Thorsten Havener

mit Dr. med. Michael Spitzbart

Denken Sie nicht an einen blauen Elefanten!

Die Macht der Gedanken

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Kapitel 1 – UNSERE GEDANKEN SIND NICHT FREI

Body and Mind – zwei in eins

Neues aus der Gedankenwelt

Mit allen fünf Sinnen

Nachdenkliches über Gedanken

Das Gehirn – alte Mythen und neue Fakten

Kapitel 2 – UNSERE GEDANKEN SIND FREI

Weg mit den Überzeugungen

Kapitel 3 – MINDPOWER: DIE WELT AUS DEN ANGELN HEBEN

Vom Placebo zum Nocebo und wieder zurück

Kapitel 4 – MNEMOTECHNIK: UPDATES FÜRS GEHIRN

Haveners kleine Denkschule

Dank

Einleitung

Der größte Vorteil meines Berufs besteht darin, ständig interessante Menschen kennenzulernen. Eine der außergewöhnlichsten Begegnungen in letzter Zeit war für mich ein Treffen mit dem Forensiker Dr. Mark Benecke. Er ist ein ausgewiesener Experte auf seinem Gebiet. Wir hatten uns sofort viel zu erzählen, denn er macht bei Leichen genau das, was ich bei Lebenden versuche: Er ergründet ihre Geheimnisse. Ich fühle mich bei den Lebenden allerdings viel wohler 

Grund unserer Begegnung war eine Fernsehsendung, zu der wir gemeinsam eingeladen waren und wo wir uns und unsere Arbeit präsentieren konnten. Nach dem Auftritt saßen wir noch in der Garderobe zusammen und unterhielten uns. Plötzlich holte Mark ein paar Geldstücke aus seiner Tasche. Er warf das Kleingeld achtlos auf den Tisch und bat mich, eine der Münzen genau im Auge zu behalten. Er bewegte mystisch seine Hand darüber und plötzlich begann sich das Geldstück auf dem Tisch zu bewegen! Er konzentrierte sich weiter auf diese Münze – ganz langsam begann sie sich aufzustellen. Als sie auf dem Rand stehen blieb, beendete er seine Vorführung. «Was hältst du davon?», wollte er wissen. «Du bist echt ein Freak – hast du dir etwa einen Magneten in den Finger implantieren lassen?» – «Ja, genau!», antwortete er vollkommen gelassen.

Dieser Mann hatte sich tatsächlich einen Magneten einpflanzen lassen, um den Eindruck zu erwecken, er könnte Gegenstände durch Gedankenkraft in Bewegung bringen! Eigentlich hätte mich das gar nicht so sehr überraschen dürfen: Er hatte sich auch die Originalunterschriften von Dieter Hallervorden und Helge Schneider sowie die Gullydeckelaufschrift der Stadt Bogota auf seine Haut tätowieren lassen. Glücklicherweise entschloss er sich irgendwann, nicht den dunklen Pfad der Magie zu betreten und den Leuten nicht zu erzählen, dass er wirklich Materie durch Gedankenkraft bewegen könne, wie viele andere es tun. Er gibt offen zu, dass bei seinen Darbietungen etwas anderes, etwas Erklärbares dahintersteckt. So ehrlich sind bei weitem nicht alle! Ist ein Mensch nämlich bereit, sich einen Magneten einoperieren zu lassen, um einen solchen Effekt zu erzielen, dann können Sie davon ausgehen, dass er wahrscheinlich ohne jede Moral zu noch viel krasseren Methoden greift, um seine Umwelt von der angeblichen Kraft seiner Gedanken zu überzeugen und daraus Profit zu schlagen.

Auf der einen Seite gibt es also etliche Scharlatane in der Zunft, auf der anderen aber auch viele seriöse Leute. Denn es ist unbestritten und wissenschaftlich bewiesen, dass unsere Gedanken maßgeblichen Einfluss auf unser Leben, unsere Zufriedenheit und unsere Gesundheit haben, und diese Tatsache lässt sich nutzen. Die Grenzen zwischen den Größen sind allerdings sehr schwer zu ziehen. Gerade die Gedankenwelt ist wissenschaftlich ein wenig erforschtes Feld. Viele Erkenntnisse beruhen ausschließlich auf Erfahrungswerten. Ich habe hier probiert, ein Gleichgewicht zwischen empirisch belegten Fakten und meinen persönlichen Erfahrungen herzustellen, um mich dem Phänomen zu nähern. Jedes Mal, wenn es sich um eine Hypothese oder nicht wissenschaftlich fundierte Annahme handelt, weise ich deshalb auch explizit darauf hin und versuche, Ihnen Hintergrundwissen zu vermitteln, damit Sie die notwendige Basis bekommen, die Thesen zu bewerten. An diesen Stellen kommt immer der Mediziner Dr. Michael Spitzbart zu Wort. Sie erkennen seine Ausführungen an den grauen Kästchen i. Er führt Sie in seine Denkwelt ein. Widersprüche sind denkbar – sogar erwünscht.

Wohin wird die Reise also in diesem Buch gehen? Gedanken sind mein Metier und deshalb auch erneut das Thema an dieser Stelle. Zunächst möchte ich Ihnen zeigen, wie unfrei wir unter Umständen denken und schließlich handeln, ohne uns dessen bewusst zu sein. In späteren Kapiteln stelle ich Ihnen dann einige Methoden vor, durch die Sie dem Ideal des freien Denkens und Handelns sehr viel näher kommen können, als Sie glauben. Das Spannende und Schöne ist, dass Sie die meisten Methoden und Tricks, die ich Ihnen präsentieren möchte, direkt nach dem Lesen anwenden können. Durch regelmäßiges Training werden Sie die zugrunde liegenden Prinzipien immer schneller und besser beherrschen.

Sie werden viele der Methoden kennenlernen, mit denen ich auf Tourneen, bei Vorträgen und in großen Talkshows Menschen verblüfft und mein Publikum begeistert habe. Ich zeige Ihnen Wege, wie Sie innerhalb kürzester Zeit geistig fit und konzentriert sein werden und andere durch Ihre mentalen Fähigkeiten in Erstaunen versetzen können.

Je mehr Sie sich mit den hier beschriebenen Techniken beschäftigen, desto eher werden Sie über Ihre neuen Fähigkeiten selbst staunen können. Glauben Sie mir: Alle diese Strategien funktionieren, ohne dass Sie auch nur über einen Hauch von übersinnlicher Fähigkeit verfügen. Ich möchte keine Pauschalurteile fällen, aber für mich sind die Berichte von okkulten Phänomenen und übersinnlichen Erlebnissen oft nicht glaubwürdig. Das heißt nicht, dass das bei Ihnen persönlich nicht anders sein kann und Sie solche Erfahrungen nicht bereits gemacht haben können.

