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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Shopping

Diäten

Reisen

Krankheit

Dating

Kosmetik

Sport

Ausgehen

Arbeiten

Zugfahren

Zuhause

Beziehung & Sex

Hobbys

Öffentlichkeit

Älterwerden

Dank

Krankheit

Wenn wir einander zum Geburtstag gratulieren, sagen wir meist: Alles Gute zum Geburtstag, viel Glück und vor allem: VIEL Gesundheit.

Fragen wir unser Gegenüber, was wünschst du dir fürs neue Lebensjahr, kommt häufig die Antwort: vor allem Gesundheit.

Und je älter die Menschen werden, desto mehr gibt es nur noch den einen einzigen Wunsch: Gesundheit. Wenn jemand niest, sage ich auch heute noch: »Gesundheit!« Ich weiß, man soll das ja eigentlich nicht mehr sagen. Aber ich finde das schön. Ich mag das.

Trifft man auf Familienfeiern zusammen, sind Gesundheit und Krankheit auch immer Topthemen. Manche Familien reden viel darüber, manche weniger.

Ich komme aus einer Familie, in der eher viel darüber geredet wird und wurde. Schon als Kind bekommt man ja seine erste Prägung, was Krankheiten angeht. Wurde in der Kindheit alles totgeschwiegen? Oder wurden Krankheiten eigentlich fast schon zelebriert? Oder irgendwas dazwischen?!

Als Kind war ich oft krank. Neben den klassischen Kinderkrankheiten hatte ich ständig Mandelentzündung. Im Wohnzimmer wurde dann für mich ein gemütliches Krankenlager mit vielen Decken und Kissen aufgebaut, es wurde echte Hühnersuppe für mich gekocht und Mama brachte mir eine Micky-Maus-Zeitschrift mit. Als ich älter wurde, wurde aus der Micky Maus dann eine Bravo Girl. Und wenn es richtig gut lief, gab es auch noch Süßigkeiten UND Eis. Unerlässlich bei Mandelentzündung.

Als mir dann irgendwann die Mandeln entfernt wurden, gab es trotzdem bei jedem noch so kleinen Wehwehchen Eis. Wenn ich sagte: »Ich hab Halsweh!«, und meine Mutter erwiderte: »Wie denn, ohne Mandeln?«, dann antwortete ich: »Mein Hals hat Weh. Liebesweh. Er vermisst die Mandeln!«

So kam ich an mein Eis. Ich war da schon immer sehr kreativ. Bei Krankheit wurde mir überdurchschnittlich viel Aufmerksamkeit zuteil. Die meisten von uns kennen dieses Betüdeltwerden sicher – wie behaglich und geborgen hat man sich da als Kind gefühlt! Allerdings kann daraus auch ein Muster entstehen, sodass Körper und Seele diese Belohnung ein Leben lang bei Krankheit erwarten und abspeichern. Das kann auch gefährlich werden!

Treffe ich heute im Erwachsenenalter meine Freundinnen auf einen Kaffee, ist Krankheit immer wieder eines der Topthemen. Manchmal ernst, manchmal ein bisschen lustig. Wie zum Beispiel neulich, da zeigten meine Freundin Franka und ich uns gegenseitig unsere Krampfadern. Ich habe davon so einige. Wenn man die mit Edding verbindet, kann man darin mein Sternzeichen erkennen. Zwillinge. Auf jedem Bein einer.

Ich weiß noch, wie mir mal beim Fernsehdreh eine Kostümbildnerin eine hautfarbene Strumpfhose anzog und dann sofort sagte: »Oh. Nehmen wir doch lieber eine schwarze!«

Gut, es ist jetzt nicht sooo schlimm mit den Krämpis, wie ich sie liebevoll nenne. Ich gebe meinen Körperteilen ja gerne lustige Namen. Meine Schilddrüse beispielsweise nenne ich Schildi. Diese Kosenamen schaffen eine – wie ich finde – humorvolle Distanz.

Beim Kaffeetrinken mit Franka gingen wir noch alle anderen Wehwehchen durch, die gerade so anstehen, und sprachen unverblümt und offen über alles en detail. Ich glaube, ich muss hier nicht sonderlich ausholen und erklären, dass Jungs das eher nicht so machen, wenn sie sich auf ein Bier treffen. Spricht ja kein Mann mit seinem Kumpel detailliert über seinen letzten Urologenbesuch. Wenn überhaupt, fällt ein Satz wie: »Boah, gestern der Tag war echt fürn Arsch!«

»Echt?«

»Ja. Finger im Po. Mexiko.«

Sie sprechen ja nicht mal mit sich selbst darüber. Ich kenne keinen Mann, der gern zum Arzt geht. Ich kenne überhaupt nur Männer, die gar nicht zum Arzt gehen. Und wenn, dann auch nur, wenn es gar nicht mehr geht.

Wir alle kennen die Männergrippe. Ja. Ich weiß. Die ist ganz, ganz schlimm. Da laufen dann die geradezu klassischen Dialoge ab: »Meine Augenlider brennen so! Ich kriege nur durch ein Nasenloch Luft! Und es tut so weh beim Atmen.«

»Dann atme nicht.«

Männer sterben ja immer gleich. Wir Frauen reden wenigstens noch drüber. Männer sind Arztvermeider. Sie wollen es gar nicht erst wissen. Und sie sind auch zu beschäftigt. Das sind laut Statistik die zwei Hauptgründe, warum Männer nicht zum Arzt gehen. Und vor allem wollen sie nicht die Geschichten hören, die im Wartezimmer erzählt werden. Das ist noch schlimmer als das Googeln nach Krankheiten. Ich muss zugeben, eine Zeit lang habe ich sämtliche Symptome, die ich so hatte, im Netz recherchiert. Ich weiß, das soll man nicht, aber es hat so Spaß gemacht. Alle Frauen, die ich kenne, machen das.

