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Die Hamiltons
– 1 –

Geheime Liebe

Amy Taylor

Impressum:

Epub-Version © 2021 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: https://ebooks.kelter.de/

E-mail: info@keltermedia.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74095-012-5

Hamilton Castle

Yorkshire, England

Frühjahr 1899

1. Kapitel

»Nein, ich will ihn nicht heiraten!« Die junge Lady Mary stampfte gar nicht ladylike mit dem Fuß auf, als sie ihrem Vater ihre Antwort laut und ungestüm ins Gesicht schrie. Der Stoff ihres bodenlangen Kleides raschelte bei ihren hektischen Bewegungen und ihre Brust sprengte beinahe das eng geschnürte Oberteil, so heftig atmete sie. Aus der sorgsam geflochtenen Frisur hatte sich eine schulterlange Locke gelöst. Mary war außer sich. Der Lord sah seine Tochter streng an. Er war sehr erzürnt über ihre Starrsinnigkeit und lief in großen, ener­gischen Schritten so aufgebracht hin und her, dass seine Rockschöße flatterten. Wie immer war der Lord korrekt gekleidet, auch wenn kein Besuch zu erwarten war. Das war er seiner Stellung schuldig. Das Unternehmen Hamilton, wie er seine Familie und das Anwesen nannte, war seit Jahrhunderten im Familienbesitz. Das herrschaftliche Anwesen mit seinen weitläufigen Ländereien und Weideflächen lag in der Nähe der kleinen Stadt Addingham, die nächstgrößere Stadt war Bradford. Hamilton Castle war Heimat und Arbeitgeber von vielen Menschen, die teils in der näheren Umgebung wohnten, teils aber auch auf dem Anwesen selbst. Hausangestellte, der Butler, die Arbeiter in der Schafzucht und in der Landwirtschaft – bei Hamilton zu arbeiten, war für die meisten Menschen in der Gegend sehr erstrebenswert.

Jetzt war alles infrage gestellt und er war gezwungen, zu handeln, auch wenn das bedeuten würde, dass er seiner jüngsten Tochter sehr wehtun müsste. Er sah keine andere Möglichkeit und ihm war bewusst, dass er seine Autorität ausspielen musste, denn freiwillig würde seine freiheitsliebende Jüngste sich niemals auf eine arrangierte Ehe einlassen.

Bisher hatte er das Unternehmen mit sicherer Hand und im Sinne seiner Vorfahren geführt. Aber in letzter Zeit hatte er immer wieder bemerkt, dass er die Fäden nicht mehr fest genug in der Hand halten konnte. Er war nun fast sechzig Jahre alt. Die Schafzucht funktionierte schon lange nicht mehr so, wie sie in den vergangenen Jahrzehnten, ja Jahrhunderten funktioniert hatte. Diese Entwicklung war nicht ihm alleine anzulasten. Der Wandel der Zeit war nicht aufzuhalten, auch wenn sich im Augenblick die so genannte Industrialisierung noch in den Kinderschuhen befand. Dennoch machten sich gewisse Veränderungen bemerkbar, denen sich Hamilton nicht so leicht anpassen konnte. Im fernen Amerika wurde an den ersten Automobilen gebaut, viele der Nachbarn hatten bereits elektrisches Licht in den Anwesen und die Umstellung auf eine automatisierte Stoffproduktion hätte längst eine andere Wollqualität erforderlich gemacht. Hamilton hatte diese Veränderungen zwar kommen sehen, aber er hatte den Fehler gemacht, zu spät mit Umstrukturierungen zu reagieren. Die finanzielle Krise, in der das Unternehmen nun steckte, hatte er nicht verhindern können. Diese Krise war so schlimm, dass der Bankrott unmittelbar bevorstand. Lord Hamilton musste der drohenden Zahlungsunfähigkeit ins Auge sehen und ihm war jedes Mittel recht, die Katastrophe verhindern zu können.

Völlig unerwartet war vor ein paar Tagen eine willkommene Lösung aufgetaucht. Kurz bevor seine Tochter Mary seiner Aufforderung, zu ihm zum Gespräch zu kommen folgen konnte, dachte Hamilton noch einmal an die Unterredung mit William Phorbes, dem Earl of Collingham, in der Halle des Hotels in Bradford, in dem der Earl abgestiegen war.

»Danke, Lord Hamilton, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind.« Der Earl sprach »Lord Hamilton« mit einem Unterton aus, der Gerald nicht gefiel. Dennoch wollte er hören, was ihm der Earl zu sagen hatte.

»Ich weiß vom Hörensagen, dass es Ihrem Betrieb nicht besonders gut geht. Um es freundlich auszudrücken: der Bankrott droht. Stimmt das?«

»Wo haben Sie das denn aufgeschnappt?« Gerald Hamilton wollte seine Karten nicht auf den Tisch legen, schließlich war ihm dieser Earl bis zu diesem Tag völlig unbekannt. Was er auf den ersten Blick sah, gefiel ihm nicht besonders. Der Earl war fünfundfünfzig Jahre alt, das wusste er bereits. Er war elegant gekleidet, was aber nicht darüber hinwegtäuschte, dass er körperlich ungepflegt war. Er roch unangenehm und im Gesicht stand ein Bart, der dieser Bezeichnung nicht würdig war. Die wenigen Barthaare, die um das Kinn herum wuchsen, waren ungleichmäßig lang und verliehen dem ohnehin schon hageren Gesicht etwas Zwergenhaftes.

»Sagen wir mal so: Aus sicherer Quelle.«

»Soso. Ich nehme an, es hat einen Grund, verehrter Earl, dass ich nach Bradford in dieses Hotel kommen sollte, um Sie zu treffen.« Er machte eine Pause. »Kommen Sie bitte gleich zum Punkt. Was wollen Sie von mir?«

»Mein lieber Lord«, dem Earl gefiel es, Hamilton zappeln zu lassen. »Na gut, ich will Ihnen sagen, was ich möchte. Oder eigentlich möchte nicht ich etwas von Ihnen, sondern Sie von mir.« Er genoss es, die Situation hinauszuzögern.

