HUBERT HORSTMANN

 

 

Die Stimme der

Unendlichkeit

 

 

KOSMOLOGIEN – SCIENCE FICTION AUS DER DDR, Band 4

 

 

 

Roman

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

DIE STIMME DER UNENDLICHKEIT 

Tolu 

Stimmen aus dem All 

Die Gläserne Stadt 

Die Proximanen 

Taiwepl 

Fragen und Entdeckungen 

Chtol 

Das Schneeland 

Aina 

Araam-Diener 

Die Yoma 

Das Wiedersehen 

Der Sender am Pol 

Die Bjaule 

Sender oder Teleskop 

Durch Raum und Zeit 

 

 

Das Buch

 

Das Raumschiff Tolu empfängt Funksignale unbekannter Herkunft. Die Besatzung ortet diese Radiozeichen und entdeckt einen Planeten. Die Männer landen in der Hoffnung, vernunftbegabte Individuen zu treffen, die ihnen Auskunft über das fremde Sonnensystem geben können.

Seltsame Wesen bereiten ihnen einen prächtigen Empfang.

Zwei Welten begegnen sich...

 

Hubert Horstmanns Debüt-Roman Die Stimme der Unendlichkeit wurde erstmals im Jahr 1966 im Verlag Das Neue Berlin veröffentlicht.

Der Roman – eine Reise durch ein Reich der Phantasie und des Abenteuers – erscheint als durchgesehene Neuausgabe im Apex-Verlag in der Reihe Kosmologien – Science Fiction aus der DDR. 

  DIE STIMME DER UNENDLICHKEIT

 

 

 

 

  Tolu

 

 

Erstes Kapitel

 

 

»...haben wir die vorgeschriebenen Raumkoordinaten erreicht. Abstand vom Objekt null Komma zwei Parsec, Geschwindigkeit konstant. An Bord alles wohl.«

Aufatmend lehnte sich Helo Ryk in den Sessel zurück. Der ausführliche Bericht an den Inneren Kreis – die vereinigten Erde-, Mars- und Venusstaaten – hatte ihn ermüdet. Ein paar Minuten lag er mit geschlossenen Augen und dachte an gar nichts, fühlte nur, wie sich sein Körper langsam und wohlig entspannte.

Aber mit der Wärme, die nun von den Füßen her in ihm emporstieg, kam eine bleierne Schwere. Schon wieder schlafen? Helo sprang auf, lief mit großen Schritten durch das braun getäfelte Arbeitszimmer. Er hatte doch gerade erst achtundvierzig Stunden in künstlicher Ruhe gelegen. War er krank?

Unsinn! Er würde jetzt Berichte und Tonbänder zusammenpacken und in die Steuerzentrale gehen. Die Raumsonde musste gestartet werden.

Es gab eine Menge Arbeit, und er war nicht müde, sondern ausgeruht und frisch.

Aber je länger er sich suggerierte, hellwach zu sein, umso mehr kehrte die Erregung zurück. Seine Hände zitterten, der Puls jagte. Sechs Jahre lang führte er nun das Sternenschiff durch den Raum. Erde, Venus und Mars, Saturn und Pluto lagen weit zurück, die Sonne war längst ein winziger Kristall auf samtschwarzem Grund. In wenigen Monaten würde das Expeditionsziel, das Dreifachgestirn des Alpha Centauri, erreicht sein. Sollte er jetzt aufgeben? Sollte er den anderen erklären: »Ich bin erschöpft, ich kann mich nicht mehr konzentrieren?«

Was ging nur in ihm vor? Manchmal zog es ihn unwiderstehlich zu den Steuerpulten. Irgendetwas in ihm rebellierte gegen die genau vorgeschriebene Fluggeschwindigkeit, gegen den genau vorgeschriebenen Kurs. Ein Kommando, ein Hebeldruck – und die Tolu würde vorwärtsstürmen, der blauen Wega entgegen oder dem strahlenden Sirius. Doch seit sechs Jahren verlief jede Stunde nach einem genau festgelegten Plan. Und das ewige Einerlei ermüdete.

Aber er durfte nicht ermüden. War er nicht Kommodore? War er nicht verantwortlich für den sicheren Flug, für das Leben der anderen elf Besatzungsmitglieder? Er musste sich zusammennehmen.

Vor einem Medikamentenschränkchen blieb Helo stehen. Dort, hinter der Tür aus Mattglas, lagen Tabletten, eine harmlose Droge. Man durfte sie nehmen, ohne erst Holm Ferguson, den Arzt, gefragt zu haben. Sie regte nicht mehr an als ein Glas grüner Tee und half über augenblickliche Missstimmungen hinweg. Helo zögerte, kehrte um. Harmlos oder nicht, diese Droge bedeutete ein Zugeständnis an die eigene Schwäche.

Er setzte sich, überflog noch einmal den Bericht an den Inneren Kreis, zwang sich zur Konzentration. Vergebliche Mühe. Das waren ja alles Fakten, die er schon auswendig kannte: Tabellenwerte, Angaben über die Flugbahn, Tagebuchnotizen.