Aber Obacht: Man kommt vom Hölzchen aufs Stöckchen. Ich habe mal Halsweh eingegeben und wollte mir dann nach drei Stunden die Krampfadern ziehen lassen. Seit ich Doppelkinn gegoogelt habe, wird mir jede Woche eine Schönheitsklinik in Düsseldorf vorgeschlagen. Die haben echt Humor. Ne Kölnerin nach Düsseldorf einzuladen. Tse.

Aber neben den Schwätzereien, denen man unfreiwillig zuhören muss – es sei denn, man hat Kopfhörer auf, aber dann hört man ja nicht, wie sie einen aufrufen -, ist das Wartezimmer sowieso der blanke Horror. Heutzutage gibt es oft sogar zwei verschiedene Wartezimmer. Eines für Privatpatienten. Und eines für Kassenpatienten. Das erste Mal hab ich das gesehen, als ich einen Termin beim Lungenfacharzt hatte. Gut, Termin kann man es ja heute eh nicht mehr nennen. Es ist eher so ne ungefähre Richtzeit. Oder ein lockeres Date. Aber die Musikuntermalung war schon toll. Im Privat-Wartezimmer lief aus dem Musical Cabaret: Willkommen, Bienvenue, Welcome!

Im Kassen-Wartezimmer lief: Time to say goodbye. Da hab ich mich auf den Flur gestellt und laut gesungen: Atemlos!

Manchmal sitzt man so lange im Wartezimmer, dass sich die Jahreszeit ändert und man sich denkt: Ach, hätte ich doch Wechselklamotten dabei. Jetzt so mit den Flipflops in den Schnee, das gibt doch dann gleich noch eine Blasenentzündung. Oder: Hätt ich mir doch noch Proviant eingetuppert. Und vor allem: Hätt ich doch gleich meine Wohnung für die gesamte Zeit untervermietet. Ist ja grad Messe!

Während ich da also so stundenlang vor mich hin wartete, habe ich die anderen Kranken beobachtet. Ich fand es interessant, wie sich auch da Männer und Frauen augenscheinlich unterscheiden. Der Mann: wartet. Ist eher still. Chillt. Selten nimmt er eine der Zeitschriften in die Hand. Dabei hat man ihm doch ganz gendergerecht eine auto motor und sport hingelegt. Gut, es liegen auch echt mehr Frauenzeitschriften da. Ich trau mich eh immer nicht, die anzufassen, weil ich Angst habe, mich beim Umblättern anzustecken.

Die Frau: sabbelt meist die ganze Zeit. Ich habe schon allein vom Zuhören die Symptome gespürt, die eine Mitpatientin schilderte. Ich hatte in den drei Stunden, die ich warten musste, Blasenentzündung, Rücken, Ischias, Halsweh, Gicht, Rheuma und Maul- und Klauenseuche.

Ich selbst bin als Wartezimmerpatientin eher unauffällig. Reiße Rezepte aus den Zeitschriften und klaue die Kosmetikproben. Gut, ich mache auch To-Do-Listen für mein Gespräch mit dem Arzt, damit ich in den zwei Minuten, die er für mich Zeit hat, alle Fragen unterkriege.

Ich habe aber durchaus auch im Wartezimmer schon gegoogelt. Ob ich wohl Gicht habe. Meine Finger waren so dick. Wahrscheinlich vom vielen Googeln.

Ich ärgere mich immer so maßlos über die verlorene Zeit. Und ich wundere mich, warum nicht längst einer auf die Idee gekommen ist, ein Shop-in-Shop-System für Ärzte zu entwickeln. Einfach mal so ein Nagelstudio mit rein in den Wartebereich. Oder ein paar Friseure, in der Zeit könnten sogar Foliensträhnchen einwirken. Massage. Fußpflege. Außer natürlich bei Maul- und Klauenseuche. Oder man nimmt sich einfach mal den Haushalt mit in die Praxis: An dem Tag beim Lungenfacharzt hätte ich locker meine gesamte Bügelwäsche machen können!

Die wenigen Männer jedenfalls, die ich generell so im Wartezimmer sehe, chillaxen. Ruhen. Und hoffen! Sie bleiben positiv eingestellt, im Gegensatz zu den meisten Frauen, die sich eher die absoluten Horrorszenarien ausmalen. Dank des Internets geht das ja auch heutzutage wirklich gut! Doch der Mann denkt stets: »Nee, wird schon nix sein!«

Statistisch gesehen schätzen Männer ihre Gesundheit jedenfalls – im Gegensatz zu Frauen – eher als gut ein. Was sie dann aber vielleicht gar nicht ist. Wissenschaftler glauben, dass eine mögliche Erklärung dafür sein könnte: Männer nehmen körperliche Symptome weniger wahr oder reden weniger darüber. Das kann ich wirklich bestätigen.

An dem Tag, als ich beim Lungenfacharzt war, kamen im Wartezimmer auf acht Frauen nur zwei Männer. Interessant. Als ich dann endlich aufgerufen wurde und das Wartezimmer verließ, kam der magische Satz, den wir alle kennen:

»Nehmen Sie hier bitte noch einen Moment Platz!«

Man wird zwischengeparkt. Willkommen in der Vorhölle. Das ist wie bei Mensch ärgere Dich nicht, wenn man dauernd nur eine Eins würfelt. Und nur ein Feld vorrücken kann. Die Privatpatienten sind die Gegner, die einen rauskegeln. Man muss zurück ins Häuschen. Und wartet wieder. Das Schlimmste ist: Die Stühle auf dem FLUR, wo man nämlich jetzt sitzt, sind echt sehr unbequem. So starrt man an die Wand. Ich kann inzwischen dreihundert Ärzte anhand der Raufasertapete in ihrer Praxis erkennen. Schade, dass es Wetten, dass …? nicht mehr gibt. Da hätte ich gut mitmachen können!