»Ich wüsste nicht, was ich von Ihnen haben wollte«, Lord Hamilton erhob sich und schickte sich an, zu gehen. Bevor er sich aber verabschieden konnte, erhielt er eine Antwort, die ihn dazu veranlasste, sich sofort wieder hinzusetzen.

»Ich werde Ihre jüngste Tochter heiraten und dafür bekommen Sie von mir genügend finanzielle Mittel, um Hamilton Castle samt den angeschlossenen Unternehmen zu retten.« Der Earl wusste, welche Wirkung seine Aussage auf den Lord haben musste. Und er täuschte sich nicht.

»Sir … wie kommen Sie darauf, dass ich Ihnen die Hand meiner Tochter geben würde?« In diesem Moment wurde ihm bewusst, dass er einen Fehler gemacht hatte. Er hätte erst den bevorstehenden Bankrott infrage stellen sollen, am besten leugnen. Lord Gerald Hamilton war klar, dass er in die Falle getappt war. An Verhandlungen war jetzt nicht mehr zu denken, er hatte indirekt zugegeben, dass er das Geld dringend bräuchte. Lediglich der Preis war ihm noch zu hoch.

»Ihre Tochter … wie war doch gleich ihr Name … Mary?«, fragte der Earl mit einem süffisanten Grinsen.

Lord Hamilton nickte und fragte sich im Stillen, woher dieser Earl das alles wusste.

»Ihre Tochter ist jung und hoffentlich unberührt.« Er fiel gleich mit der Tür ins Haus.

»Sie ist schön, gebildet, sittsam und wird eine hervorragende Mutter meines Erben sein. Was sagen Sie dazu, mein lieber Lord? Darf ich Sie bald Schwiegerpapa nennen?« Sein Grinsen wurde noch breiter und er wusste genau, dass Hamilton zustimmen würde.

»Sie werden verstehen, dass ich die Angelegenheit erst mit meiner Tochter und mit meiner Gattin besprechen möchte.« Damit verabschiedete er sich und ließ den Earl in der Lobby des Hotels einfach sitzen. Dieser wusste ganz genau, dass er den sensiblen Punkt Hamiltons getroffen hatte. Er war sich seines Erfolges sehr sicher.

Der Lord verließ das Hotel in einer düsteren Stimmung. Einerseits ließ die Aussicht auf finanzielle Rettung sein Herz höher schlagen, andererseits war er unendlich traurig, dass er seine Jüngste dafür in ein unbestimmtes Schicksal schicken musste. Denn ob dieser unsägliche Earl gut für seine Mary sorgen würde und ob er sie anständig behandeln würde, dessen war sich Hamilton nicht sicher.

»Ich lasse Ihnen die Unterlagen zukommen«, rief ihm der Earl noch nach. Gerald Hamilton nickte dazu nur kurz.

Die eiligen Schritte seiner Tochter rissen ihn aus seinen Gedanken. Sie war wie immer fast zu spät, daher rannte sie den langen Flur entlang bis zum Arbeitszimmer ihres Vaters. Seine Frau würde die gemeinsame Tochter tadeln und sie zu einem besseren, damenhafteren Betragen auffordern. Aber im Augenblick war das alles nicht wichtig.

»Typisch mein kleiner Wildfang«, dachte er und wusste in diesem Moment, dass dieser Augenblick einer der letzten im Leben seiner Tochter sein würde, den sie unbeschwert genießen konnte.

Marys heftige Reaktion hatte er allerdings absolut nicht erwartet. Sie tat normalerweise immer, was er als ihr Vater verlangte. Ihm war klar, dass er sie mit seinem Vorschlag, den Earl zu heiraten, überrumpelt hatte. Genauer gesagt, war es kein Vorschlag. Auch keine Bitte. Er hatte es so beschlossen und teilte seiner Tochter lediglich mit, wie ihre Zukunft auszusehen hätte. Es ärgerte ihn maßlos, dass sie sich derart wehrte. Was war bloß mit seiner Jüngsten los?

»Was willst du denn? Der Earl ist die beste Partie, die ein junges Mädchen im gesamten Königreich machen kann. Andere würden nicht lange überlegen und zugreifen, wenn er ihnen einen Antrag machen würde. Aber er will nicht irgendeine, er will dich!« Er versuchte, mit seinen Argumenten zu überzeugen. Aber er sah ihrem wildentschlossenen Blick an, dass er damit wohl nicht zu ihr durchdringen konnte.

»Ach was, er kennt mich doch gar nicht«, schleuderte sie ihm voller Zorn entgegen. »Es geht ihm nur um einen Erben, weil er es bis heute nicht geschafft hat, eine Frau zu finden. Geschweige denn eine, die ein Kind mit ihm haben will. Es wird schon einen Grund haben, warum er mit fünfundfünfzig Jahren noch nicht verheiratet ist. Und dir geht es nur ums Geld, das ich durch diese Heirat in die Familie einbringen würde.« Nach einem tiefen Seufzer, den sie durch eine theatralische Geste mit ihren Armen unterstrich, setzte sie noch nach: »Ich denke gar nicht daran, diesen alten Mann zu heiraten«, und damit rannte sie aus dem Zimmer. Wie ein kleines, trotziges Kind schmetterte sie hinter sich die Tür krachend ins Schloss, dass der Lord vor Schreck zusammenzuckte. Wie angewurzelt blieb er mitten in seinem Arbeitszimmer stehen, wo er dieses Gespräch mit seiner Tochter geführt hatte.

Ich werde mit ihrer Mutter darüber reden müssen, dachte der Lord. Seine Frau wusste immer Rat und er war sicher, dass sie auch dieses Mal einlenken könnte und ihre gemeinsame Tochter zur Vernunft bringen würde.

