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Nr. 3043

 

Die Welt der Báalols

 

Auf geheimer Mission – Terraner und Tefroder arbeiten zusammen

 

Michael Marcus Thurner

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Klart Kono

2. Spinoza Godaby

3. Ydio-Do

4. Spinoza Godaby

5. Ydio-Do

6. Spinoza Godaby

7. Klart Kono

8. Ydio-Do

9. Spinoza Godaby

10. Ydio-Do

11. Spinoza Godaby

12. Ydio-Do

13. Spinoza Godaby

14. Ydio-Do

15. Spinoza Godaby

16. Ydio-Do

17. Spinoza Godaby

18. Klart Kono

Glossar

Risszeichnung THORA

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Mehr als 3000 Jahre in der Zukunft: Längst verstehen sich die Menschen als Terraner, die ihre Erde und das Sonnensystem hinter sich gelassen haben. In der Unendlichkeit des Alls treffen sie auf Außerirdische aller Art. Ihre Nachkommen haben Tausende von Welten besiedelt, zahlreiche Raumschiffe fliegen bis zu den entlegensten Sternen.

Perry Rhodan ist der Mensch, der von Anfang an mit den Erdbewohnern ins All vorgestoßen ist. Nun steht er vor seiner vielleicht größten Herausforderung: Die Rückkehr von seiner letzten Mission hat ihn rund 500 Jahre weiter in der Zeit katapultiert. Eine sogenannte Datensintflut hat fast alle historischen Dokumente entwertet, sodass nur noch die Speicher seines Raumschiffes RAS TSCHUBAI gesichertes Wissen enthalten.

Weil er mehr über die aktuelle Situation wissen will, ist Rhodan mit der RAS TSCHUBAI in das sogenannte Galaxien-Geviert aufgebrochen. Atlan reist in der Zwischenzeit zum Kugelsternhaufen M 13, wo er sich um seine alte Heimat kümmern möchte, und der Mausbiber Gucky startet einen Verständigungsversuch mit den Cairanern – sie sind die eigentlichen Herrscher über die Milchstraße

In der Zwischenzeit begibt sich ein spezielles Agentenduo auf Erkundungsmission nach Trakarat – zwar haben die Cairaner dort ebenfalls Truppen stationiert, aber dieser Planet ist dennoch DIE WELT DER BÁALOLS ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Spinoza Godaby – Der Agent begibt sich auf der Welt der Báalols in einen Einsatz voller Hindernisse.

TARA-Psi – Der einzigartige Roboter begleitet Spinoza auf die Welt der sogenannten Antis.

Ydio-Do – Die Tefroderin unternimmt eine seltsame Fernreise übers Meer.

Klart Kono – Das Oberhaupt der Familie hält die alten Traditionen in Ehren.

1.

Klart Kono

 

Er ließ seine Sinne schweifen und blickte über die Bucht. Das Meer war aufgewühlt, da und dort zeigten sich Schulen weißer Flachshaie. Die Aasfresser des Ozeans pflügten durchs Wasser und schlugen unvermittelt mehrere Haken, um auf einmal zu verschwinden und Hunderte Meter entfernt mit tollkühnen Sprüngen erneut an die Oberfläche zu gelangen.

Klart Kono konnte Binbi nicht spüren. Sein liebstes Transporttier hatte sich wieder einmal zu weit entfernt.

Binbi war ein wirklich guter Partner. Seine Gedanken waren wie ein ruhiger, gemächlich mäandernder Fluss. Aber er erlaubte sich zu viele Eigenmächtigkeiten. Immer wieder büxte er aus, ging in nahe gelegenen Küstengebieten auf die Pirsch nach einer brünftigen Kuh oder entfernte sich gar vom Festlandstock, um in den Tiefen des Traka-Meers nach Beute zu jagen.

Kono kletterte vom Hochsitz. Die Knochen taten ihm weh, ebenso sein Kopf. Die Suche nach Binbi strengte ihn an, viel mehr als noch vor einigen Jahren.

Posh-Dione kam ihm entgegengelaufen, der kugelrunde Schulranzen schwebte ihr hinterher.

