Knoblauch, Nicole Homerun for love

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© 2019 Piper Verlag GmbH, München
Redaktion: Cornelia Franke
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Zitat

Dichter sind wie Baseballpitcher.

Beide haben ihre Momente.

Die Zeit dazwischen ist das Schwierige.

Robert Lee Frost

(1874–1963, Amerikanischer Dichter)

1. Dafür sind Freunde da

»Baseball? Du willst wirklich, dass ich mit zum Baseball komme? Ich?« Imogen Kelly strich sich durch das kurze blonde Haar und blickte ihre Freundin Lauren skeptisch an. »Du erinnerst dich aber, wie ich mich damals in der High-School beim Softball angestellt habe?«

»Du sollst ja nicht spielen, sondern zuschauen!« Aufgeregt wie ein kleines Kind an Weihnachten hüpfte Lauren auf und ab. Als sie das abweisende Gesicht ihrer Freundin sah, lenkte sie ein: »Klar erinnere ich mich. Ich habe dich schließlich immer verteidigt. Die Stelle, an der Millicent mir jedes Mal gegens Schienbein getreten hat, weil ich dich in die Mannschaft gewählt habe, ist praktisch immer noch blau.« Sie rieb sich theatralisch übers Bein. »Und genau deshalb gehst du jetzt mit mir zum Baseball! Das bist du mir schuldig. Wir schauen uns das Spiel an und danach versuchen wir, ihn irgendwie abzufangen.«

Imogen verdrehte die Augen. Womit hatte sie das verdient? Lauren und sie waren seit dem ersten Jahr an der High School befreundet. Seit sie im Softball nichts auf die Reihe bekommen und Lauren sie verteidigt hatte. Sie verstand bis heute nicht, was die hübsche Cheerleaderin an ihr gefunden hatte. Gut, sie teilten ein Interesse für Naturwissenschaften. Als die einzigen Mädchen in diesem Zweig ihrer High-School hatten sie immer dieselben Kurse belegt. Aber Lauren war die beliebte, quirlige Cheerleaderin gewesen und Imogen der Nerd. Ihr Leben war durch die Freundschaft einfacher geworden. Laurens unbequemer.

Die zweite Gemeinsamkeit war ihr Interesse für Jungs gewesen. Das hatte sich inzwischen geändert. Imogen hatte feststellen müssen, dass die große Liebe gar nicht mehr so groß war, wenn über tausend Kilometer zwischen den Partnern lagen. Deshalb konzentrierte sie sich zurzeit darauf, ihren Doktor zu machen.

Auch Lauren studierte. Meeresbiologie im letzten Semester. Aber sie wollte ihre Studentenzeit genießen und dabei so viel Spaß wie möglich haben. Sie fand, dass man mit dreiundzwanzig zu jung war, um sich bloß auf die Arbeit zu konzentrieren. Sie schwärmte jeden Monat für einen anderen Kerl, ohne je ihr Herz zu verlieren. Und deshalb musste Imogen immer wieder mit ihr auf Männerjagd gehen. Das war kein Problem, wenn man dabei im Café eines Einkaufszentrums sitzen oder wenigstens in einem Club tanzen konnte. Aber wegen eines Typen zu einem Baseballspiel gehen?

»Genny, das wird lustig! Desmond Holden ist das Pitcher Ace schlechthin. Gerade sechsundzwanzig und schon Stammspieler bei den Seattle Mariners. Außerdem sieht er gnadenlos gut aus. Und im Bett ist er der Knaller. Ich muss ihn einfach wiedersehen.«

Imogen sparte sich den Hinweis darauf, dass er ihr bei weiterem Interesse seine Nummer gegeben hätte. Sie wusste, dass das zwecklos war. Wenn Lauren in den Fangirl-Modus schaltete, war nichts zu machen. Also würde sie ihren Samstagabend im Baseballstadion verbringen und stundenlang Männern dabei zusehen, wie sie auf einen Ball eindroschen. Oder es zumindest versuchten. Aber was tat man nicht alles für die beste Freundin? »Okay. Wenn du schon Karten hast, dann schauen wir uns dieses Spiel eben an.«

»Oh, Genny, du bist die Beste! Was soll ich anziehen? Mein Mariners-Shirt und Jeans? Oder lieber einen kurzen Rock? Mit Cap oder ohne?« Mit einer dramatischen Geste öffnete Lauren ihren Kleiderschrank und zog wahllos Röcke und Hosen hervor, die sie sich vor den Körper hielt und dann auf den Boden fallen ließ.

Seufzend setzte sich Imogen im Schneidersitz auf das ungemachte Bett ihrer Freundin und zeigte mit dem Daumen nach oben oder unten. Körperbetont und sexy ›nein‹, leger und sportlich ›ja‹. Auch diese Prozedur kannte sie inzwischen. Laurens Zimmer würde tagelang kaum begehbar sein. Imogen verstand nicht, wie ihre Freundin das aushielt. Sie selbst liebte es ordentlich und war froh, dass Laurens Chaos sich nicht über die ganze gemeinsame Wohnung ausbreitete. Was nicht Laurens Verdienst war. Jeden Morgen nahm sich Imogen eine halbe Stunde, um ihr eigenes Zimmer, Küche und Bad in einen Vor-Lauren-Zustand zu bringen. Aber obwohl ihre Freundin eine Neigung zur Unordnung und eine Vorliebe für die falschen Männer hatte, bereute es Imogen keinen Moment, mit ihr zusammengezogen zu sein. Sie stammten aus Idaho und studierten zusammen in Seattle.

Weil sie nicht in einem Studentenwohnheim hausen wollten, lebten sie in einer kleinen Wohnung in Campusnähe. Das bedeutete zwar zweihundertfünfzig Dollar Mehrausgaben im Monat, aber ihre Ruhe war ihnen das wert. Dafür arbeiteten sie am Wochenende oft Doppelschichten in dem Diner gegenüber. Allerdings nicht an diesem. Es war einer der Samstage alle sechs Wochen, an denen sie beide frei hatten. Ihre Schicht würde erst am Sonntagnachmittag beginnen.

Imogen wäre gerne zu Hause geblieben, denn sie musste dringend noch einige Paper durcharbeiten, die für ihre Doktorarbeit relevant waren. Dann würde sie die eben auf ihrem E-Reader mit ins Stadion nehmen. Glücklicherweise konnte sie ihre Umgebung immer und überall ausblenden, wenn sie sich konzentrieren musste.

Lauren hatte endlich das passende Outfit gefunden. Holdens Heimtrikot der Mariners in blau-weiß und dazu eine enge Jeans, die Imogen gerade so durchgehen ließ, weil das weite Männershirt Lauren fast bis zu den Knien reichte. Außerdem trug sie eine weiße Baseballkappe mit blauem Schirm und dem Logo der Mannschaft: eine Windrose in Blau und Türkis über einem Baseball. Die Farbkombination betonte Laurens rote Lockenmähne und ließ ihre türkisfarbenen Augen leuchten.

