image1
Logo

Die Autoren

Sibylle Fischer lehrt an der Evangelischen Hochschule Freiburg in den Studiengängen Kindheitspädagogik und Soziale Arbeit. Außerdem arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Kinder- und Jugendforschung sowie in Beratung, Fort- und Weiterbildung.

Prof. Dr. Klaus Fröhlich-Gildhoff, Jg. 1956, ist hauptamtlicher Dozent für Klinische Psychologie und Entwicklungspsychologie an der Evangelischen Hochschule Freiburg.
Approbation als Psychologischer Psychotherapeut und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut. Zusatzausbildungen in Psychoanalyse (DGIP, DGPT), Personzentrierter Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen (GwG), Gesprächspsychotherapie (GwG). Langjährige Tätigkeit als niedergelassener Psychotherapeut und als Geschäftsführer eines Jugendhilfeträgers (AKGG). Supervisor bzw. Dozent/Ausbilder bei verschiedenen Psychotherapie-Ausbildungsstätten.

Sibylle Fischer Klaus Fröhlich-Gildhoff

Chancen-gleich. Kulturelle Vielfalt als Ressource in frühkindlichen Bildungsprozessen

Manual zur Qualifizierung pädagogischer Fachkräfte

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

Es konnten nicht alle Rechtsinhaber von Abbildungen ermittelt werden. Sollte dem Verlag gegenüber der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt.

Dieses Werk enthält Hinweise/Links zu externen Websites Dritter, auf deren Inhalt der Verlag keinen Einfluss hat und die der Haftung der jeweiligen Seitenanbieter oder -betreiber unterliegen. Zum Zeitpunkt der Verlinkung wurden die externen Websites auf mögliche Rechtsverstöße überprüft und dabei keine Rechtsverletzung festgestellt. Ohne konkrete Hinweise auf eine solche Rechtsverletzung ist eine permanente inhaltliche Kontrolle der verlinkten Seiten nicht zumutbar. Sollten jedoch Rechtsverletzungen bekannt werden, werden die betroffenen externen Links soweit möglich unverzüglich entfernt.

1. Auflage 2019

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-029330-4

E-Book-Formate:

pdf:      ISBN 978-3-17-029331-1

epub:   ISBN 978-3-17-029332-8

mobi:   ISBN 978-3-17-029333-5

Geleitwort

 

 

Faire Bildungschancen für alle Kinder von Anfang an! In den ersten Lebensjahren wird der Grundstein für lebenslanges Lernen und für die Bildungsbiografie gelegt. Eine qualitativ hochwertige Bildung, Betreuung und Erziehung eröffnet Kindern Entwicklungschancen und ermöglicht ihnen Teilhabe.

Als Robert Bosch Stiftung wollen wir mit unseren Projekten zur Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung des Schul- und Betreuungssystems beitragen, um allen Kindern und Jugendlichen im Sinne der Chancengleichheit faire Startbedingungen zu ermöglichen. Pädagogische Fachkräfte begegnen täglich Kindern und Familien mit unterschiedlicher Herkunft, verschiedenen Lebensrealitäten und Alltagserfahrungen. Aus dem Anspruch, gleiche Entwicklungschancen für alle Kinder zu erreichen und der Heterogenität der Kinder und ihrer Familien Rechnung zu tragen, erwachsen neue Qualifizierungsbedarfe.

Als Stiftung haben wir daher 2011 gemeinsam mit dem Zentrum für Kinder- und Jugendforschung (ZfKJ) im Forschungs- und Innovationsverbund an der Evangelischen Hochschule Freiburg (FIVE e. V.) das Programm »Chancengleich! Kulturelle Vielfalt als Ressource in frühkindlichen Bildungsprozessen« ins Leben gerufen. Chancen-gleich! verfolgt das Ziel, pädagogische Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen dabei zu unterstützen, die Ressourcen und Stärken, die Kinder und Familien aus ihren Kulturen, Sprachen und Lebenswelten mitbringen, für Bildungsprozesse zu nutzen. Das Herzstück des Qualifizierungsprogramms halten Sie in den Händen: ein Curriculum, das Fachkräfte in der Reflexion und Weiterentwicklung ihrer pädagogischen Arbeit mit Kindern und Familien mit Migrationshintergrund stärkt und Kitas auf ihrem Weg zu einer kultursensiblen Einrichtung begleitet.

