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Rainer M. Schröder

Die Farben von
Florenz

Pater Angelicos erster Fall

Roman

hockebooks

30

Auf seinem Weg durch die abendliche Stadt fiel Pater Angelico auf, dass ungewöhnlich viele reisende Schausteller und Spielleute unterwegs waren und allenthalben buntbemalte Wagen des rastlosen Volks der Landfahrer durch die Gassen rollten. Fast auf jedem freien Platz und vor vielen der Tavernen, die sich in der Nähe großer Straßenkreuzungen befanden, sah er Gruppen von Vaganten in farbenfrohem Aufzug sich günstige Plätze sichern, indem sie dort ihre Buden, Zelte, Podeste und kleinen Bühnen errichteten. Nicht wenige von ihnen lieferten dabei auch schon Kostproben ihrer Künste als Musikanten, Akrobaten, Komödianten, Wahrsager, Zauberkünstler, Schauspieler oder Gaukler.

Zunächst konnte er sich auf das bunte Treiben keinen Reim machen. Zwar zog Florenz, das hinter der Fassade gottgefälligen Lebens für Vergnügungen und sündige Lustbarkeiten aller Art eine Schwäche hatte, solche Leute zu allen Jahreszeiten an. Aber was sich jetzt in den Straßen und auf den Plätzen tat, ging weit über den üblichen Rahmen der Volksbelustigungen hinaus.

Aber dann fiel es ihm wieder ein. Natürlich! Der 1. November stand vor der Tür und damit das große Weinfest. Noch zwei Tage, und die Fässer mit dem neuen Trebbiano würden in die Stadt rollen und sie wieder einmal in einen wilden, weinseligen Taumel versetzen.

Auch auf dem Mercato Vecchio, auf dem ansonsten um diese frühe Abendstunde nicht viel Betrieb herrschte, hatten sich die ersten Schausteller eingefunden. Dementsprechend viel Volk wogte dort unter den langen Bogenarkaden sowie zwischen den Schenken und Garküchen, die sich dort angesiedelt hatten. An der Ecke zur Via dei Ferravecchi hatten drei Bänkelsänger ihr Bretterpodest aufgebaut und unterhielten eine wachsende Menschentraube mit Spottliedern auf die Reichen und Mächtigen der Welt. Gerade stimmten sie ein neues Lied an, in dem sie mit raffinierter Doppelbödigkeit über päpstliche Unzucht mit Mätressen und Vetternwirtschaft herzogen.

Pater Angelico umging die Menschenmenge, so gut es ihm bei dem Gedränge eben möglich war. Dabei kreisten seine Gedanken unablässig um die Frage, ob es wirklich unvermeidlich war, dass er sich zu Gershom Jezek in die Via Mensano begab, und ob er die Standhaftigkeit besaß, der Verlockung jenes Ortes nicht zu erliegen. Denn dass ihn das Verlangen wie ein ausgehungertes Raubtier anfallen würde, kaum dass er durch den roten Vorhang getreten war, stand außer Frage.

Was das betraf, gab er sich keinen Illusionen hin. Er kannte die Dämonen, die in ihm hausten, nur zu gut. Dass sie eine Zeitlang stillgehalten und sich nicht aus ihren dunklen Höhlen tief in seinem Inneren gewagt hatten, hieß noch lange nicht, dass sie dort nicht auf der Lauer lagen. Er wusste, dass sie gefährlich waren wie eh und je und bloß auf einen Moment der Schwäche warteten, in dem sie ihn anfallen, ihre Krallen tief in ihn schlagen und ihn niederringen konnten. Umso heftiger quälte ihn die Ungewissheit, über wie viel Widerstandskraft er tatsächlich verfügte.

Aber wie er die Causa Movetti und das, was er bislang in dieser Angelegenheit in Erfahrung gebracht hatte, auch drehte und wendete, er kam doch immer wieder zu dem niederschmetternden Ergebnis, dass er mit seinen Ermittlungen nicht von der Stelle kam. Ihm war, als irrte er von einer widerlich stinkenden Sackgasse in die andere. Zwar ahnte er, dass sich in einer dieser Gassen sehr wohl ein Durchgang verbarg, der ihn geradewegs auf die Spur der Mörder führen würde, aber er wusste nicht, in welche er zurückkehren sollte und wo genau er dort nach der Pforte zur Wahrheit zu suchen hatte. Und aus diesem Dilemma konnte ihm nur Gershom heraushelfen. Zumindest kannte er außer Commissario Scalvetti keinen, der in der Lage gewesen wäre, ihm weiterzuhelfen. Und da Scalvetti nicht daran dachte, auch nur in Erwägung zu ziehen, dass es sich bei Movettis Tod um ein Verbrechen handeln könnte, blieb ihm keine Wahl. Er musste sich zu Gershom begeben und hoffen, dass er sich dadurch nicht selbst vom Regen in Traufe brachte.

Als aus der Menge vor dem Podest der drei Bänkelsänger stürmischer Applaus und begeistertes Gejohle aufbrandeten, fuhr Pater Angelico aus seinen Grübeleien auf und blickte unwillkürlich zu der Ansammlung hinüber.

Im selben Moment wandte sich dort am Rand der Menge eine schlanke Frau um, die wie eine einfache Magd gekleidet war; sie trug ein formlos schlichtes Gewand aus schiefergrauer Wolle, ein schwarzes, grob gestricktes Schultertuch und eine alte, angeschmutzte Haube von bräunlicher Farbe. Offensichtlich war sie bemüht, drei abgerissenen Gestalten, die einander die Arme um die Schultern gelegt hatten und sich grölend durch die Menge schoben, aus dem Weg zu gehen. Dabei wandte sie ihm flüchtig ihr Profil zu.

Er stutzte, blieb stehen und starrte ungläubig hinüber. War das nicht Lucrezia Petrucci? Durfte er seinen Augen trauen, oder hatte da nur eine fremde Frau aus dem Volk große Ähnlichkeiten mit ihr?

Es war ein Ding der Unmöglichkeit, dass eine unverheiratete junge Frau von ihrem Stand sich wie eine Magd verkleidete, allein das Haus verließ und sich unter das Volk mischte. Ein solches Verhalten war unverzeihlich und stellte die Frau, die es an den Tag legte, fast auf eine Stufe mit einer Hure. Es hatte den vollständigen Verlust der Ehre zur Folge und brachte Schande über die ganze Familie.

Bevor er genauer hinsehen und sich Gewissheit verschaffen konnte, wandte die Gestalt ihm auch schon wieder den Rücken zu und entfernte sich in Richtung der nördlichen Marktseite.

»Lucrezia?« Laut flog ihm der Name von den Lippen. Und um den Lärm ringsum zu übertönen, rief er ihr gleich noch lauter nach: »Lucrezia? … Lucrezia, seid Ihr es? … Lucrezia!«

Die Frau mit dem groben Schultertuch, dessen Enden sie vor der Brust zu einem dicken Knoten gebunden hatte, reagierte nicht und tauchte tiefer in das Menschengewimmel ein.

Spontan eilte er ihr nach, doch schon nach wenigen Schritten hatte er sie aus den Augen verloren. Nicht einmal ihre Haube vermochte er in der Menge noch auszumachen. Im Dämmerlicht, das mit jedem Augenblick schwächer wurde und der hereindrängenden Nacht kaum noch Widerstand entgegensetzte, verschmolzen die Menschen jenseits der Lichtkreise von Fackeln und Laternen schon in einem Dutzend Schritten Entfernung zu einer dunklen, gestaltlosen Masse.