Vieles Seltsame um uns herum können wir nur beschreiben, nicht aber erklären. Das ist mir klar. So hatte auch der Satz: «Ich glaube nur, was ich sehe!», für mich endgültig seine Gültigkeit verloren, nachdem ich David Copperfield zum ersten Mal live erlebte. Würde ich nur glauben, was ich sähe, dann könnte Copperfield wirklich fliegen, und die Erde wäre eine Scheibe. Bitte verstehen Sie mich richtig: Ich finde es einerseits sehr wertvoll und wichtig, sowohl Skepsis walten zu lassen als auch seinen Verstand zu gebrauchen. Ich halte es andererseits für genauso wichtig zu berücksichtigen, dass es immer viele Wahrheiten gibt und nicht nur die eine. Unser Intellekt kann meistens nur eine Sicht einnehmen, unsere persönliche. Bitten Sie zum Beispiel einen Menschen, der vorrangig durch seine Ratio gesteuert ist, Ihnen das Phänomen «Glück» zu erklären. Sollten da wirklich nur chemische Prozesse im Spiel sein? Kaum zu glauben. Wir alle können intensiv Glückseligkeit empfinden, müssen es deshalb aber lange nicht erklären können. Bitten Sie doch nächstes Mal jemanden, für den alles greifbar und belegbar sein muss, die Wirkung von Bachs Goldberg-Variationen zu beschreiben. Falls Sie bei der Musik nicht vor Begeisterung ausflippen wie ich, ersetzen Sie sie einfach durch Ihr Lieblingsmusikstück. Die Krux, die gleich deutlich wird: Wir haben bei solchen Phänomenen, die von persönlicher Begeisterung abhängig sind, keine Möglichkeit, unsere Gefühle über Sprache auszudrücken, definitiv nicht. Wir bewegen uns hier im Reich der unergründlichen Emotionen – und die lassen sich oft nur äußerst schwer beschreiben, das heißt dem Gegenüber nicht 100-prozentig verständlich machen. Das ist menschlich.

Ich werde Ihnen hier Strategien präsentieren, die mein Leben sehr stark verändert haben. Sie haben mir geholfen, zunächst mich selbst und später auch meine Mitmenschen besser kennenzulernen. Möglicherweise werden auch Sie sich und Ihr Denken dadurch verändern. Das Schöne daran: In unserer Gedankenwelt gibt es keine Grenzen. Sie ist Ursprung und Zentrum allen Seins. Unsere Fähigkeit, zufrieden und glücklich zu sein, hängt somit entscheidend von der Beschaffenheit unserer Gedanken ab. Eine Wunderwelt steht uns zur Verfügung. Wir müssen sie nur ergründen. Vieles von dem, was ich Ihnen in diesem Buch erklären will, ist nicht neu. Von irgendeiner der Methoden haben Sie bestimmt schon mal gehört. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass sich im richtigen Moment fast niemand an die relevante Technik erinnert, deshalb muss man sie sich immer wieder vergegenwärtigen. Ich möchte Ihnen hier natürlich nicht vorschreiben, was Sie denken sollen. Das wäre vermessen. Ich beschreibe Ihnen lediglich eine gezielte Auswahl von Methoden, die Ihnen zeigen sollen, wie Sie denken können, um Ihren persönlichen Zielen näher zu kommen. Meine Absicht ist es, Sie ein Stück weit dahin zu begleiten, dass Sie so denken und leben können, wie Sie es möchten, dass Sie so wenig wie möglich beeinflusst werden und Sie sich so fühlen, wie Sie sich fühlen wollen. Auf diesem spannenden Weg wünsche ich Ihnen viel Vergnügen.

Kapitel 1

UNSERE GEDANKEN SIND NICHT FREI

«Denken Sie nicht an einen blauen Elefanten!» – als der Rowohlt Verlag mir den Titel für das neue Buch vorschlug, war ich sofort begeistert. Mit dieser Aufforderung auf dem Cover erfahren Sie als Leser schon beim Anblick des Buchumschlags, worum es in weiten Teilen des Inhalts gehen wird: um unsere Unfähigkeit, in gewissen Momenten frei zu denken – oder haben Sie beim Lesen des Titels etwa nicht an einen blauen Elefanten gedacht? Ich gebe zu, das Beispiel ist nicht neu – aber es funktioniert immer wieder. Mein Bühnenprogramm ist voller Momente, in denen ich die Tatsache nutze, dass unsere Gedanken Gefangene mit dem Urteil «lebenslänglich» sind. Dadurch kann ich das Verhalten vieler Menschen sehr gut einschätzen und den Eindruck erzeugen, ich könnte in die Zukunft schauen. Bei einem Experiment bringe ich beispielsweise einen Zuschauer dazu, aus drei Umschlägen genau den auszuwählen, den ich für ihn vorgesehen habe – der Angesprochene aber hat dabei das Gefühl, völlig frei zu handeln.

Machen wir doch hier zunächst etwas Ähnliches: Jedes Mal, wenn Sie von nun an die Wörtchen «Klopf, klopf, klopf» lesen, klopfen Sie mit Ihrem rechten Zeigefinger auf den Tisch. Testen wir es: «Klopf, klopf, klopf.» Sie sollten jetzt dreimal mit Ihrem rechten Zeigefinger auf den Tisch geklopft haben. Richtig? Nun denken Sie bitte an das Wort «Feuer». Dabei können Sie sich entweder die Buchstaben so vorstellen, wie sie gerade vor Ihnen stehen, oder – besser – Sie denken an ein schönes wärmendes Kaminfeuer oder ein vernichtendes Buschfeuer. Fühlen Sie die Hitze und denken Sie intensiv an «Feuer». Jedes Mal, wenn Sie von nun an mit Ihrem rechten Zeigefinger auf den Tisch klopfen, werden Sie so intensiv wie möglich an «Feuer» denken.

  • «Klopf, klopf, klopf» – «Feuer».

  • «Klopf, klopf, klopf» – «Feuer».

 

Auch während Sie die nächsten Sätze lesen, denken Sie bitte bei den Wörtern «Klopf, klopf, klopf» immer an «Feuer». Jedes Mal also, wenn ich in diesem Text «Klopf, klopf, klopf» sage, tippen Sie mit Ihrem rechten Zeigefinger auf den Tisch und denken an «Feuer». «Klopf, klopf, klopf!» Es kann sein, dass ich mitten in einem Satz die Wörtchen «Klopf, klopf, klopf» einfüge. Auch dann verbinden Sie diese Sequenz mit «Feuer».

