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Nr. 2608

 

Konflikt der Androiden

 

Die LEUCHTKRAFT und die Anomalie – Begegnung in der Librationszone

 

Hubert Haensel

 

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In der Milchstraße schreibt man das Jahr 1469 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) – das entspricht dem Jahr 5056 christlicher Zeitrechnung. Der furchtbare, aber kurze Krieg gegen die Frequenz-Monarchie liegt inzwischen sechs Jahre zurück. Die Bewohner der Erde erholen sich langsam von den traumatischen Ereignissen.

Nun hoffen die Menschen sowie die Angehörigen anderer Völker auf eine lange Zeit des Friedens. Perry Rhodan und seine unsterblichen Gefährten wollen die Einigung der Galaxis weiter voranbringen; die uralten Konflikte zwischen den Zivilisationen sollen der Vergangenheit angehören.

Dabei soll die phänomenale Transport-Technologie des Polyport-Netzes behilflich sein. Mithilfe dieser Technologie bestehen Kontakte zu weit entfernten Sterneninseln, allen voran der Galaxis Anthuresta, wo sich die Stardust-Menschheit weiterentwickelt.

Doch längst lauert eine ganz andere Gefahr, von der die Bewohner der Milchstraße bislang nichts ahnen können. Perry Rhodan verschlägt es mitsamt der BASIS in die unbekannte Doppelgalaxis Chanda, während auch das gesamte Solsystem an einen fremden Ort entführt wird.

Alaska Saedelaere wiederum ist weiterhin auf der Suche nach der verschwundenen Samburi Yura, an Bord des Kosmokratenschiffes LEUCHTKRAFT. Dort kommt es aber zum KONFLIKT DER ANDROIDEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Alaska Saedelaere – Der Maskenträger will ein Kosmokratenraumschiff kommandieren.

Eroin Blitzer – Der Commo’Dyr wächst an seinen Aufgaben.

Fallun Vierauf – Der Zwergandroide beobachtet die Entwicklung an Bord der LEUCHTKRAFT mit Misstrauen.

Mel-anta-Sel – Der Wissenssammler sieht zu wenig schwarz und zu viel rot.

Dom-helo-Rom – Ein Unterhaltungskünstler wird zum treuen Begleiter.

»Die LEUCHTKRAFT ist voller Mysterien. Sie lässt mich staunen, bringt mich zum Nachdenken, flößt mir im gleichen Maße Angst ein, wie sie mein Vertrauen in die höheren Ebenen der kosmischen Ordnung stärkt. Aber ich müsste lügen, wenn ich deine Entwicklung nicht als das größte aller Wunder einordnen würde.«

Alaska Saedelaere zu Eroin Blitzer, als sie auf dem Baumstamm saßen.

 

1.

 

»Endlich wird es ernst. Ich verlange von jedem höchste Konzentration und Aufmerksamkeit! Das ist ein Befehl.«

Sum-talo-Qum

schlang den Schwanz bedeutungsvoll um seinen kugelförmigen Leib und streckte das Pilaboo, das Schwerkraftorgan, in die Höhe. Tief sog das Firibirim die Luft ein und blähte sich ein wenig größer auf. Eine unglaubliche Anspannung hatte sich in ihm aufgestaut, seit es die Leitung des Projekts übernommen hatte.

»Die Energieversorgung anlaufen lassen und auf drei Amplituden hochfahren!«

Sum-talo-Qum lauschte. Zählte lautlos zweimal alle acht Farben, dann ließ es den angehaltenen Atem ausströmen.

Sanfte Schwingungen umflossen den Sockel der Maschine. Dazu erklang ein einschmeichelndes Summen, als hätten die Musikkünstler des Stockes die Anweisung erhalten, eine tragende Ode an das Nichts der Schöpfung zu komponieren. An das Nichts oder an das Alles, das war Ansichtssache.