Und dann war es endlich soweit: Der Lungenfunktionstest. Ich kam erstmal in so eine Kabine rein. Die sah so aus wie dieses Papst-Auto. Die medizinische Fachangestellte reichte mir eine Nasenklammer, die musste ich mir aufs Näschen setzen. Wie beim Synchronschwimmen! Ich machte ein paar Schwimmbewegungen, fand mich unglaublich lustig, aber die Dame blieb ernst. Erst als ich mich auf den Kopf stellte und mit den Beinen strampelte, fing sie auch an zu lachen. So ein Arztbesuch ist ja eigentlich auch was Ernstes. Seriöses. Aber das fällt mir nun mal schwer. Egal in welcher Lebenslage, sehe ich eben auch immer die Komik. In diesem Fall waren es ihre Ansagen, die mich Tränen lachen ließen. Ich LIEBE Ansagen beim Arzt!

Zunächst einmal waren die Ansagen ein bisschen zu laut, weil die Arzthelferin anscheinend dachte, ich höre sie nicht so gut in meinem Papamobil.

Dabei hatte ich doch die Nasenklammer auf der Nase und nicht auf den Ohren!

Man konnte sie bis ins Wartezimmer hören: »Normal atmen, ein und wieder aus und wieder ein und wieder aus und aus aus aus aus aus und wieder ein und aus aus aus aus aus aus und wieder ein. Und ein und aus und ein und aus und ein und aus!«

Ich hatte das sofort als Ohrwurm im Kopf. Es blieb den ganzen Tag. Und kam immer wieder.

Es verfolgte mich regelrecht.

Ich saß im Auto, da fing es an zu regnen, ich machte den Scheibenwischer an. Und ein und aus und ein und aus … Dann an der Ampel. Der vor mir hatte den Blinker an: ein und aus und ein und aus … Und als ich links rückwärts vorm Haus einparken wollte, was ich zugegebenermaßen nicht besonders gut beherrsche, da dachte ich so: »Wo ist die medizinische Fachangestellte, wenn ich sie wirklich brauche?«

Und ein, und aus, und ein und aus, und ausausausausausaus …

Schließlich parkte ich stattdessen auf einem Busparkplatz.

Ein ganz ähnliches Erlebnis hatte ich übrigens mal beim Sehtest. Da gibt es auch immer so schöne Ansagen. Der freundliche Augenarzt bat mich auf den Stuhl, stellte die Gläser ein und zeigte mir die erste Zahlenreihe: »Und bitte von links nach rechts vorlesen.«

Dann kamen diese unterschiedlichen Gläser.

Der Augenarzt fragte: »So besser? Oder so besser?« Das ging stundenlang. »So besser? Oder so besser?« »So besser? Oder so besser?«

Irgendwann konnte ich einfach nicht mehr und hab fast geheult. Außerdem wusste ich die Zahlenfolge ja schon längst auswendig.

Ich habe sie jetzt noch im Kopf: 93748! Ich wusste dann nicht, was ich machen sollte. Ihn veräppeln oder ihm was sagen? Wie verhält man sich da eigentlich richtig?

Und der Augenarzt wieder: »So besser? Oder so besser?« Ich schwieg. Dann wusste er offenbar auch nicht mehr weiter. Ich ebenfalls nicht, und es gab eine ziemlich lange Pause. Da war auch so schlechte Luft, kein Fenster im Raum. Wir konnten beide nicht mehr. Ich wollte einfach nur noch nach Hause. Keiner von beiden hat mehr was gesagt.

Und in diese Stille hinein, in diese absolute Ruhe, ließ er total laut einen fahren. Und ich nur ganz cool: »So besser? Und aus aus aus aus!«

Schade, dass man beim Augenarzt keine Nasenklammer bekommt …

Heute würde ich über mich selbst sagen, dass ich eigentlich eine ganz gute Kranke bin. Tatsächlich bin ich mittlerweile nur noch sehr selten krank. Das war früher absolut anders. Ich hatte öfter was UND habe sehr oft darüber geredet. Ich war wesentlich wehleidiger. Ich habe aber daran gearbeitet und mich dabei auch ein bisschen von der männlichen Art, mit dem Thema Gesundheit umzugehen, inspirieren lassen. Und siehe da, der Körper folgte dem Geist.

Es ist hilfreich, ganz im Männer-Sinne Buchstaben einzusparen, was Krankheiten anbelangt, denn das viele Darüberreden macht es ja nicht besser. Ich google heute gar nicht mehr. Ich habe es mir selbst verboten und fahre damit ganz gut.

Genauso habe ich mir verboten, in Internetforen zu lesen. Es kostet mich viel Selbstdisziplin, das auch wirklich nicht zu tun. Aber es ist besser so.

Wenn ich allerdings meine These so betrachte, dass ich im nächsten Leben gern ein Mann wäre, so muss ich sagen: Beim Thema Krankheit passe ich. Da bin ich definitiv doch lieber eine Frau.

Denn mal abgesehen vom wenigen Drüberreden sagt meine Erfahrung: Kein Mann in meiner Nähe war jemals so tough wie eine Frau. Also, was das Schmerzempfinden anbelangt. Es gibt ja mehr oder weniger drei Typen kranker Männer: Den Deckebis-zur-Nase-ziehen-und-nur-wimmern-ICH-STERBE!-Typ, den Meckerschlechtgelaunt-Typ oder den Ich-ziehe-mich-komplett-in-meine-Höhle-zurück-Typ.

Alles nicht wirklich nachahmenswert.

Wahrscheinlich ist es wirklich so, dass Männer einfach weniger spüren, ob und wie krank sie sind. Vielleicht liegt es auch hier wieder an der Evolution, dass wir da unterschiedlich ticken. Hätte den Männern ja auch auf der Jagd geschadet. Nützt ihm ja nix, wenn er hinterm Mammut herrennt und dann den Ischias spürt. Und die Familie verhungern lässt, weil er ›Rücken‹ hat.

Aber WENN sie dann WIRKLICH krank sind, die Jungs?

Dann gute Nacht!

Und wir Frauen? Wir kriegen Kinder. Wir gebären. Da ist eine schwere Grippe ein Fliegenschiss dagegen! Und während wir schon in der Pubertät zum Frauenarzt gehen und uns ›mit all dem‹ früh anfreunden müssen, warten die meisten Männer mit dem Gang zum Männerarzt und der damit verbundenen ›großen Hafenrundfahrt‹ oft erst, bis sie fünfzig Jahre alt sind.