Pater Angelico blieb stehen und kam sich plötzlich vor wie ein Narr.

Was in Gottes heiligem Namen war bloß in ihn gefahren, dass er geglaubt hatte, dieser Frau folgen und sich vergewissern zu müssen, ob es sich bei ihr tatsächlich um die Tochter des Wollfabrikanten handelte? Selbst wenn das Lucrezia gewesen war, wogegen der gesunde Menschenverstand und alle Wahrscheinlichkeiten sprachen, was ging es ihn an? War er der Hüter ihrer Ehre? Wenn sie wirklich in solchem Maße rebellisch war, dass sie nicht davor zurückschreckte, durch derart liederliches Herumstreunen ihren ohnehin angekratzten Ruf gänzlich zu ruinieren – was ging es ihn an? Hatte er nicht schon mit genug Problemen zu kämpfen?

Für die Dauer einiger Herzschläge erfasste ihn eine merkwürdige ahnungsvolle Beklemmung. Ihm war, als quälte ihn ein vertrauter Schmerz, der tief in ihm eingekerkert saß und von dem er wusste, dass er ihn überwältigen und geradewegs in den Abgrund führen würde, wenn er ihn von seinen Fesseln befreite und zuließ, dass er aus seinem tiefen Ort der Verbannung in ihm hochstieg. Für diesen kurzen Moment spürte er überdeutlich, dass er rettungslos verloren war, wenn er diesem lockenden Schmerz in seinem Innern nachgab.

Doch diese beklemmende Ahnung war schnell überwunden, von seiner Willenskraft ins Unterbewusstsein zurückgeschlagen und zum Schweigen gebracht; bald hatte er sich wieder völlig unter Kontrolle.

Er schüttelte über sich selbst den Kopf und setzte seinen Weg in die Via Mensano raschen Schritts fort.

Er hatte keinen Grund, sich Vorhaltungen zu machen oder gar in seinem Innern unlautere Beweggründe am Werk zu wähnen! Ihren Namen zu rufen und sie einholen zu wollen war schlichtweg eine ebenso spontane wie völlig natürliche Reaktion gewesen. Jedem anderen an seiner Stelle wäre es genauso ergangen. Eine unverheiratete Tochter aus vornehmem Haus, als Magd verkleidet, allein und inmitten des einfachen Volks: Da durfte man ja wohl schockiert sein und unwillkürlich versuchen, ihr zu folgen, um sich Gewissheit zu verschaffen! Das und nichts anderes war ihm widerfahren. Damit war es nun auch genug.

Wie ein lästiges Insekt verscheuchte er Lucrezia aus seinen Gedanken. Doch lästige Insekten hatten oft die leidige Angewohnheit, sich nicht lange von halbherzigen Abwehrmaßnahmen beirren zu lassen, sondern eilig zurückzukehren und in ihrem störenden Tun fortzufahren.

31

Wie der Zufall es wollte, trat Gershom Jezek ausgerechnet in jenem Moment mit zwei brennenden Öllaternen hinter dem dunkelroten Vorhang hervor, als Pater Angelico sich dem Laden schon bis auf wenige Schritte genähert hatte. Damit war er der Möglichkeit beraubt, es sich im letzten Moment noch anders zu überlegen und schnell unbemerkt am Eingang der jüdischen Pfandleihe vorbeizugehen.

»Bei Gott, es soll wohl so sein«, murmelte er und stockte nur kurz, als er die vertraute, wie gewohnt von Kopf bis Fuß in schmuckloses nachtblaues Samttuch gewandete Gestalt des jüdischen Pfandleihers erblickte. Das einzig Schmückende an ihm war der mit Goldfäden durchwirkte dunkelblaue Samt seiner Geldbörse, die rechts von seinem aus schwarzen Seidenkordeln geflochtenen Gürtel baumelte.

Gershom Jezek ließ sich seine Verwunderung nicht anmerken, als er Pater Angelico näher kommen sah. Mit der ihm eigenen Ruhe hängte er die Laternen an die eisernen Mauerhaken rechts und links vom Eingang und wandte sich dann erst dem Ankömmling zu.

Er war ein Mann von achtundvierzig Jahren, gesegnet mit einer schlanken, hochgewachsenen Gestalt und einem ausdrucksstarken Gesicht mit markanten, wohlproportionierten Zügen. Ohne weiteres hätte er einem Bildhauer als Modell für die klassischen Köpfe der Antike dienen können. Wären die langen schwarzen Korkenzieherlocken nicht gewesen, die ihm seitlich an den Schläfen herabbaumelten und wie das Vlies seines brustlangen Bartes schon von zahlreichen grauen Strähnen durchzogen waren, niemand hätte ihn für einen Hebräer gehalten.

Aber dann hätte er natürlich auch nicht vorn an seinem samtenen Spitzhut den gelben Stoffstern tragen dürfen, wie es das florentinische Gesetz männlichen Juden seit der Regierungszeit des Cosimo de’ Medici vorschrieb. Frauen hatten das gut sichtbare Stoffzeichen an ihrem Kleid anzubringen. Florenz brauchte seine jüdische Gemeinde, insbesondere ihre Goldschmiede, Heilkundigen, Geldverleiher und Pfandhausbetreiber, und gewährte ihr in seinen Mauern Schutz vor Verfolgung und Übergriffen. Sogar eine kleine Synagoge gestand man ihr zu. Aber die Nächstenliebe ging nicht so weit, dass die Obrigkeit darauf verzichtet hätte, sie deutlich als das Volk der Jesusmörder zu brandmarken und die Gegend, in der sie wohnen durften, auf das kleine Ghetto hinter dem Mercato Vecchio zu beschränken. Auch dass der Eingang zur Pfandleihe von einem weithin sichtbaren, zweigeteilten dunkelroten Vorhang verhüllt wurde, war Teil der Vorschriften, die ein Mann wie Gershom Jezek zu befolgen hatte.

»Schalom, mein irregeleiteter Freund!«

»Friede diesem Haus, mein uneinsichtiger Bruder in Christo«, erwiderte Pater Angelico und bedachte ihn mit dem christlichen Segenszeichen.

Seit Jahren folgte ihre Begrüßung diesem Ritual, das mit seinem gutmütigen Spott sowohl ihre Lust am Streit über den wahren Glauben als auch das feste Band ihrer langsam, aber stetig gewachsenen Freundschaft widerspiegelte.

»Soll ich erfreut oder eher besorgt sein, Euch nach so langer Zeit vor meiner Tür wiederzusehen, Angelico?« Aus hellen, lebhaften Augen, denen so leicht nichts entging, sah Gershom ihn prüfend an. Selbstverständlich sah er die verschorfte Wunde am Ohr und die verfärbte Schwellung am Hinterkopf, aber auch die tiefen Linien um Mund und Augen. Deshalb fügte er sogleich hinzu: »Mir scheint, die Sorge sollte überwiegen, so mitgenommen, wie Ihr ausseht. Habt Ihr Euch mit Eurem Prior nicht nur mit Worten, sondern diesmal auch mit den Fäusten angelegt?«

Pater Angelico lächelte müde. Gershom und er kannten einander seit vielen Jahren, seit sechzehn, wenn er es genau bedachte. Damals hatte er Waffen, Helm und Kettenhemd, und was ihm sonst noch an Landsknechtsausrüstung geblieben war, in diese jüdische Pfandleihe getragen. Den Erlös hatte er jeweils zur Hälfte dem Waisenhaus und den barmherzigen Schwestern vom Siechenhospital vor der Stadt gespendet.