Fast war Sum-talo-Qum versucht, seinen Schwanz im Takt der Melodie zu ver- und entknoten. Entgeistert fragte es sich, ob womöglich doch ein klein wenig die orange Farbe eines Künstlers unter dem Rot seines dichten Pelzes verborgen lag. Aber selbst wenn das nur den Flaum betroffen hätte, der Gedanke an sich war erschreckend genug. Sum-talo-Qum liebte sein Rot, nie im Leben hätte es die Vorstellung erwogen, sich als Fremdpelzer zu sehen. Alles, nur keine abweichende Farbe. Sorgsam wischte das Firibirim mit dem Schwanz über sein dichtes Fell. Jedes fehlfarbene Haar würde es sich in einem solchen Fall sofort ausrupfen.

Von derart erschreckenden Gedanken durfte es sich nicht ablenken lassen. Für sein kräftiges Rot gehörte sich so etwas einfach nicht.

»Sobald sechzig Prozent der Leistung erreicht sind, die Zufuhr drosseln!«, befahl Sum-talo-Qum. »Die Maschine muss so sanft wie möglich in Betrieb gehen.«

Aus weit hervorquellenden Augen schaute sich das Firibirim um. Drei mittlere Schwanzlängen entfernt, rund dreißig Körperdurchmesser, sah es zwei weitere rote Firibirim das Geschehen beobachten.

Es spitzte die Ohren. Sie ragten nur knapp aus dem dichten Pelz hervor und trugen an der Spitze winzige Haarbüschel, als hätten es die Gene seines Erzeugers besonders gut mit ihm gemeint. Sum-talo-Qum hörte besser als viele andere Firibirim im Stock. Erst vor Kurzem hatte ihm ein Wissenssammler bestätigt, das liege an den wunderschönen dunkelroten Ohrhärchen, die den Schall verstärkt auffingen. Wenn es ringsum völlig ruhig sei, könne Sum-talo-Qum im Erholungsland sogar das Gras wachsen hören.

Als befehlendes Firibirim hatte es bislang nicht versucht, dem Gras wirklich zuzuhören. Aber eines Tages ... Sobald es dafür Zeit fände ...

Sum-talo-Qum drehte die Spitzohren ein wenig in die Richtung der beiden anderen Roten. Genau so sah es aus, wenn die Antennen des Firibirim-Stocks in das Alles hinauslauschten; sie waren die Ohren der großen Gemeinschaft. Die Antennen wurden immer bemüht, sobald die Wissenschaftler wieder einmal der Meinung waren, nach fremdem Leben suchen zu müssen. Dabei sollten die grünen Erfinder und schwarzen Wissenssammler besser die Finger davonlassen.

Sum-talo-Qum war mit vielen anderen Firibirim der Meinung, dass das Essen seit einiger Zeit immer schlechter schmeckte. Viele im Stock munkelten mittlerweile, dass draußen im Alles etwas sein müsse, was da nicht hingehörte.

Sum-talo-Qum verstand die Zusammenhänge nicht. Doch das fand das Befehls-Firibirim nicht schlimm, schließlich kompensierte der herrlich rote Pelz das Nicht-Wissen in jeder Hinsicht. Und wenn die grünen Erfinder nicht von selbst darauf verzichteten, mit ihren waghalsigen Experimenten fremde Lebensformen anzulocken, die das Essen vollends verdarben, würde Sum-talo-Qum ihnen eben die Anweisung dazu erteilen.

Das Firibirim hatte sich ablenken lassen. Es konzentrierte sich nun umso intensiver und bohrte mit dem Schwanzende nacheinander in beiden Ohren, um sich ja nichts von dem entgehen zu lassen, was die beiden Kollegen anordneten.

»Überwacht die Wärmeabgabe, wenn achtzig Prozent der Leistung überschritten werden!«, befahl Sum-talo-Qum. »Und gebt mir umgehend die Messwerte!«

»Jemand muss die Sockeldämpfung neu justieren!«, rief Jil-talo-Fil, das zum gleichen Wurf wie Sum-talo-Qum gehörte.

Das war ein sehr guter Wurf gewesen. Voller Stolz, dass es dazugehörte, versetzte das Firibirim seinen Schwanz in peitschende Bewegung.