Na, wenn das diesen Holden nicht dahinschmelzen ließ, dann wusste Imogen auch nicht weiter. Ihrer Meinung nach war der Typ ein Arsch, bei dem es sich nicht lohnte, zweimal hinzuschauen. Denn natürlich kannte sie Desmond Holden. Zum einen kam man kaum um sein Gesicht herum, wenn man in Seattle wohnte. Es schaute einem aus allen lokalen Zeitungen entgegen. Sei es im Sportteil, der seine Erfolge feierte, oder auf den Klatschseiten, die sich mit seinen Eskapaden beschäftigten: Eine durchzechte Nacht hier, wildes Rumknutschen mit einem Sternchen da und einmal sogar ein Fall, in dem er ein Hotelzimmer verwüstet hatte. Imogen fragte sich, seit wann sich Baseballspieler wie Rockstars benahmen und warum man ihm so ein Verhalten durchgehen ließ.

Zum anderen hörte sie seit einer Woche von ihrer Freundin nur noch: Holden hier, Holden da … Lauren hatte ihn vor ein paar Tagen in einem Club kennengelernt, als er sie von der Tanzfläche in die VIP-Area holen ließ. Glaubte man Laurens Worten, war es die ›geilste Nacht ihres Lebens‹ gewesen.

Imogen verstand nicht so ganz, wie Lauren zu diesem Urteil kam. Wenn sie an Sex auf der Club-Toilette dachte, dann hatte sie schmuddelige Böden und Wände, bakterienverseuchte Türgriffe und unangenehme Gerüche im Kopf. Aber ganz sicher nicht die ›geilste Nacht ihres Lebens‹.

Doch Lauren hatte sich Hals über Kopf in diesen Idioten verknallt und war davon überzeugt, ihn für sich gewinnen zu können. Schließlich hatte er sie schon einmal für unwiderstehlich gehalten. Also würde Imogen mit ihr zu diesem Spiel gehen und danach Laurens Tränen trocknen. Sie würden gemeinsam über Desmond Holden schimpfen und den Becher Ben&Jerrys aufessen, den sie für solche Gelegenheiten immer im Eisfach hatten. Glücklicherweise hielt diese schlechte Stimmung bei Lauren nie lange an. In einer Woche würde sie bereits dem nächsten Kerl nachjagen.

»Jetzt müssen wir dich ausstatten.« Und bevor Imogen sich wehren konnte, war Lauren auf dem Weg in ihr Zimmer. Um das schlimmste Chaos zu verhindern, folgte Imogen ihr schnell und hielt sie davon ab, den Schrank zu öffnen.

»Hast du nicht noch so ein Trikot für mich? Dann trage ich das mit Jeans, genau wie du!«

Laurens Augen strahlten. »Natürlich habe ich noch eins! Aber das ist nur ein einfaches Fanshirt.«

Damit würde Imogen gerade so leben können. Holdens Nummer war die 69. Imogen konnte sich denken, wie es dazu gekommen war, und legte keinen Wert darauf, mit dieser Nummer gesehen zu werden. Also sagte sie: »Kein Problem. Ich bin ja schließlich nicht in Holden verknallt.«

Laurens Wangen röteten sich leicht. »Jetzt lach mich nicht aus, aber ich habe das hier gebastelt. Moment.« Und schon flitzte sie aus dem Zimmer und kam Augenblicke später mit dem T-Shirt in der einen und einem großen Stück Pappe in der anderen Hand wieder zurück. Das Shirt schmiss sie auf Imogens Bett. Dann positionierte sie sich vor dem Schrank und hielt sich das Pappschild vor die Brust.

Imogen gelang es nicht, ein Kichern zu unterdrücken. »Das ist nicht dein Ernst! Wie alt bist du? Fünfzehn?«

»Ja, ich weiß. Aber ich muss doch irgendwie auf mich aufmerksam machen!« Mit großen Augen und immer noch geröteten Wangen, grinste Lauren ihre Freundin an.

»Mit dem vielen Glitzer und den Herzchen gelingt dir zumindest das.« Auf dem Plakat stand in großen, roten, handgemalten Lettern: Desmond Holden, I love you!. Rote Herzen mit Glitter ersetzten dabei die Os. Und auch der Rest des Plakates war mit Herzchen in allen möglichen Farben und Größen übersät. Immer noch lachend streifte Imogen das Mariners-Shirt über den dunklen Rollkragenpullover und blickte ihre Mitbewohnerin mit breitem Grinsen an. »Also dann, lass uns einen Baseballspieler erobern!«

2. Das hat mir keiner gesagt

Drei Stunden später war es den beiden endlich gelungen, Imogens alten Chevrolet im Parkhaus des T-Mobile-Parks – dem Baseballstadion der Seattle Mariners – abzustellen. Jetzt saßen sie im Stadion auf billigen Plätzen im obersten Rang. Aufgrund der großen Entfernung zum Spielfeld waren die Spieler von hier aus kaum zu erkennen. Das hieß natürlich auch, dass Desmond Holden weder Lauren noch ihr buntes Schild bemerken würde. Aber Imogen schwieg und bereitete sich innerlich auf eine tränenreiche Heimfahrt vor.

Gerade zog das Maskottchen der Mariners – ein Elch im Baseballdress – seine Show im Publikum ab. Imogen beachtete ihn nicht und vertiefte sich stattdessen in ihren Reader.

»Ernsthaft jetzt, Genny? Du liest hier eins von deinen langweiligen Papern?«

»Das ist nicht langweilig. Es geht um biobasierte Polymere als Laser …«

»Bio-Was?«

»Erdölfreie Polymere, mit denen man 3D-Druckexponate erstellen kann.«

»Du und deine 3-D-Drucker. Hast du das immer noch nicht aufgegeben? Ich dachte, du hast kein Geld für die Dissertation?«

»Aber erdölfreie Polymere sind zurzeit ein heißes Thema!« Imogen war schon allein durch ihre Familie ein großer Anhänger umweltfreundlicher Technologien und hätte gerne ihre Doktorarbeit darüber geschrieben. Die Unterstützung ihres Professors hatte sie. Nur leider niemanden, der ihr zwei weitere Jahre und die kostspielige Grundlagenforschung finanzierte. Mehr Schulden konnte sie sich nicht leisten. Schon jetzt würde sie jahrelang an den Raten für ihren Studienkredit knabbern, aber noch hatte sie die Hoffnung nicht aufgegeben. Irgendeine der zahllosen Firmen, denen sie ihr Projekt angeboten hatte, würde schon anbeißen. Schließlich wussten alle, dass Erdöl eine begrenzte Ressource war, die bald aufgebraucht sein würde.

»Leg das weg, es geht los! Kannst du mal halten? Ich will ein Foto von Holden machen! Er kommt aufs Feld!« Ohne auf eine Antwort zu warten, drückte Lauren ihrer Freundin das Plakat in die Hand, zückte das Handy und beugte sich nach vorne.

Imogen verdrehte die Augen. Auf dem Foto würde man nichts erkennen! Und dieses Riesenplakat war so unhandlich, dass ihr beinahe der Reader von den Knien rutschte. Sie wollte Lauren gerade darum bitten, das Ding wieder an sich zu nehmen, als ihr Block auf einmal klatschte und jubelte. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis Imogen begriff, warum: Die riesige Anzeigetafel des Stadions zeigte ihr Gesicht. Ein Gesicht, das jetzt langsam rot anlief. Und was noch viel schlimmer war: Sie hielt das glitzernde Plakat.

Zu allem Überfluss kommentierte der Stadionsprecher: »Dieser jungen Dame scheint es unser Pitching Ace ja angetan zu haben! Schick ihr einen Gruß, Holden!« Und tatsächlich schickte der Pitcher einen Handkuss in Richtung Anzeigetafel.