Nie hätte er es für möglich gehalten, dass er als Mönch noch einmal seinen Fuß in dieses Haus setzen würde. Doch als ihm seine Dämonen immer ärger zugesetzt hatten und ihm im Giardino zufällig zu Ohren gekommen war, dass der Hebräer Jezek mehr zu bieten hatte als einen anständigen Preis für ein Pfandstück, nämlich die himmlischen Wonnen des Vergessens und der rauschhaften Entrückung, da hatte es ihn immer öfter in Gershoms prèstito gezogen. Meist hatte er das Pfandhaus allerdings durch den Hintereingang betreten, zu dem man gelangte, wenn man durch einen schmalen Torweg schlüpfte, der kurz vor der nächsten Gassenecke in einen winzigen Hinterhof führte. An dem Hintereingang gab es einen versteckten Klingelzug, dessen Klöppel im Inneren, im Flur neben dem Treppenaufgang, einen handtellerkleinen Gong zum Klingen brachte.

So hatte es angefangen – ihre Freundschaft wie auch der Abstieg in die ebenso erschreckende wie verlockende Welt, die sich hinter dem schweren, nachtschwarzen, mit feuerroten Sternbildern bestickten Vorhang am Fuße der kurzen Kellertreppe verbarg.

»Ich habe Euch nie etwas vorgemacht, Gershom, warum sollte ich also jetzt damit anfangen?«, sagte er unumwunden. »Ja, Eure Sorge ist angebracht, in jeder Beziehung, wobei Vincenzo Bandelli jedoch mein geringstes Problem ist. Ich brauche Eure Hilfe, Gershom.«

»Hilfe welcher Art?« Ein höchst beunruhigter Ausdruck flackerte in den Augen des Pfandleihers.

Pater Angelico sah ihm an, was er befürchtete, nämlich dass die Stunde seines Rückfalls gekommen war. Und vielleicht stellte diese Befürchtung sich tatsächlich als begründet heraus. Aber noch war nicht entschieden, wie sein innerer Kampf ausging, und er tat gut daran, sich auf das zu konzentrieren, was er sich von Gershom erhoffte.

»Lasst uns drinnen darüber reden, Gershom.«

»Bedenkt, dass Euch jeder Schritt hinter den roten Vorhang auch dem schwarzen einen Schritt näher bringt«, sagte der Hebräer. »Ihr wisst, dass Ihr mir jederzeit willkommen seid und wie sehr ich unsere Gespräche schätze. Aber ebenso gut wisst Ihr wohl auch, dass mein Haus für einen Mann aus dem geistlichen Stand und mit Euren besonderen Veranlagungen nicht der richtige Ort ist.«

Pater Angelico nickte. »Das ist mir nur allzu bewusst. Aber was ich Euch anzuvertrauen habe, ist nicht mit ein paar raschen Sätzen getan, und schon gar nicht taugt es für ein Gespräch hier in der Gasse«, sagte er leise und rieb sich die juckende Narbe.

»Wir können in die Lumaca gehen«, schlug Gershom die ehrbare Schenke am nahe gelegenen Mercato Vecchio vor. »Oder meinetwegen auch ins Giardino. Da können wir ebenso gut reden wie bei mir im Laden. Rebecca und meine Söhne kommen hier auch gut ohne mich aus.«

Pater Angelico schüttelte den Kopf. Seit Monaten mied er diesen Ort wie der Teufel das Weihwasser. Aber das war nicht wirklich die Lösung seines Problems. Nun wollte er wissen, ob er die Willenskraft besaß, der Versuchung sozusagen Auge in Auge zu widerstehen. »Jeder entdeckt irgendwann den Dämon, der die Fäden seines Lebens zusammenhält. Aber man darf nicht zulassen, dass dieser Dämon zum Tyrannen wird. Also lasst uns hineingehen!«

Der Hebräer seufzte. »Ihr müsst es wissen. Aber sagt später nicht, ich hätte nicht Wort gehalten und nicht versucht, Euch zur Umkehr zu bewegen«, erwiderte er. Er streckte die Hand nach dem Vorhang aus, zögerte jedoch einen Moment, als hoffe er, Angelico würde es sich doch noch anders überlegen. Als das nicht geschah, teilte er schließlich den roten Vorhang mit einer schwungvollen Bewegung. »Nun denn, tretet ein, mein Freund!«

Pater Angelico schluckte mehrmals heftig, als er über die Schwelle stieg. Sein Blick glitt flüchtig über die vielen Dinge, die sich in dem langgestreckten Raum auf den Dielenbohlen und in den schlichten Stellagen und Wandregalen aneinanderreihten. Es war ein sich täglich veränderndes Sammelsurium, ein Durcheinander aus billigem und wertvollem Hab und Gut und von jedweder Beschaffenheit.

Möbelstücke, Kleider, Schuhwerk, Hausrat, Werkzeuge, Waffen, Gerätschaften aller Art. Und jedes Stück, ob es sich um einen einfachen Trinkbecher aus Zinn handelte, einen silbernen Kerzenleuchter, eine zerkratzte Kleiderkiste mit verblichener Bemalung, ein Paar Stiefel, einen winterwarmen Wollumhang, ein rostiges Kohlebecken oder einen Nachtstuhl, jedes Pfandstück trug an einem festen Bindfaden ein kleines Schild aus festem Karton. Darauf stand jeweils eine Nummer, hinter deren Entsprechung in Gershoms großformatigem Rechnungsbuch der Name des Verpfänders verzeichnet war, ebenso das vereinbarte Ablaufdatum der Verpfändung sowie der in lateinischen Zahlen und hebräischen Buchstaben verschlüsselte Betrag, den Gershom für das Pfandstück gezahlt hatte.

All das registrierte Pater Angelico jedoch nur beiläufig, denn er war mit dem Anblick des überfüllten Ladens seit Jahren vertraut. Was er hingegen überdeutlich wahrnahm, war der unverkennbare, eigenartige Geruch, der ihn sogleich umfing und in einen Zustand höchster Erregung versetzte.

Oberflächlich schien es ein Gemisch intensiver Duftstoffe zu sein, das von Lavendel, Jasmin und Lorbeer beherrscht wurde. Diese Wohlgerüche entströmten kleinen Duftkissen und Zierbeuteln, die von der Balkendecke und an den Kleiderständern und Regalen hingen, aber auch hier und da auf Möbelstücken lagen. Sie sollten vorrangig den Modergeruch und Mief alter Stiefel, Kleider, Wandbehänge, Bettsachen, Nachtstühle und ähnlicher Pfandstücke überdecken.

Allerdings überlagerten die Duftspender noch einen anderen Geruch, nämlich den, der aus der Tiefe des Hauses Jezek nach oben in den Laden kroch. Wer mit dieser dunklen Seite von Gershoms Geschäft nicht vertraut war, nahm ihn vermutlich überhaupt nicht wahr. Doch Pater Angelico stieg das süßliche und zugleich herbe Aroma sofort in die Nase.