Sie alle waren erst vor wenigen Allfarbperioden der kindlichen Phase entwachsen und hatten ihre Pelzfarbe angenommen: Nur je einer hatte blaues, grünes, gelbes und schwarzes Fell, alle anderen waren rot. Aber nicht ein einziges talo-Firibirim war vom Schicksal mit violettem Fell ausgestattet worden, um Nachwuchs hervorbringen zu können. Kein einziges ...

Das werden andere tun, überlegte Sum-talo-Qum. Wenn wir vom talo-Wurf erst in allen Bereichen befehlen, wird das Leben im Stock wirklich lebenswert sein.

Oh ja, es hatte eine feste Vorstellung davon. Kein Firibirim sollte sich mehr mit Arbeit verausgaben müssen, bis sein Greifschwanz ermattete. Der Fortschritt war alternativlos. Sum-talo-Qum freute sich auf den schönen neuen Stock. Das soeben in die Wirkphase eingetretene Projekt würde im wahrsten Sinn des Wortes frischen Wind hineinbringen.

»Die Dämpfung zuschalten!«

Das war Gol-hech-Vols Stimme. Das alte Firibirim gehörte zu jenen, die das Projekt angeschoben hatten, und stand kurz davor, den Triumph seiner gesammelten Anordnungen genießen zu dürfen.

Sum-talo-Qum rollte den buschigen Schwanz ein und ließ ihn wie die klebrige Zunge eines Ti-Jah’wk vorschnellen. Bewusst verzichtete es darauf, mit dem Pilaboo die Schwerkraft zu verändern. Sein Schwanzende wickelte sich um eine der Aggregatstangen.

Sum-talo-Qum spürte den festen Halt und ließ sich hinterherziehen.

Die Luft fächelte ihm das Fell und bauschte die dichte rote Haarpracht. Sum-talo-Qum war ohnehin nahezu doppelt so groß wie die anderen Firibirim seines Wurfalters. Der angenehm kitzelnde Windhauch erinnerte es daran, wie schön das Dasein im Stock sein konnte – ganz anders als die düsteren Prognosen, von denen es ohnehin nichts hielt.

Vor mehr als hundert Würfen hatte ein schwarzes Sammlim qualvolle Enge vorhergesagt. Der Stock würde, wenn die intensive Vermehrungsrate der Violetten anhielt, eines Tages aus allen Nähten platzen. Falls nicht schon vorher Luft und Wasser sowie die Temperaturregelung Farbe-wechsel-Dich spielten.

Über diese Prophezeiung konnte Sum-talo-Qum nur lachen. Der Stock bot so viel ungenutzten Raum, dass dort leicht doppelt und dreimal so viele Firibirim wie bislang leben konnten.

Das neue Aggregat sollte die Regionen im Stockzentrum richtig bewohnbar machen. Dann konnten die Ti-Jah’wk, Nuru-Bar und Seg’helm dort angesiedelt werden und sich frei entfalten. Ihre Körperausscheidungen würden auch auf der neuen Fläche die Gewächse üppig sprießen lassen, die bislang in der Peripherie rankten, und dann bedurfte es keiner weitläufigen Umzäunungen mehr. Die Nutzwesen würden sich Richtung Stockmitte ungehindert ausbreiten.

Sum-talo-Qum sah schon große Gruppen Dienstleister-Firibirim mit Melkschüsseln zwischen der Peripherie des Stockes und den Innenbereichen pendeln. Nichts war besser geeignet, um das Fell weich und geschmeidig zu halten und seiner Farbe einen freundlichen Glanz zu verleihen, als die wieder verflüssigten Tränenverkrustungen der Ti-Jah’wk. Und die Essenz der abgestreiften Haut eines Nuru-Bar erhielt die Spannkraft der Schwanzmuskeln bis ins hohe Alter.

In seiner Vorstellung sah Sum-talo-Qum den Stock vollends zum Paradies werden. Das Leben war schön.

»Freut euch!«, wollte es ringsum ausrufen. »Sagt mir, dass unser Leben schön ist! Ich will das hören!«

Im letzten Moment drehte es seine Zunge herum, und nur ein leises Piepsen drang über die Fellspitzen hinaus.

