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Klaus-Dieter Koch

Reiz ist geil

In 7 Schritten Zur Attraktiven Marke

Saga

Philip Kotler zu Klaus-Dieter Kochs «Reiz ist geil»

Unter den vielen Büchern zum Thema Branding, die in den letzten Jahren erschienen sind, sticht dieses Buch von Klaus Koch besonders hervor. Es ist anregend und bringt – im Gegensatz zu vielen anderen Büchern zu diesem Thema – einen neuen, frischen Ansatz: seine Überlegung, physikalische Gesetze auf den Bereich der Marken anzuwenden, gefällt mir, und ich habe sie bei noch keinem anderen Titel angetroffen.

Seine zahlreichen Beispiele zu guter und schlechter Markenpraxis und das Einbringen persönlicher Erfahrungen als Markenberater haben dieses Buch für mich zu einer spannenden Lektüre gemacht.

 

Philip Kotler (*1931) ist Professor für Internationales Marketing an der Northwestern University Kellogg Graduate School für Management in Chicago. Er gilt weltweit als bedeutendster Marketing-Experte. Sein Buch «Marketing Management» gehört zu den Standardwerken im Bereich Marketing.

Ausblick: Reiz statt Geiz

Das Adjektiv geil geht wahrscheinlich auf eine indoeuropäische Wurzel mit der Bedeutung «aufschäumend», «heftig», «übermütig», «ausgelassen» und «lustig» zurück ... Mit geil werden auch die senkrecht nach oben stehenden Triebe von Bäumen bezeichnet. Offenbar wurde dies mit dem erregten Geschlechtsteil des Mannes assoziiert, so dass geil seit dem 15. Jahrhundert in der Bedeutung «lüstern», «sexuell erregt» verwendet wurde, eine Bedeutung, die bis in das 20. Jahrhundert hinein die vorherrschende bildet ... In der Jugendsprache der 1970er und 1980er-Jahre erlebte das Wort eine scheinbare Neuinterpretation ... In den 1980er-Jahren wurde der Begriff schließlich aus dem sexuellen Kontext (wieder) gelöst und seitdem als Steigerung von «gut», im Sinne von «schön und toll» verwendet ...

Aus: Wikipedia

Seit einigen Jahren macht das Wort von der «Geiz ist geil»-Mentalität die Runde, nicht nur in Deutschland, wo dieser Ausdruck schnell Einzug in den Wortschatz von Politikern und Managern gehalten hat, sondern auch in Österreich und der Schweiz.

Wo kein Reiz, da regiert der Geiz. «Geiz ist geil» ist das auf die Spitze getriebene Preisspiel (wobei immer noch fraglich ist, ob eine der sieben Todsünden selbst in unserer Zeit als Tugend dargestellt werden sollte). Mir kommt es in meinen Gesprächen mit Unternehmern und Managern zu oft so vor, als ob das für die meisten die einzig denkbare Alternative sei, obwohl viele weder über das Geschäftsmodell noch über die Kostenstrukturen verfügen, um dieses Spiel erfolgreich spielen zu können. «Geiz ist geil» ist bei den meisten Verantwortlichen nicht die logische Konsequenz eines wohl überlegten und auf Nachhaltigkeit ausgelegten Geschäftsmodells, sondern oft Ausdruck purer Panik.

Dieses Buch möchte die Alternative dazu beschreiben. In einer Welt, in der für viele der Ausweg nur noch über den niedrigsten Preis gefunden wird, soll dieses Buch aufzeigen, dass man auch das Wertspiel erfolgreich spielen kann.

Ich bin überzeugt, dass dies auch heute möglich ist. Nicht nur, weil ich es als Unternehmer über Jahrzehnte selbst bewiesen habe, sondern auch, weil ich als Berater ein hohes Maß an Vertrauen in die Leistungsfähigkeit von Unternehmen gewonnen habe. Dies gipfelt in meiner Überzeugung, dass die meisten Unternehmen sehr viel mehr leisten können, als sie in der Lage sind auszudrücken. Wer aber mehr leistet (zu entsprechend höheren Kosten) und es nicht attraktiv vermitteln kann, der muss Rabatte geben, um seine Leistungen doch noch verkaufen zu können. Deshalb müssen Produkte und Dienstleistungen heute zweimal produziert werden. Einmal physisch und ein zweites Mal in der Vermittlung ihres gesamten Leistungsinhalts.

Nach meiner Beobachtung haben wir ohnehin kein Leistungs-, Innovations-, Qualitäts- oder Servicedefizit, sondern ein Verführungsdefizit. Menschen möchten verführt werden – und Unternehmen haben es verlernt, ihre Kunden zu verführen.