Augenblicklich sprang ihn das unbändige Verlangen an, sich widerstandslos der Verlockung zu überlassen, die ihn wie tonloser, aber nichtsdestotrotz betörender Sirenengesang umflutete. Und wie ein Tier, das eine starke Witterung aufnimmt, blähte er die Nasenflügel und sog den Duft tief in sich ein. Sein Herz hämmerte in der Brust, sein Mund war plötzlich wie ausgetrocknet.

Magisch angezogen wanderte sein Blick zu dem Durchgang, der sich am hinteren Ende des Ladens rechts neben der Theke befand. Dort zeichnete sich im schwachen Licht einer kleinen rötlichen Wandleuchte die Silhouette einer Treppe ab, über die man nach oben gelangte, in die Privaträume der Familie Jezek. Zwei Schritte hinter dem Treppenaufgang führten mehrere Stufen abwärts zu dem mit blutroten Sternzeichen bestickten Vorhang, hinter dem das Reich des Vergessens und der Entrückung lag.

Von dem dunklen Flur mit dem schwach leuchtenden, roten Licht ging eine unsichtbare Kraft aus, die regelrecht nach ihm zu greifen schien. Er fühlte sich angezogen wie ein Eisensplitter von einem übermächtigen Magneten. Eigentlich brauchte er doch nur …

Gershom hieb ihm ungewohnt burschikos auf die Schulter. »Gehen wir auf meine Kommandobrücke«, sagte er in aufgeräumtem Ton. »Ich bin gespannt, was Ihr mir zu erzählen habt!«

Der kurze, herzhafte Schlag ließ Pater Angelico zusammenfahren und half ihm, seine innere Widerstandskraft zu sammeln und sich wieder unter Kontrolle zu bringen, zumindest äußerlich.

Was der Pfandleiher scherzhaft seine Kommandobrücke nannte, war die hintere linke Ecke seines Geschäftes. Dort führten zwei Stufen auf eine Art Podest, das etwa drei Schritte im Quadrat maß und sich in dem Meer von Gerümpel und Hausrat ausnahm wie eine Insel der Behaglichkeit und feinen Lebensart. Von der Decke hing eine große Öllampe mit reich verziertem, schmiedeeisernem Gehäuse herab. Dicke Teppiche aus dem Orient bedeckten den Boden. Ein alter französischer Wandbehang schmückte die eine Seite der Backsteinmauer, während ein offener, mit Folianten gefüllter Bücherschrank einen Großteil der anderen Eckwand einnahm. Rechts und links davon hing je ein dreiarmiger Kerzenleuchter. Die elegant geschwungenen Arme ragten aus blank polierten Messingblakern hervor, die das warme Kerzenlicht reflektierten und die erhöhte Ecke zusammen mit der Öllampe anheimelnd ausleuchteten. Zwei bequeme, weich gepolsterte Scherensessel aus dunkler, fast schwarz gebeizter Eiche luden vor einem niedrigen arabischen Tisch, dessen runde Platte aus gehämmertem Kupferblech bestand, zum Sitzen ein.

»Macht es Euch gemütlich, Angelico. Und da Ihr offenbar viel zu erzählen habt, wollen wir doch dafür sorgen, dass Ihr darüber nicht einen allzu trockenen Mund bekommt«, sagte Gershom geschäftig, drückte ihn in den Sessel neben seiner Büchersammlung, zu der auch eine prächtig illuminierte Bibel zählte, und rief seiner Frau Rebecca zu, sie möge ihnen eine Karaffe Roten und zwei Becher bringen.

Pater Angelicos Hand zitterte sichtlich, als er wenig später den vollen Zinnbecher entgegennahm, den Gershom ihm reichte. Er gab sich auch keine Mühe, das zu verbergen. Gershom wusste viel zu gut, was in ihm vorging und wie sehr er sich zwingen musste, dem gierigen Verlangen in ihm nicht nachzugeben.

»Täusche ich mich, oder habt Ihr wirklich erheblich mehr Waren als je zuvor hier im Laden?«, fragte er, um sich abzulenken, und ließ seinen Blick noch einmal über das Sammelsurium schweifen.

»Ihr täuscht Euch nicht. Wenn das so weitergeht, kann ich bald nichts mehr annehmen.«

»Es freut mich zu hören, dass Eure Geschäfte gutgehen«, sagte Pater Angelico und nahm einen zweiten kräftigen Schluck.

»Diesmal irrt Ihr, Angelico. Die Zeiten sind schlecht. Zu viele Leute wollen etwas verpfänden, aber zu wenige wollen das versetzte Zeug kaufen. Mein gutes Geld sitzt hier sozusagen träge herum und wirft nichts ab«, klagte Gershom. »Und die Kommune denkt nicht daran, den Würgegriff ihrer jährlichen Strafsteuer für uns Pfandleiher – zweitausend Goldstücke müssen wir aufbringen! – auch nur ein wenig zu lockern.«

»Es ist schon eine himmelschreiende Schande«, pflichtete Pater Angelico ihm bei. »Mögen Zinsgeschäfte laut Bibel auch als gottloser Wucher und contra natura gelten, es ist eine elende Heuchelei, Euch mit der Bibel zu kommen, all die feinen hohen Signori dagegen, die als steinreiche Bankherren ungeheure Gewinne einfahren – und das nicht zuletzt dank ihrer einträglichen Geschäfte mit unseren Kirchenfürsten und dem Heiligen Stuhl –, ungeschoren zu lassen.«

Gershom zuckte die Achseln. »Was sich als Wahrheit ausgibt, ist eben oft nur geheiligte Meinung.«

»Vielleicht solltet Ihr es den frommen Florentiner Bankherren nachmachen, die aus tiefer Sorge um ihr Seelenheil keine Zinsen berechnen, sondern ihre Gebühren für Wechsel als Risikoaufschläge deklarieren. Für Geldeinlagen zahlen sie natürlich keine Zinsen, sondern sie machen ihren Kunden jährlich ein Geldgeschenk, das auf wundersame Weise immer irgendwie in Höhe der jeweils üblichen Zinsen von acht bis zehn Prozent liegt«, sagte Pater Angelico, und tatsächlich war genau das die von der Kirche mehr oder weniger ausdrücklich abgesegnete Praxis der Bankherren.

Erneut zuckte Gershom die Achseln. »Was hilft es, sich zu empören? Die Wirklichkeit lässt sich nicht sauber verpacken und mit dem Band der Moral verschnüren. Die Wirklichkeit steht nun mal oft im Widerspruch zu dem, was wir uns vorstellen«, sagte er mit der ihm eigenen Gelassenheit und Gelehrsamkeit. »Aber damit genug des Geplänkels. Nun lasst hören, was Euch dermaßen schwer auf der Seele liegt, dass Ihr zu mir gekommen seid und glaubt, ausgerechnet meiner Hilfe zu bedürfen!«

Pater Angelico kam der Aufforderung umgehend nach und erzählte in aller Ausführlichkeit, was ihm in den vergangenen vier Tagen widerfahren war.