Da war noch eine kleine Einschränkung: wenn, ja, wenn das mit der schlechter werdenden Nahrung endlich aufhören würde. Es selbst war in der Hinsicht nicht so wählerisch. Aber Dom-helo-Rom, zumindest bis vor wenigen Perioden ein begnadeter Künstler, inzwischen eher starrsinnig-griesgrämig, machte für seine nachlassende Kreativität die schlechter werdende Ernährung verantwortlich.

»Alles wird schlechter werden!«, behauptete Dom in sturer Verbissenheit.

Nun gut, diese Schlechtmacherei gehörte zu dem Künstler wie sein orangefarbenes Fell. Das war der große Bereich der Unterhaltung, der Drang danach, Aufmerksamkeit zu erzeugen und nicht schon nach wenigen Tagen in Vergessenheit zu geraten.

Sum-talo-Qum verstand, dass solche Firibirim einfach gezwungen waren, einen winzigen Krie-Bel zum großen Nuru-Bar aufzublasen.

Wortjongleur!, dachte es verbittert und amüsiert zugleich. Farbmischer ... Falschfärber ...

Um ein Haar hätte es den richtigen Zeitpunkt verpasst, den Greifschwanz vom Gestänge zu lösen. Sum-talo-Qum prallte ein wenig zu schwungvoll auf das Standpodest und rollte fast ungebremst weiter. Schmerzhaft schlug sein Schwanz gegen eine Seitenverkleidung, und das Pilaboo rief in schnellem Wechsel unterschiedlichste Schwerkraftverhältnisse hervor.

Sum-talo-Qum wurde mehrmals ruckartig herumgewirbelt, bevor es endlich ruhig lag. Es hätte jammern können über sein schrecklich zerwühltes Fell, doch es nahm seine ganze Kraft zusammen und ignorierte diesen Zustand, so gut das eben ging. Schon deshalb, weil Jil-talo-Fils Glupschaugen ihm geradezu entgegenwuchsen. Zögernd schwebte das Wurfgeschwister heran. War es amüsiert über das Missgeschick?

»Weitermachen!«, befahl Sum-talo-Qum. »Keine Müdigkeit vorschützen, es gibt viel zu tun.«

 

*

 

Jil-talo-Fil neigte sich leicht zur Seite, drehte im Stand zweimal um die eigene Hochachse – und stoppte exakt so, dass es den alten Gol-hech-Vol vor sich hatte.

»Wir müssen vorankommen!«, gab es den Befehl weiter. »Geh nach unten, Gol, und lass dir die Verlaufsdaten geben!«

Das alte Firibirim stieß sich ab und veränderte sehr schnell die Schwerkraft. Majestätisch langsam sank es in die Tiefe.

»Wo sind die Dienstleister?«, erklang seine kratzige Stimme. »Bringt mir die Verlaufsdaten!«

Sum-talo-Qum ließ sich einfach bis an den Rand der Plattform rollen und ebenfalls in die Tiefe fallen. Mit dem Pilaboo versetzte es sich in eine leichte Pendelbewegung und stoppte einen Lidschlag später den schnellen Sturz, indem es die Schwerkraft aufhob.

Die vorbeiströmende Luft hatte sein Fell einigermaßen gelüftet und wieder aufgebauscht.

»Die Pumpleistung erhöhen!«

»Macht schon, macht schon! Wir haben noch andere Aufgaben zu erfüllen. Wir brauchen die Messwerte über alle Veränderungen im Stockinnern!«

Sum-talo-Qum schwebte über einer Horde Roter. Einige wedelten aufgeregt mit den Schwänzen, als sie ihn bemerkten. Die anderen achteten kaum darauf, sie waren damit beschäftigt, ihre Befehle zu artikulieren.

Natürlich war es viel Arbeit, den Innenbereich des Stockes zu erschließen. Das Projekt war schon vor geraumer Zeit erdacht worden, aber nun ging es endlich seiner Verwirklichung entgegen. Sum-talo-Qum schätzte sich glücklich, dass es zu dieser Generation zählen durfte. Viel Schlendrian war in der Vergangenheit eingerissen, doch die wachsende Zahl roter Firibirim machte die Versäumnisse wieder wett.