Ab jetzt versuchen Sie bitte, nicht mehr an «Feuer» zu denken, sobald Sie mit Ihrem Finger den Tisch berühren. Sie werden sehen: Das ist unmöglich. Von nun an brauche ich Ihnen zum Wörtchen «Klopf» nichts mehr zu suggerieren. Sie haben sich selbst darauf konditioniert und verbinden das Klopfen auf dem Tisch auch gegen Ihren Willen mit dem Gedanken an Feuer. «Klopf, klopf, klopf!» Ab jetzt brauchen Sie nicht einmal mehr auf den Tisch zu klopfen: Es reicht aus, wenn Sie die Wörter «Klopf, klopf, klopf» lesen – Sie denken automatisch an … Sehen Sie!

Im obigen Abschnitt habe ich in Ihren Gedanken die Wörter «Klopf, klopf, klopf» mit einer Bewegung kombiniert und zusätzlich mit dem Wort «Feuer» verankert. Nach einer ganz kurzen Phase der Konditionierung verbinden Sie jetzt sowohl diese Wörter als auch die Bewegung unweigerlich mit «Feuer» – und es wird Ihnen unmöglich sein, das nicht zu tun. Genau so hat Iwan Petrowitsch Pawlow seine Hunde konditioniert. Kurz vor jeder Fütterung hat er ein Glöckchen klingeln lassen. Innerhalb kürzester Zeit wussten die Tiere, dass der Klang des Glöckchens mit Futter in Verbindung steht, und haben bereits angefangen zu sabbern, sobald es geläutet wurde. Das ist das bekannteste Beispiel für eine klassische Konditionierung. Und genauso funktionieren jetzt bei Ihnen die Wörter «Klopf, klopf, klopf». Na, woran haben Sie jetzt gedacht? Seien Sie daher froh, dass ich Sie mit diesem Anker nicht dazu gebracht habe zu sabbern – aber das habe ich ja in meinem ersten Buch bereits getan. Wie Sie solche Verbindungen für sich nutzen können, werde ich Ihnen an späterer Stelle ausführlich beschreiben. «Klopf, klopf, klopf!»

Body and Mind – zwei in eins

Zum Einstieg in dieses Thema möchte ich Sie zu folgendem Experiment ermuntern – am besten, Sie legen sofort los, während Sie diese Zeilen lesen:

FUSS-KREISEN-EXPERIMENT

 

  • Entspannen Sie sich und setzen Sie sich bequem vor Ihr Buch.

  • Bewegen Sie nun Ihren rechten Fuß kreisförmig im Uhrzeigersinn.

  • Während Sie Ihren Fuß weiter bewegen, malen Sie mit Ihrer rechten Hand eine 6 in die Luft.

  • In welcher Richtung kreist Ihr Fuß jetzt?

Sie haben soeben Ihrem Gehirn simultan zwei gegensätzliche Signale gesendet und es somit überlastet … Dieser Test zeigt also sehr deutlich, dass sich unsere Gedanken sofort auf unseren Körper auswirken können. Eine Konzentration auf eine zweite Richtung hat zur Folge, dass unser Fuß plötzlich in der anderen und nicht mehr in der ersten Richtung kreist. Die Energie folgt der Aufmerksamkeit. Die Grenzen zwischen unseren Gedanken und unserem Körper verschwinden: Alles ist eins. «Klopf, klopf, klopf!»

Diese Tatsache können Sie zum Beispiel nutzen, um Kontrolle über Ihren Puls auszuüben. In meinem ersten TV-Special präsentierte ich eine Nummer, bei der ich meinen Puls extrem senkte. Für den Zuschauer hatte es sogar den Anschein, als hätte mein Puls tatsächlich komplett ausgesetzt. Auf dieses Flatliner-Experiment werde ich sehr oft angesprochen. Es hat offensichtlich einen großen Eindruck hinterlassen. Soweit ich weiß, war ich der Erste, der dieses Phänomen im deutschen Fernsehen zeigte. Zunächst musste ich für diesen Effekt lernen, meine Pulsfrequenz willentlich erheblich zu senken. Unter normalen Umständen ist das recht einfach, wie Sie gleich sehen werden. Wenn allerdings Dutzende Kameraleute, ein Regisseur und ein Produzent am Set ihrer Arbeit nachgehen und darüber hinaus Medizinstudenten anwesend sind, um die Sache genau unter die Lupe zu nehmen, dann ist die Situation eine ganz andere. Genauso, wie es sehr einfach sein kann, bei «Wer wird Millionär?» Herrn Jauch von zu Hause aus die richtigen Antworten zu geben, wenn Sie bequem auf der Couch sitzen, im Studio aber würden Sie unter Umständen keinen klaren Gedanken fassen können.

Um mich auf das Flatliner-Experiment vorzubereiten, machte ich zuerst folgende Übung: Ich legte mein Pulsmessgerät an und setzte mich bequem auf einen Stuhl. Dann entspannte ich mich und konzentrierte mich auf nichts Spezielles, ich saß einfach nur da, ließ meine Gedanken kommen und gehen – hielt keinen Gedanken fest – und schaute, welche Pulsfrequenz an meinem Handgelenk angezeigt wurde. Als Nächstes schloss ich die Augen und stellte mir eine friedliche Szene am Meer vor. Das sanfte Blau der Bucht, der Geruch salziger Luft und das Geräusch gleichmäßiger Brandung. Ich atmete entspannt ein und aus. Einige Minuten nach dieser kurzen Visualisierung öffnete ich die Augen und blickte erneut auf den Pulsmesser: Mein Puls war erheblich ruhiger als vor dieser Übung. Diese Technik des Visualisierens wird in Kapitel 2 unter «Visualisieren: Bilder, die bleiben» noch detailliert erklärt werden. Sie können diese Übung aber auch schon jetzt ausprobieren. «Klopf, klopf, klopf.» Keine Sorge, das war jetzt das letzte Mal, dass ich Sie habe an «Feuer» denken lassen … Damit die Nummer ein wenig effektvoller wird, schlage ich folgende Vorgehensweise vor:

DAS HERZSCHLAG-EXPERIMENT

 

  • Suchen Sie sich zunächst mindestens zwei Mitwirkende.

  • Leiten Sie das Spiel mit folgenden Worten ein: «Jeder weiß, dass unser Herzschlag von unserem Körper automatisch gesteuert wird. Er unterliegt unserem Unterbewusstsein, genau wie unsere Atmung, unsere Verdauung und sogar unsere Zellteilung. Dennoch kann man den Puls allein durch den eigenen Willen, durch die Kraft der Gedanken steuern – nach oben und nach unten.»