Das Programm wurde als zweijähriger Pilot in 27 Kindertageseinrichtungen in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche in Stuttgart, dem Jugendamt der Landeshauptstadt Stuttgart sowie der Katholischen Kirche in Stuttgart als Einrichtungsträger umgesetzt und von der Universität Tübingen evaluiert. Aus dem Projekt mit Pilotcharakter ist mittlerweile ein etabliertes Programm geworden, das seine Kreise nicht nur in der Bildungspraxis, sondern auch in den Aus- und Weiterbildungsstrukturen zieht. Dem Rechnung tragend unterstützt die Stiftung seit Mai 2016 die Gründung einer Geschäftsstelle Chancen-gleich! am Zentrum für Kinder- und Jugendforschung der Evangelischen Hochschule Freiburg. Auch der Aufbau eines bundesweiten Netzwerks von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die ihrerseits die Inhalte und Methoden von Chancengleich! im Rahmen ihrer Tätigkeit weitergeben, gehört dazu.

Unser besonderer Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Geschäftsstelle, insbesondere Frau Sibylle Fischer, für ihre hervorragende und beherzte Arbeit.

Allen Nutzerinnen und Nutzern wünschen wir anregende Impulse. Es liegt an Ihnen, das vorliegende Curriculum mit Leben zu füllen.

Images

Dr. Dagmar Wolf
Leiterin Themenbereich Bildung der Robert Bosch Stiftung

Images

Inhaltsverzeichnis

 

 

  1. Geleitwort
  2. Prolog
  3. Einleitung
  4. Teil A Theoretische Grundlagen
  5. 1 Migration und Bildungschancen
  6. 2 Theoretische Rahmung
  7. 2.1 Kulturbegriff
  8. 2.2 Stereotype, Vorurteile und Diskriminierung
  9. 2.3 Interkulturelle Pädagogik
  10. 2.4 Resilienz
  11. 2.5 Soziale Unterstützung
  12. 3 Kennzeichen interkultureller Ausrichtung
  13. Teil B Praxisteil
  14. 1 Modul-Übersicht
  15. 2 Lehr- und Lernorganisation
  16. 3 Empfehlungen zur methodisch-didaktischen Gestaltung
  17. 4 Entwürfe der Weiterbildungseinheiten
  18. Modul I Grundlagen
  19. Modul I Grundlagen, Einheit 1
  20. Modul I Grundlagen, Einheit 2
  21. Modul I Grundlagen, Einheit 3
  22. Modul II Pädagogische Arbeit mit Kindern, Einheit 1
  23. Modul II Pädagogische Arbeit mit Kindern, Einheit 2
  24. Modul III Zusammenarbeit mit Familien, Einheit 1
  25. Modul III Zusammenarbeit mit Familien, Einheit 2
  26. Modul IV Sozialräumliche Orientierung und Vernetzung
  27. Online-Material
  28. Literatur

Prolog

 

 

Für Kinder und Familien mit Zuwanderungsgeschichte wird in diesem Programm der Begriff Migrationshintergrund zugrunde gelegt. Der Ausdruck Migrationshintergrund sowie Kinder und Familien mit Zuwanderungsgeschichte wird auf alle Kinder bezogen, deren Familien bzw. mindestens ein Elternteil (unabhängig davon ob in 1. oder 2. Generation) nach Deutschland eingereist sind. Vor dem Hintergrund der Pluralisierung von Lebens- und Familienformen scheint es erst einmal unmöglich, von der Familie oder dem Kind mit Migrationshintergrund zu sprechen. Es handelt sich hierbei lediglich um eine pragmatische Einteilung, durch die Personen zu einer Gruppe zusammenfasst werden, die sich höchst heterogen darstellt, und deren Vielfältigkeit sich nicht zwangsläufig an der familiären Zuwanderungsgeschichte orientieren muss. Familien mit Migrationshintergrund unterscheiden sich zum Beispiel hinsichtlich ihrer Nationalität und Familiensprachen, ihres aufenthaltsrechtlichen und sozioökonomischen Status, ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer Zuwanderungsgeschichte, ihrer Familienorganisation, ihrer Erziehungsziele und -stile, ihrer Eigendynamik, Freuden, Befürchtungen und Ängste.

Das Qualifizierungsprogramm Chancen-gleich! nimmt Kinder und Familien in den Blick, die bezüglich ihres sozioökonomischen Status, ihrer Sozialisationsbiografie und ihrer (kulturellen) Herkunft benachteiligt sind. Die Weiterbildungsinhalte sind jedoch keineswegs als Hilfsmittel zu verstehen, um für die Gruppe der Familien mit Migrationshintergrund besondere Angebote bereitzustellen. Vielmehr geht es darum, pädagogische Prozesse orientierungs- und strukturkritisch zu reflektieren und ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass nicht aufgedeckte Schieflagen im Bildungssystem negative Auswirkungen auf alle Kinder haben. Die Begriffe Zuwanderungsgeschichte und Migrationshintergrund werden in den weiteren Ausführungen synonym verwendet. Der verwendete Begriff kultursensibel zielt nicht darauf ab, eine kulturalisierende und festschreibende Perspektive einzunehmen, er steht vielmehr für eine feinfühlige, entdeckende und neugierige Hinwendung zur kulturellen Vielfalt und ersetzt nicht die für eine Weiterbildung notwendige theoretische Rahmung.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für alle Geschlechter.