Wo war ein Loch, um darin zu versinken, wenn man es brauchte? Alle Köpfe in der näheren Umgebung waren ihr zugewandt. Die Menge pfiff und johlte und Imogen versteckte ihr Gesicht hinter dem Plakat. Endlich zeigte die Anzeigetafel wieder Spielerstatistiken und sie wagte einen vorsichtigen Blick zu Lauren. Die saß mit offenem Mund da, das Handy immer noch erhoben und starrte Imogen an.

»Das tut mir total leid, ich …«, stammelte Imogen.

»Das war super!«, quietschte Lauren in dem Moment los. »Ich war voll im Bild, als er zur Anzeigetafel geschaut hat! Er hat mich bestimmt gesehen! Das heißt, der Kuss galt mir.« Es fehlte nicht viel und Lauren wäre auf ihrem Sitz auf und ab gehüpft.

»Ähm, juchhu?« Imogen war sich nicht sicher, wie sie reagieren sollte. Sie glaubte nicht, dass Holden ihre Freundin erkannt hatte. Aber wie schon so oft an diesem Tag schwieg sie, lächelte und drückte Lauren das Schild wieder in die Hand. »Lass mich einfach lesen, bis es vorbei ist, okay?«

Lauren nickte eifrig und drückte das Plakat an sich.

 

Drei Stunden später hatten die Mariners gewonnen und die beiden Frauen befanden sich auf dem Rückweg zum Auto. Imogen sehnte sich nach der Ruhe ihres Zimmers, aber Lauren grübelte immer noch, wie sie Holden kontaktieren könnte. Denn natürlich gab es für die Zuschauer keinen Zugang zu den Spielern.

»Meinst du, wir hätten direkt runter ans Feld gehen sollen? Also ich meine, nur so weit, dass wir in Rufweite …«

»Entschuldigen Sie bitte!«, sagte eine weibliche Stimme hinter ihnen. Die beiden drehten sich um und blickten in das Gesicht einer dunkelhaarigen Frau Mitte fünfzig im Businesskostüm. Sie wirkte unter all den sportlich gekleideten Fans völlig fehl am Platz. Jetzt streckte die Dame Imogen ihre Hand entgegen. »Mein Name ist Morgan White. Ich bin Desmond Holdens …«, sie zögerte einen Moment, »Beraterin und möchte Sie gerne zu einem persönlichen Gespräch einladen.«

»Mich.« Lauren deutete auf sich. »Sie wollen mich zu einem privaten Gespräch mit Holden einladen.«

Die Frau musterte Lauren von oben bis unten und schüttelte dann den Kopf. »Nein. Seine Worte waren: ›Die Blonde mit den kurzen Haaren.‹ Und das ist eindeutig sie.«

»Aber das muss ein Missverständnis …«

»Ich gehe mit, wenn sie mitdarf. Wir sind zusammen hier«, mischte sich Imogen ein. Sie zeigte Mrs White ein Lächeln und zog Lauren an sich.

»Also gut. Er hat nicht gesagt, dass sie allein kommen müssen.«

Sofort erschien wieder ein Strahlen auf Laurens Gesicht und sie murmelte ein »Danke« in Imogens Richtung. Im Geheimen bewunderte Imogen ihre Freundin für den fortwährenden Optimismus. Es gab nicht viel, was Lauren erschüttern konnte. Wenn dieser Kerl allerdings wirklich sie, Imogen, treffen wollte, würde das sogar Laurens Laune trüben.

Imogen konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was Desmond Holden von ihr wollte. Gut, sie konnte sich das schon vorstellen. Männer! Aber der Typ glaubte doch nicht allen Ernstes, dass sie so leicht zu haben war, oder? Dann fiel ihr das Plakat wieder ein, das sie für die ganze Welt sichtbar in den Händen gehalten hatte. Okay, vielleicht konnte er das doch glauben. Peinlicher ging es wohl kaum. Dann würde sie ihm eben klarmachen, dass er in Wirklichkeit Lauren wollte und nicht sie.

 

Inzwischen waren sie in einem fensterlosen Raum mit einem Tisch und vier Stühlen angekommen. An den Wänden hingen Bilder von Spielern der Mariners, ansonsten war die Ausstattung schmucklos und kahl. Die Frau deutete auf einen der Stühle und dann auf Lauren. »Sie können hier warten, während ich ihre Freundin kurz entführe.«

Blitzschnell griff sie nach Imogens Arm und bevor diese protestieren konnte, hatten sie den Raum auch schon verlassen. So hatte Imogen sich das nicht vorgestellt. »Aber meine Freundin …«

»Desmond hat Ihnen ein Angebot zu machen, das nur für Ihre Ohren bestimmt ist. Ah, da ist er ja schon!« Und tatsächlich trat in diesem Moment Desmond Holden aus einer Tür. Er trug Jeans, einen schwarzen Hoodie und schob sich eine Baseballkappe über das an den Seiten ausrasierte, noch feuchte Haar. Der kurze Bart ließ ihn ein wenig älter wirken. Aber das Auffälligste waren seine grauen Augen. Diese musterten Imogen jetzt abschätzend von oben bis unten. Dann nickte er. »Wie heißt du?«

Das warme Timbre seiner Stimme jagte einen Schauer durch Imogens Körper. Wow! Sie hatte ihn nie sprechen gehört. Diese Stimme … Sie schüttelte den Kopf und antwortete: »Imogen Kelly.«

»Freut mich, dich kennenzulernen.« Er reichte ihr die Hand. Ein kurzer, fester Händedruck. Dann wandte er sich an die Frau. »Die genügt deinen Ansprüchen, Mum, oder? Frag noch den Coach. Für mich geht das auf jeden Fall klar. Besprich alles mit ihr und sag mir dann Bescheid.«

Imogen schaffte es nur mit Mühe, einen Ausruf des Erstaunens zu unterdrücken. Mum? Coach? Ansprüche? Und was ging hier klar?

»Du willst das nicht selbst machen?«

»Es war eure Idee! Außerdem bist du die Anwältin.« Mit diesen Worten ging er seelenruhig den Gang entlang und verschwand aus Imogens Sichtfeld.

»Um was geht es hier?« So langsam verstand sie gar nichts mehr und hatte immer weniger Lust auf dieses Treffen.

»Kommen Sie mit.« Mrs White führte sie in einen Raum, ähnlich dem, in dem Lauren wartete und schloss sorgfältig die Tür. Dann wandte sie sich mit einem freundlichen Lächeln an Imogen. »Ich werde Ihnen ein Angebot machen, das Sie nicht ablehnen können.«

3. Kann man so ein Angebot ablehnen?

»Okay, noch mal zum Mitschreiben: Die Frau war Holdens Mutter? Und sie hat dir WAS angeboten?« Laurens Stimme überschlug sich fast und Imogen versuchte gar nicht erst, zu antworten. Das würde Lauren schon selbst übernehmen. Schließlich hatte sie ihr die ganze Story bereits drei Mal erzählt, seit sie das Stadion verlassen hatten. Inzwischen saßen sie auf Laurens Bett und aßen Eiscreme. Und tatsächlich begann Lauren wieder von vorne: »Du sollst für das nächste Jahr in der Öffentlichkeit seine Freundin spielen? Und er übernimmt dafür deinen Studienkredit und finanziert deine Doktorarbeit? Das muss ein Scherz sein!«

»Kein Scherz. Ich habe die Verträge gesehen. Und allein, dass ich dir das erzähle, verstößt schon gegen diverse Artikel darin.« Kopfschüttelnd steckte Imogen ihren Löffel in die Eiscreme.