Ohne Befehle ging einfach nichts voran.

Mehrere Achterhorden Roter kümmerten sich um die Abläufe. Sum-talo-Qum hörte ihre Anweisungen. Manchmal klangen die Stimmen ungeduldig, aber Ungeduld gehörte zum Leben.

»Weitermachen!«, ordnete Sum-talo-Qum an.

Es schwebte tiefer und ließ sich in das Aggregat hineingleiten. Innerhalb eines einzigen Herzschlags tauchte es in den bunt wabernden Zugangsschacht ein. Alles-Strahlung, nur nicht schmackhaft, bedeckte die Wände wie eine feine Schleimschicht und machte sie zum neutralen Pol der Anlage. In Sum-talo-Qum erwachte ein quälendes Hungergefühl. Die besondere Aura der Wände weckte diese Empfindungen, doch kein Firibirim hätte auch nur versucht, sich daran zu laben. Das Zeug war unverdaulich und verursachte Krämpfe. Sum-talo-Qum verglich es mit den Schalen der im Stock wachsenden Pflanzen, von denen die Nutzwesen lebten. Auch sie verschmähten das Äußere, das letztlich als Abfall dem Stock zur Wärmegewinnung diente, und verdauten nur die weichen Innereien.

Mit sachten Schwanzbewegungen schlängelte das Befehls-Firibirim sich einem der Überwachungsknoten entgegen. Wie in einer kleinen Kontrollzentrale liefen dort viele Messwerte zusammen.

Sum-talo-Qum vermisste die Bildübertragung aus dem Stockinnern. Die entsprechenden Monitore waren nicht eingeschaltet.

Heftig drückte es mit dem Schwanz gegen die Bildscheiben. Eigentlich war das nicht seine Aufgabe, schließlich hatte es keinen braunen Pelz, was es automatisch zum Arbeiten und Bedienen bestimmt hätte.

Trotzdem war Sum-talo-Qum verwirrt, weil der Schirm weiterhin matt blieb.

»Dafür bin ich nicht geschaffen!«, fiepste es schrill. »Jedes Firibirim soll wirklich nur das tun, für das es herangewachsen ist. Die Natur hat schon alles passend richtig eingerichtet.«

Mehrere Kontrollanzeigen waren ebenfalls matt.

Sum-talo-Qum schüttelte sich. Es war nicht seine Aufgabe, in dem Überwachungsknoten nach dem Rechten zu sehen. In dem Moment verstand es nicht einmal, warum es überhaupt so weit vorgedrungen war.

Intuition?

Etwas stimmte nicht, das glaubte das rote Firibirim deutlich zu spüren.

Weit quollen seine beiden Augen zwischen dem dichten Randflaum hervor, als es sich umschaute. Es hüpfte auf und ab. Die Schwanzspitze mit dem Pilaboo ruhte dabei ruhig am Boden, aber der Kugelkörper pendelte in der Vertikalen, gerade so weit, dass Sum-talo-Qum die Bodenhaftung nicht verlor. Sobald es den höchsten Punkt erreichte, wirkte sein Schwanz wie die Rückholleine, mit der ein Seg’helm daran gehindert wurde, einfach wegzufliegen.

Es war warm.

Zu warm.

Da die Bewegung ein wenig kühlte, wurde Sum-talo-Qum erst auf die hohe Temperatur aufmerksam, als Schweiß von seinem Fell versprühte. Der Boden im Umkreis war schon mit hässlichen feuchten Tupfern übersät.

Es war krank?

Unsinn. Außer Pelzmotten gab es keine Erreger im Stock. Erfinder und Wissenssammler verbreiteten derartige Schreckgeschichten und die orangefarbenen Unterhaltungskünstler bauschten sie auf, schlimmer, als hätte ein junges Firibirim sich am Alles überfressen.

Das änderte nichts daran, dass Sum-talo-Qum der Schweiß schon in Strömen durch den Flaum rann.