Einleitung

 

 

In der Diskussion um Bildung und Bildungsungleichheit rückte die bildungsbiografische Bedeutung der frühen Lebensjahre zunehmend in den Fokus der öffentlichen und fachwissenschaftlichen Aufmerksamkeit. Insbesondere die Tatsache, dass Kinder sehr unterschiedliche Bedingungen und Möglichkeiten für die Realisierung von Bildungschancen haben, führt auch zu der Frage, welche Rolle Kindertageseinrichtungen bei kindlichen Entwicklungs- und Bildungsprozessen im Kontext von Vielfalt und Heterogenität einnehmen. Vor allem die Möglichkeiten passgenauer Unterstützung und Förderung für Kinder und Familien mit Migrationshintergrund werden seit den ersten PISA-Untersuchungen diskutiert. Als besonders bildungsbenachteiligt stellte sich die Gruppe der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund aus sozioökonomisch benachteiligten Verhältnissen mit nichtdeutscher Familiensprache heraus (Sachverständigenrat deutscher Stiftungen, 2016; Diefenbach, 2008, S. 63; Kratzmann & Schneider, 2008, S. 24–25; Biedinger & Becker, 2006, S. 276; Becker & Tremel, 2006, S. 414). Mehr als fünfzehn Jahre nach der Durchführung der Studie hat sich in Deutschland daran nur wenig geändert. Die Zahl der Kinder mit Migrationshintergrund, die höher qualifizierende Schularten besuchen, nimmt zwar zu, jedoch steigt auch gleichzeitig ihr Anteil in den niedriger qualifizierenden Schulen (Kindermigrationsreport, 2013; Konsortium Bildungsberichterstattung, 2006, 2010, 2016). Es ist anzunehmen, dass die Grundlagen für Bildungsbenachteiligung bereits vor der Schulzeit gelegt werden (Cinar et al., 2016; Jennessen, Kastirke & Kotthaus, 2013; Biedinger, 2010; Mengering, 2005). Vor diesem Hintergrund wird auch das große Interesse an frühpädagogischen Bildungseinrichtungen nachvollziehbar. Mit dem gesellschaftlichen Anspruch, gleiche Teilhabechancen für alle Kinder zu schaffen, kommt ihnen eine wichtige Rolle zu. Allen Kindern soll eine qualitativ hochwertige Bildung, Erziehung und Betreuung ermöglicht werden (Beck et al., 2008; KiföG, 20081). Der Förderauftrag bezieht sich auf die soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung des Kindes. Er schließt die Vermittlung orientierender Werte und Regeln ein. Die Förderung soll sich am Alter und Entwicklungsstand, den sprachlichen und sonstigen Fähigkeiten, der Lebenssituation sowie den Interessen und Bedürfnissen des einzelnen Kindes orientieren und seine ethnische Herkunft berücksichtigen (§22 SGB VIII). Im Rahmen des kindheitspädagogischen Bildungsauftrages sind Kinder in ihrer individuellen Entwicklung zu fördern und sie dabei zu unterstützen, ihre Potentiale ungehindert zu entfalten (§22 SGB VIII; KMK, 2016, S. 97; Stern, 2016; Hüther, 2016). Im Kontext der Debatte um die Qualität frühkindlicher Bildung zeichnet sich bezogen auf Zuwanderung eine zusätzliche Erwartung ab, der Besuch einer Kindertageseinrichtung soll die integrativen Prozesse von Kindern und Familien mit Migrationshintergrund unterstützen (Friedrich & Smolka, 2012; Liebig, Kohls & Krause, 2012, S. 4; Schober & Spieß, 2012; BAMF, 2010; Gogolin, Neumann & Roth, 2003). Das setzt unter anderem einen professionellen Umgang mit soziokultureller Vielfalt sowie differenzsensibles und vorurteilsbewusstes Handeln des pädagogischen Personals in Kindertageseinrichtungen voraus (Borke & Keller, 2014; Diehm, 2008a, 2008b). Organisationelle Strukturen und institutionelle Regelungen gehören ebenfalls zu den Variablen, die zur Benachteiligung von Individuen oder Gruppen beitragen, und die es zu erkennen, zu reflektieren und zu verändern gilt (Radtke, 2004; Schmidt, 2012).