»Warum hast du nicht sofort unterschrieben? Das ist der Jackpot!«

»Weil der Typ ein Arsch ist! ›Die genügt deinen Ansprüchen, Mum, oder?‹«, ahmte Imogen seinen trockenen Tonfall nach. »Was glaubt der eigentlich, wer er ist?«

Lachend genehmigte sich auch Lauren ein wenig Eis. »Ein Baseballstar, dem die Frauen zu Füßen liegen?«

Imogen warf ihrer Freundin einen vernichtenden Blick zu. Insgeheim bewunderte sie Lauren. Jede andere Frau wäre sauer oder eifersüchtig gewesen, weil nicht sie dieses Angebot bekommen hatte. Nicht so Lauren. Nachdem sie den ersten Schock verdaut hatte, freute sie sich für Imogen. Allein dafür musste man sie lieben.

»Und du bist echt nicht sauer auf mich?«

»Warum sollte ich? Es geht doch darum, dass du seine Freundin spielst. Das gibt mir Gelegenheit, ihm zu zeigen, dass ich die bin, die er wirklich will. Ein ganzes Jahr lang.« Ihre Miene verdunkelte sich kurz: »Das ist okay für dich, oder?«

»Völlig okay! Ich will den Kerl nicht geschenkt.«

»Perfekt!« Lauren klatschte in die Hände. »Wenn er deinen Freund spielt, werden wir sicher was zusammen unternehmen und dann kann ich ihm beweisen, dass ich mehr bin als nur ein heißes Mädchen in einem Club. Das ist klasse. Alles wird gut!«

Imogen bezweifelte das. Laurens natürliche Umgebung hieß Chaos, Chaos und noch mehr Chaos. Vielleicht stand Holden ja auf so was. Das kitschige Plakat schien schließlich irgendetwas in ihm angesprochen zu haben.

Lauren zupfte ungeduldig an Imogens Trikot. »Sagst du mir jetzt, warum sich ein Mann wie Holden eine Freundin kaufen muss?«

»Kannst du dir das nicht denken? Gute Presse?« Seufzend legte Imogen ihren Löffel zur Seite. »Ich habe schon viel zu viel gesagt. Kein Wort zu niemandem, das musst du mir versprechen. Alle Welt muss denken, dass Holden sich heute Abend in mich verliebt hat. Also, falls ich annehme. Und wenn nicht, dann erst recht kein Wort darüber.«

»Nicht ›falls‹ du annimmst. Du nimmst an, Genny. Erstens bist du mir das schuldig und zweitens ist damit deine Zukunft finanziert. Sein Geld sorgt dafür, dass du deine Forschung vorantreiben kannst. Ganz unabhängig von irgendwelchen Geldgebern. Du bist deine Geldsorgen los und darfst die Freundin eines heißen Typs spielen. Sei mal spontan. Da gibt es nichts zu überlegen.«

Das Geld war ein überzeugender Anreiz. Sie könnte das tun, was sie wirklich wollte, ohne sich an einen Konzern zu binden. Vielleicht war es besser, sich an Desmond Holden zu verkaufen als an die Industrie. Das war ihre Chance, ohne Kompromisse ihren Werkstoff zu entwickeln. Imogen musste zugeben, dass die Aussicht, Holdens Freundin zu spielen, von Minute zu Minute verlockender wurde. Dazu schien Lauren voll auf den Kerl zu stehen und hatte nur durch Imogen eine Chance, ihn besser kennenzulernen.

Seine Stimme zumindest war super sexy … Sie verbot sich diesen Gedanken sofort. Fake-Freundin, Imogen! Und mehr als Fake willst du nicht. Ganz sicher nicht mit so einem und erst recht nicht, wenn Lauren auf ihn abfuhr. Beste-Freundinnen-Kodex und so.

»Ohhhhh, wenn ich deinen Gesichtsausdruck richtig deute, dann machst du es? Bitte, bitte, bitte!« Laurens große Augen und die vor der Brust gefalteten Hände brachten Imogen zum Grinsen.

»Was soll’s, ich mach’s. Ich rufe gleich bei Mrs White an.«

»Warum heißt seine Mutter eigentlich White und nicht Holden?«

»Keine Ahnung! Ich habe sie nicht gefragt. Soll ich das machen?«

»Nein!« Lauren hob abwehrend die Hände. »Das werden wir schon rausfinden.«

Imogen rollte mit den Augen, griff nach ihrem Handy und stand auf. Sie brauchte gar nicht lange im Raum auf und ab zu laufen, denn Mrs White nahm nach dem ersten Klingeln ab. »Haben Sie sich entschieden?«

»Ich bin grundsätzlich einverstanden. Wir sollten uns morgen treffen und die Details klären. Vorher unterschreibe ich nichts.« Imogen hatte nicht vor, irgendetwas dem Zufall zu überlassen.

»Ich bin sicher, dass wir zu einer Einigung kommen. Die Adresse haben Sie ja. Wir sehen uns dann morgen um 10:00 Uhr. Was fahren Sie für einen Wagen?«

»Einen roten Chevi Aveo.«

»Kennzeichen?«

»1M0G3N.«

»Notiert. Wir haben am Tor eine Überwachungskamera und so wissen wir, dass Sie es sind. Dann sehen wir uns morgen.«

Imogen war sich nicht sicher, ob sie sich freuen oder Angst haben sollte. Was, wenn das alles ein riesengroßer Fehler war? Was, wenn die Verhandlungen nicht zu ihren Gunsten laufen würden? Dann kannst du immer noch nein sagen, Dummerchen, schalt sie sich selbst.

»Uhhhh, Genny, das wird so toll! Welche Details müssen denn noch geklärt werden?«

»Na ja, wenn ich seine Freundin spielen soll, hätte ich gerne vertraglich festgelegt, wie das mit dem Körperkontakt aussieht. Ob wir uns küssen, Händchenhalten …«

»Das willst du in einem Vertrag festhalten? Auch den Sex?« Es gelang Lauren nicht, ein Lachen zu unterdrücken.

»Es wird keinen Sex geben. Nur Dinge, die man in der Öffentlichkeit tut. Schon vergessen: Fake-Freundin!«

»Zählt Sex auf dem Klo zu ›in der Öffentlichkeit?‹« Jetzt lachte Lauren wirklich.

»Lauren, du bist unmöglich. Kein Sex!«

»Du verpasst was.« Immer noch grinsend, leckte Lauren den letzten Löffel Eis sauber.

Imogen schüttelte tadelnd den Kopf. »Ich dachte, du bist scharf auf ihn. Warum versuchst du jetzt, ihn mir aufzuschwatzen?«

»Weil du es mal wieder nötig hättest! Dein letzter Sex ist zwei Jahre her! Wie alt bist du? Fünfzig?«

Imogen lief rot an. »Nein. Aber Sex ist halt nicht so meins. Mit Brad war es immer so …« Sie hob hilflos die Arme.