Helo unterzeichnete den Bericht, rollte die hauchdünnen Bogen zusammen und schob sie in eine schmale Metallröhre. Dann verließ er den Raum, um in die Steuerzentrale zu gehen.

Die Zentrale war leer, nur Pawel Fock, der Mathematiker, saß am Rechentisch des großen Elektronenhirns. Als Helo neben ihn trat, sah er auf, lächelte.

»Gut geschlafen, Kommodore?«

Helo nickte. »Ist die Sonde fertig?«

»Die Sonde schon. Aber... Pearson wollte Sie sprechen, Kommodore, ich glaube, er bittet um Aufschub.«

Helo hob verwundert die Schultern. »Der Termin war doch festgelegt. Alles, was die Erde erfahren muss, steht in den Tabellen oder ist auf Tonbänder fixiert.«

»Nicht alles, behauptet Pearson.«

»Ich werde mit ihm sprechen.« Helo wandte sich ab. Warum nur wollte Pearson Startaufschub?

 

Zweites Kapitel

 

 

Ben Pearson nahm eine Sonderstellung ein. Er konnte seine Forschungsarbeit erst in Angriff nehmen, wenn das Expeditionsziel, das Dreifachgestirn Alpha Centauri, in geringem Abstand umflogen wurde oder wenn sich die Möglichkeit einer Landung ergab. Inzwischen beschäftigte er sich mit speziellen, auch auf der Erde und den Nachbarplaneten noch ungelösten wissenschaftlichen Problemen. Er hatte sich die Aufgabe gestellt, Impfstoffe gegen D32 zu finden, einen Krankheitserreger, der unter den Kolonisten der Venus wütete. Pearson war ins biologische Labor gegangen. Er rieb sich die schmerzenden Augen. Das Licht der Neonröhren spiegelte sich in den Gläsern und Kolben, in den zahllosen Reagenzien, tanzte auf der Zentrifuge, wurde von den Linsen der Mikroskope eingefangen, gebündelt und zurückgeworfen: auf Pipetten und Schälchen, Kühlschlangen und Heizdrähte.

Auch draußen im All war nicht Nacht. Auf den Filtern der Bullaugen leuchteten winzige, tiefgrüne Scheiben – Fixsterne; Helios, die heimatliche Sonne, war unter ihnen.

Die Sonne – Pearson kannte ihre verschiedenen Gesichter. Immer auf der Suche nach schwierigen Aufgaben, hatte er im Polarkreis und in den Tropen gelebt, im Himalaja und auf interplanetaren Stationen. Und jedes Mal war sie ihm anders erschienen: blutrot, scharf abgegrenzt gegen den stahlblauen Himmel, über der Marsstadt Meroe, als riesiger, weißglänzender, flimmernder Ball über den Venussümpfen. Nur – damals hatte er wenig Zeit gehabt, das Farbenspiel der großen Himmelsleuchte, zu beobachten.

Als eines Tages unter den Kolonisten der Venus eine Epidemie ausgebrochen war, hatten ihn Tag um Tag, Woche um Woche Streifzüge in die heißen Sümpfe, die Brutherde des Erregers, geführt, und er musste schließlich einen Tadel des Konvents, des höchsten wissenschaftlichen Gremiums der vereinigten Planeten, über sich ergehen lassen, weil er bis in die Seuchenzentren vorgedrungen war.

»In den Sümpfen, die D32 hervorbringen, liegt auch ein Schutzstoff gegen den Erreger«, hatte er dem Konvent geantwortet. »Es kann sich um irgendeine Substanz in den Ästen der aufgedunsenen Schachtelhalme, aber auch um eine besondere Verbindung im Blut der höheren Lebewesen handeln. Erlauben Sie mir weiterzuforschen!«

Aber alles Suchen war vergeblich gewesen. Die Seuchenherde waren isoliert, riesige Moorlandschaften trockengelegt, Kanäle bis in die entlegensten Winkel vorgetrieben worden. Doch einen Impfstoff gegen die Mikrobe D32 hatte niemand entdeckt. War sie immun gegen alle chemischen Verbindungen?

Pearson beugte sich noch einmal über das Mikroskop. Da lagen sie vor ihm: Gebilde aus Protoplasma, zart und durchsichtig, als ob sie die Morgendämmerung des Planeten Venus hervorgebracht hätte – nun unfähig zur Teilung. Es gab keinen Zweifel, D32 war besiegt!

Er blätterte in den Aufzeichnungen des Labortagebuches, verfolgte in Gedanken die Versuchsreihen, die er seit dem Start der Tolu durchgeführt hatte. Sein Ausgangspunkt waren die letzten Ergebnisse einer Spezialisten-Gruppe von der Erde gewesen. Zwei Jahre lang hatte er sich vergeblich bemüht, dann einen anderen Weg eingeschlagen. Vielleicht waren sie im Inneren Kreis längst zu demselben Ergebnis gekommen. Das zentrale Mikroben-Institut auf Hawaii verfügte über modernste Ausrüstungen und Hunderte begabter Spezialisten. Aber vielleicht hatten sie sich weiter um eine direkte Vernichtung des Erregers bemüht, anstatt den indirekten Weg zu gehen: Verhinderung der Zellteilung.