*

Mary liefen die Tränen in Sturzbächen über ihre Wangen, als sie den langen Flur im Westflügel des Castles entlangrannte. Mit beiden Händen hielt sie den langen Rock ihres Kleides in Taillenhöhe gerafft, um beim Rennen nicht zu stolpern. Es war ihr egal, ob etwa zufällig vorbeikommende Dienstboten ihre Beine sehen könnten, die halbnackt in knielangen Pumpunterhosen steckten. Im Flügel des altehrwürdigen Schlosses war das Arbeitszimmer ihres Vaters untergebracht. Dort gab es auch noch ein kleineres Zimmer, das einen eleganten Damenschreibtisch und diverse Utensilien beherbergte. Das war das Arbeitszimmer ihrer Mutter. Als Vater sie in sein Büro bestellt hatte, machte sich in ihr sofort ein ungutes Gefühl breit. Normalerweise sprachen die Eltern im Salon oder in den Wohnräumen mit ihren Kindern. Wenn der Vater in sein Arbeitszimmer lud, wusste man, dass etwas Ernstes vorlag. Bestimmt hat es etwas mit dem Gespräch zwischen Mutter und Vater zu tun, das ich neulich Abend unfreiwillig mitbekommen habe, war ihr als Erstes durch den Kopf gegangen. Es ging um Geld, um Schulden, um finanzielle Probleme und um eine Lösung, die sich auftun würde. Sie machte sich keinen Kopf um die Situation, ihr Vater wird das schon regeln können, dachte sie. Aber offensichtlich sah diese Regelung vor, dass Mary den wesentlich älteren Earl ehelichen sollte, den sie überhaupt nicht kannte. Aber Mutter sagte doch auch etwas von Onkel Geoffrey. Ach, hätte sie nur besser zugehört, dann wüsste sie jetzt genauer Bescheid. Sie hasste es, wenn über ihren Kopf hinweg Dinge entschieden wurden, über die sie nicht hundertprozentig informiert war.

Mary war die jüngere von zwei Töchtern der Familie Hamilton. Ihre ältere Schwester Beth war mit ihren fünf­undzwanzig Jahren schon fast zu alt, um als ideale Heiratskandidatin für die Junggesellen Englands zu gelten. Sie selbst war erst vorigen Monat neunzehn geworden und damit war sie gerade im richtigen Heiratsalter. Was nichts daran änderte, dass sie gar nicht daran dachte, den alten Tattergreis zu ehelichen, den ihr Vater für sie ausgesucht hatte. Das lag vor allem aber an Robert, dem jungen Lehrer. Aber das durften ihre Eltern nicht wissen. Sie würden ihr sofort jeden weiteren Kontakt verbieten.

Noch immer aufgeregt suchte sie ihren Bruder James. Er war der älteste der drei Geschwister und ebenfalls noch nicht verheiratet. Für Männer war es kein Problem, wenn sie die Dreißig schon überschritten hatten. Sie fanden trotzdem passende Ehefrauen. Bei den Frauen war das leider anders. Nur wer jung und schön war, möglichst Jungfrau und von reinem Charakter, galt als begehrte Heiratskandidatin.

Mary wusste, dass James ein Auge auf die Tochter des Arztes in Addingham geworfen hatte, aber Ellen war wie Robert nicht standesgemäß und so konnten sie nicht heiraten. Mehr noch, sie mussten die Beziehung verheimlichen. Mary wusste auch, dass James und Ellen sich zu heimlichen Treffen verabredeten. Sie hatte die beiden einmal dabei erwischt, wie sie sich gerade leidenschaftlich küssten. James hatte seine Hand an ihrem Busen und Ellen nestelte gerade an seiner Hose herum, als Mary die beiden störte. Eindeutiger ging es nicht und James hatte erst gar nicht versucht, Ausreden zu erfinden.

»Du darfst uns nicht verraten, hörst du?« Es war keine Bitte, es war mehr ein Flehen, denn er wusste genau, welche großen Schwierigkeiten entstehen könnten, wenn ihr Techtelmechtel auffliegen würde. Die Probleme könnten sogar so weit gehen, dass Ellens Vater mit seiner Familie die Stadt verlassen müsste. Ellen würde er mitnehmen müssen und dann könnten sich die zwei Liebenden nie mehr sehen.

»Schon gut, keine Sorge«, beschwichtigte ihn damals seine Schwester. So sehr sie ihren Bruder auch liebte, so sehr wusste sie aber auch, aus ihrer Mitwisserschaft Vorteile zu erlangen. Wie sie ihn gedeckt hatte, so gab in den letzten Wochen auch er ihr ein Alibi gegenüber den Eltern, wenn sie sich heimlich zu ihrem Geliebten schlich. Dass die Liaison mit Ellen längst beendet war, änderte nichts daran.

Bei Mary und Robert war die Situation genauso wie bei James und Ellen. Robert war Lehrer der örtlichen Dorfschule. Ein angesehener Mann in Addingham, aber in Adelskreisen einzuheiraten, daran war nicht zu denken. Mary wusste, wenn ihre Affäre aufflog, würde der Vater sie zur Strafe nach London zur Tante schicken. Generell wäre es ja keine Strafe für eine junge Frau, ein paar Wochen in London zu leben, anstatt auf dem flachen Land. Aber das würde auch bedeuten, dass sie Robert nicht wiedersehen würde.

»Du musst mir helfen«, Mary konnte kaum reden, so sehr war sie vom Rennen außer Atem, als sie ihren Bruder dort fand, wo sie ihn vermutet hatte, nämlich im Stall. James war ein Pferdenarr. Er war aber auch ein landesweit respektierter Spezialist für Rennpferde, trotz seines jungen Alters von dreiunddreißig Jahren. Schon vor einiger Zeit hatte er die Verantwortung für die familieneigene Pferdezucht übernommen, und seither hatten er und seine Rennpferde auch schon etliche respektable Erfolge erzielen können. Mit seiner Zucht trug er wesentlich zum Familieneinkommen bei, das hauptsächlich aus Verpachtung von Land und von der traditionsreichen Schafzucht stammte. Das war ihm klar, und er war stolz darauf, der junge Lord zu sein, wie ihn die Bediensteten respektvoll nannten.