»Brad hat es nicht gebracht. Das habe ich dir damals schon gesagt. Zwischen euch war einfach keine Chemie.«

»Wir haben uns gut verstanden.«

»Ja. Wenn es um den 3-D-Drucker-Club ging oder wissenschaftliche Projekte. Aber ihr wart nie leidenschaftlich ineinander verliebt.« Lauren deutete mit dem leeren Eis auf Imogen, stand auf und stellte die Packung achtlos auf den Schreibtisch.

»Ist es denn nicht viel wichtiger, dass man sich gut versteht?« Frustriert schlug Imogen mit der Faust in ihre Kissen. »Wir konnten immer miteinander reden, hatten die gleichen Hobbys und …«

»Offensichtlich grottenschlechten Sex. Deshalb hat er dich auch verlassen.«

»Er hat mich nicht verlassen. Ich habe ihn verlassen.« Auch Imogen stand jetzt auf, griff nach dem leeren Eis und warf es in den Mülleimer.

»Nachdem du rausbekommen hast, dass er dich seit Jahren betrügt. Also hat eigentlich er dich verlassen. Punkt.«

»Die Sache mit Brad hat mir gezeigt, dass man sich nicht mal auf Männer verlassen kann, mit denen man total auf einer Wellenlänge liegt. Ich will nur meinen Doktor machen und deshalb brauche ich das Geld von Holden. Wenn ich dafür mit diesem Arsch Händchenhalten und ein oder zwei Küsse tauschen muss, okay! Aber meinen Körper verkaufe ich nicht!« Sie hatte sich immer weiter in Rage geredet und Lauren legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter.

»Das musst du nicht, Süße. Ich meine ja nur, dass du ab und zu auch ein wenig Spaß haben solltest. Mit irgendeinem, vorzugsweise scharfen, Typen.«

»Ich habe jede Menge Spaß! Dafür brauche ich keinen Mann. Und schon gar keinen, der nichts anbrennen lässt und sich dann nicht mal mehr meldet. Du bist diejenige, die sich nicht immer den falschen Typen an den Hals werfen sollte. Du bist mehr wert als das!«

»Vielleicht.« Laurens Blick schweifte in die Ferne. »Aber ich habe die Zeit meines Lebens. Mehr wert sein kann ich immer noch, wenn ich alt bin.«

Frustriert schüttelte Imogen den Kopf. So endeten ihre Diskussionen zu dem Thema jedes Mal. Es brachte nichts, sich weiter darüber zu streiten. »Okay, einigen wir uns darauf, dass wir beide auf unsere Art Spaß haben und glücklich sind.«

Lauren nickte. »Und jetzt legst du dich ins Bett. Du musst morgen umwerfend aussehen, wenn du Holden triffst. Hau ihn aus den Socken. Sorge dafür, dass er nur noch an dich denkt.«

»Ich dachte, er soll an dich denken.«

Lachend ging Lauren zur Tür. »Das kann er tun, sobald du den Vertrag hast. Der ist ja die Voraussetzung für alles, oder?«

»So, wie ich das verstanden habe, hat er mich ja bereits ausgesucht. Ich muss nur noch die Details klären und dann kann die Sache starten.« Imogen streckte sich. »Dann gehe ich mal ins Bad und danach ins Bett.«

»Tu das! Das wird das beste Jahr unseres Lebens!«

4. Der Vertrag

Holdens Anwesen lag im wunderschönen Stadtteil Madison Park, in der Nähe des japanischen Gartens. Imogen hielt an einer kleinen Säule vor dem gusseisernen Tor und betätigte den Klingelknopf. Kurz darauf öffnete es sich langsam.

Staunend durchfuhr sie den weitläufigen Vorgarten. Mit den hohen Kiefern und gepflegten Rasenflächen entsprach er genau ihrer Vorstellung einer Millionärsvilla. Auch das Gebäude, mit seinen hellbraunen Backsteinen und dem vielen dunklen Holz, erfüllte dieses Klischee.

Kaum hatte sie geparkt, öffnete sich die große Flügeltür und Mrs White trat heraus. Sie trug wieder ein Businesskostüm und lächelte Imogen unverbindlich an. Neben ihr stand ein Mann im Anzug. Er war etwa im gleichen Alter wie Mrs White und lächelte ebenfalls ein wenig unterkühlt.

Auch Imogen hatte sich für ein Kostüm entschieden, obwohl sie sich darin nicht wohlfühlte. Aber es erschien ihr angemessen. Ein geschäftlicher Anlass verlangte formelle Kleidung.

Mrs White schüttelte ihr die Hand, stellte den Mann als Desmonds Coach, Mr Miller, vor und führte sie in einen hellen Raum mit Blick auf den Pool. Imogen fragte sich, wofür man in Seattle einen Pool brauchte. Wenn man Glück hatte, konnte man den im Sommer für ein paar Wochen nutzen. In den anderen Monaten war es dafür nicht warm genug.

Der Raum selbst war offensichtlich eine Art Wohnküche. Auf einem großen, gläsernen Tisch standen Tassen und eine dampfende Kanne. Daneben lagen zwei dicke Ordner. Die ebenfalls durchsichtigen Plastikstühlen zierten Felle, die dem klaren Stil ein wenig die Kälte nahmen.

»Möchten Sie einen Kaffee?«, unterbrach Mrs White Imogens Gedanken. »Desmond wird gleich zu uns stoßen. Er hat gestern … Oh, da ist er ja schon.«

Imogen brauchte den Satz nicht zu Ende zu hören, um zu wissen, was Holden gestern angestellt hatte. Er sah aus, als hätte er wenig Schlaf abbekommen. Das Haar hing ihm feucht ins Gesicht, er trug Jogginghose und T-Shirt und gähnte herzhaft. Ihm folgten zwei Katzen, die in der Tür innehielten und die vielen Menschen musterten. Dann drehten sie sich um und verschwanden in den Tiefen des Hauses. Ohne Imogen eines Blickes zu würdigen, ließ sich Holden auf einen der Stühle fallen und schenkte sich Kaffee ein.

»Dann können wir ja anfangen.« Der Tonfall seiner Mutter machte klar, dass ihr sein Verhalten missfiel. »Setzen wir uns.« Sie wartete, bis alle Platz genommen hatten, und sprach dann weiter: »Zuerst sollte ich erklären, warum wir hier sind. Oder willst du das übernehmen, Des?«

Er schüttelte den Kopf und wedelte mit der Hand in Richtung seiner Mutter.

»Also, Imogen. Wie Sie sicher wissen, hat der Ruf meines Sohnes in den letzten Monaten ein wenig gelitten.«

Imogen nickte.

»Das war kein Problem, so lange er relativ unbekannt war, aber jetzt …«, sie zuckte mit den Schultern, »… ist es wichtig, dass er Verantwortung zeigt. Keine durchzechten Nächte, keine Partys, keine ständig wechselnden Damenbekanntschaften.« Sie sah zu Mr Miller.

»Dieses Verhalten wird langsam zum Problem.« Der Coach warf Desmond einen tadelnden Blick zu. »Deshalb haben wir zusammen mit Desmond beschlossen, dass er eine solide Beziehung mit einem bodenständigen Mädchen beginnt. Das wären dann Sie. Eure Verbindung wird dafür sorgen, dass man seine Eskapaden bald vergisst. Wir sehen uns als Verein für Familien, Werte und Traditionen.«

Holden schnaubte, hielt den Kopf aber weiterhin gesenkt und vertiefte sich in den Anblick seines Kaffees. Der Coach warf ihm einen warnenden Blick zu, doch Desmond ignorierte ihn weiter.