Aufmerksam und mit sichtlich wachsender Besorgnis hörte Gershom ihm zu, während er an seinem Wein nippte. Dass Pater Angelico sich auf einen Handel mit dem zwielichtigen Movetti eingelassen hatte, um acht Goldstücke von der Summe abzweigen zu können, überraschte ihn am wenigsten. Denn diese acht Goldstücke ruhten in einem gesonderten Beutel in seiner Geldkiste.

»Dass Commissario Scalvetti in dieser Sache nichts unternimmt, ist mir unverständlich! Er müsste doch all diesen Burschen hart auf den Zahn fühlen, insbesondere diesem Rufino de’ Valori und Movettis Verwalter«, wunderte sich Gershom, nachdem er alles erfahren hatte. »Die haben beide zweifellos Dreck am Stecken. Das trifft übrigens mit Sicherheit auch auf den Wahlmann Jacopo Calandro zu. Und mit diesem Schmuggler Rutino oder Orsino, den der Grobian von Verwalter erwähnt hat, kommt ja wohl noch ein Vierter ins Spiel, der ein Interesse am Tod des Speziale haben könnte. Verdächtig sind sie jedenfalls alle!«

»Ja, wenn Scalvetti sich der Causa Movetti annehmen würde, käme bestimmt schnell Licht in die finstere Geschichte«, sagte Pater Angelico. »Aber wo die Machenschaften unserer Staatsfeinde in Rom und Neapel sowie die Intrigen der Verbannten gegen das Haus Medici und seine Verbündeten derart ins Kraut schießen, ist Scalvetti wohl zu sehr damit beschäftigt, Jagd auf fettere, nämlich politische Beute zu machen, als dass er Zeit oder Lust hätte, sich auch noch die Aufklärung eines gewöhnlichen Verbrechens aufzuladen.«

»Ihr könntet die Angelegenheit natürlich auf sich beruhen lassen und Eurem Prior beichten, wie es zu dem Verlust der zweiundvierzig Goldstücke gekommen ist. Immerhin sind Euch noch die acht geblieben, die ich in Verwahrung habe.«

»Ausgeschlossen«, wies Pater Angelico diesen Vorschlag unverzüglich und energisch zurück. »Ich denke gar nicht daran! Dann müsste ich immer und ewig vor Bandelli zu Kreuze kriechen. Dann müsste ich ihm ja auch beichten, dass ich schon seit Jahren Gelder abzweige und für geheime Geschäfte einsetze. Zu sagen, dass er dafür wenig Verständnis zeigen dürfte, trifft das, was mir dann mit Sicherheit blüht, so wenig, als würde man einen Glut und Feuer speienden Vulkan ein kleines Feuerchen nennen. Nein, unmöglich! Davon darf er nichts erfahren, Gershom.«

Der Pfandleiher nickte, griff zur Karaffe und goss Wein nach. »Ich könnte Euch aus der Zwickmühle helfen und das Geld für die nötigen Lapislazuli leihen«, bot er an und warf ihm einen fragenden Blick zu, so als ahne er schon, was kommen würde.

»Euer Angebot ehrt Euch, Gershom, aber Ihr wisst, dass ich es unter keinen Umständen annehmen kann und auch nicht annehmen werde«, antwortete Pater Angelico denn auch kategorisch. Er konnte sich von Gershom fünfzig Goldflorin weder zum üblichen Zinssatz leihen noch als zinsloses Darlehen annehmen. Das eine war so ausgeschlossen wie das andere, ganz abgesehen davon, dass fünfzig Goldstücke selbst für Gershom eine erhebliche Summe darstellten.

Dieser versuchte erst gar nicht, ihn zu überreden. Er kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass das zwecklos gewesen wäre. »Wie kann ich Euch dann helfen? Sagt es, und ich werde mein Bestes tun.«

»Ich habe die Hoffnung, einen von den Burschen, die der Bettler Orenetto mir beschrieben hat, oder einen von den Schlägern, die mich heute überfallen haben, in einem der miesen Viertel aufzustöbern, noch nicht aufgegeben. Ich werde mich also nachher in meiner Werkstatt umziehen und die Suche auch diese Nacht fortsetzen«, begann Pater Angelico. »Aber …«

»… aber was soll Euch das bringen? Selbst wenn Ihr mit Eurer nun wahrlich nicht ungefährlichen Suche nach diesem ruchlosen Gesocks Erfolg habt, was soll dann geschehen?«, fiel Gershom ihm ins Wort. »Wenn Ihr einen von ihnen gefunden habt, wollt Ihr ihn dann überwältigen, irgendwo einsperren und zum Reden zwingen? Nicht, dass ich Euch das physisch nicht zutrauen würde. Aber Eure Tage als Landsknecht liegen schon ein paar Jährchen zurück, und ich glaube nicht, dass Ihr noch die brutale Härte und den Willen besitzt, einem skrupellosen Verbrecher mit Gewalt die Wahrheit zu entlocken.«

Ein schiefes Lächeln huschte über Pater Angelicos Gesicht. »Wie beruhigend, dass Ihr mir wenigstens das nicht mehr zutraut«, sagte er selbstironisch und wurde gleich wieder ernst. »Ihr habt natürlich recht. Aber was, wenn ich erst einmal fündig geworden bin, genau geschehen muss, um den zu entlarven, der den Mord an Movetti in Auftrag gegeben hat, ist im Augenblick nicht vorrangig. Das wird sich ergeben – mit oder auch ohne Scalvettis Beistand. Erst einmal muss ich herausfinden, wo die Handlanger stecken und wer sich ihrer bedient.«

Gershom nickte. »Und welchen Part kann ich dabei nun übernehmen?«

Pater Angelico zögerte kurz. »Ihr könnt mir den großen Dienst erweisen, mit Eurem Landsmann und Verwandten Elazar Shimon zu sprechen«, rückte er endlich mit der Sprache heraus.

Gershom verzog das Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen. »Ihr wisst, um was Ihr mich da bittet, nicht wahr?«, brummte er.

»Ja, und bei den Leiden des Herrn und Eures Volkes, ich wünschte, ich bräuchte Euch nicht in diese Gewissensnot zu bringen«, versicherte Pater Angelico bekümmert. Er wusste sehr wohl, dass Gershom mit dem Erzgauner Elazar Shimon, mit dem er zu seinem Leidwesen auch noch verwandt war, nichts mehr zu schaffen haben wollte.

Der fünfzehn Jahre jüngere Elazar Shimon hatte Gershom in den Jahren, die sie die Pfandleihe gemeinsam betrieben hatten, nach Strich und Faden übers Ohr gehauen und bis zu ihrer abrupten und höchst unerquicklichen Trennung zehn Jahre zuvor auf Gershoms Rücken ein kleines Vermögen in die eigene Tasche gewirtschaftet. Damit hatte er sich eine Straße weiter als Geldverleiher selbständig gemacht. Sogar in der Synagoge ging Gershom ihm aus dem Weg, und seinen Worten nach war er wahrlich nicht der Einzige, der die Gesellschaft dieses Mannes mied.