»Was ist denn los, Schwesterherz«, antwortete er belustigt, als er die geröteten Wangen und das zerzauste Haar seiner kleinen Schwester wahrnahm. »Du rennst ja, als wäre der Teufel hinter dir her.« Er unterbrach das Striegeln von Laszlo, seinem aktuellen Sorgenkind unter den Pferden und wandte sich seiner Schwester zu. Als er ihren panischen Blick sah, wusste er, dass Scherze unangebracht waren. Es musste etwas Schlimmes passiert sein, das sah er ihr an.

»Ich soll den alten Earl William Phorbes heiraten! Und das nur, weil der Geld hat und weil Vater pleite ist.« Tränen der Empörung, der Wut und der Verzweiflung liefen ihr die Wangen hinunter. Sie schniefte laut und nestelte nach einem Taschentuch. Als sie keines fand, reichte ihr James seines und nahm sie bei der Gelegenheit erst einmal in den Arm.

»Wieso ist Vater pleite, davon weiß ich nichts«, versuchte er sie zu beruhigen. Er log dabei nicht, denn ihm war wirklich nichts davon bekannt, dass es dem Familienunternehmen finanziell schlecht gehen sollte.

»Weil du nur deine Gäule im Sinn hast«, schluchzte Mary.

»Naja, die werfen ja auf jeden Fall Gewinn ab. Schon alleine die Preisgelder, die ich im vergangenen Jahr nach Hause holen konnte. Wir haben schließlich auch Pjotr recht gut verkauft, den Zuchthengst. Der hat auch gutes Geld gebracht. Also was willst du überhaupt?«

»Mag ja sein, aber alle anderen Geschäfte scheinen schlecht gelaufen zu sein. Ich habe was mitbekommen, als Vater mit Mutter die Lage besprochen hat. Er sagte was von ›wir haben alles verloren‹ und ›du musst jetzt sehr tapfer sein, vielleicht verlieren wir sogar das Haus‹.«

»Verdammt, wieso spricht der alte Sturkopf nicht mit mir?« In James machte sich langsam Ärger breit. Er hielt es durchaus für möglich, dass es Probleme gab, auch wenn er davon nichts bemerkt hatte. Am meisten ärgerte es ihn aber, dass sein Vater ihn, James, nicht eingeweiht hatte. Schließlich führte er mit der Pferdezucht einen Teil des Unternehmens. Außerdem war er durch sein vierjähriges Studium in London und das darauf folgende praktische Jahr im angesehensten Pferdezuchtbetrieb Südenglands bestens auf seine Aufgaben auf dem elterlichen Anwesen in der Grafschaft Yorkshire vorbereitet. Er hätte seinen Vater vielleicht auf Ideen bringen können, die eine andere Lösung mit sich brächten, als dass seine kleine Schwester diesen Widerling heiraten müsste. Zwar kannte er den Earl ebenfalls nicht persönlich, er hatte aber schon von ihm gehört und zwar wenig Schmeichelhaftes.

Offenbar gab es Probleme mit der Schafzucht. Das war der Hauptgeschäftszweig der Familie. Es war nicht unüblich, dass eine Adelsfamilie Schafe züchtete. Hamilton Castle verfügte über riesige Ländereien. Die waren zum Teil verpachtet, aber einen Teil bewirtschaftete man selbst. Es gab Koppeln für die Pferde, aber auch großflächig angelegte Schafweiden. Die gesamte Grafschaft Yorkshire war bekannt für seine Schafzucht. Die klimatischen Verhältnisse waren ideal und es gab genug Fläche zum Weiden. In Bradford hatten sich etliche Wollkämmereien etabliert, sodass die umliegenden Schafzüchter auch gleich einen Abnehmer für ihre Wolle hatten. Von dort wurde die Wolle verkauft. James wusste, dass es sogar bis in die Niederlande Abnehmer für die hochwertige Wolle aus Yorkshire gab. Die Hamilton-Wolle war ganz besonders beliebt, denn sein Vater züchtete schon lange Wensleydale Schafe. Ende der Achtzigerjahre hatte er für die Qualität seiner Schafe sogar einen Preis gewonnen. Anfangs musste er viel Kritik dafür einstecken, dass er sich auf die robuste Rasse konzentrierte, aber Lord Hamilton war ein weitsichtiger Mann und er wusste, dass der Boom mit der Wolle irgendwann einmal ein Ende haben würde. Darauf wollte er vorbereitet sein. Das Besondere an den Wensleydale Schafen war nämlich die Tatsache, dass sie nicht nur hervorragende Wolle produzierten, sondern auch hochwertiges Fleisch lieferten.