Hier setzt das Programm Chancen-gleich! an. Über die (Weiter-)Qualifizierung des pädagogischen Personals soll darauf hingewirkt werden, dass in einer Gesellschaft der Vielfalt und Verschiedenheit allen Kindern gleichermaßen ein Feld zur Entfaltung ihrer Bildungs- und Entwicklungspotentiale geboten wird. Besonderes Gewicht wird dabei auf das dafür erforderliche Wissen und Können von pädagogischem Personal gelegt sowie dessen Weiterentwicklung persönlichkeitsbezogener, reflexiver Fähigkeiten im Umgang mit Vielfalt und der Anerkennung von Verschiedenheit.

Das Programm ist kompetenzbasiert konzipiert, sodass es aktuellen Anforderungen der Aus- und Weiterbildung entspricht (Fröhlich-Gildhoff, Nentwig-Gesemann & Pietsch, 2014). Angesprochen werden damit Fort- und Weiterbildner, Fachberatungen und Bildungsreferenten sowie Lehrende von Fach- und Hochschulen. Die Bildungschancengerechtigkeit, die Kindern zukommt, wird im Kontext von Vielfalt und Verschiedenheit mit dem Schwerpunkt der Migration in vier Modulen thematisiert:

1.  Grundlagen (Theoriewissen und persönlichkeitsbezogene, reflexive Anteile)

2.  Pädagogisches Handeln mit Kindern

3.  Zusammenarbeit mit Familien

4.  Sozialräumliche Orientierung und Vernetzung

Die Module sind als Grundlage für den Aufbau einer interkulturellen Praxis in Kindertageseinrichtungen zu verstehen. Aus den Kompetenzerweiterungen sollen sich Handlungsmöglichkeiten ergeben, die das erworbene Theoriewissen mit pädagogischen Praxisanforderungen verknüpfen. Dazu zählen die reflektierte Initiierung interkultureller pädagogischer Prozesse, die Ausgrenzung verhindern und das Miteinander in einer Einwanderungsgesellschaft fördern, ebenso wie die Anpassung struktureller und organisatorischer Gegebenheiten an das Prinzip der Gleichwertigkeit und Anerkennung.

Jeder Baustein wird mit einem kurzen Theorieteil eingeleitet, dem folgen Beschreibungen zu anvisierten Kompetenzen, bevor detaillierte methodisch-didaktische Vorgehensweisen und Arbeitsmaterialien ausgeführt werden. Damit der Transfer der erworbenen Kompetenzen in die Praxis gelingen kann, basiert der Gesamtprozess auf den Ebenen Qualifizierung, (Handlungs-)Zielbeschreibung, Transfer in die Praxis und Evaluation. Unter Transfer in die Praxis ist ein Durchdringen der performativen Prozesse in der Kindertageseinrichtung gemeint und nicht etwa ein Abarbeiten in Form von Angeboten, Projekten oder durch unbelebte Visualisierungen. Chancen-gleich! versteht sich insofern als Qualifizierungsprogramm im Rahmen einer Organisationsentwicklung.

Das Programm ist mit Unterstützung der Robert Bosch Stiftung in Kooperation mit der Evangelischen Kirche in Stuttgart, dem Jugendamt der Landeshauptstadt Stuttgart und der Katholischen Kirche in Stuttgart als Träger Stuttgarter Kindertageseinrichtungen entstanden.

Programm- und Materialentwicklung, Implementierung und wissenschaftliche Begleitung erfolgten durch das Zentrum für Kinder- und Jugendforschung (ZfKJ) im Forschungs- und Innovationsverbund an der Evangelischen Hochschule Freiburg (FIVE e. V.). Die breit angelegte Evaluation der Erprobungsphase mit 27 Kindertageseinrichtungen in Stuttgart wurde von der Universität Tübingen2 durchgeführt.

In Teil A werden neben dem Thema Migration und Bildungschancen eine theoretische Rahmung, welche eine Auseinandersetzung mit den Begriffen Interkulturelle Pädagogik, Kultur, Resilienz und die Termini Stereotype, Vorurteile und Diskriminierung beinhaltet, vorgenommen sowie Kennzeichen Interkultureller Ausrichtung aufgeführt.

Teil B ist der praktischen Umsetzung gewidmet. Dort werden die Module und einzelnen Einheiten mit ihren jeweiligen Inhalten, zu erwartenden Kompetenzen und methodischen Hinweisen beschrieben.

1     Das Kinderförderungsgesetz (KiföG) ist ein zentraler Baustein beim Ausbau der Kindertagesbetreuung. Es trat am 16. Dezember 2008 in Kraft und soll den Ausbau eines qualitativ hochwertigen Betreuungsangebotes beschleunigen und den Eltern echte Wahlmöglichkeiten eröffnen.