»Ich verstehe«, antwortete Imogen schnell. Die aufgeladene Atmosphäre zwischen Desmond, seiner Mutter und dem Coach bereitete ihr Unbehagen. Bevor sich die Situation zuspitzte, wollte sie ihren Standpunkt deutlich machen. »Es gäbe da allerdings noch diverse Details zu klären.«

»Natürlich. Unsere Bedingungen.« Jetzt sprach wieder Mrs White. »Am besten nehmen Sie sich einen der Ordner, die enthalten den Vertag mit dem genauen Wortlaut. Wir gehen das Seite für Seite durch.« Sie wartete, bis Imogen einen der Ordner vor sich ausgebreitet hatte und sprach dann weiter: »Zuerst wäre da absolutes Stillschweigen über all das hier. Für die Öffentlichkeit muss es nach einer echten Liebesbeziehung aussehen. Das heißt, keiner von euch hat andere Affären oder dergleichen.« Ihr Blick wanderte zu Holden. Der sah jetzt doch auf, stellte den Kaffee ab und hob unschuldig die Hände. Dabei zuckte er leicht mit den Schultern, als wollte er sagen: Hey, sieh nicht mich so an.

Seine Mutter überging die Geste und sprach weiter: »Wir beginnen mit einem Abendessen heute Abend nach dem Spiel und …«

»Äh, das geht nicht.« Imogen zeigte ein kurzes Lächeln. »Da arbeite ich.«

»Wenn du diesem Deal zustimmst, wirst du nicht mehr arbeiten.« Holdens dunkle Stimme ließ einen kleinen Schauer über Imogens Rücken laufen.

Trotzdem wollte sie sich nicht von ihm einschüchtern lassen. »Doch, das werde ich. Es soll doch echt wirken, oder?«

Er richtete sich in seinem Stuhl auf und blickte sie mit leicht gehobenen Brauen an. »Meine Freundin muss nicht arbeiten.«

Für einen kurzen Moment verschlug es Imogen die Sprache. »Ach, und wovon soll sie dann leben?«

»Ich finanziere ihr Leben.«

Imogen konnte nicht an sich halten und prustete: »Das ist ein Scherz, oder?« Ihr Blick huschte von Holden zu seiner Mutter, dann zum Trainer.

»Da muss ich Imogen zustimmen, Des«, stellte Mrs White fest. »Wenn sie auf einmal ihren Job kündigt und ihren Lebensstil ändert, glaubt niemand, dass ihr euch gerade erst verliebt habt. Vielleicht später, wenn …«

Nickend unterbrach er sie: »Dann wird sie in drei Monaten aufhören zu arbeiten.«

»Aber meinen Doktor darf ich machen?« Es gelang Imogen nicht, den Sarkasmus aus ihrer Stimme zu verbannen. »Wenn ich nämlich das Heimchen am Herd spielen soll, dann …«

»Darum geht es nicht.« Er schenkte sich neuen Kaffee ein und deutete mit der Tasse auf sie. »Es geht darum, dass meine Freundin sich Zeit für ihre Ausbildung nehmen kann. In was promovierst du?«

»Kunststofftechnik.«

»Also sind wir uns einig? Du gibst in drei Monaten deinen Job auf und konzentrierst dich voll auf deine Doktorarbeit.«

Alles in Imogen schrie nach Widerspruch. Aber er hatte Recht. Sie wünschte sich schon so lange, nicht mehr nebenher arbeiten zu müssen. Andererseits … »Ich kann meinen Job nicht aufgeben. Ich brauche das Geld zum Leben.«

»Wir zahlen die Studiengebühren und die Raten, oder?« Er lehnte sich lässig in seinem Stuhl zurück und kippte ihn auf die Hinterbeine.

»Von irgendetwas muss ich leben. Nicht jeder bekommt ein Sportstipendium, auf dem er sich ausruhen kann.«

Seine Brauen zuckten in die Höhe. »Wie viel verdienst du in deinem Job?«

»Um die tausend Dollar im Monat. Je nach Trinkgeld.«

»Die können wir drauflegen, sobald du nicht mehr arbeitest. Würde das reichen?«

Langsam, fast gegen ihren Willen nickte Imogen. Keine Doppelschichten mehr im Diner. Endlich freie Wochenenden. Das würde sie um Meilen voranbringen.

Mrs White klopfte mit dem Stift auf den Tisch. »Gut. Dann also Abendessen morgen Abend? Das passt sowieso besser, Des. Da hast du spielfrei.« Sie sah zu Holden, der mit den Schultern zuckte und dann zu Imogen, die nickte. »Perfekt!«

»Was erwarten Sie von mir bei diesem Abendessen?« Imogen wandte sich direkt an Holdens Mutter. Sie schien diejenige zu sein, die das Sagen hatte.

»Es muss authentisch wirken«, antwortete Mrs White. »Sie sollten viel lächeln. Es soll aussehen, als hättet ihr Spaß miteinander. Vielleicht eine leichte Berührung hier und da. Was man eben bei einem ersten Date so macht.«

Es gelang Imogen, sich einen Kommentar zu verkneifen. Sie hatte keine Ahnung, was man bei einem ersten Date so machte. Ihr letztes Date war sechs Jahre her und hatte aus einem Besuch im Kino mit anschließendem Milchshakeschlürfen bestanden. Sie nahm an, das Holden und seine Mutter sich etwas anderes vorstellten.

»Was denkst du, Jason?«, wandte sich Holdens Mutter an den Coach. »Gibt es noch etwas zu beachten?«

Der Coach schüttelte den Kopf. »Das Ganze muss vor allem echt wirken. Es muss deutlich werden, dass Desmond sich ändert.«

»Muss ich ihn küssen?« Die Frage war Imogen herausgerutscht und sie spürte, wie ihre Ohren rot wurden.

»Müssen?« Das war Desmond. Wieder wanderten seine Augenbrauen nach oben. »Du musst gar nichts, was du nicht willst. Aber wenn wir eine Beziehung vortäuschen, wäre es hilfreich.«

»Nicht beim ersten Date!« Imogen wusste selbst nicht, warum ihr das so wichtig war. Wahrscheinlich war das ihre Art, einen letzten Rest Würde zu bewahren. Sie fing Holdens Blick ein und hielt ihn fest. Er sollte merken, dass sie in diesem Punkt nicht nachgeben würde.

Tatsächlich war er es, der zuerst wegschaute, wenn auch mit einem leichten Lächeln um die Lippen. »Kein Knutschen beim ersten Date. Versprochen.«

»Gut. Und keinen Sex!« Jetzt glühten nicht nur Imogens Ohren, sondern auch ihr Gesicht.

»Okay.«

Lachte er sie etwa aus?

»Kein Sex, kein Küssen. Vorerst.« Holden blickte ihr direkt in die Augen und seine Schultern zuckten verräterisch. Er lachte tatsächlich.

»Nie! Wenn jemals rauskommt, dass ich mich für das hier bezahlen lasse, bin ich nicht besser als eine Escort-Dame!« Imogens Stimme überschlug sich fast. »Also: keinen Sex. Sonst bin ich raus.« Sie stand auf und strich ihr Kostüm glatt.