»Falls die Nachfrage nach Wolle einmal sinken wird, dann können wir als Fleischproduzent immer noch Geld verdienen, ohne unseren gesamten Betrieb umstellen zu müssen.« Das war sein Argument. Als es dann aber tatsächlich so weit war, hatten auch die anderen Schafzüchter längst den Trend erkannt und von Wolle auf Fleisch umgestellt. Hamilton sah sich einer großen Konkurrenz ausgesetzt. Es waren zwar die gleichen Betriebe, die auch als Wolllieferanten Konkurrenten waren, aber in dieser Beziehung waren die Hamilton-Schafe unschlagbar und weit über Landesgrenzen hinaus bekannt. Seine Marktführungsposition konnte die Marke Hamilton jedes Jahr aufs Neue behaupten. Der große Erfolg lag aber auch daran, dass Hamilton über die Ausstattung und das Personal verfügte, um aus den Schafen das Beste herauszuholen. Nun wären im Betrieb einige technische und personelle Änderungen erforderlich gewesen, wenn Schafe, die eigentlich Wolle produzieren, nur noch hauptsächlich wegen ihres Fleisches gehalten werden sollten. Den richtigen Moment hatte Hamilton verpasst und das war ein Fehler, der sich jetzt vernichtend bemerkbar machte. Die Investitionen, die nötig gewesen wären, um den Betrieb konkurrenzfähig zu machen, konnte sich Hamilton nicht leisten. Zum Glück gab es noch die Pferdezucht, die sein Sohn leitete. Die warf wenigstens so viel ab, um die laufenden Unterhaltskosten des Schlosses zu decken. Die dringend erforderlichen Renovierungsarbeiten mussten aber schon einige Jahre immer wieder hinausgeschoben werden. Eine weitere Einnahmequelle entstand durch die Pächter. Der Landbesitz der Hamiltons war so groß, dass etliche Flächen davon verpachtet waren. Die allgemeine Krise rund um die Wolle ging aber auch an den Pächtern nicht vorbei und daher gab es in letzter Zeit viele Pachtausfälle. Das riss ein großes Loch in die Kasse, denn die Pachteinnahmen waren eigentlich für die Bestreitung des Lebensunterhaltes der Familie vorgesehen. Das schloss auch die Gehälter der Hausangestellten ein. Die Mitarbeiter in den Ställen und Koppeln wurden dagegen aus den Einnahmen der Wollverkäufe bezahlt. ­James konnte sich gut vorstellen, dass die Mitarbeiter nicht lange auf ihren Lohn warten konnten. Vielleicht gab es auch bereits Probleme. Das würde auch das merkwürdige Verhalten einiger seiner Arbeiter in den letzten Tagen erklären. Die werden doch wohl hoffentlich ihre Gehälter erhalten haben?, dachte James besorgt.

»Ich spreche mit Vater.«

»Bitte versprich mir, dass ich den alten Kerl nicht heiraten muss«, flehte Mary.

»Versprechen kann ich dir gar nichts, außer, dass ich die Lage kläre und dass ich alles versuche, diese Heirat zu verhindern.«

Vor allem wollte er sich aber einen Überblick über die Gesamtsituation machen. Er konnte nicht glauben, dass es wirklich so schlimm um Hamilton Castle und seine Betriebe stand. Wo waren denn die Rücklagen geblieben, die in den zurückliegenden fetten Jahren doch ganz bestimmt gebildet worden waren? Er bereute, sich nicht früher in den Familienbetrieb eingebracht zu haben. Seine Ausbildung hätte ihn dazu befähigt und Vater hatte ihn auch vor Jahren schon einmal darum gebeten, dass er ihm mehr zur Seite stehen und ihn in der Geschäftsführung unterstützen sollte. Vater war der typische Adlige seiner Zeit. Hochgebildet, aber wenn es um praktische Arbeiten ging, war er wenig überzeugend. »Dafür hat man Angestellte«, sagte er immer. Ja, das stimmt schon, aber erstens muss man diese Angestellten auch bezahlen können und zweitens muss man sie kontrollieren können. Wenn man nicht weiß, was richtig und was falsch ist, können die größten Fehler passieren und werden erst bemerkt, wenn es zu spät ist, dachte ­James.

James erinnerte sich an Mr Huxley. Er war bis vor einigen Jahren der Hauptverwalter des Anwesens gewesen. Er hatte sich auch um die wirtschaftlichen Belange des Schafzuchtbetriebes gekümmert. Als er aus Altersgründen ausschied und zurück in seine Heimatstadt London ging, konnte zunächst kein Nachfolger gefunden werden. Die meisten Bewerber hatten nicht das nötige Wissen, und es fehlte ihnen an Erfahrung. Schließlich stellte sich Mr Burgh vor, der mit seinen Zeugnissen überzeugen konnte und eingestellt wurde. Er war ein junger Mann irischer Abstammung, der sein Bestes gab. Aber offensichtlich war das nicht genug.

Als Vater James um Unterstützung gebeten hatte, nahm der Sohn die Situation auf die leichte Schulter. Gerade erst frisch von seiner Ausbildung zurück, wollte er erst einmal sein Leben genießen. Schließlich war er der Sohn eines Lords und der Erbe eines angesehenen Unternehmens samt Schloss. Er hatte große Lust darauf, seiner Liebe zu Pferden nachzugehen und trotzte seinem Vater ein gutes Stück Land ab und Geld zum Kauf von einigen Zuchtpferden. Mit großem Geschick konnte er die Hamilton Pferdezucht in kurzer Zeit aufbauen. Bei Pferderennen waren seine Pferde immer ganz vorne mit dabei und was die Zuchthengste anbelangte, so waren sie weit über die Grenzen Englands hinaus bereits von bestem Ruf.

Aber nun war wohl die Zeit gekommen, wo James mit ans Ruder musste. Sein Vater und seine Familie brauchten Hilfe, und er war bereit, sein Bestes zu geben. Aber erst einmal musste er sich einen Überblick über die Lage verschaffen. Hoffentlich war es noch nicht zu spät.

*

Lord Gerald Hamilton wartete, bis sich seine Frau Lady Helen beruhigt hatte. Sie war in Tränen ausgebrochen, als ihr Mann seinen Plan vor ihr ausgebreitet hatte. Ihre Tochter Mary sollte also diesen Earl William Phorbes heiraten, obwohl der Altersunterschied mehr als fünfunddreißig Jahre betrug und vor allem, obwohl sich die beiden gar nicht kannten. Arrangierte Eheschließungen waren zwar zur Jahrhundertwende in Adelskreisen nichts Ungewöhnliches, aber Helen gab sich alle Mühe, ihre Töchter modern zu erziehen. Sie wollte ihnen das Schicksal ersparen, das so viele junge Mädchen aus anderen Adelsfamilien bereits ereilt hatte. Sie kannte etliche, die nur deshalb mit ihren Ehemännern verheiratet waren, weil es die Familien so gewollt hatten. Es kam Land zu Land, Geld zu Geld, Macht zu Macht, und nicht selten ging es auch um den Titel, der angeheiratet werden sollte – oder den die Familien der Ehefrauen zu bieten hatten. In ihrem Fall war es damals genauso gewesen. Auch sie konnte sich ihren Ehemann nicht selbst aussuchen, und sie erinnerte sich noch sehr gut daran, als ob es gestern gewesen wäre, welchen Schrecken sie erleben musste, als man ihr sagte, sie müsse Lord Gerald Hamilton heiraten. Sie hatte Glück, Gerald war ihr von Anfang an ein guter Ehemann. Mit den Jahren stellte sich sogar eine sehr innige Liebe zwischen den beiden ein. Aber sie wusste auch, dass dieses Glück nicht jedermann hatte, und deshalb wusste sie ihr Los sehr zu schätzen.