2     Dahlheimer, S., Faas, St. & Thiersch, R. (2014). Evaluation des Programms »Chancen-gleich!«. Kulturelle Vielfalt als Ressource in frühkindlichen Bildungsprozessen – ein Qualifizierungsprogramm für pädagogische Fachkräfte. Abschlussbericht. Tübingen. http://www.bosch-stiftung.de/content/language1/downloads/Forschungsbericht_Chancen_gleich_2014.pdf Zugriff: 01.01.2017

 

 

 

 

Teil A   Theoretische Grundlagen

1          Migration und Bildungschancen

 

 

2015 hatten gut ein Drittel (35,9 %) aller Kinder unter fünf Jahren in Deutschland einen Migrationshintergrund (BAMF, 2015). In manchen Städten Deutschlands ist Wanderung in der Biografie von Kindern für weit mehr als die Hälfte der unter Sechsjährigen selbstverständlich (BAMF, 2015). Vor dem Hintergrund der aktuellen Zuwanderung von Menschen mit Fluchterfahrung wird in besonderer Weise deutlich, dass Bildungschancengerechtigkeit im Kontext von Migration auch zukünftig Thema bleiben wird. Alleine von Januar bis März 2017 stammten 41,7% der Asylanträge in Deutschland von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Davon waren 23,1 % der antragstellenden Kinder unter sechs Jahre und 11,8 % der Kinder zwischen sechs und 15 Jahre alt (BAMF, 2017, S. 7). Viele dieser jungen, Asyl beantragenden Menschen haben aufgrund der schwierigen Lage im Herkunftsland eine Bleibeperspektive und werden voraussichtlich dauerhaft in Deutschland leben. Pädagogisches Handeln muss sich entsprechend mit den Prozessen des kulturellen und sozialen Wandels auseinandersetzen und anderseits diskriminierungsfreie Bildungszugänge für alle Kinder gewährleisten. Die Themen Migration und Integration mit dem Schwerpunkt Bildungschancengerechtigkeit sind seit vielen Jahren Themen der Pädagogik (BMBF, 2015; Meier-Braun & Weber, 2013; Baur & Häußermann, 2009; Ditton, 2007; Schwippert, Bos & Lankes, 2003) und sie haben schon immer Einfluss auf die gesellschaftliche Situation in Deutschland (Heckmann, 2015; Gesemann & Roth, 2009). In der Vergangenheit wurde deshalb immer wieder versucht, Erklärungen für die Bildungschancenungleichheit, die Kinder mit Migrationshintergrund betrifft, auszumachen. Auch wenn es bislang nur wenige differenzierte Untersuchungen zum Kita-Bereich gibt, wird die hohe Bedeutung der vorschulischen Bildung für die weitere Bildungsbiographie, speziell bei Kindern mit Migrationshintergrund, kaum mehr bestritten (z. B.: Biedinger, 2009; Gomolla, 2009; LIS, 2017; Themenband Migration und Bildung, 2017).

Einflussfaktoren auf die Bildungschancen von Kindern

Zweifelsfrei scheinen das familiäre Umfeld, die Migrationswege, die Bildungsstrukturen der Einrichtungen, das soziale Kapital aller Beteiligten und die psychosozialen Ressourcen Einfluss auf die Bildungsprozesse von Kindern zu nehmen. Das familiäre Umfeld bestimmt den sozioökonomischen und kulturellen Kontext, in dem sich das Kind entwickeln kann (Boos-Nünning, 2010; Maaz et al., 2010; Bellin, 2009; Esser, 2006b, S. 318; Geißler, 2006; Baumert & Köller, 2005; Baumert & Maaz, 2012). Dazu zählen die Migrationsgründe, die Familienstruktur, der soziale und ökonomische Status der Eltern, Erziehungsziele und -stile und die Art der sprachlichen Sozialisation. In den Bildungseinrichtungen verbinden sich strukturelle Elemente mit den Prozessen und Beziehungsaspekten der Bildungseinrichtungen. Hier haben beispielsweise Angebote der kindheitspädagogischen Handlungsfelder, institutionelle Selektion, Vorurteile oder die Orientierungsqualität pädagogischer Fachkräfte Einfluss auf die Bildungslaufbahn von Kindern (Anders, 2012, 2011; Bassok, French, Fuller & Kagan, 2008). Außerdem ist das Eintrittsalter in eine Bildungseinrichtung und die Verbleibdauer bedeutsam für den Bildungsverlauf eines Kindes (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, S. 161; SVR, 2014; Biedinger, 2010; Lokhande, 2010: 153–154; Biedinger & Becker, 2006; Magnuson & Waldfogel, 2005; Spieß, Büchel & Wagner, 2003). Das familiäre und institutionelle Umfeld sowie die Gesellschaft stellen das soziale Kapital für einen günstigen Entwicklungsverlauf zur Verfügung. Die Beziehungsangebote, die alle Beteiligten bereithalten, sind ebenfalls dem sozialen Kapital zugeordnet. Unter einem positiven Einfluss der verschiedenen Faktoren können Kinder psychosoziale Ressourcen entwickeln, die sie wiederum für eine gesunde Entwicklung und positive Bildungsbiografie mobilisieren können. Diese Ressourcen speisen sich vor allem aus der Resilienz respektive den vorhandenen Lebenskompetenzen (Riegel, 2016; Wild et al., 2016; Keupp, 2012; Tepecik, 2011; Haug, 2007; Szydlik, 2007; Haug-Schnabel, 2004).