  • Bitten Sie einen Ihrer Mitspieler, auf einem Stuhl Platz zu nehmen! Wenn Sie möchten, dann können Sie vorab auch das Experiment mit dem Biss in die Zitrone zeigen, das ich in meinem ersten Buch beschrieben habe, um auf dieses Experiment einzustimmen. Sie können es hier auf Seite 202 auch noch einmal nachlesen. Sagen Sie: «Sicherlich haben Sie schon davon gehört, dass sich Gedanken auf unseren Körper auswirken können. Sie werden jetzt gleich – sobald ich mit dem Satz beginne – Ihren Puls spürbar erhöhen!»

  • Geben Sie einem zweiten Mitspieler Ihre Uhr, damit er den Puls der Person auf dem Stuhl messen kann. Falls sich Ihre Testperson damit nicht auskennt, erklären Sie Ihr Folgendes:

  • Legen Sie zum Pulsmessen das rechte Handgelenk Ihres Gegenübers in die geöffnete linke Hand, sodass Sie die Handinnenseite der anderen Person sehen können.

  • Schließen Sie jetzt die linke Hand. Ihre Finger befinden sich jetzt in einer Reihe am rechten Rand des Handgelenks Ihres Mitspielers – unterhalb Ihres Daumens. Jetzt rutschen Sie mit den Fingern ein wenig zur Mitte des Handgelenks. Dort spüren Sie eine harte Sehne. Kurz vor der harten Sehne, wo es weich ist, finden Sie den Puls. Möglicherweise müssen Sie noch ein wenig nach oben oder unten ausweichen. Der Puls wird nie mit dem Daumen gemessen, da Sie dort auch Ihren eigenen Puls fühlen können und so Ihren eigenen Puls mit dem Puls der anderen Person verwechseln könnten.

  • Dann können Sie beginnen. Richten Sie sich an die Person, deren Puls gemessen werden soll: «Die ersten Minuten zählen noch nicht. Bitte entspannen Sie sich, sodass wir Ihren Ruhepuls ermitteln können. Sitzen Sie bequem und entspannt.»

  • Die überwachende Person soll warten, bis der Sekundenzeiger der Uhr auf der Zwölf ankommt – bei einer Digitaluhr bedeutet das, dass die Sekundenanzeige auf null steht. Sagen Sie ihr leise, sodass es außer Ihnen beiden niemand hören kann, dass sie mit dem Zählen erst beginnen soll, wenn eine Minute vergangen ist. Dann soll sie die Schläge pro Minute messen.

  • Während der Puls gemessen wird, reden Sie langsam und leise und lenken Ihr Gegenüber vom Geschehen am Handgelenk ab.

  • Nach etwa drei Minuten fragen Sie, wie viele Herzschläge pro Minute gezählt wurden, und antworten dann: «Sehr gut, das ist unser Richtwert. Auf mein Kommando wird jetzt gleich Ihr Puls spürbar ansteigen. Ihr Herzschlag erhöht sich – allein durch die Kraft Ihrer Gedanken! Fertig?»

  • Stellen Sie sicher, dass die Person, die den Puls misst, bereit ist und den Puls der Testperson auch tatsächlich spürt. Dann sagen Sie Folgendes: «Stellen Sie sich vor, Sie sind allein in einem Haus. Ganz allein. Sie bemerken, dass die Türen alle verschlossen sind. Sie haben keinen Schlüssel. Es gibt nichts, worüber Sie sich Sorgen machen müssen. Es ist nicht schlimm, dass Sie keinen Schlüssel haben, gleich kommt jemand zurück in das Haus. Es gibt keinen Grund, in Panik zu geraten.» Spätestens jetzt steigt der Puls an, denn diese Wortwahl ist tückisch und nicht so beruhigend, wie sie auf den ersten Blick erscheint.

  • «Der Raum ist groß. Am hinteren Ende sehen Sie eine Treppe, die nach oben führt. Jetzt riechen Sie Rauch – im Haus ist ein Feuer ausgebrochen. Sie sind im Erdgeschoss, und die Flammen kommen immer näher. Sie müssen das Gebäude unbedingt verlassen – aber die Türen sind verschlossen. Das Feuer lodert jetzt hinter Ihnen – Sie müssen da raus. Rennen Sie, so schnell Sie können! Laufen Sie die Treppe hoch – schneller.»

  • Wenn Sie alles richtig gemacht haben, springt der Puls Ihrer Testperson bei diesem Szenario in die Höhe. Beenden Sie den Test an dieser Stelle und beruhigen Sie sie so weit, dass ihr Puls wieder auf normale Geschwindigkeit sinkt. Zum Beispiel, indem Sie über angenehme Themen sprechen wie Urlaub oder Lieblingsfilme.

Sie haben gerade gezeigt, wie sich ein Gedanke auf eine lebenswichtige Körperfunktion auswirken kann. Allein die Konzentration auf eine bestimmte Sache kann ausschlaggebend für unseren Herzschlag sein. Falls diese Suggestion nicht funktionieren sollte, geben Sie Ihrem Mitspieler doch einfach ein Pornoheft in die Hand – besonders bei Männern eine effektive Methode.

Mit diesem Zusammenspiel aus Kopf und Körper lässt sich auch die Wirkungsweise von Placebos erklären. Sollten unsere Gedanken und die Richtung unserer Aufmerksamkeit maßgeblich Einfluss auf den Puls nehmen können, dann müsste das auch mit anderen Körperfunktionen möglich sein. Die Energie folgt der Aufmerksamkeit … und bin ich in der Lage, die Aufmerksamkeit in die richtigen Bahnen zu lenken, dann kann sich das stark auf mein Wohlbefinden auswirken. Ich habe einmal von einer Studie gelesen, die gezeigt haben soll, dass Placebos bei leichten Schmerzen weitaus bessere Wirkung erzielten als echte Medikamente. Nichts anderes mache ich bei meinen Kindern, wenn sie mit einem verschrammten Knie zu mir kommen und meine Hilfe brauchen. Was tut also der verantwortungsbewusste Vater? Er pustet auf die Wunde – dann wird alles sofort besser. Für alle Fälle kommt selbst auf den kleinsten Kratzer immer noch ein dickes Piratenpflaster, denn dann spüren die Kleinen überhaupt nichts mehr.

Ein anderes Beispiel: Meine Tochter hat große Probleme, abends einzuschlafen. In ihrem Kopf schwirren noch so viele Gedanken herum, die geordnet werden müssen. Viele neue Eindrücke hindern sie daran, Ruhe zu finden. Eine gute Freundin unserer Familie ist Kinderärztin. Unser Kind weiß das – mit der Konsequenz, dass alles, was diese Freundin über Gesundheit sagt, bei ihr sofort in Stein gemeißelt ist. Es wird wirklich zum Gesetz!