Und ja, Jungs, ihr würdet wirklich sterben, wenn ihr jeden Monat so krass an irgendeiner Stelle eures Körpers bluten würdet. Und damit meine ich nicht, wenn ihr euch beim Rasieren mal schneidet. Da muss ja auch immer gleich ne halbe Rolle Toilettenpapier dran glauben, die ihr dann in fein säuberliche Stückchen im Gesicht verteilt!

Nein. Bei uns Frauen ist das richtig heftig! JEDEN Monat aufs Neue! Von den Schmerzen mal ganz zu schweigen. Die ihr NIE nachvollziehen könnt!

Aber inzwischen seid auch ihr Zielgruppe. Auch euch versucht man mittlerweile zu kriegen. Mit der Apotheken Umschau!

Ich hab das neulich in der Apotheke wirklich gesehen. Da stand auf der Apotheken Umschau die reißerische Aufschrift: »Typische Männerleiden! – Vorsorge ist die beste Medizin!« Der Zeitschriftenstapel war noch sehr hoch, was darauf schließen ließ, dass die Männer die lieber liegen lassen. Sie wollen es einfach nicht wissen. Vielleicht haben sie aber auch ein bisschen recht damit. Wenn ich allein daran denke, was ich schon in meiner digitalen Apotheken Umschau, dem Internet und diesen Foren alles gesehen habe. Da werden Fotos von Hautausschlägen gepostet, verglichen und getauscht wie Paninibildchen. Hunderte von Leuten haben eine Meinung zum Thema. Und keiner davon ist Arzt! Ich hab aber auch schon Reallife-Foren-Chats gehabt, als ich mal mit einer Freundin stundenlang per WhatsApp Fotos getauscht habe und sie interpretiert hat, was das wohl für ein Hautausschlag sein könnte, den ich da habe. Das ging stundenlang. Wir haben uns so richtig schön reingesteigert. In der Zeit hätte ich auch zum Arzt gehen können. Inklusive drei Stunden Wartezeit. Was ich dann auch am nächsten Tag gemacht habe. Ergebnis: Hitzepickel. Laut unserer Internetrecherche hatte ich allerdings die Maul- und Klauenseuche.

Wissenschaftler haben jetzt herausgefunden, dass Männer nicht wehleidiger sind als wir Frauen, sondern eine Erkältung tatsächlich schlimmer haben. Das liegt an ihrer Immunstruktur. Wenn eine Frau krank wird, dann hilft ihr das Hormon Östrogen, die Krankheit abzuschwächen. Beim Mann ist es genau umgekehrt. Sein Testosteron verstärkt die Krankheit. Und jetzt kommt der Knaller: Je höher der Testosteron-Spiegel beim Mann ist, desto stärker wird das männliche Immunsystem geschwächt. Echte Kerle trifft es also noch härter. Deshalb sind die richtigen Kerle, die aussehen wie eine Mischung aus Rambo und King Kong, dann die, bei denen wir Frauen denken: »Häh? Ernsthaft? Der Hüne stirbt jetzt am Männerschnupfen?«

Ich hatte mal einen Herzensmann an meiner Seite, der hatte eine ganz normale Erkältung. Nicht mal eine Grippe. Diese Szene werde ich nie vergessen. Er lag in unserem Bett, die Ikea-Partner-Bettdecke bis zur Nase hochgezogen. Ich liebe ja diese große Ikea-Partnerbettdecke. 15,15 Meter auf 8,80 Meter. Ich habe übrigens mal versucht, die alleine zu beziehen. Ich war vier Tage lang verschollen. Man hat mich schon suchen lassen vom FBI. Flanell-Bettwäschen-Investigationsgeschwader. Doch ich bin dann wieder aufgetaucht. Ich hatte Hunger! Tagelang nur von Trocknerflusen ernähren – das geht nun wirklich nicht.

Also jedenfalls, der Herzensmann war echt krank. In seiner Wahrnehmung. Wir Frauen wären mit dieser Erkältung noch arbeiten und danach einkaufen gegangen, hätten die Kinder versorgt und das Haus neu gestrichen, während ein Apfelkuchen im Ofen buk.

Er aber winselte nur noch. Man hörte kaum noch was. Eigentlich nur noch ein leichtes, röchelndes Atmen. Alles was ich für ihn tat, war falsch, alles, was ich sagte oder fragte, war ihm zu viel und ein zu starker Schmerz in seinen natürlich auch stark entzündeten Ohren.

»Die brennen wie Feuer …«

Ja, ja, ja.

Dann rief er seine Mutter an. Um zu wissen, was er denn tun solle. Ich stand daneben, als erwachsene Frau. Aber nein, er rief die Mama an. Denn er war wie viele seiner Artgenossen: sehr mutteraffin. Sie sagte am Telefon, dass natürlich alles, was ich bisher im Falle der unheilbaren, schlimmen und beängstigenden Grippe getan und geraten hatte, falsch sei.

Natürlich. In so einer Situation werden sie dann ja echt alle zum Italiener, ne? LA MAMMA! LA MAMMA, LA MAMMA!

Sie hat ihm gesagt, er solle feuchte Wickel machen. Und das tat er dann auch. Selber. Ich durfte ja nicht helfen. Völlig unkoordiniert brachte er überall Wickel an. Ja, auch da. Dann winkte er mich zu sich, winselte nur noch sehr leise, holte mich heran und sagte: »Mirja. Ich weiß nicht, ob ich es schaffen werde. Dort hinten ist der Schlüssel zum Safe. Da sind alle meine Passwörter drin.«

Und ich dachte: Hat auch was Gutes. So eine Männergrippe! Und ich öffnete alle Fenster auf Durchzug. Bei minus vier Grad.