»Bleiben Sie, bitte.« Mrs White, die dem Gespräch schweigend gefolgt war, streckte beruhigend die Hand in Imogens Richtung aus. »Mein Sohn zieht Sie nur auf. Sex ist nicht Gegenstand dieses Vertrages. Wir sprechen von angemessenen Zeichen der Zuneigung in der Öffentlichkeit. Außerdem sollten Sie bereit sein, sich mindestens drei Mal die Woche mit Desmond zu treffen. Abendessen, ein gemeinsamer Stadtbummel, Parkbesuch oder Ähnliches. Und natürlich kommen Sie zu so vielen Heimspielen wie möglich. Sie bekommen einen Platz bei den Spielerfrauen und den Familien. Das stimmt doch, Jason?«

Der Coach nickte stumm.

»Für mich und Lauren!« Imogen warf einen verstohlenen Blick zu Holden, aber der reagierte nicht auf den Namen.

»Ist das die Rothaarige, mit der Sie gestern beim Spiel waren?«, fragte Mrs White.

Ein weiterer Blick zu Holden, doch der zeigte immer noch keine Anzeichen des Erkennens. »Ja. Wenn ich allein erscheine, werden die anderen Spielerfrauen mich bestimmt über die Beziehung ausquetschen. Mit Lauren hätte ich einen Grund …«

»Lass sie ihre Freundin mitbringen, Mum. Kann nicht schaden.«

Entweder hatte er tatsächlich vergessen, wer Lauren war, oder er war ein begnadeter Schauspieler. Oder sorgte er absichtlich dafür, dass Lauren einen Platz bekam?

»Gut«, unterbrach Mrs White Imogens wirre Gedanken, »dann Plätze für Sie und Ihre Freundin. Sie sind nicht gezwungen, zu den Auswärtsspielen zu kommen.«

So ging es noch etwa eine halbe Stunde weiter. Imogen verpflichtete sich, Holden auf diverse Empfänge und die offizielle Weihnachtsfeier der Mariners zu begleiten. Auch vier Besuche in angesagten Clubs standen auf dem Programm.

Sie versuchte mehrmals, das Thema auf Desmonds ausschweifenden Lebensstil zu lenken. Schließlich wüsste sie gerne, worauf sie sich einließ. Aber jedes Mal blockte seine Mutter das Thema ab. Gut, das galt es also selbst herauszufinden.

Auch beim Gedanken an die offiziellen Auftritte war Imogen nicht ganz wohl, aber sie versuchte, an das viele Geld und ihre Forschung zu denken. Fast noch mehr Kopfzerbrechen bereiteten ihr die privaten Treffen. Einmal in der Woche sollten sie sich allein sehen, damit Holden und sie sich besser kennenlernen konnten. Das war ein Punkt, auf dem sowohl der Coach als auch Desmonds Mutter bestanden. Sie meinten, es sei unerlässlich, um ein glaubhaftes Paar abzugeben. Eigentlich stimmte Imogen ihnen zu. Aber der Gedanke löste widersprüchliche Gefühle in ihr aus. Zum einen wollte sie nicht mit diesem arroganten Womanizer allein sein, zum anderen wollte ein Teil von ihr genau das. Seine Stimme löste Gefühle in ihr aus, die sie nicht kannte. Wenn er sprach, hing sie an seinen Lippen. Zum Glück brachten seine Worte sie dermaßen auf die Palme, dass sie dieses Kribbeln im Bauch schnell wieder vergaß.

Als sie endlich in ihrem kleinem Chevy saß, hatte sie einen unterschriebenen Vertrag in der Tasche und war unsicher, ob sie sich auf das kommende Jahr freuen oder es fürchten sollte.

5. Abendessen mit Holden

»Oh, Genny, ich glaube, er ist da.« Lauren stand an Imogens Fenster und klatschte. »Er fährt einen schwarzen SUV und trägt einen Anzug.« Sie legte die Hände an die Wange und seufzte theatralisch. In diesem Moment klingelte es schon. »Los, geh! Ich wünsch dir viel Spaß.«

Imogen verdrehte die Augen und machte sich auf den Weg nach unten. »Danke«, rief sie über die Schulter zurück und stürmte die drei Stockwerke hinab. Als sie die Tür öffnete, rannte sie fast in Holden, der mit den Händen in den Hosentaschen auf sie wartete. »Immer langsam, ich laufe nicht weg.«

Röte breitete sich auf Imogens Wangen aus. Was hatte dieser Kerl nur an sich, dass sie ständig in seiner Gegenwart errötete? Außerdem war sie nur so schnell gerannt, weil ein Treffen zwischen Lauren und Holden zum jetzigen Zeitpunkt nicht gut wäre. Sie wollte Lauren beweisen, dass dieser Aufreißer nichts für sie war. Aber dafür musste sie ihn erst besser kennenlernen. Und dieser Abend sollte den Anfang machen. Also sagte sie mit einem Lächeln: »Ich wollte dich nicht zu lange warten lassen. Können wir?«

Seine Augen wanderten von ihrem Gesicht, bis hinab zu ihren Füßen, die in schwarzen Boots steckten. Als er den Blick wieder hob, zuckte ein Lächeln um seine Lippen. »Doc’s zum kleinen Schwarzen?«

Diese verfluchte Hitze breitete sich schon wieder auf Imogens Gesicht aus. »Ich wusste nicht, was wir vorhaben und dachte, ich trage lieber bequeme Schuhe.« Tatsächlich hatte sie mit Lauren fast eine halbe Stunde darüber gestritten. Lauren war absolut dagegen gewesen. Sie meinte, ein solcher Stilbruch sei unverzeihlich und einem Mann wie Holden würde so etwas nicht gefallen. Das hatte Imogen nur darin bestärkt, genau diese Boots zu tragen. Außerdem hasste sie Pumps und ihr gefiel der Look mit den Stiefeln.

»Ich find’s gut«, sagte Holden und legte Imogen eine Hand auf den Rücken, um sie zum Wagen zu dirigieren.

Seine Stimme, in Verbindung mit der Hand, ließ ihren Herzschlag kurz aussetzen. Im selben Moment wurde ihr bewusst, dass sie ihn anstarrte und sie blickte schnell zu Boden. Er sah gar nicht so übel aus, das musste sie zugeben. Heute war sein blondes Haar ordentlich zurückgekämmt, aber eine kleine Strähne hatte sich an der Seite gelöst und fiel ihm beinahe ins Gesicht. Imogen unterdrückte den Wunsch, sie zurückzustreichen. Unwillkürlich schüttelte sie den Kopf. Was war bloß mit ihr los? Sie hatte noch nie einem Mann das Haar zurückgestrichen. Überhaupt war sie nicht der Typ für Körperkontakt, nicht einmal bei ihrem Ex-Freund Brad. So war sie eben.

»Willst du nicht einsteigen? Ich beiße nicht.«

Der Klang seiner Stimme holte Imogen aus ihren Gedanken. Sie war so sehr darin versunken gewesen, dass sie nicht einmal gemerkt hatte, wie er die Hand von ihrem Rücken genommen hatte und zur Fahrerseite gelaufen war. Sie stand vor der offenen Autotür und starrte scheinbar ins Leere. Natürlich schoss ihr sofort wieder die Röte ins Gesicht und sie beeilte sich einzusteigen. »Entschuldige. Ich bin ein wenig nervös. Mein letztes Date ist einige Zeit her.«

»Meins auch.« Lächelnd startete er den Wagen.