Im Folgenden werden wesentliche Einflussfaktoren auf die Bildungschancen von Kindern dargestellt. Dazu zählen das familiäre und soziale Umfeld, die individuelle Migrationssituation, ethnische und soziale Segregationserlebnisse, Fähigkeiten und Ressourcen, Sprache, Coping und institutionelle Erfahrungen.

Familiäres und soziales Umfeld

Das familiäre und institutionelle Umfeld bildet den alltäglichen Rahmen der Lebenswelt für Kinder. Im Kontext der lebensweltlichen Bedingungen eignen sich Kinder ihre Umwelt an und machen sich ein Bild von der Welt. Diese Bedingungen sind Ausgangspunkt kindlicher Entwicklung und die Basis, auf die sie sich in ihrem Entwicklungsprozess stützen können.

Soziale Lage

Auch wenn die Datenlage an belastbaren und differenzierten Untersuchungen für die frühe Bildung längst nicht ausreicht, ist unstrittig, dass der Bildungserfolg von Kindern in Deutschland in erheblichem Maße von der sozialen Lage ihrer Familien und dem Ausbildungsniveau der Eltern abhängt. Obwohl ein Migrationshintergrund nicht zwangsläufig mit geringen sozioökonomischen Ressourcen verbunden ist, gibt es zahlreiche Belege, dass das Armutsrisiko bei Familien mit Migrationshintergrund weitaus höher liegt als bei Familien ohne Migrationshintergrund (Giesecke et al., 2017; BMFSFJ, 2016; Bundeszentrale für politische Bildung, 2013; TNS Emnid, 2012, S. 5). Dabei spiegelt ein niedriger sozioökonomischer Status der Eltern keineswegs ihr Bildungsniveau wider. Wenn Ausbildungsabschlüsse im Einwanderungsland jedoch nicht anerkannt werden, erleben Einwanderer eine postmigratorische soziale Herabstufung. Diese kann sich wiederum in ökonomischer Hinsicht niederschlagen. Die Koppelung beider Faktoren kann zu einer Kumulation von Risikokonstellationen führen, da geringe Ressourcen durch Einkommensarmut die Teilhabe-, Bildungs- und Verwirklichungschancen in unserer Gesellschaft erheblich einschränken und damit zu Benachteiligungen führen (Auernheimer, 2008a; Mecheril, Valera, Dirim, Kalpaka & Melter, 2010; Prengel, 2006). Biedinger (2009) konnte in ihrer Studie zu Entwicklungsunterschieden von drei- bis vierjährigen türkischen und deutschen Kindern nachweisen, dass bereits im Vorschulalter Leistungsunterschiede selbst dann noch festzustellen sind, wenn das elterliche Einkommen berücksichtigt wird. Deutliche Hinweise darauf, dass schon vor der Grundschule die Basis für ethnische Ungleichheit im Bildungsverlauf gelegt wird, finden sich auch bei Becker & Biedinger (2016), Jennessen, Kastirke & Kotthaus (2013), Mengering (2005), Schöler und Kollegen (2004) oder Rohling (2002). Beim Erwerb schulischer Kompetenzen zeigen sich ebenfalls Differenzen und Benachteiligungen. Die PISA-Studie sowie die IGLU-Studie haben im Schulbereich unter anderem erhebliche Disparitäten bei Übergangsempfehlungen festgestellt (Lokhande, 2013; Lokhande & Nieselt, 2016; BMBF, 2010; Bos et al., 2008; OECD, 2007a, 2007b, 2011, 2016; PISA-Konsortium Deutschland, 2007, 2011). Klassenwiederholungen, überdurchschnittlich häufige Zuweisungen in Förder- oder Sonderklassen, Schulabbruch und Verlassen der Schule ohne Abschluss zählen beispielsweise zu den so genannten geringen Bildungserfolgen von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund (SVR, 2017; Ramsauer, 2011). Biedinger und Becker (2010) stellen außerdem fest, dass Kinder aus Migrantenfamilien in den Bereichen allgemeine Sprachfähigkeit, Kognition und Wahrnehmung im Vergleich zu deutschen Kindern häufiger Defizite aufweisen (S. 49).

Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration kommt deshalb in seiner Expertise zu dem Schluss, dass Kinder mit Migrationshintergrund doppelt benachteiligt sind (Lokhande & Nieselt, 2016, S. 2). Die Thematisierung von Bildungsförderung im kindheitspädagogischen Diskurs erfolgt dabei vornehmlich in Bezug auf fehlende Deutschkenntnisse der Kinder. Interventionen zielen entsprechend vorwiegend auf Sprachförderung der Mehrheitssprache ab. »Sprachprobleme« der Zielsprache werden dabei als individuelle Defizite der Kinder und deren Eltern gewertet (Otto & Schrödter, 2006, S. 5) und Mehrsprachigkeit, zumindest in Bezug auf sozial weniger anerkannte Sprachen, als Hindernis betrachtet. Durch diese diskursive Verengung auf Sprache werden die Fragen nach struktureller Benachteiligung und Diskriminierung oder einseitigen Normalitätserwartungen der Fachkräfte in öffentlichen Diskursen weitgehend ausgeblendet (Otto & Schrödter, 2013, S. 92). Hier soll keineswegs in Abrede gestellt werden, dass Sprache im Prozess der individuellen und gesellschaftlichen Integration eine besondere Rolle spielt und Sprachförderung mit dazu beitragen kann, Bildungschancenungleichheiten abzubauen. Eine einseitige Fokussierung auf die Zielsprache kann jedoch zur Defizitkonstruktion der Kompetenzen von Kindern mit Migrationshintergrund führen. Zu nennen ist hier beispielsweise die Kompetenz der Mehrsprachigkeit von Kindern, die zu wenig Beachtung erfährt. Bestehende Schieflagen im Bildungsverlauf können durch die einseitige Betonung einer legitimen Zielsprache und der Problematisierung der Familiensprache außerdem noch verstärkt werden (Dirim & Mecheril, 2010; Motafek, 2006).

Der Einfluss sozialer Lebenslagen kommt nach Ergebnissen der KIGGS-Studie auch in der seelischen Gesundheit von Kindern zum Ausdruck. Merkmale psychischer Störungen wurden bei Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund häufiger festgestellt als bei Kindern ohne Migrationshintergrund (RKI, 2008; Hölling, Erhart, Ravens-Sieberer & Schlack, 2007; siehe auch: Klocke & Lampert, 2005; Jungbauer-Gans & Kriwy, 2004; Walper, 2001). Ob und in welchem Ausmaß sich eine benachteiligte Lebenslage beeinträchtigend auf die seelische Entwicklung der Kinder auswirkt, soll dabei entscheidend von den resultierenden Belastungen und den vorhandenen sozialen und personalen Bewältigungsressourcen abhängen (Gavranidou, 2009; Lampert & Schenk, 2004). Eine besonders vulnerable Gruppe stellen offenbar Kinder aus Familien mit Fluchterfahrung und mit unsicherem Aufenthaltsstatus (eigenem oder familiärem) dar (Wenner et al., 2016, S. 627–635; Gavranidou et al., 2008; Fazel, Wheeler & Danesh, 2005). Als besondere Risiken für seelische Belastungen von Kindern werden vor allem potentiell traumatische Ereignisse im Heimatland oder während der Flucht, Verlust von Bezugspersonen, Asylprozess, Akkulturationsstress, Neuorientierung und Integration sowie Diskriminierungserfahrungen hervorgehoben (Pfortmüller et al., 2016; Müller-Barmough et al., 2016; Fegert, Plener & Koelch, 2015, S. 380–389; Mansel & Hurrelmann, 1993).