Jetzt mal ehrlich: Was würde eine Frau mit Grippe tun? Okay, sie läge vernünftigerweise auch im Bett. Aber von dort aus würde sie nicht über Passwörter und letzte Dinge sprechen. Und jammern würde sie auch nicht. Oder ihre Mutter anrufen. Nein. Eher würde sie Anweisungen geben, wie der Laden weiterzulaufen hat, solange sie krank ist: »Zu Mittag kannst du den Kindern Spaghetti Bolognese machen, Soße ist noch eingefroren im Tiefkühlfach, zweite Schublade von oben. Der Reinigungszettel hängt an der Pinnwand, der Große hat um 17 Uhr Fußballtraining, sein Trikot ist noch im Trockner, wir sind mit Hinbringen dran. Dreißig-Grad-Wäsche dunkel ist zu waschen. Den Termin bei Schmidts heute Abend müssen wir absagen. Die Kleine ist morgen zum Geburtstag eingeladen und braucht noch ein Geschenk. Ach, und du wolltest doch gestern schon deine Mutter zurückrufen.«

Nur mal so zum Vergleich. Auch wenn ich beim Thema Gesundheit gern eine Frau bin, gibt es natürlich auch hier etwas bei den Männern abzugucken, was uns Frauen das Leben leichter machen könnte. Ich zitiere meinen Opa, der immer gern gesagt hat: »Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß!«

Nicht nur, dass man diesen Satz in viele Richtungen interpretieren kann. Ich finde ihn hier besonders schön interpretierbar. Denn ja. Vielleicht ist mit ›heiß‹ ja das Fieber gemeint!

Liebe Männer, nehmt uns Frauen bei Krankheit einfach das Internet weg und versucht, mit uns zu reden. Das würde wirklich schon helfen. Und ein Eis, bitte.

Und wenn ihr dann mit uns redet, könnt ihr auch die angesparten Buchstaben von eurer letzten Grippe verbrauchen. In diesem Sinne: Hatschi! Oder auch: Gesundheit!

Mirjas Gesundheitstipps

Google deine Symptome nicht!

Nein, auch nicht ganz kurz – sonst hast du nachher Maul- und Klauenseuche!

Es kommt nie so schlimm, wie du googelst!

Und Finger weg von Internetforen. Da kriegst du nur die Krätze!

Sabbel nicht so viel über Krankheiten – davon gehen sie ja nicht weg!

Nutz die Zeit im Wartezimmer kreativ: Gründe ein Start-up oder eine Bürgerinitiative. Schreib einen Roman. Zeit genug hast du ja. Oder erledige meinetwegen die Bügelwäsche.

Nimm dir ein Beispiel an den Männern: Wenn du krank bist, leg dich ins Bett, und lass dich ordentlich betüdeln. Genieß es in vollen Zügen, dass du mal nichts machen musst, mal nicht für alles zuständig bist.

Extra-Tipp: Jammer ruhig ein bisschen mehr. Denk an das Drama, was er immer macht. Manchmal wirkt das Wunder.

Shopping

Neulich wollte ich mir einen Bikini kaufen. Ich war in zwei verschiedenen Läden. Beide waren eher hochpreisige, inhabergeführte Dessousläden, die keine Ware von der Stange anbieten. Im ersten Laden bediente mich ein Mann. Ja, ihr habt richtig gelesen. Ein Mann. Das hatte ich bis dahin auch noch nicht erlebt.

Der Verkäufer schaute mich kurz an, suchte mir einen Bikini raus, der mir tatsächlich sofort gefiel. Das Höschen erschien mir viel zu klein, ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass mein umfangreicher Poppes da reinpassen sollte!

Die Umkleidekabine des Ladens war wunderschön. Warmes Licht, ein barocker Spiegel, in dem man aber keineswegs barock aussah, dazu ein schwerer weinroter Samtvorhang, der mit einer Glitzerhaarklemme zusammengehalten wurde. Als kleines Benefit: Gratis-Slipeinlagen, der Hygiene wegen. Das fand ich zwar merkwürdig, aber irgendwie auch toll. Natürlich verbrauchte ich die gesamte Packung, weil ich dreißig verschiedene Bikinis anprobierte. Dabei hatte ja eigentlich der erste schon perfekt gepasst.

Der Verkäufer kam zu mir, zuppelte an mir herum, erklärte mir, warum Bikinis und BHs bei neunzig Prozent aller Frauen nicht richtig sitzen.

Das Höschen fand ich allerdings noch immer zu knapp. Und so sagte ich den einen entscheidenden Satz, der ihn zu einem Monolog über die Schönheit der Frau hinriss.

»Bin ich nicht zu dick für so einen knappen Bikini?«

Daraufhin er: »Sie sind eine wunderschöne Frau mit weiblichen Formen. Sie haben perfekte Proportionen!«

Venus … das Wort Venus fiel … Ich hörte ihn nur noch wie durch eine Glasscheibe, Geigenmusik erklang, ich sah Seifenblasen, glaubte sogar, ein Einhorn zu sehen, und spürte, wenn er nicht bald aufhörte, würde ich ihm die berühmte Waschmaschine auch noch abkaufen.

Nun lief der Verkäufer erst zu Hochform auf: »Der hohe Ausschnitt des Höschens betont Ihre langen Beine, macht sie noch länger. Frauen sehen sich selbst immer falsch. Wir Männer schauen bei einer Frau im Bikini zuallererst auf den Busen. Und der ist in diesem Bikini wunderschön.«

Ich schmolz dahin. Aber ich traute ihm natürlich nicht. Und mir selbst sowieso nicht. Dabei wäre es so einfach gewesen. Ich hätte den direkten Weg gehen können. Den Bikini kaufen. Zahlen und gehen.

Der ganze Spaß wäre nach einer Viertelstunde erledigt gewesen.

Aber nein. Nicht ich als typische Frau. Natürlich habe ich die ganze Stadt durchkämmt. Es könnte ja woanders noch was Besseres geben.

Ich schaute in kühlen, anonymen Kaufhäusern und fand schließlich das passende Gegenstück zu meiner Boutique mit männlichem Verkäufer. Die kleine Boutique mit weiblicher Verkaufskraft.