Posh-Dione war Konos ganzer Stolz. Jenes Mädchen, das eines Tages seine Rolle als Glash-Bal einnehmen würde, als Beherrscher der Glasha. Bei Posh-Dione war das Talent ungemein stark ausgeprägt. Ihre hypnosuggestive Gabe konnte bereits wilde Linter-Ziegen aus den Bergen herab locken und domestizieren.

»Hast du ihn gefunden?«, fragte Posh-Dione ohne Gruß und klammerte sich an Konos Beinen fest.

»Binbi hat die Bucht verlassen.« Kono blickte in den Himmel. »Ein Sturm zieht auf. Mag sein, dass wir tagelang nichts von ihm hören, wenn wir nichts unternehmen.«

»Das ist schlecht fürs Geschäft, nicht wahr?«

»Ja, das ist es.« Was für ein kluges Mädchen die Siebenjährige doch war!

»Warum erziehst du nicht ein anderes Tier und lässt Binbi frei? Er will es ja so sehr ...«

Eine weitere gute Frage.

»Weil Binbi, sobald er sich einmal zur Zusammenarbeit bereit erklärt, der beste Partner ist, den ich jemals hatte. Er kennt die Passagen durchs stürmische Meer wie kein anderer, er warnt mich vor Gefahren, er ist gutmütig und tapfer zugleich.«

In Gedanken fügte Kono hinzu: Und er lässt mich ein Stück weit in seine Gedankenwelt blicken. Er zeigt mir, wie es ist, ein Glasha zu sein, den Ozean zu durchpflügen und ein Leben voll unbändiger Freude zu führen. Er ist mir so etwas wie ein ... ein Vertrauter geworden.

»Werde ich Binbi auch einmal lenken dürfen?«

»Falls er es zulässt. Aber nur für die Zeit deiner Ausbildung. Wenn du bereit bist und alles über die Glasha weißt, wirst du dir dein eigenes Tier suchen.«

»Verstehe.«

Posh-Dione wirkte mit einem Mal nachdenklich, fast traurig. Sie rieb sich über den Kopf, so, dass ihr noch ungeschorenes Haar kreuz und quer in Büscheln abstand.

»Was ist los mit dir?«, fragte Kono.

»Nichts.«

»Hat es mit der Sammelschule zu tun?«

»Schule ist doof.«

»Aha. Es gibt also wieder mal Probleme mit den Hypnokursen in Geschichte?«

»Geschichte ist doof. Aber das ist es nicht ...«

»Jetzt rück schon raus, Posh-Dione!« Kono strich dem Mädchen die Haare glatt.

»Ach, die anderen Kinder sind doof. Sie machen sich über mich lustig.«

Zorn stieg in Kono hoch. Nichts hatte sich seit seiner eigenen Kindheit geändert. Die Kinder übernahmen das, was ihnen von den Eltern eingetrichtert wurde.

Die Familie der Kono wäre ein Relikt aus ferner Vergangenheit, sagen sie. Die Konos arbeiteten mit überkommenen Traditionen und dummen Tieren, sagen sie. Die Konos hätten in dieser Welt nichts mehr zu suchen, sagen sie.

»Wir sind etwas Besonderes«, sagte er laut und beherrscht zu Posh-Dione. »Ich möchte, dass du möglichst viele deiner Schulfreunde hierher einlädst. Wir werden ihnen zeigen, was Binbi und ich leisten. Wie es ist, durch den Ozean zu kreuzen, verborgen im Kehlsack eines dreißig Meter langen Tieres. Was es für einen Unterschied macht im Vergleich zur Fahrt auf einem Schiff oder gar dem Flug in einem Gleiter.«

Kono schob Posh-Dione von sich. »Geh los und mach deine Gruppenholo-Aufgaben. Sofern du bis dahin fertig wirst, nehme ich dich mit, wenn ich mich auf die Suche nach Binbi mache. Einverstanden?«

Tiefviolette Augen blickten ihn strahlend an. Die Stimmung des Kindes schlug augenblicklich um. Posh-Dione eilte davon und setzte sich auf den nächsten Flachfelsen, um dort ein Klassenholo zu öffnen und sich beim Robotlehrer anzumelden.