Gershom fasste sich und machte eine begütigende Geste. »Schwere Zeiten erfordern manchmal schwere Entscheidungen. Sagt also, wieso ausgerechnet Elazar Shimon Euch weiterhelfen kann.«

»Hat er nicht beste Verbindungen zur florentinischen Halb- und Unterwelt?«, fragte Pater Angelico zurück. »Gehört er Euren Worten nach nicht zu jenen Geldverleihern, zu denen Leute kommen, die einen Finanzier für ein krummes Geschäft suchen oder das nötige Startkapital brauchen, um irgendwo eine zwielichtige Fuselstube oder ein Bordell zu eröffnen?«

»Zweifellos. Elazar hat seine ebenso schmutzigen wie aalglatten Finger in einer Vielzahl solch abstoßender Geschäfte. Der Hurensohn schreckt vor keinem noch so dreckigen Handel zurück, wenn der Profit nur stimmt.«

»Nun, dann dürfte es für ihn doch kein Problem sein, in jenen Schurkenkreisen über einen Tavernenwirt, Bordellbetreiber oder sonstigen Mittelsmann, der bei ihm in der Schuld steht, die Nachricht in Umlauf zu bringen, dass ich demjenigen eine Belohnung von fünf Goldstücken zu zahlen bereit bin, der mir sagen kann, wer hinter dem Mord an Movetti steckt«, erläuterte Pater Angelico seinen Plan. »Natürlich muss derjenige mehr zu bieten haben als nur Klatsch. Für das Geld erwarte ich hieb- und stichfeste Informationen.«

»Fünf Florin? Heilige Menora!«, rief Gershom. »Da wollt Ihr einen ordentlichen Batzen Geld riskieren.«

»Sicher, aber mit einer Handvoll Soldi kriege ich bestimmt keinen von diesen abgefeimten Burschen dazu, zum Verräter zu werden. Fünf Goldstücke dagegen könnten dem einen oder anderen das Risiko schon wert sein.«

Gershom nickte. »Recht habt Ihr! Das könnte verfangen. Ein Mord ist schon für weit weniger als ein Goldstück zu haben. Elazar ist der richtige Mann, um die Sache mit der Belohnung in Umlauf zu bringen. Und wenn die Tätowierung, die Ihr heute Morgen am Arm eines der Schläger bemerkt habt, das Erkennungszeichen einer florentinischen Bande ist, dann wird Elazar im Handumdrehen herausfinden können, wer ihr Anführer ist und wo er sein Revier hat. Aber wie ich diesen verfluchten Betrüger und Halsabschneider kenne, wird er sich diese Gefälligkeiten teuer bezahlen lassen.«

»Mehr als drei Goldstücke wird selbst ein so habgieriger Schurke wie er nicht verlangen«, sagte Pater Angelico ungerührt. »So hoch könnt Ihr gehen.«

»Ihr wollt wirklich alles, was ich für Euch in Verwahrung habe, auf diese Karte setzen?«, vergewisserte sich der Pfandleiher.

Pater Angelico nickte – wortlos, doch mit unverkennbarer Entschlossenheit.

Gershom bedachte ihn mit einem langen nachdenklichen Blick. »Mir scheint, es geht Euch längst nicht mehr nur ums Prinzip und das Geld für die Lapislazuli.«

»Nein, seit heute Morgen hat diese Angelegenheit eine sehr persönliche Note«, räumte Pater Angelico mit rauer Stimme ein, leerte seinen Becher mit einem Zug und erhob sich abrupt. Er ertrug es nicht länger, dem Ort des himmlischen Vergessens so nahe zu sein und der Verlockung nicht nachgeben zu dürfen. Wenn er noch länger blieb, würde er irgendwann nicht mehr widerstehen können. »Entschuldigt meinen überstürzten Aufbruch. Aber wenn ich jetzt nicht zusehe, dass ich hier herauskomme, wird es mich unweigerlich nach unten ziehen.«

Hastig verabredete er mit Gershom, der ihn zum Ausgang begleitete, ein Treffen am nächsten Tag zur Mittagsstunde im Giardino. Dann schlug er ungestüm den schweren roten Vorhang zur Seite und stürzte gehetzt hinaus in die dunkle Gasse, als säße ihm der Leibhaftige im Nacken.

32

Die beiden folgenden Tage und Nächte, die letzten im Oktober, waren eine Zeit trügerischer Ruhe, so wie die Stille vor einem heraufziehenden Sturm. Nichts von dem, was Pater Angelico während dieser Tage und Nächte tat, hatte eine dramatische Note. Wie sehr diese Ruhe täuschte und wie gewaltig sich in Wahrheit etwas zusammenbraute – und zwar nicht allein in Bezug auf die Causa Movetti –, dessen wurde er sich erst bewusst, als es zu spät war, um die Katastrophe noch abzuwenden.

Am Morgen des ersten dieser beiden Tage begab er sich mit Bruder Bartolo und drei handwerklich geschickten Konversen [3]des Klosters gleich nach der Konventmesse in den Palazzo Petrucci. Es galt, die fachmännische Einrüstung der Hauskapelle und die Vorbereitungen für das Auftragen des arriccio zu überwachen.

»Warum müssen wir zugegen sein und den Konversen auf die Finger gucken, wo es doch nur darum geht, die Wände zu glätten und eine erste Schicht Rauputz aufzutragen?«, fragte Bruder Bartolo. »Gemalt wird doch nicht auf dieser Schicht, sondern erst auf dem intonaco, dem Feinputz. Und bevor der aufgetragen werden kann, müssen noch mehrere Unterschichten auf den Maluntergrund. So habe ich es jedenfalls gelesen. Warum also müssen wir die Arbeit mit dem Arriccio überwachen?«

»Weil die Qualität eines Freskos und seine Haltbarkeit auch von der Qualität dieser Mörteluntergrundschicht abhängen«, antwortete Pater Angelico und erklärte ihm, wie aus sorgfältig gelöschtem Sumpfkalk und Sand ein guter Arriccio angerührt wurde, der später an der Wand genau die richtige Feuchtigkeit aufwies und sich weder zu schnell noch zu langsam in festen Kalkstein verwandelte.

Als es für Bruder Bartolo Zeit wurde, zu seinem Krankenbesuch in die Via de Giraldi aufzubrechen, schickte Pater Angelico die mausgesichtige Bedienstete Camilla, die mit einem Putztuch auf der Galerie herumlungerte, zu Lucrezia und ließ anfragen, ob sie Zeit habe, um ihm für einige Skizzen Modell zu sitzen.

»Donzella Lucrezia lässt ausrichten, dass es ihr genehm ist«, teilte Camilla ihm wenig später mit und brachte es fertig, bei aller Höflichkeit doch irgendwie schnippisch zu klingen. »Sie erwartet Euch in ihrem Salotto.«

»Dann führ mich bitte zu ihr«, sagte Pater Angelico, griff zu seinem großen Skizzenbuch und vergewisserte sich, dass er genug Zeichenstifte bei sich hatte.

Lucrezia erwartete ihn in ihrem kleinen Empfangszimmer, dessen Wände mit edler Holztäfelung versehen waren und dessen hohe Fenster nach hinten auf einen kleinen Garten hinausgingen. Auf ihrem Gesicht lag ein geradezu verblüffendes Lächeln, das Funkeln in ihren Augen kündete von freudiger Erregung.

»Du kannst uns allein lassen, Piccarda! Wo könnte mein guter Ruf besser geschützt sein als in der Obhut eines Dominikanerpriesters«, sagte sie vergnügt und reichte ihrer Zofe einen runden Stickrahmen. »Und diese Stickarbeit kannst du gleich mitnehmen. Ich will sie nicht mehr sehen. Dieses stupide, eintönige Sticheln bin ich leid!«

Mit dem üblichen leidvollen Seufzer zog Piccarda sich aus dem Salotto zurück.