Alle Gedanken an seine Berührung und die wunderschöne Stimme waren verschwunden. Er log sie dreist an! »Du bist doch ständig mit irgendwelchen Frauen unterwegs.«

Er fädelte sich in den Verkehr ein und warf ihr einen belustigten Blick zu. »Mit denen habe ich aber keine Dates. Und die lassen sich freiwillig von mir küssen.«

Imogen hielt sich die Hände an die brennenden Wangen. Was sollte sie denn darauf antworten?

»Sorry. Ich konnte es mir nicht verkneifen, dich ein wenig aufzuziehen. Du siehst echt süß aus, wenn du rot wirst.«

Er sagte das mit einer Seelenruhe, die Imogen nur noch mehr aufwühlte. Mit Komplimenten konnte sie nicht umgehen. Schon gar nicht, wenn sie von einem Mann kamen, der Dutzende von Frauen in Clubs aufriss. Vermutlich sagte er das nur zu ihr, weil sie eine Fake-Beziehung führten. Dieser Gedankenblitz half ihr, sich wieder halbwegs zu beruhigen. »Du musst mit den Komplimenten erst anfangen, wenn wir in der Öffentlichkeit sind.«

»Ich übe schon mal.«

Den Rest der Fahrt herrschte Schweigen. Imogen wagte es nicht, ihn anzuschauen, und überlegte fieberhaft, was sie sagen konnte. Ihr fiel nichts ein. Zum Glück hielt er bereits zehn Minuten später vor einem vornehm aussehenden Restaurant, stieg aus, ging um den Wagen herum und öffnete die Autotür. »Lächeln«, flüsterte er ihr ins Ohr und legte wieder seine warme Hand auf ihren Rücken. »Wir sind gerade dabei, uns zu verlieben.« Dann streiften seine Lippen ihren Nacken und Imogen erschauderte.

So hatte Brad sie auch oft geküsst. Aber dabei hatte sie nie diesen wohligen Schauer gespürt. Stattdessen war sie oft zusammengezuckt und hatte versucht, so unauffällig wie möglich wegzukommen. Bei dem Kuss gerade hätte sie sich Holden am liebsten entgegengestreckt, damit er länger dauerte. Doch er ging inzwischen neben ihr, öffnete die Tür und sprach jetzt mit der Platzanweiserin.

Man führte sie in einen Alkoven, in dem sie ein wenig abgeschirmt von den anderen Gästen saßen und sie sich so in Ruhe unterhalten konnten. Das viele dunkle Holz und die Marmorfliesen auf dem Boden schüchterten Imogen ein. Außerdem ruhten alle Blicke auf ihnen. Jeder in Seattle wusste, wer Desmond Holden war. Und jeder kannte seinen Ruf. Würde man sie für einen seiner One-Night-Stands halten? Ging er mit denen auch Essen? Wenn sie seinen Worten eben im Auto Glauben schenkte, tat er das nicht. Oder hatte er das nur gesagt, um sie aufzuziehen?

Inzwischen war ein Kellner an ihren Tisch getreten und hatte ihnen die Karte gereicht. Erst jetzt fiel Imogen auf, dass es ein italienisches Restaurant war. Eines, in das sie normalerweise nie gegangen wäre. Auf der Karte standen keine Preise. Das half nicht gerade, ihre Anspannung zu lösen. Sie sah zu Holden. Der saß lässig zurückgelehnt neben ihr und bedachte sie mit einem Blick, den sie nicht einordnen konnte. Sie sollte dringend etwas sagen. Also räusperte sie sich. »Dir haben viele der Gäste zugenickt. Kennst du die alle?«

»Nein.« Er schüttelte den Kopf und wieder löste sich die Haarsträhne. »Das ist der Preis des Ruhms. Auf einmal meint jeder, dich zu kennen.«

»Ist das so?«

Er faltete die Speisekarte zusammen und nickte. »Alle denken, weil sie diesen und jenen Artikel über dich gelesen oder dich auf dem Spielfeld gesehen haben, wissen sie, wer du bist.« Sein offener Blick traf ihren. »Du doch auch.«

»Ich? Ich habe keine Ahnung, wer du bist«, sagte sie mit einem leichten Kopfschütteln.

»Ah, okay. Und Desmond, ich liebe dich, stand auf dem Schild, weil …?«

Mist! Das Schild. Sie wollte nicht zugeben, dass es gar nicht ihres war. Schließlich hätte sie auch gleich mit der Wahrheit rausrücken können. Also sagte sie das Erstbeste, was ihr einfiel: »Weil du heiß bist!« Im selben Moment wünschte sich Imogen wieder mal ein Loch. Etwas Oberflächlicheres fiel ihr nicht ein?

»Oh, danke.« Er zwinkerte ihr zu und fügte dann in leicht sarkastischem Tonfall hinzu: »Das sagt ja wahnsinnig viel über meinen Charakter aus.«

»Nein, so meine ich das nicht«, ruderte sie zurück. »Du bist … ein guter Baseballspieler?«

»Du interessierst dich für Baseball?«

Eine Antwort blieb ihr erst einmal erspart, weil der Kellner kam und ihre Bestellung aufnahm. Es wunderte sie, dass Holden eine Cola bestellte. Aber sie folgte seinem Beispiel. Als der Kellner verschwunden war, musste sie dennoch fragen: »Kein Wein?«

»Ich trinke nicht, wenn ich fahre.«

Das hatte Imogen anders in Erinnerung. Wenn sie nicht völlig falsch lag, war er mehr als einmal betrunken am Steuer aufgegriffen worden. Aber vielleicht gehörte das ja zu der neuen Imagekampagne.

»Du sagtest, du magst Baseball? Ich hoffe, dass ich meinen ERA und OBA halten kann. Auch bei den WPs bin ich ganz gut dabei, aber …« Er unterbrach sich und musterte sie. »Du hast keine Ahnung, wovon ich rede, oder?«

Imogen schüttelte den Kopf. Die Röte in ihrem Gesicht ignorierte sie inzwischen einfach. »Keine Ahnung, was ERAs oder WPs sind, sorry.«

»Okay.« Jetzt verschränkte er die Arme vor der Brust. »Dann ist es auch nicht Baseball. Was liebst du dann an mir?«

Wieder rettete sie der Kellner. Er stellte ihre Getränke ab und fragte nach dem Essen. Holden bestellte Steak und Salat, Imogen Gnocchi in Gorgonzolasoße. Sobald der Kellner wieder verschwunden war, wechselte sie das Thema. »Hast du am College noch was anderes gemacht, außer Baseball?«

Er nickte. »Ich habe Architektur studiert.«

Mit etwas so Handfestem hatte Imogen nicht gerechnet. Das musste man ihr am Gesicht angesehen haben, denn er sagte: »Nicht jeder ruht sich auf seinem Sportstipendium aus.«

Autsch. Aber das hatte sie verdient. »Du bist Architekt?«

»Ich habe einen Master, ja. Überrascht?« Er hatte seine defensive Haltung nicht aufgegeben und saß immer noch mit verschränkten Armen neben ihr.

»Nützt das etwas, wenn du nicht in dem Beruf arbeitest?«