Kono lächelte. Posh-Dione würde die Aufgaben in Rekordzeit erledigen. Anschließend würden sie gemeinsam an der hypnosuggestiven Begabung arbeiten, über die seine Tochter verfügte. Um schließlich gemeinsam Binbi zurück in die Bucht zu locken.

Er starrte in den Himmel. Es wurde allmählich Nacht, das Sternenmeer übertünchte das Licht der untergehenden Doppelsonne Aptut. Vielfach glitzerten Raumstationen, Satelliten und Schiffe, die sich für ihre Landung auf Trakarat vorbereiteten.

Konos Gemüt verfinsterte sich erneut. Er mochte den Kontakt mit Vertretern anderer Kulturen. Er lud sie gerne ein, gemeinsam mit ihm auf Binbi eine Reise übers Traka-Meer zu machen und seine Heimat besser kennenzulernen.

Doch jene Fremden, die sich vor geraumer Zeit auf Trakarat eingenistet hatten, waren ihm unsympathisch.

Er verabscheute die Cairaner.

2.

Spinoza Godaby

 

Trakarat also. Die Heimat der Báalols, die man manchmal auch abschätzig Antis nannte.

Spinoza Godaby tastete über die Anschlüsse in seinem Nacken. Über seinen Kyberhügel. Er hätte sich liebend gerne mit der Positronik der TREU & GLAUBEN verbunden, um mit den Sinnen des Schiffs den Anflug auf diese ganz besondere Welt zu fühlen.

Würde er den Einfluss der Hyperkristalle im Orbit Trakarats spüren? Würde er die Welt in ihrer Gesamtheit erfassen? An einem gewaltigen Schwung von Informationen, Fakten und rechnerischen Interpretationen teilhaben?

Spinoza verzichtete darauf. Ein derartiger Informationsschwall ging meist mit einem gedanklichen Overkill einher. Im besten Fall würde er eine Art Trunkenheit spüren, die mit einem heftigen Kater endete. Im schlechtesten Fall mochte dieses Experiment mit schweren Gehirnschäden enden.

Nein. Er war auf dieser Welt, um einen Auftrag zu erfüllen. Der TARA-Psi und er sollten erkunden, warum manche Cairaner die Báalols als das nächste Volk bezeichneten.

Welche Bewandtnis hatte es mit dieser Bezeichnung? Auf wen sollten sie nachfolgen, wobei und zu welchem Zweck? Arbeiteten Cairaner und Báalols folglich sogar zusammen? Was hatten sie vor?

Spinoza konzentrierte sich wieder auf die Wahrnehmungen seiner eigenen Sinne und blickte auf das Zentralholo der TREU & GLAUBEN. Es erfasste und präsentierte die Welt Trakarat in all ihren Facetten.

Die Heimat der Báalols wies einige Besonderheiten auf. Ausgesprochen interessant waren für Spin die beiden Ringe aus Mikromaterie. Sie wirkten in der Draufsicht wie zwei bläulich leuchtende Metallglieder, die die Welt umgaben.

Die Sonnen Aptut A und Aptut B warfen ihr Licht aus leicht zueinander verschobenen Winkeln auf Trakarat hinab und erzeugten dabei sonderbare Glanzeffekte. Immer wieder veränderten sich die beiden Staubringe, immer wieder musste Spinoza neu fokussieren.

»Schön, nicht wahr?«, fragte der TARA-Psi, sein Partner auf dieser besonderen Mission.

»Ungewöhnlich trifft es eher«, erwiderte Spinoza. »Und beängstigend. Man sagt, dass die Hyperkristallpartikel in beiden Ringen instabil seien.«

»Die Báalols haben Trakarat vor mehr als zwei Jahrzehntausenden besiedelt. Sie haben sich mit den Bedingungen arrangiert – und sie profitieren in großem Ausmaß davon.«

Spinoza nickte. Die Angehörigen des akonischen Zweigvolkes galten fast alle als parabegabt. Der Anteil an instabilen Hyperkristallen in den beiden Staubringen hatte sie mit bemerkenswerten Talenten ausgestattet. In erster Linie galten die Báalols als Individualauflader. Sie vermochten Schutzschirme mithilfe ihrer Kräfte zu verstärken. Manche Báalols hatten aber auch andere Paragaben entwickelt.