Die Verkäuferin eilte mir sofort zur Hilfe, musterte mich, schätzte meine Größe falsch und gab mir ausschließlich Bikinis, die mir auf den ersten Blick überhaupt nicht gefielen. Sie sagte, es sei das Ende der Saison und das Beste ohnehin schon weg. Jeder Verkaufscoach hätte aufgrund dieses negativen Gesprächseinstiegs die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Denn natürlich animierte mich das nicht wirklich zum Anprobieren. Ich kämpfte mich durch die fünf rausgesuchten Bikinis. Vier davon passten überhaupt nicht.

Der Einzige, der dann passte, gefiel mir nicht. Das Licht in der Umkleide war grell und meine Cellulite schien mir so weit fortgeschritten, dass ich dachte, ach, Mensch, jetzt weißte, wo du demnächst deinen Einkaufswagenchip aufbewahren kannst.

Die viel wichtigere Frage aber war: Warum gab es hier eigentlich keine Gratis-Slipeinlagen? Dann kam die Verkäuferin, und das, was sie sagte, war wie ein Schlag ins Gesicht: »Ich glaube, Sie sind eher Typ Badeanzug. Dann haben Sie mehr Halt.«

Ich fragte: »Halt? Wofür? Haben Sie Angst, dass mein Bauch früher im Wasser ist als der Rest von mir?«

Sie guckte sehr verdattert, lachte nicht mal über meinen, wie ich fand, sehr gelungenen Witz und stotterte nur was von wegen »Ach, ich dachte, dann fühlen Sie sich vielleicht besser …«

Dann fühle ich mich besser? Was? Ich fühlte mich alles andere als besser. Die Verletzung saß tief. Ich kaufte natürlich nix und ging zurück zu meinem Superman der Bikinis. Dem Verfechter der knappen Höschen! Dem Mann, der mir ein gutes Gefühl vermittelt hatte, der mir ehrlich schien. Und der Mann, der mich so gesehen hat, wie ich mich selbst gerne sähe.

Er grinste übers ganze Gesicht, als ich reinkam und sagte:

»Na, entschieden?«

»Ja. Ich kaufe den allerersten!«

Ich war völlig erschöpft, verklebt und müde von der Sommerhitze. Er machte mir einen Espresso, und während er die Kapsel in die Maschine legte, bildete ich mir im Fiebershoppingwahn ein, er hätte eine gewisse Ähnlichkeit mit George Clooney. Sehr liebevoll verpackte er meinen Bikini in Seidenpapier. Schenkte mir eine Bikinitasche für den Strand dazu und steckte weitere Gratisproben von Slipeinlagen mit in die Tüte. Ich vermute, er betreibt einen illegalen Slipeinlagenhandel. Unter der Hose, äh, Hand. Als Pointe gab er noch drei Schoko-Kaubonbons mit rein. Das sah ich fast als Provokation. Aber ich glaube, er hat es wirklich einfach nur nett gemeint. Jede Verkäuferin hätte gesagt: »Aber gut einteilen! Sonst passt der Bikini morgen nicht mehr!«

Ich verließ den Laden und ging pfeifend und lächelnd nach Hause.

Geschlagene vier Stunden waren mittlerweile vergangen. Fünfzehn Minuten hätten es letztlich nur sein müssen. Dieser Tag war sehr lehrreich: Erst einmal hat der Verkäufer mich komplett mit nur EINEM Verkauf als Stammkundin gewonnen! Denn er hat eine emotionale Bindung geschaffen und mit Fachwissen aufgewartet. Selbstverständlich kaufe ich in Zukunft auch meine BHs bei ihm. Und damit meine ich nicht, dass es da so nett war, weil er mich vollgeschleimt hat. Nee, das hat er nämlich nicht. Er war auch null flirty. Er war ganz geradeaus und ehrlich. Und hatte Fachwissen. So muss es sein. Er hat das, was in seinen Augen schön an mir ist, verstärkt, anstatt Schwächen aufzuzeigen. Er hat mich UNTERSTÜTZT. Wie ein guter BH. Während ich den Halt, den ich vergeblich bei der Verkäuferin suchte, nur in dem von ihr angebotenen Badeanzug hätte finden können.

Ich habe mich gut gefühlt, als ich da raus bin.

Und den Praxistest hat der Bikinikauf auch bestanden. Noch nie habe ich so viele Komplimente für einen Bikini bekommen. Gleich im anschließenden Kroatienurlaub rief man mir am Strand direkt zu: »Bock?!« Und ich dachte, hui, wie schnell die hier in Kroatien so zur Sache kommen.

Bis ich dann erfuhr, dass »Bok« auf deutsch einfach nur »Hallo« bedeutet. Aber noch mal: Dieser Verkäufer hat es geschafft, dass ich mich gut fühle. Wie sagte schon einst Harald Glööckler: »Jede Frau kann eine Prinzessin sein!«

Darüber musste ich früher immer lachen und habe das nie so ganz ernst genommen. Aber DIESER Verkäufer hat das geschafft, ohne dass ich den Polyester-Glitter von Glööckler anziehen muss.

Ganz davon abgesehen profitiere ich noch immer von dem riesigen Slipeinlagenvorrat.

Diese Anekdote zeigt doch im Grunde genau auf, wo das eigentliche Problem liegt. In der Unterstützung. In der Ehrlichkeit. Im Miteinander.

Ich habe selbst früher als Verkäuferin gearbeitet. Nach meiner Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau habe ich gejobbt, weil ich nicht übernommen werden wollte in eine Festanstellung. Ich hatte vor, stattdessen Musicalschulen-Aufnahmeprüfungen zu machen – nichts naheliegender als das.