Bei einem gemeinsamen Besuch in einem der schönsten Biergärten Münchens, der «Waldwirtschaft», saßen wir einmal bei einem Radler, Steckerlfisch und Obatzden zusammen und sprachen über ihre Einschlafschwierigkeiten. Völlig überrascht sprach die Freundin sie an: «Wieso kannst du denn nicht einschlafen? Bekommst du denn nicht die Kügelchen mit den blauen Punkten?» Das saß, denn von Kügelchen mit blauen Punkten hatte sie noch nie etwas gehört. Ich bis dahin übrigens auch nicht. Die befreundete Ärztin nahm instinktiv die Rolle der allwissenden Medizinerin ein und erklärte uns allen, dass die Kügelchen mit den blauen Punkten sehr schnell müde machten. Und für meine Tochter galt ihr Wort von nun an unerschütterlich.

Was also machte der verantwortungsvolle Vater wieder? Er nahm ein paar Globuli – eine homöopathische Medizin – und malte mit einem blauen Kuli einen Punkt auf die Kügelchen. Von diesen Schlafglobuli bekam meine Tochter noch am selben Abend drei Stück. Sie schlief auf der Stelle ein. Das ist die Kraft der Gedanken. Bevor Sie mir jetzt böse E-Mails schreiben, dass ich meine Tochter tablettenabhängig mache oder Globuli – zumal mit Tintenspuren – sowieso völliger Unfug seien, möchte ich eines vorausschicken: Sie hat schnell fest geschlafen! Das Heilmittel hatte sein Ziel erreicht. Da für mich die Wirksamkeit das Maß der Wahrheit ist, war diese Methode in diesem Moment genau die richtige. Nur die gewünschte Wirkung zu haben und in diesem Fall keine negativen Nebenwirkungen in Kauf nehmen zu müssen, das war doch ein Versprechen. Wir verbrachten einen ruhigen Abend dank der Kraft der Suggestion und der Macht der Gedanken.

Ich beschrieb in meinem ersten Buch ausführlich, dass sich unsere Gedanken nicht nur durch unseren Körper äußern, sondern dass die Art und Weise, wie wir mit uns umgehen, auch Auswirkungen auf unsere Emotionen haben kann. Das ist ein weiteres Beispiel für die Einheit von Körper und Geist. Beide beeinflussen sich gegenseitig. Immerzu. Es existieren keine Grenzen.

Das erinnert mich an Folgendes: Nach einem Vortrag kam eine Zuschauerin zu mir und erzählte, dass es in den USA eine Klinik für depressive Menschen gebe, in der man Patienten als erste Maßnahme eine Halskrause verpasse. Diese Halskrause zwinge die Patienten dazu, den Kopf nach oben zu halten und nicht mehr nach unten zu schauen.

Das Ergebnis: Viele Menschen fühlten sich damit nach wenigen Tagen sehr viel besser und konnten entlassen werden! Ich kann mir gut vorstellen, dass das wahr ist. Eine gerade Körperhaltung stimmt uns optimistischer! Das ist jedoch nicht immer der Fall. Nach Verkehrsunfällen bringt sie unter Umständen gar nichts und bewirkt nur, dass es dem Patienten schlechter geht als vorher. Denn Juckreiz und Hitze treiben ihn förmlich in den Wahnsinn. Die Laune sinkt. Offensichtlich nutzt eine Halskrause also mehr, wenn man sie zweckentfremdet oder einfach anders betrachtet.

Der bewährte Blick nach oben wird auch von amerikanischen Telefonseelsorgern als Hilfsmaßnahme benutzt. Einer der ersten Sätze, die ein suizidgefährdeter Anrufer gesagt bekommt, lautet: «Schauen Sie jetzt an die Decke.» Allein der aufwärtsstrebende Blick hebt also die Stimmung. Bisher habe ich gezeigt, dass sich der Grundsatz «Es gibt keine Grenzen» sehr gut anwenden lässt. Nun möchte ich diesen Gedanken noch ein wenig weiterspinnen.

Kürzlich las ich, dass wir im Durchschnitt pro Atemzug 700 000 Hautschuppen einatmen, hauptsächlich die unserer Mitmenschen. Zusätzlich atmen wir noch viele andere Stoffe ein. Berechnungen besagen, dass wir durchschnittlich pro Atemzug 1022 Atome aufnehmen. Das sind 10 Trilliarden (als Zahl 10 000 000 000 000 000 000 000) pro Atemzug! Diese Atome verteilen sich überall in unserem Körper. Beim Ausatmen stoßen wir in etwa genauso viele Atome wieder aus. Es ist zwar ungefähr dieselbe Anzahl, es sind aber andere Atome. Diese kommen aus allen Bereichen unseres Körpers: Gehirn, Magen, Muskeln, Haut usw. Wir atmen also kleinste Bestandteile unseres Körpers aus und dafür andere Bestandteile unserer Umwelt wieder ein. Pro Atemzug 10 Trilliarden Atome! Das Axiom, dass es keine Grenzen gibt, bekommt durch diese Erkenntnis eine ganz neue Dimension.

Forschungen mit radioaktiven Isotopen haben ergeben, dass in genau diesem Moment, in dem Sie diese Zeilen lesen, sich in Ihrem Körper Atome befinden, die einst im Körper von Johann Sebastian Bach waren. Der Name Bach ist dabei nur als Platzhalter gewählt – Sie könnten jede beliebige Person einsetzen. Genauso hätte ich Vincent van Gogh nehmen können oder auch Frau Schmidt aus dem Gemüseladen um die Ecke. Wir alle haben zahlreiche Atome anderer Menschen in uns. Alles, was vor uns auf der Erde existiert hat, war zumindest zum Teil aus Atomen zusammengesetzt, die sich genau in diesem Moment in Ihrem Körper befinden. Wenn man diese Betrachtung ein wenig weiterspinnt, dann kommen wir zur Erkenntnis, dass allein in den letzten drei Wochen zahllose Atome durch Ihren Körper gereist sind. Das bedeutet, dass Sie innerhalb eines Jahres 98 Prozent Ihres Körpers atomar neu zusammensetzen. Ihr Gehirn ist also in ein paar Jahren aus ganz anderen Atomen zusammengesetzt als heute, trotzdem haben Sie gewöhnlich noch alle Erinnerungen und Erfahrungen Ihrer Vergangenheit gespeichert. Unsere Augen beispielsweise verändern sich, trotzdem können Sie Blau und Rot immer noch unterscheiden. Unsere Ideen, Hoffnungen und Überzeugungen bleiben, und wir können sie trotzdem neu definieren.

