überstunden notwendig werden, geraten viele Hundehalter in einen Gewissenskonflikt oder sogar Stress, weil ihre beruflichen Verpflichtun-

gen mit denen ihres Hundes kollidieren.

Ein Mitarbeiter, der seinen Hund mit zur Arbeit nehmen darf, wird erfahrungsgemäß eine höhere Bereitschaft zeigen, seinen beruflichen Verpflichtungen den Vorzug zu geben. Denn sein Hund ist in seiner Nähe, ist gut versorgt und der Druck, den Arbeitsplatz pünktlich verlassen zu müssen, entfällt.

Weniger Fehltage

Die Universität Göttingen kam außerdem in einer Studie zu dem Ergebnis, dass Haustierbesitzer im Schnitt sieben Prozent weniger Fehltage haben als Ihre tierlosen Kollegen. Die daraus resultierende Ersparnis für die deutsche Wirtschaft beziffert die Studie auf rund 2 Milliarden Euro. Mitarbeiter, die einen (Büro-)Hund haben, steigern damit statistisch betrachtet direkt den Ertrag für ihr Unternehmen.

Die von einem großen, bekannten Finanzdienstleister im Jahr 2017 in Auftrag gegebene britische Studie kam sogar zu dem Ergebnis, dass Hunde in Einzelhandelsgeschäften zu regelrechten Kundenmagneten werden können und für messbare Umsatzsteigerungen sorgen.

Ein Drittel der befragten Kunden gaben an, ein Geschäft, in dem ein Tier durch das Schaufenster zu sehen ist, eher zu betreten. Außerdem gibt American Express an, dass Kunden durchschnittlich 13 Minuten länger in einem Geschäft mit zugehörigem Hund verweilen, und leitet daraus eine mögliche Umsatzsteigerung von rund 68 Mio. Euro ab. Zudem gaben 22 % der befragten Kunden an, in Sozialen Netzwerken eher etwas zu ihren Kauferlebnissen im Einzelhandel zu posten, wenn ein Tier im Laden war.

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Der „Ladenhüter“ als Kundenmagnet: Hunde im Einzelhandel

Agenturhunde

Interview mit Joachim Petzold, Geschäftsführer der Kulturinsel Stuttgart gGmbH

Wie viele Mitarbeiter mit Bürohunden haben Sie in Ihrem Unternehmen?

Bei uns haben 6 von 21 Mitarbeitern Hunde. So unterschiedlich wie wir Menschen, sind auch unsere Agenturhunde. Von dem kleinsten Mini-Chihuahua bis zu unserem 82 kg schweren Chilly.

  • Mickey: Chihuahua, reinrassig

  • Rocky: Cairn Terrier-Schnauzer-Mischling (Straßenköter)

  • Eight: Ratonero Bodeguero Andaluz

  • Kara: Collie-Labrador-Mischling (Straßenköter)

  • Chilly: Kaukasischer Owtscharka, reinrassig

  • Kerle: Golden-Retriever-Mischling

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Wie wirken sich die Bürohunde auf das Arbeitsklima Ihres Unternehmens aus?

Unsere Agenturhunde bringen sehr viel Positives in den Büroalltag, nicht nur die Frauchen/Herrchen sind begeistert, weil sie ihren Hund immer bei sich haben können, auch den Mitarbeitern, die selbst keine Hunde halten, bieten die Hunde oft eine tolle Abwechslung. Da fällt mir ein Zitat ein: „Von Menschen fühlt man sich oft beurteilt. Von einem Tier dagegen weniger.“

Ich bin überzeugt, dass die Hunde bei uns in der Agentur die Arbeitswelt ein Stück weit besser machen.

Wie reagieren Kunden und Geschäftspartner auf Ihre Bürohunde?

Zum Glück fast ausnahmslos positiv, ich habe oft beobachtet, dass die Menschen dank ihrer Hunde sehr schnell mit Kunden/Geschäftspartnern ins Gespräch kommen, das Eis ist schnell gebrochen, ob Kunde, Geschäftspartner oder Lieferant.

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Was würden Sie vor dem Hintergrund Ihrer Erfahrungen Unternehmen raten, die darüber nachdenken, Bürohunde zuzulassen?

Vor der Entscheidung sollten alle Mitarbeiter über das Vorhaben informiert und abgeholt werden, um gemeinsam zu entscheiden und evtl. Angst- und Gesundheitsthemen zu besprechen, um Problemen vorzubeugen.

Es sind definitiv Absprachen nötig, da es sicher auch Menschen gibt, die sich in der Umgebung von Hunden unwohl fühlen oder sogar Angst haben. Dies sollte man unbedingt respektieren, damit es keine Grüppchenbildung gibt.

Die räumliche Trennung ist ein wichtiger Punkt. Der Mitarbeiter sollte selbst entscheiden dürfen, ob er Hundekontakt haben will, genauso wie der Hund einen Platz braucht, wo er sich zurückziehen kann, wenn er gerade keinen Menschenkontakt möchte.

Mitarbeiterbindung an den Betrieb