Mein erster Job im Verkauf war in einer Boutique, die von einem Mann geführt wurde. Er arbeitete mich ein, von ihm habe ich alle Basics gelernt. Alles über Materialien, sämtliches Fachwissen. Aber vor allem habe ich gelernt, wie man wirklich gut verkauft. Ich habe das einige Jahre gemacht, später auch in Hamburg, habe damit mein Studium finanziert und die ersten Jahre im Musicalberuf noch was dazu verdient. Mir wurde nachgesagt, dass ich eine sehr lustige, aber vor allem gute Verkäuferin gewesen sei, und tatsächlich hatte ich Bombenumsätze. Woran das lag? Nun ja. Ich denke, weil ich sehr ehrlich war. Wenn etwas nicht gut aussah, hab ich es immer gesagt, ich habe immer nach den Stärken der Kundin geschaut, mit Begeisterung Sachen präsentiert, und das hatte zur Folge, dass ich sehr viele Stammkunden hatte. Ich habe auch viele Pärchen bedient, habe immer versucht, Verbindungen herzustellen, denn es gibt nichts Schlimmeres als eine Konkurrenzsituation in einem Verkaufsgespräch. Auch da: Verbündet sich die Verkäuferin mit der Ehefrau, wird alles gut laufen. Tut sie das nicht, wird die Gattin rebellieren und auf jeden Fall GEGEN die Verkäuferin agieren und alles doof finden, was diese präsentiert. Das wiederum versteht der Mann nicht und denkt nur: Krass, die haben ja BEIDE ihre Tage!

Dabei könnte es auch da so einfach sein. Den geraden Weg wählen!

Ich habe immer so bedient, wie ich gern bedient worden wäre, aber in den seltensten Fällen ging mir das umgekehrt auch so. Der Bikinikauf erinnerte mich ein bisschen an diese Zeit, diese letztlich »alte Schule«.

Heutzutage muss man ja Lippenlesen können, damit man sich mit der Verkäuferin unterhalten kann, weil die Musik im Laden so laut ist. Sie oder auch er kaut oft Kaugummi, wirkt gelangweilt von sich und dem Leben und sagt so Sätze wie: »Sie schauen sich nur um?«

Nein, ich möchte hier gleich vorm Pulliregal ein Käckerchen machen. Und wenn man aus der Kabine kommt, dann sagen diese Verkäufer sehr oft: Super! Und wie fühlen Sie sich? Es klingt nicht nur wie eine Floskel. Es ist eine. Und hat nichts mit mir und der Wahrheit zu tun. Ich habe meinen Kunden immer gesagt, wenn etwas nicht so gut aussah. Auf freundliche Art. Und ohne Kaugummi. Dafür mit Kippe.

Kleiner Scherz.

Aber jetzt mal im Ernst. Männer machen es sich einfach leichter. Sie wählen den geraden Weg! Sie verkaufen geradlinig. Und sie kaufen auch geradlinig. Es sieht irgendwie alles einfacher aus, und deswegen sehne ich mich ja auch so nach einem nächsten Leben als Mann! Denn wenn es ums Kaufen geht, bin ich wie die meisten Frauen.

Stellt euch mal vor, Mädels, ihr habt nicht mehr dreißig verschiedene Duschgels und Shampoos, sondern nur eins. Eins für unten und oben! Weil uns das einfach reichen würde. Für mich als Kosmetik-Abhängige fast unvorstellbar. Ich versuche immer wieder, mich zu bändigen und in dem Bereich wie ein Mann zu denken, doch Mrs. Hyde kommt immer wieder durch. Mein Kosmetik-Gollum: dein Schatz. Kauf es. Haaaaaa … Du brauchst das. BRAUCHST DAS! Ich habe so viele Lippenstifte. Selbst wenn ich meine zweiten Lippen noch mitschminke, werde ich es in diesem Leben nicht mehr schaffen, die alle aufzubrauchen. Oder Nagellacke! Damit könnte ich einen Monat lang die Lackierung sämtlicher Neufahrzeuge im benachbarten Ford-Werk übernehmen.

Wir Frauen haben doch alle schon den Satz vom Mann gehört:

»Wofür brauchst du denn so viel Kosmetik?«

Wie, brauchen? Hä? Da versteh ich die Frage doch schon nicht! Und der Mann? Klar. Geradlinig. Simpel. Im besten Sinne! Stellt euch vor, ihr ginget nur noch zweimal im Jahr einkaufen. Zweimal im Jahr! Ihr findet die passende Jeans und kauft die gleich fünfmal? Ich suche, seit ich denken kann, nach der passenden Jeans. Glücklicherweise schon mal nicht mehr nach dem passenden Bikini.

Ich hab auch immer das Gefühl, mir an einem fremden Ort bzw. im Urlaub was kaufen zu müssen. So als Erinnerung. Ich glaube aber, das ist eine völlig dämliche Ausrede. Denn ich kauf mir ja keinen Kühlschrankmagneten. Nee, ich shoppe wie gewohnt. Nur eben in Reykjavik oder Oslo. Und dann ist die Hose eben von da und der Thrill für mich noch krasser, während ein Mann beispielsweise sagen würde: Ich brauche gerade keine Hose. Oder: Ja, die ist schön, aber ich habe mir doch zu Hause gerade erst eine gekauft. Eigentlich logisch. Und kontoschonend. Wenn ich doch nur so wäre!

Aber ich habe mir neulich eine ganz normale schwarze Hose in Spitzbergen gekauft. Der norwegischen Inselgruppe in der Arktis. Nee, nicht so eine Hightech-Softshell-Airbreath-Waterresistant-200er Hose für die krasse Mountain-Expedition. Das würde ja noch Sinn ergeben.

Nein! Eine feine Abend-Stoff-Hose. Übrigens im einzigen Laden dort, der sowas überhaupt hat. Sonst gibt es da nämlich nur Outdoorkleidung. Aber ich weiß, warum. Wegen des Positiv-Gefühls.

Die Verkäuferin, elfengleich, norwegisch wunderschön und so freundlich, offen und positiv gestimmt, dass ich beim Bezahlen sogar kurz überlegt habe, ob wir heiraten sollen und ich einwandere. So bin ich. So einfach ist es mit den meisten von uns Frauen. Sie war toll und eine Ausnahmeverkäuferin. Sie war wie mein Bikini-Superman!

Ein Mann wäre erst gar nicht in den Laden reingegangen!