Verführung ist eine geschickte Aneinanderreihung von Reizen. Reize entstehen aus Verschiedenartigkeit heraus und führen zu Kauflust. Kunden müssen sich wieder in Produkte verlieben, denn «ein verliebter Mensch kapituliert», wie Robert Greene in seinem Buch «Die 24 Gesetze der Verführung» schreibt.

Auch wenn es so klingen mag: Ich rede hier nicht nur von privaten Konsumenten, sondern in gleichem Maße von Geschäftskunden. Wenn auch im b-t-b-Bereich langfristiger, fachmännischer oder auch mit Hilfe von «Buying Centern» eingekauft wird, sind auch hier Menschen zugange, «... und der Mensch ist nun mal nur zu 10 Prozent ein Vernunftswesen und zu 90 Prozent ein Gefühlswesen», wie Hans Domizlaff schreibt.

In meinem Buch möchte ich Ihnen zeigen, wie Sie das Wertspiel systematisch spielen können und Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung bereits verkauft haben, bevor Ihr Kunde beginnt, sich damit zu beschäftigen. Ich werde Ihnen zeigen, wie Sie all Ihre Leistungen reizvoll mit Ihrem Namen verbinden und somit zu einer Marke entwickeln können. Und das selbst mit geringen finanziellen Mitteln und entsprechend niedrigem Risiko.

Ich habe lange gesucht, beobachtet, ausprobiert und vor allem in Frage gestellt, um das Erfolgsmuster von wirksamen Marken, von Marken, die uns faszinieren, über die jeder spricht, für die wir gerne viel Geld ausgeben, herauszufinden. Dabei bin ich auf eine sehr simple, aber umso überzeugendere Gesetzmäßigkeit gestoßen: Starke Marken wirken nicht durch ihre Bekanntheit, sondern durch ihre Fähigkeit, Menschen anzuziehen!

Wie aber erreichen Marken diese Anziehungskraft? Auf der Suche nach diesem Geheimnis bin ich nach vielen Jahren des Vergleichens und des Experimentierens wieder auf eine simple, aber bestechende Ursache gestoßen: die Naturgesetze. Systeme in der Natur wirken anziehend, wenn sie sich von anderen Systemen unterscheiden und abgrenzen, inhaltlich wie stilistisch eine hohe Dichte aufweisen. Klingt für Marketingohren neu, ist aber ein faszinierend einfaches und sicheres Prinzip.

Daher lade ich Sie zu Beginn eines jeden Traktates zu einem kleinen Ausflug in die Welt der naturphysikalischen Gesetze ein, um Sie zu inspirieren und den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung zu verdeutlichen.

Ziel der Markenstrategie ist es, eine Marke zu führen, die dem Wert und den Eigenschaften eines Systems mit hoher Dichte gleicht. Dichte schafft Anziehung, und die Fähigkeit, Kunden anzuziehen, ist in übersättigten Märkten, im Zeitalter der Globalisierung, der einzige Weg, mit überschaubarem Mitteleinsatz und geringem Risiko Marken dazu zu nutzen, ihrem Eigentümer nachhaltigen Ertrag und profitables Wachstum zu ermöglichen.

 

Klaus-Dieter Koch

Nürnberg, im Frühjahr 2006

Rückblick: Woher kommt die erste Marke?

Schätzen Sie: Wann tauchten zum ersten Mal Marken auf? 1890? 1314? 960? Oder noch früher? Lange Historie, kurzer Abriss. Ein Blick in das Wörterbuch liefert erste Antworten: «Marke» kommt von «markieren», und das stammt vom französischen «marquer» ab. Bevor der Mensch schreiben konnte, nutzte er Symbole zum Markieren und Kennzeichnen. «Symbol» ist ein griechisches Wort und bedeutet «das Zusammengefügte» (sym = zusammen, ballein = werfen). Das leitet sich von einem Brauch ab: In der Antike reichte man dem Gastgeber zum Abschied ein Bruchstück einer Tontafel oder eines Tonrings als Erkennungszeichen. Bei einem Gegenbesuch konnte man sich durch das Zusammenfügen der beiden Tonteile legitimieren. Symbole sind also Zeichen, aus denen man etwas erkennen oder rückschließen kann. Abzeichen, Ausweis, Kennzeichen, Wahrzeichen, Warenzeichen ...

Das Kennzeichnen von Waren mit einem Siegelzeichen war schon in der Jungsteinzeit üblich. Gesiegelt wurde auf feuchtem Ton. Damit hatte man auf Gefäßen oder Keilschrifttafeln sein Eigentum belegt. Damit war die eigentliche Idee, Ware mit einem Zeichen zu versehen, geboren. «Damit ihr prüfen könnt, worauf es ankommt», heißt es schließlich im Philipperbrief des Apostels Paulus im Jahr 62/63 n. Chr. Damit spielte er auf die Echtheitsprüfung von Töpferqualitätsware an, die mit einem Siegel gekennzeichnet wurde.