Es stieß sich ab und schwebte mit leichten Schlängelbewegungen quer durch den Raum. Sogar die Temperaturanzeige hoch oben unter der Decke war nicht aktiviert.

»Einschalten!«, kommandierte Sum-talo-Qum.

Einen Atemzug später fiel ihm auf, dass kein braunes Firibirim in der Nähe war, das seinen Befehl hätte umsetzen können. Es reagierte verwirrt, schließlich hatte es angeordnet, dass jeder Überwachungsknoten kontrolliert werden müsse.

Mehrmals drehte es sich in der Luft, dann schnellte es abrupt vorwärts und verharrte erst vor dem Sprechanschluss. Mit der Schwanzspitze tippte es auf die Sendetaste. »Zwei Dienstleister sofort zu mir! Ich warte!«

Wo steckten die Burschen? Ein Nachspiel würde ihr Verschwinden auf jeden Fall haben. In letzter Zeit waren die Dienstleister-Firibirim immer seltener zur Stelle, wenn sie gebraucht wurden.

Sum-talo-Qum wartete mit wachsender Ungeduld. Es schwebte mitten im Raum und drehte sich langsam, starrte aus immer weiter hervorquellenden Augen auf die matten Schirme der optischen Übertragung und der Messwerte. All das sollte helfen, das Projekt unter Kontrolle zu halten. Aber was geschah?

Es wurde immer heißer.

Woher kam die Hitze? Ein Teil vielleicht aus dem Innern des Stocks. Aber der ganze große Rest?

Sum-talo-Qum lauschte den Vibrationen des Aggregats. Hatte die Maschine anfangs wie ein violettes Firibirim beim Anblick seines besonders großen Wurfs gleichmäßig geschnurrt, mischten sich mittlerweile eigenwillige Töne hinein. Ein unregelmäßiges Knacken ...

Die Maschine hakte.

Mit einem Mal war Sum-talo-Qum sich bewusst, woher die Wärme stammte. Nicht nur die Kontrollen in dem Überwachungsknoten waren nicht aktiviert – jemand hatte vergessen, den Wärmetauscher einzuschalten.

Selten hatte Sum-talo-Qum sich so schnell fallen lassen wie in diesem Moment. Es tippte nicht erst mit dem Schwanz auf die Sendetaste, sondern schlug gleich mit dem ganzen Leib dagegen.

»Abbrechen!«, kreischte es aus vollem Hals, während es sich in der Luft überschlug. »Sofort abbrechen!«

Niemand antwortete.

Es jagte auf den Ausgang zu und schlängelte sich den schmalen Korridor entlang. Unerträglich werdende Hitze schlug ihm entgegen. Dann war es draußen, drehte sich im Maschinenraum, sah mehrere Firibirim in seiner Nähe ...

»Abbrechen! Sofort alles abschalten!«, rief es schrill.

»Aufhören!«

»Stopp!«

»Sofort abschalten!«

Von mehreren Seiten hallten die Befehle wie ein Echo seines Aufschreis heran. Damit wurde alles wieder gut, gerade rechtzeitig.

»Das Aggregat anhalten!«

»Umgehend die Energieversorgung unterbrechen!«

Alles um Sum-talo-Qum drehte sich in rasendem Wirbel. Es war sein heftig pochender Herzschlag, der dieses Taumelgefühl hervorrief. Das Firibirim ließ sich zu Boden sinken. Es versuchte, gleichmäßig zu atmen, aber der Schreck tobte sogar in den Haarwurzeln.

Meine Traumkuhle!, schrie alles in ihm. Bringt mir meine Kuhle!

Langsam den Rand entlang abwärts zu rollen, um am tiefsten Punkt mit nur noch leichtem Pendeln allmählich zur Ruhe zu kommen, das war es, was Sum-talo-Qum brauchte. Dann würde es schnell wieder zu sich selbst finden.

Das Knacken und Knistern im Aggregat wurde lauter. Sum-talo-Qum hörte die Geräusche. Weder die Firibirim in seiner Nähe noch die Wurfgeschwister oder das alte Gol-hech-Vol bemerkten es überhaupt.