Hurrelmann (2000) definiert Gesundheit als »Stadium des Gleichgewichts von Risikofaktoren und Schutzfaktoren, das eintritt, wenn einem Menschen eine Bewältigung sowohl der inneren (körperlichen und psychischen) als auch äußeren (sozialen und materiellen) Anforderungen gelingt« (S. 94). Gesundheitliche Beeinträchtigungen von Kindern können laut KIGGS-Studie zumindest teilweise auf eine Schieflage von Risiko- und Schutzfaktoren zurückgeführt werden (Hölling, Erhart, Ravens-Sieberer & Schlack, 2007). Rutter (1987) führt aus, dass die Bedeutung eines Risikos durch eine veränderte Bewertung und das Unterbrechen von negativen Kettenreaktionen reduziert werden kann. Außerdem sollen ein gut entwickeltes Selbstwertgefühl und die Kompetenz in interpersonalen Beziehungen und Leistungssituationen sowie die Erweiterung von Erfahrungen oder Erweiterungen des sozialen Netzwerkes protektive Wirkung erzielen (ebd. S. 316–331). In dem Maße, in dem Risiken erkannt und ihnen entgegengewirkt werden kann, gilt es protektive Faktoren zu stärken. Die Bereitschaft sowie die Art und Weise in schwierigen Lebenssituationen soziale Unterstützung zu suchen oder anzunehmen sowie die Darstellung auftretender Belastungssymptome scheinen dabei jedoch maßgeblich von kulturellen Faktoren beeinflusst zu sein (Kohlmann & Eschenbeck, 2013, S. 61; Kizilhan, 2010; Kizilhan, & Beremejo, 2009). Damit wird auf die Notwendigkeit einer kultursensiblen und diversitätsbewussten Gestaltung gesundheitsstärkender Aktivitäten verwiesen (Uslucan, 2015; Bauer & Bittlingmayer, 2012).

Erziehungsziele und Erziehungsstile

Entwicklungsziele, Verhaltensweisen und Überzeugungen sind wesentlich bestimmt von den jeweiligen Ethnotheorien der Bezugspersonen eines Kindes. Für die Entwicklung eines Selbstkonzepts oder den Erwerb eines sozialen Beziehungs-Schemas spielen die kulturellen Norm- und Wertesysteme der Bezugspersonen eine entscheidende Rolle. Diese Vorstellungen differieren zwischen verschiedenen Kulturen ebenso wie innerhalb derselben Kultur. Dennoch scheint es kulturelle Muster zu geben, die sich im Laufe der menschlichen Evolution entwickelten und in unterschiedlichen Ausprägungen in vielen Kulturen zu finden sind (Leuzinger-Bohleber et al., 2017; Antweiler, 2007). Die Autoren konstatieren außerdem, dass gerade durch die Belastungen im Migrationsprozess die Familie eine wesentliche Orientierungsfunktion erfüllt. Andererseits können die familiären Beziehungen durch die Herausforderungen der neuen Lebensverhältnisse stark belastet werden. Wenn Kinder Aufgaben der Eltern übernehmen, weil sie die Umgebungssprache besser beherrschen, kann das beispielsweise zu intergenerationalen Konflikten führen. Kommt das eigene Wertegefüge im Kontext der neuen Umgebung ins Wanken, können die Beziehungen untereinander starken Belastungen ausgesetzt sein (Assion, 2005; Kirkcaldy et al., 2006; Haasen & Yagdiran, 2000). Das Aufeinandertreffen divergenter Erziehungsziele und Erziehungsstile von Bildungsinstitution und Familie kann in diesem Zusammenhang die Werte und Normen einer zugewanderten Familie auf den Prüfstand stellen und zur Herausforderung für Familien und Kindertageseinrichtungen werden. Missverständnisse und Kommunikationsschwierigkeiten sind nicht selten die Folge, die sich negativ auf den Entwicklungsprozess eines Kindes auswirken können (Uslucan, 2009, S. 278–296).

Familien stehen vor der Herausforderung, ihre Erziehungsvorstellungen mit jenen der Aufnahmegesellschaft abzugleichen. Diese unterschiedlichen Anschauungen von Bildung und Erziehung gilt es kennenzulernen. Dabei kann eine zugehende Haltung der pädagogischen Fachkräfte unterstützend sein, die Kindern und Eltern Interesse an deren Erfahrungen, Werten, Gewohnheiten, Erwartungen und Verhaltensweisen vermittelt. Begegnungen, die sich durch Wertschätzung und Empathie auszeichnen, können ein Türöffner für gegenseitiges Vertrauen und ein konstruktives Miteinander darstellen. Falsche Vorannahmen lassen sich durch Kenntnisse über die Lebenswelt migrierter Familien darüber hinaus relativieren.

Systemkenntnisse und Soziale Netzwerke

Migration verändert die äußeren Lebensbedingungen und bringt soziale sowie kulturelle Umstellungen mit sich. Welche Auswirkungen daraus resultieren hängt vom Ausmaß der Veränderungen, von den Migrationsgründen und der individuellen Kontrollierbarkeit ab.

»Die Gestaltung dieser neuen Lebensphase ist abhängig von den individuellen und kollektiven Bewältigungsmechanismen, von den Nutzungsmöglichkeiten der sozialen Netzwerke. Ein neues Beziehungsnetz in einem anderen kulturellen, ethnischen und gesellschaftlichen Zusammenhang aufzubauen, verlangt neue soziale Ressourcen, eine neue Orientierung und neue Handlungskompetenzen« (Kizilhan, 2014).