»Wir haben eine Landeerlaubnis«, sagte Kondayk-A1, der Eigner der TREU & GLAUBEN. »Wir setzen in zehn Minuten auf einem Zivilraumhafen nördlich von Báalthoom auf. Macht euch einsatzbereit.«

Báalthoom war die Hauptstadt des Planeten. Sie beherbergte weit mehr als zehn Millionen Einwohner und bildete das Zentrum pulsierenden Lebens auf einer Welt, die von einer Menge Geheimnissen umgeben war.

Plötzlich musste alles schnell gehen. Zu schnell für Spinozas Geschmack. Bei erstbester Gelegenheit würden sie das Schiff verlassen und sich unter die Einheimischen mischen, der TARA-Psi und er.

»Du bist nervös«, sagte der Roboter.

»Ist das ein Wunder?« Spinoza kratzte sich am Kyberhügel und ertastete dabei die kleinen neuronalen Anschlüsse. »So viele Einsätze hatte ich noch nicht.«

»Du hast dich gut geschlagen auf Iya.«

Iya. Jene Welt, die den Platz Terras eingenommen hatte. Der TARA-Psi und er waren in einen cairanischen Bezirk vorgedrungen und hatten wichtige Informationen aus den Positroniken der Fremden gesaugt.

»Ich passe auf dich auf«, fuhr der Roboter fort.

»Ich weiß. Und dennoch ...«

Er vertraute dem TARA-Psi. Aber er hatte Angst vor seinen eigenen Reaktionen. Vor einer unbedachten Handlung. Auf Trakarat würden sie weitgehend unabhängig agieren müssen. Spinoza Godaby würde Entscheidungen treffen müssen und niemanden haben, der ihm sagte, ob sie gut oder falsch waren.

Ich habe Angst, dachte er und tastete erneut über den Kyberhügel am Hinterkopf.

 

*

 

Ein gelangweilter Lotse der Báalols wies ihnen einen Express-Einflugkorridor zu, für den Kondayk-A1 ein erhebliches Sümmchen springen lassen musste. Aber der Barniter wollte nicht stundenlang im Orbit warten.

Kondayk-A1 galt als gewissenhaft und zielstrebig. Es schadete seinem Ruf als Geschäftsmann, wenn er sich zu viel Zeit ließ. Termine waren im Vorfeld ausgemacht worden, einige Besprechungen mit Händlerkollegen standen an. Kondayk würde alles unternehmen, um die Mission der TREU & GLAUBEN so glaubwürdig wie möglich erscheinen zu lassen.

Der Anflug auf den Raumhafen ging wie ein Wimpernschlag vorüber. Die Stadt Báalthoom breitete sich krakenhaft über eine Ebene aus, die nur im Westen vom markant geformten Oul-Kerennu-Gebirge begrenzt wurde. Einige Teile der Metropole reichten in die Seitentäler hinein und liefen dort aus. In den gebirgigen Teilen Báalthooms waren Geld und Macht angesiedelt; dort lebte jene Klientel, auf die Kondayk-A1 es abgesehen hatte.

Rings um die Stadt waren Gewächshausanlagen zu sehen. Robotfabriken, die kaum einmal von Báalols betreten wurden und für die Nahversorgung wichtig waren.

Auf dem weitläufigen Raumhafen entdeckte Spin etliche Báalolschiffe; dazu Disken der Gataser und sogar ein dreiteiliges Röhrenschiff der Shenpadri. Eine kleine Einheit jener schlangenförmigen Geschöpfe, die vielerorts anzutreffen waren und die sich eigenen Auskünften zufolge der Erforschung der Vergangenheit widmeten.