All diese Überlegungen habe ich einem Vortrag von Dr. Deepak Chopra entnommen. Sie veranschaulichen meiner Meinung nach sehr gut, dass es buchstäblich keine Grenzen gibt. Ich habe seinen Erkenntnissen nichts hinzuzufügen: Nicht nur zwischen Körper und Geist besteht ein enges Band, sondern generell ist alles mit allem verbunden. Eine simple, aber eindeutige Wahrheit.

Nichts als heiße Luft

Tauchen wir doch noch ein Stückchen weiter in Chopras Philosophie ein: Wenn alles aus Atomen besteht, woraus bestehen denn dann Atome? Jeder Physiker wird Ihnen auf diese Frage antworten, dass Atome aus einem Atomkern und einer Atomhülle bestehen. Der Kern enthält positiv geladene Protonen. Die Hülle wird aus negativ geladenen Elektronen gebildet, die auf Bahnen um den Atomkern herumrasen.

Für unsere Betrachtung ist der Größenunterschied zwischen Kern und Hülle bemerkenswert. Sie können sich das Verhältnis so vorstellen: Hätte der Kern die Größe eines Kirschkerns, dann wäre die Hülle so groß, dass der komplette Kölner Dom hineinpassen würde. Bei diesem Satz sehe ich förmlich meine Chemielehrerin vor mir stehen und begeistert über Atome reden. Das wiederum bedeutet, dass selbst ein Atom bis auf ein paar Teilchen aus Leere besteht! Aus nichts! Alles, was uns umgibt, auch Sie selbst, besteht aus schwingenden Teilchen, die wiederum aus Leere bestehen. Bei all meiner Begeisterung für diese Sicht der Dinge sollte ich jedoch nicht unerwähnt lassen, dass es sich im alltäglichen Leben für mich nicht als sinnvoll erwiesen hat, die Welt so zu betrachten: Steuere ich mit meinem Auto auf einen Baum zu, dann halte ich es als vernünftiger Mensch für sehr sinnvoll, diesem Baum rechtzeitig auszuweichen. Er besteht nämlich nur fast aus nichts, das bisschen kreisende Elektronen und Protonen im Kern reicht sehr wohl aus, um mein Auto beim Aufprall zu demolieren, genau wie ein Stock in der Hand eines gewaltbereiten Menschen mir im echten Leben den Kopf einschlagen kann. Dennoch finde ich es unglaublich faszinierend, dass alles um uns herum praktisch aus nichts besteht – und dennoch greifbar ist.

Dieses Axiom würde ich gern auf unsere Gedanken übertragen. Sie sind nicht greifbar – dennoch sind sie ganz sicher da! Wie wir bereits gesehen haben, wirken sie sich auf unseren Körper und unsere Umwelt aus. Fast alles in Ihrer Umgebung verdeutlicht das: Der Stuhl, auf dem Sie sitzen, Ihre Kleidung und auch dieses Buch – all diese Dinge um Sie herum waren irgendwann einmal nur ein Gedanke im Kopf eines Menschen. Dieser Mensch hatte genügend Ausdauer, seinen Gedanken Realität werden zu lassen. Jetzt können Sie ihn anfassen. Unsere Gedanken sind also Teil von uns, auch wenn wir sie nicht greifen können. Wir denken täglich ungefähr 60 000 einzelne Gedanken. Fragen Sie mich bitte nicht, wie Forscher so eine Zahl bestimmen. Keine Ahnung, wie das geht. Aber vertrauen wir darauf, dass sie stimmt. Von diesen 60 000 Gedanken hängt ab, wie wir die Welt sehen und wie glücklich wir sind. Sehr bitter ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass von diesen 60 000 Gedanken täglich nur circa 3000 neu sind! Psychologen gehen davon aus, dass wir 95 Prozent unserer Gedanken von gestern einfach heute wieder denken, da bleibt dann nur noch Platz für 3000 neue. Das ist, gelinde gesagt, sehr wenig. Wenn ich mich gestern schon über das Wetter aufgeregt habe, dann mache ich das heute also wieder, falls es sich nicht geändert hat. Oder noch besser: Das Wetter hat sich geändert, ich rege mich aber trotzdem wieder darüber auf. Ist das Gedankenfreiheit? Mein Opa sagte zu Leuten, die sich nur übers Wetter unterhalten haben, in der Regel: «Besser als gar kein Wetter!» – diese Antwort finde ich sehr gut.

Stellen Sie sich vor, Sie bauen ein Haus aus Legosteinen. Das Gebäude besteht aus 60 000 Einzelteilen. Jeden Tag haben Sie die Möglichkeit, 3000 Steine zu ersetzen. Fügen Sie diese einfach an genau derselben Stelle ein, an der die alten herausgenommen wurden, dann schaffen Sie in Ihrem ganzen Leben kein neues Haus – jedes Gebäude sähe aus wie das alte. Wäre es da nicht sinnvoller, die neuen Steine dort einzubauen, wo sie Ihnen in diesem Moment am wichtigsten oder sinnvollsten angeordnet zu sein scheinen? Klar, einige dürfen nicht verrückt werden, weil sonst alles in sich zusammenfällt. Aber im Laufe der Zeit haben Sie die Möglichkeit, jeden Stein zu ändern, und bei genügend Zeit kann ein ganz neues Gebilde entstehen. Ein Gebilde, das mit dem ursprünglichen Haus nach einiger Zeit überhaupt nichts mehr zu tun hat. Sie können also nach Belieben die Steine sowie die Form des Gebäudes ändern. Das ist Freiheit!

Wie schon betont: Gedanken sind unsichtbar, dennoch sind ihre Auswirkungen überall und immerzu spürbar! Um Ihnen weiter Mut zu machen, mir in diese Richtung zu folgen, schlage ich Ihnen folgenden Test vor. Sie sollten sich dafür mindestens vier Minuten Zeit nehmen. In dieser Phase wird Ihr Körper auf Ihre Gedanken reagieren. Sie werden durch Ihre Gedanken die Form Ihrer Hand verändern!

EXPERIMENT DER WACHSENDEN HAND

 

  • Halten Sie zunächst Ihre Handflächen aneinander, um die Länge der Hände zu messen. Als Anhaltspunkt können die Falten an den Handgelenken an der Innenseite des Unterarms dienen. Es kann sein, dass eine Hand ein wenig länger ist als die andere. Das ist völlig normal.