Ich schaffe es, wenn ich, wie so oft, auf Tour mit dem Zug unterwegs bin, in einer Umsteigezeit von sieben Minuten zu shoppen. Ich habe eine innere Landkarte von Deutschlands Bahnhöfen. Ich weiß, dass es in Dortmund die Waffel am Stiel gibt, in Fulda den süßen Accessoire-Laden, und es gelingt mir, innerhalb von fünf Minuten durch Hannovers Tchibo zu stürzen, um nach den Angeboten der Woche zu sehen. Und hat der Anschlusszug etwas Verspätung, dann mache ich noch einen gemütlichen Zwei-Minuten-Bummel durch den Esprit.

Ich habe es schon geschafft, an der gesamten Schlange in der Bahnhofsapotheke vorbeizurennen, zu rufen, ich hätte Durchfall, um dann an der Kasse schnell die Handcreme von Vichy zu bezahlen. Meine größte Schwäche sind eben Cosmetics. Aber auch stylische Mützen und Schuhe. Pullis und Jacken. Wir Frauen sind eben doch Sammlerinnen. Nur in einem bin ich keine typische Frau: Ich habe keinen Handtaschen-Fetisch. Diesbezüglich habe ich es also schon geschafft, wie ein Mann zu sein! Und das in DIESEM Leben.

Männer haben keine Handtasche. Außer sie heißen Jorge.

Die Handtasche muss leben. Tut sie auch bei vielen Frauen, wenn man sich das tiefe Innenleben aus Krümeln und verklebten Bonbons so ansieht. Mich erinnern diese Handtaschen an das berühmte schwarze Loch im Universum. Nach langem Suchen tauchen manchmal wieder Dinge darin auf, die im Raum-Zeit-Kontinuum verschwunden waren. Deutsche Mark, halbe Raider oder auch ganze Kinder. Manche Frauen besitzen so riesige Handtaschen, dass sie wegen ihrer Fehlhaltung zur Physiotherapie müssen.

Wenn ich mal einen Mann mit Handtasche sehe, dann steht er garantiert vorm Laden. Und hält die Tasche seiner Frau. Dieses kümmerliche, traurige Bild wollte ich bisher dem Mann an meiner Seite stets ersparen. Männer kommen definitiv ohne Handtasche klar. Ich auch. Ich habe für unterwegs einen coolen Rucksack und für kurze Wege einen Hipster-Beutel. Ups … Allerdings besitze ich von diesen Beuteln mindestens zwanzig verschiedene!

Und ich merke, ich häufe immer mehr Zeugs an.

Man soll ja alles, was man ein Jahr nicht angefasst hat, aussortieren.

Ja, alles. Ich stell mir dann immer vor, wie draußen vor der Tür lauter Männer stehen: »Musstest du auch weg?«

»Ja!«

»Komm, lass uns erstmal ein Bier trinken gehen …«

Bei diesem ganzen Shopping-Thema können wir von Männern so viel lernen. Männer shoppen mit Strategie. Es geht schnell. Sie sind konzentriert. Sie wissen, was sie wollen. Sie haben nicht das »Vielleicht-gibt-es-noch-was-Besseres-Gen«, und das finde ich für so viele Lebenslagen das entscheidende Gen. Dieses Abwägen, dieses ständige »Ach, vielleicht doch nicht«, das macht uns doch fertig. Das kostet so viel Kraft. Wenn ich an den Bikinikauf zurückdenke: Ich WUSSTE eigentlich sofort, dass der erste Bikini der richtige war. Doch ich habe gezweifelt. Wollte wirklich sicher gehen. Das hat mich Stunden gekostet. In denen ich etwas wirklich Sinnvolles hätte tun können.

Zum Beispiel mit Slipeinlagen handeln!

Was also tun? Lasst uns mal wieder mehr auf unsere innere Stimme hören, Mädels! Wir sollten uns viel mehr selbst vertrauen. Dem eigenen Stil. Dem eigenen Geschmack. Wir Frauen lassen uns sehr oft von außen beeinflussen und einlullen. Deswegen ist auch der Großteil der Marketing-Kampagnen, sei es bei Kosmetik oder Kleidung, auf Frauen abgestimmt.

Wenn ich mir allein die ganzen Frauenzeitschriften ansehe. Schaut euch mal eine Ausgabe der Feindin an! Nur Werbung.

Macht euch mal die Mühe und reißt sämtliche Werbungsseiten aus einer Frauenzeitschrift raus. Es ist ziemlich krass, wie wenig dann noch übrig bleibt.

Hinzu kommt, dass wir gern das haben wollen, was andere haben. Weil wir die Schönste, die Beste sein wollen. Auch da: Wehret den Anfängen! Ich weiß noch genau, wann ich das erste Mal in meinem Leben mit diesem ganzen Wahnsinn konfrontiert wurde. Es war nämlich nicht meine Mutter, die mir mein Gehirn verdreht hat. Nee. Es waren meine Mitschülerinnen in der Grundschule. Ich war ungefähr acht Jahre alt. Und da begann der Zickenterror. Ich war wie immer mit meiner Mutter in Kassel einkaufen. Zweimal im Jahr fuhren wir in die große Stadt. Mama holte mich in unserem Dorf Hümme an der Grundschule ab. Punkt dreizehn Uhr stand sie mit dem kleinen gelben VW-Polo auf der Straße. Hatte sie das Fenster auf, schmissen ihr die Mitbürger gerne mal ihre Post durch den Schlitz, da sie dachten, das Postauto hält. Mama hatte mir das Mittagessen in Tupperware abgefüllt, schließlich lag eine extrem weite Autofahrt vor uns: Hümme-Kassel, dreißig Kilometer.

Zweimal im Jahr wurden bei uns Herbst/Winter- bzw. Frühjahr/Sommer-Sachen gekauft. Welche für GUT und welche für SONST. Alltag. Ich habe immer aus Spaß gesagt, ich habe Sachen für Gut und für Schlecht. Aber so sagte man das eben damals. Das GUT musste dann multikompatibel einsetzbar sein. So wurde auch das Konfirmationsoutfit so gewählt, dass es für den anschließenden Tanzkurs, Omis Siebzigsten, Weihnachten und Silvester passte. Daher wurde ich als Einzige in Hümme mit einer riesigen lila Schleife um den Bauch konfirmiert. Ich sah aus wie eine Teenagerversion von Bridget Jones!