»Wir sind gelandet«, sagte die Schiffspositronik. »Man bietet uns an, die Formalitäten ebenfalls in einem vereinfachten Verfahren abwickeln zu lassen. Zum dreifachen Preis des herkömmlichen Prozederes.«

»Ich akzeptiere«, sagte Kondayk-A1 rasch und gab eine Weisung an das Lagermanagement des Schiffs weiter: »Alle arkonidischen Harzweine erhalten einen Preisaufschlag von vier Prozent. Los, beeilt euch, bevor eine positronische Überprüfung des Warenbestands stattfindet.«

Spin unterdrückte ein Grinsen. Kondayk-A1 würde wie immer ein gutes Geschäft machen. Viele Handelsgüter an Bord waren in Zentrumsnähe der Milchstraße höchst begehrt. Es gab nicht viele Händler, die den Mut hatten, die heimatliche Sterneninsel zu durchkreuzen und mit nahezu jedem bedeutenden Volk Handel zu treiben.

»Man verzichtet auf eine Untersuchung der Lagerräume«, sagte die Positronik, »und erwartet von dir im Gegenzug eine Preisreduktion aller mitgebrachten Güter.«

»Sag diesen widerlichen Krämerseelen vom Zoll, dass ich das meiner darbenden Schiffscrew nicht antun kann. Als Zeichen meines guten Willens bin ich allerdings bereit, die Preise für arkonidischen Harzwein um zwei Prozent abzusenken.«

Was für ein Schlitzohr!, dachte Spinoza. Er wusste nicht, ob er den Schiffseigner bewundern oder verachten sollte. Er hat die Preise für die Weine gerade rechtzeitig hochgesetzt, bevor sie vom Zoll bei der positronischen Lagerkontrolle überprüft wurden.

»Man akzeptiert, möchte aber über die Preismodifikation weiterer Warengruppen mit dir sprechen.«

Kondayk-A1 rieb sich die Hände. »Das wird eine Schlacht«, sagte er vergnügt und deutete seinem Freund und Stellvertreter Cyprian Okri sich für den Beginn der Verhandlungen bereit zu machen.

An Spinoza gewandt, sagte er: »In zwanzig Minuten habe ich sie so weit, dass sie dich und unseren robotischen Freund von Bord lassen. Ihr gebt euch, wie besprochen, als meine Warenschnüffler aus. Ich sorge dafür, dass ihr euch frei bewegen könnt. Ihr wisst, wo ihr hinmüsst?«

»Selbstverständlich.« Spin hatte die Adresse im Kopf. Al-Ahiiss GelbZwei war ihr Ziel. Ein unscheinbares Gebäude in Zentrumsnähe von Báalthoom. Dort würden sie Unterstützung für ihre Mission erhalten. Eine Mission, in der es um die Suche nach dem nächsten Volk ging.

Die planetare Zentrale des Liga-Geheimdienstes wartete auf sie.

 

*

 

Die Schwerkraft Trakarats war für Spinozas Geschmack unangenehm hoch. Mit 1,07 Gravos lag sie um ein Viertel höher als das, was er von seiner Heimatwelt Palden kannte. Natürlich hatte er sich längst an die Verhältnisse in der TREU & GLAUBEN gewöhnt, in der die Schiffspositronik für exakt ein Gravo sorgte. Dennoch sorgten die wenigen Prozent mehr für Druck auf seinen Knien und Problemen bei der Atmung.

Ich wiege beinahe fünfundsechzig Kilogramm unter den hiesigen Verhältnissen, dachte Spinoza, bevor er die Schwerkraft mithilfe seines Spezial-SERUNS senkte und damit die gewohnten Verhältnisse herstellte.

Er wischte sich Schweiß von der Stirn. Die Temperatur betrug gut 25 Grad Celsius. Die Straßen waren eng, die Bauten lagen dicht beieinander in diesem alten, seit Jahrtausenden bewohnten Stadtbezirk, durch den er gerade schlenderte.

Ein Sammelgleiter huschte an ihm und dem TARA-Psi vorbei und stieg an der nächsten Kreuzung steil in die Höhe, um sich zwischen pyramidenförmigen Gebäuden in eine der Verkehrsleitlinien in etwa zweihundert Meter Höhe einzufädeln.

Es war laut, es wurde gedrängelt, es roch wie auf einem Lepso-Basar. Die Báalols und Angehörige anderer Völker gingen auf den Straßen nicht gerade zimperlich miteinander um.