»Geht es Euch besser, Pater Angelico? Seid Ihr von weiteren Schwindelanfällen verschont geblieben? Sagt, habt Ihr Euch nach den gestrigen Schrecken Ruhe gegönnt?«, erkundigte sie sich lebhaft, kaum dass sich die Tür hinter ihrer Zofe geschlossen hatte. »Aber nein, Ihr seht müde aus, geradezu übernächtigt!«

»Mönche sind immer müde«, erwiderte er und dachte bedauernd an die kostbaren Stunden Schlafes, die er seinem nächtlichen Streifzug durch die widerwärtige Welt jener Florentiner geopfert hatte, die das Gesetz und ehrliche Arbeit scheuten wie Kakerlaken das helle Licht des Tages. Einem Streifzug zudem, der ihn keinen einzigen Schritt weitergebracht hatte. »Das ist wie die Horen eine Konstante im Klosterleben. Und jetzt seid so gut, Euch mit Eurem Stuhl ans Fenster zu setzen, Donzella.«

»Bitte lasst das Donzella. Das klingt so förmlich und so … so distanziert. Sagt einfach Lucrezia. Werdet Ihr mir den Gefallen tun?« Sie schenkte ihm ein hoffnungsvolles, bittendes Lächeln, das etwas anrührend Mädchenhaftes an sich hatte.

»Ganz wie Ihr wünscht, Lucrezia«, erwiderte er, wich ihrem Blick jedoch schnell aus und gab sich beschäftigt, indem er in seinem Skizzenbuch nach der nächsten freien Seite suchte. »Wenn Ihr nichts dagegen habt, möchte ich mit Profilskizzen beginnen.«

»Ich will Euch gern und geduldig Modell sitzen oder stehen, aber dafür erwarte ich von Euch einen Gegendienst.«

Verwundert blickte er auf. »Und worin soll dieser Gegendienst bestehen?«

»Darin, dass Ihr mir von Euch erzählt.«

Er lachte leise und winkte ab. »Das vergesst Ihr besser. Ich glaube nämlich nicht, dass es Euch interessiert, wie mein tägliches Leben in San Marco aussieht.«

Sie verzog das Gesicht, erinnerte seine Antwort sie doch an das, was ihr in wenigen Monaten drohte. »Nein, vom Klosterleben will ich wahrlich nichts hören! Ich dachte mehr an das aufregende Leben, das Ihr geführt habt, bevor Ihr Mönch geworden seid. Ihr seid doch Landsknecht gewesen, nicht wahr?«

»Das ist lange her und zudem kaum der richtige Stoff für eine Unterhaltung mit einer jungen, unverheirateten Frau von Eurem Stand.«

»Ihr mögt es für anmaßend und empörend halten, dass eine junge, unverheiratete Frau meines Standes …«, sie äffte ihn regelrecht nach, um dann bissig fortzufahren: »… eine eigenständige Meinung hat und unter anderem selbst entscheiden will, welcher Gesprächsstoff der richtige für sie ist, aber genau das nehme ich für mich in Anspruch, falls Euch das noch nicht aufgefallen sein sollte, Pater Angelico!«

»Im Gegenteil, das ist mir sehr wohl aufgefallen. Es wäre auch schwerlich zu übersehen oder zu überhören gewesen«, versicherte er und verkniff sich den Hinweis, dass ihr Anspruch in der Welt, in der sie lebten, keine Aussicht auf Durchsetzbarkeit besaß – jedenfalls nicht außerhalb des väterlichen Palastes.

»Gut, dann hört bitte auf, mich wie ein verwöhntes Püppchen zu behandeln, das dumm ist wie ein Schaf und außer Klatsch, Kleidern und Schönheitsmitteln nichts in seinem hohlen Schädel hat! Ich habe mehr als nur Schreiben, Rechnen und Lesen gelernt, das immerhin kann ich meinem Vater zugutehalten, auch wenn er meint, dass ich meine Fähigkeiten nutzen solle, um in einem Kloster rasch zu Macht und Ansehen zu gelangen.«

Er lächelte unwillkürlich. »Nun, das Zeug dazu habt Ihr allemal. Ihr würdet gewiss eine scharfzüngige, furchtlose Äbtissin abgeben, mit der sich nicht einmal hohe Kirchenfürsten anzulegen wagen.«

Lucrezia fühlte sich sichtlich geschmeichelt. »Mag sein, aber lenkt jetzt nicht ab! Erzählt mir entweder aus Eurem Leben als Landsknecht und wie Ihr dazu gekommen seid, Eure Freiheit gegen die Unterwerfung unter die monastischen Gebote des Gehorsams, der Armut und der Keuschheit einzutauschen – oder erzählt mir, was es Neues in diesem schaurigen Mordfall gibt, den Ihr um jeden Preis aufklären wollt. Wenn Ihr mich nicht enttäuscht, werde ich mich gern revanchieren, und zwar mit dem, was ich gestern in Erfahrung gebracht habe über einen gewissen …«, sie legte eine dramatische Pause ein, zauberte ein hinreißendes Lächeln auf ihr Gesicht und beendete den Satz triumphierend mit einem Namen: »… Rufino de’ Valori!«

Ungläubig sah er sie an und ließ das Skizzenbuch sinken. »Ihr habt Ermittlungen angestellt?«, stieß er fassungslos hervor. »Beim Blute Christi, wie konntet Ihr so unvernünftig …«

»Von Ermittlungen kann gar keine Rede sein! Also erregt Euch nicht unnütz und erspart mir die Vorwürfe, die Ihr voreilig auf der Zunge habt«, fiel sie ihm fröhlich ins Wort. »Der Name Rufino de’ Valori war mir nur nicht fremd. Ich erinnerte mich daran, ihn im Haus von einem Freund meines Vaters gehört zu haben. Und da mich mit Gianna, der Tochter dieses Mannes, eine gewisse Freundschaft verbindet, habe ich ihr kurzerhand einen Besuch abgestattet. Scheinbar zufällig habe ich unser Gespräch dann auf Rufino de’ Valori gebracht und Gianna so einiges über diesen Widerling entlockt, genau genommen die Details eines ungeheuerlichen Skandals.«

»Eines Skandals?«, rief Pater Angelico aufgeregt. »Erzählt!«

Sie bedachte ihn mit einem koketten Augenaufschlag. »Tut mir leid, aber das wäre ein Verstoß gegen die Spielregeln. Und die sehen nun mal vor, dass Ihr Euch das, was ich über Rufino de’ Valori in Erfahrung gebracht habe, verdient.« Scheinbar bedauernd lächelte sie ihn an, spielte mit einer lockigen Haarsträhne, wickelte sie um ihren Finger und strich mit den Spitzen über ihren geschürzten Mund. »Ihr müsst schon den Anfang machen und mich an Eurem Leben teilhaben lassen, dann werde ich mich gern mit der Geschichte über den Rufino-Skandal revanchieren, Angelico.«

Es war das erste Mal, dass sie ihn allein mit seinem Namen ansprach, und obwohl diese Anrede scheinbar jeden Respekt vermissen ließ und gegen alle Sitten und Gebräuche verstieß, klang dieses vertrauliche und schlichte ›Angelico‹ aus ihrem Mund alles andere als despektierlich oder gar provozierend. Vielmehr erschien es ihm zu seinem eigenen flüchtigen Erstaunen passend und natürlich.