  • Als Nächstes heben Sie locker eine Hand nach oben. Mein Vorschlag: Männer nehmen die linke Hand, Frauen die rechte. Konzentrieren Sie sich auf diese Hand. Locker, aber mit voller Konzentration richten Sie Ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Hand und stellen sich vor, dass die gehobene Hand länger wird. Tun Sie das genau so, wie es für Sie angenehm ist. Vielleicht stellen Sie sich bildlich vor, dass die Hand länger wird, oder Sie spüren, wie die Hand sich verändert. Möglicherweise wird sie warm oder beginnt zu kribbeln. Stellen Sie sich vor, wie die Haut sich dehnt, wie die Muskeln größer werden und die Sehnen länger.

  • Wenn Sie das vier Minuten lang mit voller Konzentration getan haben, dann halten Sie die Handflächen erneut zum Vergleich aneinander. Am deutlichsten wird der Unterschied am Mittelfinger sein.

Vielleicht hilft es, die Erkenntnisse der Medizin, Psychologie und Philosophie einzubeziehen, um den Gedanken auf die Spur zu kommen. Werden wir also wissenschaftlich.

i Körper macht Geist

Die moderne Hirnforschung scheint das, was New-Age-Anhänger und andere Spirituelle schon lange behaupten, endlich auf wissenschaftliche Füße zu stellen: Körper und Geist sind nicht, wie von manchen Philosophen, Psychologen und Sozialwissenschaftlern seit Jahrzehnten und Jahrhunderten angenommen, getrennte Einheiten, sondern gehören zusammen, entstehen und vergehen nur im Team und sind ohne einander nicht denkbar. Der Denkfehler, dass nur der Geist zähle und der Körper nebensächlich sei, kam zur Zeit der Aufklärung im 17. und 18. Jahrhundert auf. Seither wird das rationale Denken maßlos überschätzt. Dieser Primat des Verstandes hat dazu geführt, dass viele Menschen, darunter einige maßgeblich wissenschaftliche Experten, davon überzeugt sind, dass das menschliche Gehirn ein reines Denkorgan ist, das weitgehend losgelöst vom Körper funktioniert. René Descartes war bereits in seiner Abhandlung zum Leib-Seele-Problem wahrscheinlich erleichtert zu dem Schluss gekommen, dass der Geist nicht vom Körper hervorgebracht werde und somit auch nicht mit ihm vergehen könne. Dies war sein Beweis für die Unsterblichkeit der Seele, die durch die Erkenntnisse der Hirnforschung erneut in Zweifel zu ziehen ist.

Wenn wir den Geist mit dem Gehirn gleichsetzen – was die Erkenntnisse der letzten Jahre nahelegen –, so kann zwischen Geist und Körper kein Trennstrich mehr gezogen werden, denn das den Geist erzeugende Gehirn ist Teil unseres Körpers, und alles, was sich in unseren Organen, Muskeln und Körperzellen abspielt, gelangt auf sicherem Weg in die Schaltzentrale in unserem Kopf. Gehirn und Körper – Body and Mind – sind durch afferente und efferente Nervenbahnen (von den Organen zum Zentralnervensystem und umgekehrt) sowie den Blutkreislauf miteinander verbunden und tauschen ständig Informationen aus. Bewusst sind uns diese Vorgänge eher selten, aber jede Information, die unser Körper als Sinnesreiz aufnimmt, wird vom Gehirn registriert und verarbeitet. Ergebnis dieser Verarbeitungsprozesse – immer in Interaktion mit bestehenden neuronalen Mustern – sind unsere Wirklichkeit und unser Bewusstsein. Genauso nehmen die Prozesse im Gehirn Einfluss auf unser körperliches Empfinden und können körperliche Strukturen sogar substanziell verändern.

Wir alle beobachten täglich die Einflüsse von Gedanken und Stimmungen auf den eigenen Körper oder den unserer Mitmenschen. Nicht umsonst sagen wir «Lass dich nicht hängen!» zu jemandem, der vor Trauer, Niedergeschlagenheit oder Lustlosigkeit die Schultern senkt, oder «Bleib mal locker!» zu jemandem, der vor Stress und Ärger ganz verspannt ist. Dem Gehirn bleibt keine Veränderung im Körper und dem Körper keine Veränderung im Gehirn verborgen. Und da der Organismus auf Ausgleich programmiert ist, wird nicht nur jede Veränderung registriert, sondern der Organismus als Ganzes der jeweiligen Veränderung angepasst. So verursachen Körperveränderungen, die über längere Zeit andauern, Anpassungen der entsprechenden neuronalen Regelkreise und synaptischen Verbindungen im Gehirn. Dies ist besonders dramatisch zum Beispiel an Kindern zu beobachten, die aufgrund von Stoffwechselstörungen zum Teil massive Entwicklungsveränderungen im Gehirn aufweisen. Erst vor wenigen Jahren ist zudem bekannt geworden, dass normalerweise im Gehirn gebildete Hormone auch im Darm oder in anderen Organen produziert werden, was bedeutet, dass unter Umständen Ihr Darm für Ihre gute oder schlechte Laune verantwortlich gemacht werden kann.

Wie sich psychische Zustände auf den Körper auswirken, hat jeder schon mal am eigenen Leib erlebt, wenn er so richtig Angst hatte: Das Herz schlägt bis zum Hals, die Muskulatur spannt sich an, und womöglich stellen sich sogar die Nackenhaare auf. Wenn solch ein Angstzustand über längere Zeit andauert, kommt es zur Destabilisierung und zum Umbau von Nervenzellverbindungen in den für die Zuordnung und Bewertung zuständigen Bereichen des Gehirns – eigentlich harmlose Situationen werden dann womöglich als gefährlich eingestuft, weil die bewertenden Bereiche durch ständige Reizung übersensibilisiert wurden. Bei permanenten Angstgefühlen reagiert der Körper häufig mit chronischen Verspannungen oder chronisch entzündlichen Erkrankungen. Beide Anomalien sind auf die permanente Ausschüttung von Katecholaminen – Sammelbegriff für Hormone und Neurotransmitter – zurückzuführen und können als vom Gehirn ausgelöste Veränderungen von Organaktivität, Organfunktion und letztendlich Organstruktur bezeichnet werden. Letzteres geschieht dadurch, dass Signalstoffe wie Dopamin (Neurotransmitter) oder Kortisol (Hormon) in ihren jeweiligen Zielzellen eine Änderung der Genexpression auslösen können. Diese Stoffe sind also imstande, sie dazu zu bringen, neue Genprodukte von bisher nicht exprimierten DNA-Sequenzen abzuschreiben oder/​und andere Gene vollkommen stillzulegen. Damit verändern sie die bisherige Struktur und Funktion der betreffenden Zellen tiefgreifend und nachhaltig.