In Chinas Song-Zeit (960–1368) war es üblich, Gemälde in roter Farbe mit einem Künstlersiegel zu signieren. Sammler drückten ihren Stücken Sammlungssiegel auf, die als Identifikation und Nachweis der Echtheit eines Werkes dienten.

Vom alten China zurück nach Deutschland: In Nürnberg – meiner Wahlheimat – agierte Albrecht Dürer in einer Zeit, als das Land noch an die Habsburger und anderweitig vergeben war. Dank seines Vermögens und der Erfindung Gutenbergs konnte er es sich leisten, seine Stiche in hohen Druckauflagen reproduzieren zu lassen.

Doch wie gegenwärtig galt auch früher: Gute Ideen werden gern imitiert. In Italien wurden Dürer-Drucke hemmungslos kopiert. Man kennt annähernd tausend gefälschte Platten und Druckstöcke und schätzt, dass eine halbe Million falscher Drucke in den Handel kamen. Damit hatte Dürer ein echtes Problem. Mit Einvernehmen des Kaisers wurden seine Initialen «AD» als erstes deutsches Markenzeichen geschützt, ein Modelabel seiner Zeit, das ab 1476 nicht mehr gefälscht werden durfte. Alle Originaldrucke wurden damit gekennzeichnet und die Italiener schließlich verklagt. Das ist Markenrecht in seiner ursprünglichen Form.

Die industrielle Revolution löste die Geburt des «modernen» Markenartikels aus. Bis dahin fertigten Manufakturen ihre Produkte per Hand in schwankender Qualität. Erst durch die maschinelle Serienproduktion konnte gleich bleibende Qualität verbürgt werden. Gleiche Güte über mehr als einhundert Jahre – denken Sie an Maggi, Lindt, Nivea. Die Dampfmaschine gab 1712 den Startschuss!

Durch die serielle, industrielle Massenfertigung war es auch nicht mehr möglich, wie vom Handwerk her gewohnt auf individuelle Wünsche einzugehen. Man war gezwungen, ein und dasselbe Produkt an eine große Anzahl von Kunden zu verkaufen. Damit bekamen die neu aufkommenden Marken die Aufgabe zugewiesen, die benötigte Anzahl an Kunden anzuziehen.

Zwei schwarze Schwerter mit geschwungenem Griff kreuzen sich: die älteste Bildmarke Deutschlands. Die Porzellanmanufaktur Meißen meldete sie am 20. Mai 1875 als Bildmarke an. Genau in dem Jahr trat das erste Markenschutzgesetz in Deutschland in Kraft. Zwanzig Jahre später (!) – da soll heute noch einer über langsame Behörden klagen – wurde die Schutzmarke für Porzellanprodukte aller Art in das Register aufgenommen.

Ende der Dreißigerjahre hatte Hans Domizlaff in seinem Lehrbuch «Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens» das Wesentliche über Markentechnik zusammengefasst. Alle seriösen Markenbücher bauen auf diesen Grundgesetzen auf. Das gilt für Autoren wie Aaker, Deichsel, Esch, Olins oder Schmidt. Raritäten.

Trendmärchen, Designhöhenrausch oder Zielgruppenfabeln mit Wow-Wow-Effekt sind die Kehrseite. «Mythos Marke», «Das Geheimnis der Marke», «Before Branding», «Beyond Branding» ... – Thesenhaufen ohne praktische Anleitung.

Wissen ist nur von Nutzen, wenn es weitergegeben wird, und ist nur wertvoll, wenn es angewendet, weiterentwickelt und verfeinert werden kann.

Wem nützen Träume zwischen Wunsch und Wirklichkeit? Die Marke ist ein betriebswirtschaftliches Gut. Kein Spielfeld für Kreativität. Als Unternehmer hat man konkrete Bedürfnisse: Man fühlt sich dem Ertrag und dem Wachstum seines Unternehmens verpflichtet und ist auf dessen Entwicklung fokussiert. Man will Spitzenleistung auch spitzenmäßig verkaufen und gutes Geld damit verdienen. Kein ruinöser Kampf über den Preis, sondern Erfolg durch die Anziehungskraft hervorragender Leistungen, die auch so vermittelt werden. Haribo macht Kinder froh; Bauknecht weiß, was Frauen wünschen; Beck’s Bier löscht Männerdurst; Ricola – wer hats erfunden?; Red Bull verleiht Flügel. Menschen lieben starke Marken. Menschen brauchen starke Marken.

 

Meine Überzeugung:

Anziehungskräftige Marken sind die beste Waffe, um im Zeitalter von Globalisierung und gesättigten Märkten zu bestehen.

Zu welcher Erkenntnis gelangen Sie?