Allzu viele Gedanken machte er sich darüber jedoch nicht, konnte er es doch kaum erwarten zu hören, was sie über den Edelmann in Erfahrung gebracht hatte. Und weil er auf keinen Fall an seine Zeit als Landsknecht und das albtraumhafte Ereignis denken wollte, das ihn ins Kloster geführt hatte, berichtete er ihr von seinem Besuch auf Bellariva und erwähnte die Belohnung, die auszuloben er sich entschlossen hatte. Dabei ließ er jedoch ebenso Gershoms Namen wie den des Geldverleihers Elazar Shimon unerwähnt.

»So, und nun seid Ihr an der Reihe, Lucrezia!«

»Fünf Goldstücke?«, wunderte sie sich. »Woher habt Ihr denn auf einmal so viel Geld? Ach, jetzt weiß ich’s! Sie gehören bestimmt zu den acht Florin, die Ihr von den fünfzig Goldstücken des Medici unterschlagen habt, nicht wahr?« Sie zwinkerte ihm zu.

»Ich habe sie nicht unterschlagen, sondern eingespart, und das ist nicht verwerflich«, entgegnete er. »Und jetzt ist es an Euch, zu Eurem Wort zu stehen, Lucrezia.«

»Ich kriege schon noch heraus, was Ihr mit dem eingesparten Geld vorhattet«, sagte sie neckisch. »Aber nun zu Eurem Rufino.«

»Der Mann ist alles andere als ›mein Rufino‹, Lucrezia.«

»Das wäre auch eine bittere Enttäuschung!« Ihre Augen blitzten verschmitzt. »Denn dieser Edelmann frönt Neigungen, bei denen das weibliche Geschlecht keine Rolle spielt, wenn Ihr versteht, was ich meine.«

»Ihr wollt sagen, er gibt Männern den Vorzug.«

Sie nickte. »Ja, und jung müssen sie sein, damit sie ihm gefallen. So wie der fünfzehnjährige Enrico, der zweitgeborene Sohn des Wollhändlers Niccolò Aspertini. Sagt Euch der Name Aspertini etwas?«

Er schüttelte den Kopf.

»Eine reiche Familie. Nicht so reich wie mein Vater, aber immerhin reich genug, um ein prächtiges Landgut im Mugello zu besitzen. Dort war Rufino de’ Valori zusammen mit einigen anderen Freunden des Hauses Aspertini, zu denen auch die Familie meiner Freundin Gianna gehörte, im Sommer einige Wochen zu Gast. Und ihre Gastfreundschaft hat Rufino den Aspertinis damit vergolten, dass er den jungen Enrico verführt und in die … Männerliebe eingeführt hat.« Sie errötete leicht.

Er nickte. »Derartige Gerüchte über Rufino de’ Valori sind mir auch schon zu Ohren gekommen.«

»Hier handelt es sich aber nicht um ein Gerücht, sondern um eine bewiesene Tatsache«, sagte Lucrezia im Brustton der Überzeugung, stolz, ihm eine handfeste Information liefern zu können. »Rufino ist nämlich mit Enrico auf frischer Tat ertappt worden. Beide waren splitternackt und …« Sie stockte erneut, und die Röte auf ihrem Gesicht nahm noch zu. »… einander sehr innig zugetan.«

»Und was hat Niccolò Aspertini daraufhin unternommen? Öffentliche Anklage hat er jedenfalls nicht erhoben, sonst wäre der Skandal wohl Stadtgespräch gewesen.«

»Den öffentlichen Skandal hat Niccolò gescheut, weil er Enricos Ruf und dem der ganzen Familie Schaden zugefügt hätte. Aber er hat Rufino auf der Stelle von seinem Landgut gejagt und ihm mit Entmannung gedroht, sollte er jemals wieder auch nur in die Nähe eines seiner Söhne oder der Söhne seiner Freunde kommen«, berichtete Lucrezia. »Diese Drohung hat sogar Gianna mit eigenen Ohren gehört. Ihr Vater hat getobt und so laut gebrüllt, dass es überall im Haus zu hören war.«

»Kein Wunder, dass Rufino sich danach sofort auf eine lange Reise begeben hat und so versessen darauf war, sich nach seiner Rückkehr rasch zu verheiraten. Mit einer Ehefrau an seiner Seite könnte er die schädlichen Gerüchte über seine wahre Veranlagung einigermaßen im Zaum halten«, sagte Pater Angelico und dankte ihr für den Bericht, auch wenn der nur bestätigte, was er dank der bissigen Bemerkungen des Fassbinders schon geahnt hatte. Dann griff er zur Zeichenkohle und begann mit den ersten Skizzen.

Zur Mittagsstunde begab er sich kurz ins Giardino, wo Gershom Jezek im Garten unter dem Olivenbaum schon auf ihn wartete.

»Welche Nachricht wollt Ihr zuerst hören, die gute oder die schlechte?«, fragte der Pfandleiher.

»Gebt mir erst die Kröte zu schlucken, Gershom«, sagte Pater Angelico und setzte sich zu ihm.

»Die Sache mit der Belohnung für den Informanten wird Euch satte zwei Goldstücke kosten.«

Pater Angelico verzog das Gesicht wie unter einem jähen Schmerzanfall. »Teufel auch, das ist bitter!« Er holte tief Luft. »Aber dann dürfte die gute Nachricht immerhin darin bestehen, dass Elazar Shimon bereit ist, die Information in seinen Schurkenkreisen in Umlauf zu bringen.«

Gershom nickte. »Elazar ist ein verfluchter Halsabschneider, und zwei Florin sind eine wahre Unverschämtheit«, sagte er. »Aber dafür könnt Ihr jetzt auch sicher sein, dass Euer Angebot unter der zwielichtigen Florentiner Brut und dem Raubgesindel schnell die Runde macht.«

»In Ordnung. Zahlt ihm die zwei Goldstücke.«

»Das ist schon geschehen, da Ihr mir gestern Nacht ja bis zu drei Florin freie Hand gelassen habt«, sagte Gershom. »Übrigens habe ich ihm die Tätowierung dieses Schlägers beschrieben.«

Erwartungsvoll sah Pater Angelico ihn an. »Und? Konnte er etwas damit anfangen?«

»Ja und nein. Drachen, Schlangen und andere Reptilwesen als Tätowierungen erfreuen sich unter dem Pack ja schon immer großer Beliebtheit. Aber Elazar meint, dass es sich um das Zeichen einer Schmugglerbande handeln könnte, deren Anführer ein Bursche namens Falcone Capponi ist. Der Kerl hört auf den Spitznamen Drago. Wenn es aber kein Drachen, sondern eine Viper war, dann könnte es wiederum das Zeichen einer Bande sein, die von einem Mann namens Corsino Scorpa angeführt wird, der sich auch Serpente nennt«, berichtete Gershom. »Jedenfalls wird er sich genauer umhören. Das sei im Preis inbegriffen, sagt er.«

Ein sarkastisches Lächeln huschte über Pater Angelicos Gesicht. »Ich weiß gar nicht, wie ich ihm für seine Großzügigkeit danken soll.«