»Willst du dir das nicht noch einmal überlegen, Gerald«, versuchte Helen einzulenken.

»Ich habe es mir schon tausendmal überlegt. Der Earl ist bereit, einen großen Teil seines Vermögens in unser Unternehmen einzubringen. Damit sind wir die größten Probleme los und wir können auf jeden Fall auch das Haus behalten.«

»Ich wusste nicht, dass es so schlimm ist.«

»Noch schlimmer. Helen, wir können im nächsten Monat die Gehälter unserer Angestellten nicht mehr bezahlen. Wenn Mary nicht zustimmt, muss ich schon nächste Woche die meisten von ihnen entlassen. Du weißt, was das bedeutet.«

Helen erschrak. Viele ihrer Angestellten waren schon seit Jahrzehnten im Haus. Einige davon hatten sogar schon dem Vater ihres Mannes gedient und erledigten jetzt nur noch wenige leichte Aufgaben. Was würde denn aus ihnen und auch den jüngeren Bediensteten werden? Erneut stiegen ihr die Tränen in die Augen.

»Wohin ist das Geld aus dem diesjährigen Rohwolleverkauf geflossen?«, wollte Helen wissen. Ihr war klar, dass Gerald gut gewirtschaftet hatte, und trotzdem klammerte sie sich an die Vorstellung, dass aus dem Verkaufserlös noch Geld vorhanden sein könnte.

»Wir hatten Verpflichtungen aus dem Vorjahr, Helen. Ich schiebe schon seit einiger Zeit notwendige Zahlungen von einem Jahr auf das nächste. Und außerdem konnten einige unserer Pächter die Pacht nicht zahlen.«

»Gerald, das ist ja alles so furchtbar. Soll ich mit meinem Bruder reden?« Philipp war der ältere Bruder von Lady Helen. Er hatte ihnen schon einmal aus einer prekären finanziellen Situation geholfen.

»Nein, auf keinen Fall. Wir stehen schon zu tief in seiner Schuld. Und außerdem, liebste Helen, dein Bruder fordert seinen Anteil zurück und bei der Bank steht ein Käufer in den Startlöchern. Sobald wir wirklich nicht mehr können, muss die Bank den Verkauf einleiten, um Philipp auszuzahlen.«

Nach einer Pause setzte er hinzu: »Unsere Töchter sind unser Kapital. Beth kann auch heiraten, ich werde nach einem geeigneten Kandidaten Ausschau halten.«

Helen war empört. »Wie kannst du so etwas sagen. Unsere Töchter sind unser Kapital!« Sie schluchzte und konnte nur unter Tränen weitersprechen.

»Beth soll genauso wenig eine Geld-Ehe eingehen müssen wie Mary! Wenn du das tust, verlasse ich dich!«

Lord Gerald wusste, dass Helen es ernst meinte. Sie könnte jederzeit in den Schoß ihrer Familie zurückkehren. Ihr Bruder sah ohnehin auf ihn herunter. Er, Gerald, galt als kleiner Landadel, immer an der Grenze zur Verarmung. Er konnte ihr keine Antwort auf ihre Drohung geben, denn Helen hatte bereits sein Arbeitszimmer verlassen, in das sich die Eheleute zu ihrer Besprechung zurückgezogen hatten.

2. Kapitel

Mary wartete unter der großen Eiche auf Robert. Das war ihr geheimer Treffpunkt, hierher kam niemand, und falls doch, hätte das Liebespaar genug Möglichkeiten, sich vor fremden Blicken verstecken zu können. Sie musste für den Weg dorthin ein Pferd nehmen. James sattelte ihr wie meistens eine Stute, die aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters eher gemächlich dahintrabte und keine Lust mehr auf schnelle Sprints hatte. Seine Schwester war zwar eine gute Reiterin, aber er wollte nichts riskieren. Außerdem trug sie noch immer ihr Kleid. Sie wollte nicht erst zurück ins Haus gehen, um Reitkleidung anzulegen, so dringend und schnell musste sie zu Robert. Dafür hatte ihr Bruder Verständnis und sattelte die Stute mit einem Damensattel.

Mary hatte ihr Pferd an den Baum gebunden und wartete. Sie hatte Robert durch eine vertrauenswürdige Bedienstete eine Nachricht zukommen lassen: »Ich muss dich unbedingt sehen. Komm zur Eiche, es ist wichtig.«

Als Robert die Zeilen las, ahnte er, dass etwas vorgefallen war. Sie hatten ihre festen Zeiten, an denen sie sich trafen. Wenn Mary außerhalb dieser Zeiten auf ein Treffen drängte, musste das einen Grund haben. Deshalb setzte er alles daran, zum vereinbarten Zeitpunkt an der Eiche sein zu können.

Sie sah ihn schon von Weitem heranreiten. Immer wieder war sie von seinem Erscheinungsbild beeindruckt und hingerissen. Robert war groß und kräftig. Seine nahezu hünenhafte Figur und der rote Schimmer im dunklen Haar erinnerte sie jedes Mal an einen Wikinger. Es fehlt nur der wilde Bart, dachte Mary. Robert war nämlich immer glattrasiert, das schätzte sie sehr. Sie liebte ganz besonders seinen Haarschopf, der bei Sonneneinstrahlung rötliche Lichtreflexe zeigte. Er trug das schulterlange Haar locker im Nacken gebunden. Sein weit geschnittenes weißes Hemd betonte seine breiten Schultern. Mit seinen dreißig Jahren war er zwar auch um einiges älter als Mary, aber im Vergleich zu den fünfunddreißig Jahren Altersunterschied zum verhassten Earl William Phorbes erschienen ihr die elf Jahre, die sie und Robert voneinander trennten, eine Kleinigkeit.