i Das Körper-Selbst als Grundlage des bewussten Selbst

Bereits im Gehirn des ungeborenen Kindes bilden sich Verschaltungsmuster zur Steuerung der Körpermuskulatur und der Körperfunktionen. Diese neuronalen Netze stellen ein inneres Muster her, wodurch im Gehirn des Embryos ein Bild der Beschaffenheit des eigenen Körpers entsteht. Das Gehirn ist zeit seines Lebens dafür zuständig, Beziehungen zwischen außen und innen herzustellen und stetig neue neuronale Verbindungen (im eigenen System) zu produzieren. Die älteren Teile des Gehirns funken dabei ohne Unterlass Informationen über alle im Körper ablaufenden Prozesse in neuere Regionen. Diese Informationen erzeugen Erregungsmuster in übergeordneten Hirnarealen (zum Beispiel im limbischen System und im assoziativen Teil des Kortex), die wiederum auf das Körpergefühl zurückwirken. Das Körpergefühl (das nicht nur durch externe Reize, sondern auch durch Erinnerungen an vergangene Erlebnisse entsteht) ist noch vorbewusst und nicht an Sprache gekoppelt. Es ist ein «Körper-Selbst», das als Grundlage für weitere, immer differenziertere Schichten unseres Selbst dient. Dieses System hat immer eine individuelle Geschichte und ist auf Körperebene als emotionales Reaktionsmuster verankert, das durch Interaktionserfahrungen mit der Mutter entstanden ist. Erst im Laufe der Zeit entwickelt das Gehirn kognitive und selbstreflektierende Fähigkeiten, das heißt ein Selbstbild, das wir für gewöhnlich «Ich» nennen.

Das Gehirn passt neuronale Verschaltungen und synaptische Verbindungen immer an das an, womit es in enger Beziehung steht; am Anfang der Entwicklung ist das zunächst nur der eigene Körper. Auch Sinneseindrücke, die von außen ausgelöst werden, betrachtet der kindliche Organismus als innere, körperliche Erlebnisse. Mit der Zeit werden Beziehungen zu anderen Menschen wichtiger und mitunter enger als die zum eigenen Körper, was dazu führen kann, dass die Beziehung zum Körper verkümmert. Häufig lässt sich zum Beispiel beobachten, dass der bei kleinen Kindern noch vorhandene Impuls, den ganzen Körper einzusetzen, um Gefühle und Bedürfnisse auszudrücken, in späteren Jahren deutlich unterdrückt und kontrolliert wird. Ursprünglich wird unser Denken, Fühlen und Handeln ausschließlich von den eigenen Körpererfahrungen und Sinneseindrücken geprägt. Wird dieses Fundament rigoros unterdrückt, wird sich der Mensch selber fremd. Daraus lässt sich folgern, dass Gehirn – oder Geist – und Körper, Body and Mind, aufgrund ihrer gemeinsamen Entstehungsgeschichte untrennbar miteinander verbunden sind. Verändert sich das eine, beeinflusst dies das andere. Im Grunde gibt es «das eine» und «das andere» gar nicht – beide sind eins.

Dennoch geschieht die Trennung von Verstand und Körper gewöhnlich durch den Prozess der Anpassung an andere Menschen und die Gesellschaft. Das Bedürfnis, dazuzugehören und geliebt zu werden, ist stärker als die Bedürfnisse des Körpers. Diese Sozialisierung ist notwendig, damit das soziale Wesen Mensch überleben kann, doch sollte das Körpergefühl bei diesem Prozess unbedingt erhalten bleiben, da es von gleichwertiger Bedeutung für den Menschen ist.

Die wichtigste Erkenntnis der Hirnforschung lautet nach Meinung von Maja Storch, Diplompsychologin, Psychodramatherapeutin und Mitglied der «Jungen Psychoanalytiker»: Unser Gehirn ist eine lebenslange Baustelle. Alles, was wir erleben, wird als Muster des Erlebens und Verhaltens im Gehirn «verkörpert» und bleibt formbar. Das bedeutet aber auch, dass wir – unser Geist und unser Körper – niemals «fertig» sind und wir die Möglichkeit haben, alte – motorische, sensorische oder affektive – Muster zu verlassen. Dies ist möglich, indem wir beginnen, anders wahrzunehmen, zu denken, zu fühlen und zu handeln als bisher.

i Der freie Wille – eine Schimäre oder Faktum?

Gibt es einen freien Willen? Was meint die Medizin? Die moderne Hirnforschung sagt: «Nein!» Ich sage: «Nein, nicht wirklich, aber das ist auch nicht weiter schlimm!» Der freie Wille ist nach Meinung renommierter Wissenschaftler wie der Hirnforscher Wolf Singer oder John-Dylan Haynes wahrscheinlich nur eine Illusion, da unser Gehirn und damit auch unser Bewusstsein und unser Selbstbild physikalischen Gesetzen gehorcht, also ein deterministisches – vorherbestimmtes – System ist. Haynes hat 2008 im Fachblatt Nature Neuroscience  

Demnach entscheiden sich aber auch kriminelle oder antisoziale Menschen nicht dazu, antisozial oder kriminell zu handeln, sondern man muss annehmen, dass sie nicht dazu in der Lage sind, die Hemm-Mechanismen zu aktivieren, die ihr kriminelles Handeln unterbinden würden. Singer fordert vor diesem Hintergrund allerdings nicht, dass wir alle Schwerverbrecher freilassen müssen, weil sie nicht anders können. «Auch wenn man unterstellt, dass es keinen freien Willen gibt, bleibt die Person als Verursacher für ihre Tat verantwortlich.» Man müsse daher weiterhin versuchen, sie – wie das Kind, das noch nicht gelernt hat, seine Triebstruktur zu kontrollieren – durch Erziehungsmaßnahmen und Strafandrohung dazu zu bringen, sich nicht mehr kriminell zu verhalten. Wir brauchen eine Vorstellung von Schuld und Verantwortung, damit unser Zusammenleben funktioniert.

  

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Der freie Wille – eine hartnäckige und lebensnotwendige Illusion

Die Neurowissenschaft sagt: Der freie Wille ist eine Illusion. Doch niemand möchte daraus schlussfolgern, dass wir nun resigniert die Hände in den Schoß legen sollen, weil wir ohnehin nichts ändern können. Denn biologische und kulturelle Evolution haben bewiesen: Veränderungen sind möglich, und der Wille kennt keine Grenzen. Indem wir uns über die Zusammenhänge, die den menschlichen Geist, sein Denken und Fühlen kreieren und beeinflussen, bewusst werden, können wir die Mechanismen in unserem Sinne nutzen und die Chance ergreifen, unser Leben, Denken und Fühlen so zu gestalten, wie wir es wollen.