Spinoza Godaby atmete erleichtert durch, als sie in die Weite jenes Platzes traten, der einen der Eckpunkte des Viertels Al-Ahiiss GelbZwei markierte. Es änderte sich spürbar etwas. Die charakteristischen Pyramidenbauten, die den Platz säumten, waren sauber und gut gepflegt. Tannenähnliche Bäume verströmten einen frischen Duft. Der Zugang zu einer subplanetaren Transmitterstation war von einer Menge Báalols umlagert, ebenso wie zwei zeppelinförmige Handelspaläste, die mit geringer Geschwindigkeit über den Platz glitten und auf der bunten Außenfront Werbung für exklusive Waren aus allen Teilen der Milchstraße machten.

Und dann öffnete sich der unvergleichliche Blick auf die beiden Staubringe, die Trakarat umgaben ... Sie hingen über der Stadt wie zwei Regenbögen, die den Osten und den Westen miteinander verbanden. Der eine glitzerte in einem Dämmerblau, der andere in Cyan.

Darüber stand die Doppelsonne Aptut beinahe in ihrem Zenit. Aptut A und B warfen rotes Licht über die Staubringe und sorgten für spektakuläre, leicht zueinander verschobene Schattenwürfe auf dem Erdboden.

Kinder eilten auf dem Platz umher und zogen mithilfe von Strahlstiften mehrere Rechtecke, die zusammen ein Spielfeld ähnlich wie beim Tempelhüpfen simulierten, aber zusätzliche Schattenregionen aufwiesen. Sie jauchzten und jubelten, während sie wild umhersprangen und dabei stets dem Sonnenstand folgten. Neue Spielfelder entstanden, die alten Markierungen erloschen nach wenigen Minuten. Es war ein ausgelassenes und buntes Treiben, das Spinoza beobachtete.

Und dennoch ...

»Wie weit ist es noch?«, fragte er leise den TARA-Psi, der neben ihm her schwebte und sich als sein Leibwächter ausgab. Der SERUN hatte Spin vor wenigen Minuten mitgeteilt, dass sie nicht abgehört wurden. Der Anzug maß die Anwesenheit selbst winzigster Spionsonden an.

»Wir müssen den Platz überqueren, anschließend fünfzig Meter geradeaus durch die breite Alleestraße und in einen Vorhof auf der rechten Seite. Wir werden das Quartier des NDE bald zu sehen bekommen.«

»Du solltest uns ankündigen.«

»Das habe ich bereits. Niemand reagiert auf meine Impulse. Mag sein, dass sie zu niedrigschwellig sind. Oder dass es Gründe für die Agenten gibt, auf Tauchstation zu bleiben.«

Spinozas Kyberhügel begann zu jucken. Wie immer, wenn er nervös wurde. Warum meldeten sich die Agenten des Nachrichtendienstes Ephelegon nicht?

»Warte!«, befahl der dem TARA-Psi, als dieser weiter auf ihr gemeinsames Ziel zusteuerte. »Wir lassen uns Zeit.«

»Es gibt keinen Grund dafür«, erhob der Roboter Einspruch. »Wie ich bereits sagte ...«

»Ich weiß, was du sagtest. Aber vertrau bitte auf mein Gefühl. Es ist mir etwas zu ruhig hier. Sieh dich doch um! Ist es normal, dass sich die Stimmung von einem Viertel zum nächsten derart ändert?«

Spinoza steuerte einen der beiden Handelspaläste an. Der Schriftzug Warenkontor Lustfracht blinkte im Himmel auf und wies auf den Zeppelin hin. »Spielen wir unsere Rolle als Warenschnüffler und sehen uns als Gesandte von Kondayk-A1 da drin um.«

»Wir verlieren Zeit«, mahnte der TARA-Psi.

»Besser Zeit als unser Leben.«

Er betrachtete den Körper des zwei Meter großen Roboters von oben bis unten. Er wusste, dass der grünlich schillernde Kugelkopf mit PEW-Metall überzogen war. Atlan hatte ihm die traurige Geschichte des TARA-Psi erzählt – dass sich die Bewusstseinsstruktur eines Terraners im PEW-Metall verfangen hatte.