Auch er konnte sie schon beim Heranreiten erkennen. Sie trug das Kleid, das er so an ihr liebte. Es war von verschiedenen Blautönen durchwirkt, die vom Rocksaum beginnend bis zu den Schultern dunkel bis hell ineinander übergingen. Der Rock war bodenlang und bis zur schmalen Taille weit geschnitten. Das Oberteil lag eng an und betonte ihre mädchenhafte Figur. Den Ausschnitt umspielte weiße Spitze, die auch am Ende der langen Ärmel zu erkennen war. Das Besondere an diesem Kleid war die Schnürung. Sie war nicht am Rücken, sondern am Vorderteil zu finden. Deshalb liebte er dieses Kleid, denn sobald diese Schnürung gelockert war, lag ihr Busen frei.

Ihr blondes langes Haar trug sie wie immer in mehreren Zöpfen geflochten, die kunstvoll am Ober- und Hinterkopf drapiert waren. Belustigt sah er, dass heute diese Frisur schon ein bisschen derangiert war. Er mochte es, wenn ihre Locken wirr vom Kopf standen, sich selbstständig machten und aus dem sorgfältigen Geflecht lösten. Sie sah dann so wild aus, so voller Lebenslust und fröhlich. Genauso mochte er sie.

Als er vom Pferd abstieg und es festband, ließ sie ihren Blick über seine engen Hosen schweifen, die seine Hüften besonders gut betonten. Sie konnte auch einen Blick auf seinen Po werfen, der in der perfekt sitzenden Reithose äußerst attraktiv wirkte.

Er begrüßte sie mit einem Kuss, der ihr sofort unter die Haut ging. Sie spürte seine weichen Lippen auf ihrem Mund und gab sich dem wunderbaren Gefühl hin, geliebt zu werden. Sie nahm seinen männlichen Körper wahr, der sich an sie drängte, und vergaß einen Moment lang ihren Kummer.

»Was ist los?«, fragte er besorgt, als er sie wieder freigab.

»Etwas Schlimmes ist passiert«, sie versuchte, nicht schon wieder weinen zu müssen. Es gelang ihr nicht besonders gut, denn sie konnte nicht verhindern, dass ein paar Tränen über die geröteten Wangen liefen.

Er strich ihr über das blonde Haar und wickelte eine der gelösten Strähnen um seinen Zeigefinger. Derart aufgelöst kannte er sie nur in gewissen Momenten, wenn sie sich vor Lust vergaß und ihr die Frisur völlig egal war. Sie jetzt so zu erleben, machte ihm schnell klar, dass die Lage wirklich ernst war.

In knappen Worten erzählte ihm Mary alles.

»Ich will nicht«, schloss sie mit einem trotzigen Unterton ihren Bericht.

Robert schwieg. Er nahm sie in den Arm und sie barg ihr Gesicht an seinen starken Schultern.

»Komm«, sagte er mit seiner warmen, zärtlichen Stimme, die sie so liebte und die ihr direkt ins Herz ging. Auch dieses Mal verfehlte sie ihre verführerische Wirkung nicht. Sie spürte seinen Oberkörper, der sich unter seinem Hemd abzeichnete. Seine starken Arme umfingen sie, und sie spürte dieses wunderbare Verlangen, das sie erst vor Kurzem mit ihm zusammen entdeckt hatte. Wie von selbst drängte sich ihr Unterleib an seinen.

Eigentlich hätte sie sich wehren müssen und sich darüber empören sollen, dass er in einem Moment wie diesem an körperlicher Liebe interessiert war. Aber wie schon einige Male vorher, konnte sie nicht denken, wenn er sie in den Arm nahm. Ihr Kopf schaltete sich aus und ihr Herz beschloss, den Augenblick zu genießen. Sofort stand ihr Körper in Flammen. Das Begehren begann im Bauch, strahlte nach unten in die Scham aus und übernahm schließlich die Herrschaft über ihren gesamten Organismus, über ihr Denken und Fühlen.

Sie verstand seine Aufforderung. Ganz in der Nähe war eine verlassene und ziemlich verwitterte Hütte. Das Dach war an manchen Stellen schon undicht, und wenn es draußen stürmisch war, schützten die Holzwände nicht vollständig vor Zugluft. Aber sie war nicht verschlossen und vor allem war sie von dichtem Gebüsch umgeben. Wenn sie ihre Pferde dort anbanden und sich in die Hütte zurückzogen, konnten sie nicht entdeckt werden.

Ihre Pferde führten sie die wenigen Meter zur Hütte. Diese stand auf dem Gelände, das zum Landbesitz ihrer Familie gehörte. Mary wusste nicht, welchen Zweck das Gebäude jemals gehabt hatte. Vielleicht wurde sie in früheren Jahren auch nur deshalb gebaut, um einem Paar ein geheimes Liebesnest zu sein – so wie jetzt für Robert und Mary.

Nachdem sie dort das erste Mal zusammen gewesen waren, hatte Robert eine Decke und zwei Kissen dorthin gebracht, damit sie es künftig bei ihren Treffen komfortabler haben sollten. Zu ihm nach Hause konnten sie nicht, denn er wohnte direkt neben der Schule, und die stand mitten im Ort. Sie würden niemals ungesehen das Haus betreten können und das Risiko, entdeckt zu werden, war für beide viel zu hoch.

Sofort, nachdem sie die Hütte betreten hatten, zog Robert Mary an sich. Wieder spürte sie seine männliche Kraft. Fest presste sie ihren Körper an seinen und ließ es einfach geschehen. Ihr Verlangen nach seinen Zärtlichkeiten war so groß, dass ihr im Moment alles andere vollkommen egal war. Durch den Stoff ihres Kleides spürte sie seine fordernden Hände an ihrem Busen. Er versuchte, die Schnürung zu öffnen, die ihr Oberteil zusammenhielt. Es konnte ihr nicht schnell genug gehen. Ihr Atem keuchte, als sie sich selbst das Mieder öffnete. Ihr kleiner, perfekt geformter und fester Busen lag nun offen vor seinen Augen. Die aufgerichteten Spitzen sehnten sich nach Zärtlichkeit und Berührung. Robert ließ seinen Blick erst eine Weile auf ihren nackten Brüs­ten ruhen, bevor er sie mit beiden Händen umfing. Mary konnte ein leichtes Aufstöhnen nicht unterdrücken. Als er ihren Hals küsste, seine Lippen zu ihren Schultern wanderten und er sich dann weiter nach unten beugte, um ihren wunderschönen Busen ebenfalls zu küssen, stöhnte sie erneut auf. Sie ließ fast willenlos alles mit sich geschehen und sehnte sich verzweifelt nach mehr. Ihr Unterleib rebellierte. Das Verlangen wurde übergroß, und sie konnte sich nicht mehr zurückhalten.

»Nimm mich«, flehte sie.

»Warte noch«, erwiderte er keuchend. »Ich will, dass du es schön hast.« Seine Hände zitterten vor Lust, er konnte sich kaum zurückhalten. Trotzdem schob er sie ein Stück von sich weg und zog sich aus. Das Hemd streifte er über den Kopf. Als Mary seine braun gebrannte Haut am Oberkörper sah, seine Muskeln am Brustkorb, die kräftigen Oberarme und den muskulösen Bauch, gaben ihre Knie fast nach. Sie lehnte sich an einen Holzpfeiler, der wohl als Stütze mitten in der Hütte stand. Das Oberteil ihres Kleides war offen und ihre Brüste lagen immer noch frei. Sie musste sich sehr zusammenreißen, dass sie nicht ihren Rock hob und ihre Scham freigab. Sie trug, wie es damals üblich war, knielange Unterhosen. Einem schnellen Liebesakt waren sie eindeutig im Weg. Als er seine Hose über die Hüften zog und nun nackt vor ihr stand, konnte sie sich nicht zurückhalten. Sie raffte ihren Rock und zog mit schnellen Handgriffen die lästige Unterhose aus. Sie fühlte sich so herrlich schamlos, als sie ihren Rock einfach weiter oben festhielt und ihm zeigte, was ihn erwartete. Mit dem Kopf im Nacken blickte sie ihn lustvoll an.

Er verstand, was sie wollte und sank vor ihr auf die Knie. Mit der rechten Hand drängte er ihre Beine noch ein Stück auseinander. Mit der anderen Hand berührte er ihre Spalte, die sie so verheißungsvoll präsentierte. Sanft teilte er die äußeren Lippen und war – wieder einmal – von der unglaublichen Feuchtigkeit überrascht, mit der sie ihn empfing.

Ihre Perle war bereits geschwollen, aber als er sie mit der Zungenspitze berührte, wurde sie noch größer und härter. Er umschloss sie mit den Lippen und begann, sanft daran zu saugen. Sie stöhnte leise auf, als sie seine Zunge an ihrer geheimsten Stelle spürte. Das Lustempfinden steigerte sich ins Unermessliche, aber Robert ließ sie noch lange nicht zur Erlösung kommen. Erst wollte er mit seinem Finger in die Tiefen ihrer Grotte eindringen, ihre Enge spüren und sich von den ersten Kontraktionen mitreißen lassen, die sich tief in ihrem Inneren bereits ankündigten. Sie hatte ihren Kopf in den Nacken geworfen und war ein einziges Lustbündel. Ihr Körper vibrierte, und sie keuchte unkontrolliert.

Bevor sie den Gipfel der Lust erreichen konnte, zog er sich erst einmal zurück. Das Pochen in seinen Lenden konnte er kaum noch ertragen, aber er wollte sich noch zurücknehmen.

»Leg dich auf die Decke.« Sie kam seiner Aufforderung sofort nach und konnte dabei den Blick nicht von seiner aufgerichteten Männlichkeit lassen. Nur zu gern hätte sie danach gegriffen, die Hodenbälle in die Hand genommen, den Schaft gestreichelt und ihn bis zum Höhepunkt verwöhnt. Aber er legte sich neben sie, schob einen Arm unter ihre Schultern und küsste sie zärtlich auf den Mund. Sie konnte ihren eigenen Geschmack wahrnehmen, und das erregte sie erneut. Gierig leckte sie seine Lippen, als er sich einen Moment von ihr löste, um gleich wieder ihren Mund mit einem innigen Kuss zu umschließen. Davon ließ er auch nicht ab, als er begann, mit der freien Hand ihre Schamlippen zu streicheln. Ausführlich und langsam wurden sie gestreichelt, geteilt, gezupft, gepresst und gleich danach wieder sanft liebkost. Ihre prall geschwollene Perle ließ er dabei sorgsam aus, um sie nicht zu früh in den Strudel eines Höhepunkts zu treiben. Aber gerade dieses Hinauszögern, das Nichtberühren ihrer empfindsams­ten Stelle und das Warten auf mehr, das war für Mary die süßeste Qual. Sie konnte es nicht mehr aushalten. Ihr Becken drängte sich seiner Hand entgegen, und sie verlor die Kontrolle darüber, was sie sagte.

»Mach es mir«, stöhnte sie, obwohl er sie immer noch küsste. Es war ihr egal, ob es sich für eine Frau ihres Standes schickte, sich derart hemmungslos ihrer Lust hinzugeben. Was sie noch alles zwischen ihren lustvoll verzerrten Lippen herausbrachte, wusste sie meistens hinterher nicht mehr, oder sie wollte es nicht wissen.

»Noch nicht«, antwortete er, aber er spürte, dass er sich selbst kaum noch zurückhalten konnte. Er hörte nicht auf, ihren Mund zu küssen und unterbrach nur kurz, um ihr heiße Liebesworte zu flüstern oder um ihr die Möglichkeit zu geben, tief durchzuatmen.