Pearson trank eine Büchse Kondensmilch, löschte das grelle Neonlicht und schaltete ein Tonbandgerät ein. Er sprach langsam und diktierte die wichtigsten Formeln doppelt.

»...Meine Laborversuche sind damit abgeschlossen. Ich wünsche Ihnen Erfolg bei der Anwendung des Impfstoffes«, sagte er zum Schluss. Er schaltete das Gerät aus, nahm das Band ab und legte es in eine Kassette. Er lächelte. Das Ergebnis sechsjähriger harter Arbeit in einem, daumengroßen Metallgehäuse!

Auf dem Weg in die Steuerzentrale traf Pearson mit Helo Ryk zusammen. Sie verständigten sich mit kurzen Worten.

Helo atmete auf, als er vernahm, dass die Sonde nun doch planmäßig starten könne. Er sah auf seine Uhr. Planmäßig, das hieß in knapp drei Stunden. »Bringen Sie das Tonband in die Schleusenhalle«, bat er den Biologen, »ich wecke gleich die Besatzung.«

Es war gut, das Expeditionsprogramm genau zu befolgen. Man durfte keine Abweichungen zulassen. Geschah das auch nur ein einziges Mal, dann würde die Verlockung nach einem zweiten und dritten Verstoß unerträglich wachsen, würde sich ein Ventil suchen. Und das Ventil konnte ein Befehl an den Steuerautomaten sein, den Kurs zu ändern und hinauszujagen in den unendlichen Sternenraum, aus dem es kein Zurück gab. Helo fröstelte bei diesem Gedanken.

Am biologischen Labor vorbei gelangte er in den Club, in dem die Kosmonauten gewöhnlich einen Teil ihrer Freizeit verbrachten. Aus dem samtenen Dunkel leuchteten ihm von einer ovalen Tafel rote und grüne magische Augen entgegen. Jedem Besatzungsmitglied war ein solches Auge zugeordnet, und an der Farbe konnte man erkennen, ob der Betreffende im Dienst war, Freizeit hatte oder schlief. Seit drei Wochen lagen der Astronom Hirano, der Physiker Sven Roger und der Geologe Foster in künstlicher Ruhe; seit wenigen Tagen erst der Mechaniker Norris, der Arzt Holm Ferguson, der Kybernetiker Jan Mayen und Sadko, der Funker.

Als Helo die Tasten mit den Namen der Gefährten berührte, schalteten sich in deren Schlafkabinen Weckautomaten ein, die den Dauerschlaf mithilfe anschwellender akustischer Reize in einen Dämmerzustand überführten, dem das unmittelbare Erwachen folgt. Immerhin benötigte dieser Vorgang eine ganze Stunde. Der Organismus musste sich den neuen Verhältnisse allmählich anpassen. Schon geringe Überschreitungen des errechneten Maximums an Reizeinwirkung konnte die sensorischen Nervenfelder des Erwachenden erheblich stören.

Vom Club aus kletterte Kommodore Ryk hinab in die Schleusenhalle, um den Mechanikern Nyland und Venturelli letzte Anweisungen für den Start der Sonde zu geben.

Die Raumsonde lag bereits in einem Transportaufzug, der sie in wenigen Minuten auf das Oberdeck der Tolu bringen konnte, wo sich die Abschussrampe befand. Helo nickte zufrieden. Es war alles vorbereitet.

Als er in die Zentrale zurückkehrte, fand er Pawel Fock, Pearson und die Mechaniker in ein Gespräch vertieft, und er hörte den Biologen sagen: »Alles habe ich darangesetzt, meine Aufzeichnungen bis zum vorgesehenen Termin abzuschließen, und nun reden Sie doch von Aufschub, Pawel?«

»Eine Verzögerung von Tagen, um Monate einzusparen«, erklärte der Mathematiker.

Helo blieb unwillkürlich stehen. Immer noch Aufschub?

»Sie wissen doch selbst am besten, dass Ihr Impfstoff Menschenleben retten kann«, fuhr Pawel Fock fort. »Er muss so schnell wie möglich in den Inneren Kreis....Nun ist unsere Raumsonde als Einstufen-Rakete gebaut. Kurz nach dem Start erreicht sie ihre höchste Geschwindigkeit, fliegt dann antriebslos weiter und wird in gut sechs Jahren am Ziel sein. Wir könnten diese Zeitspanne verkürzen, indem wir einen zweiten Treibsatz einbauen, der unterwegs gezündet wird.«

Pearson rieb sich die Hände. »Warum sagen Sie das nicht gleich? Also fangen wir doch an!«

»So einfach ist das eben nicht«, meldete sich jetzt Venturelli. »Wir haben nur noch zwei Sonden an Bord, und die zweite darf – laut Programm – erst gestartet werden, wenn wir das System der Centauren erreicht haben. Pawel hat sich unklar ausgedrückt. Wir müssten die beiden Sonden koppeln, das heißt das Programm abändern.«

Helo glaubte seinen Ohren nicht trauen zu können. Er trat hinter der Säule, die ihn verdeckt hatte, hervor. »Das kommt natürlich gar nicht in Frage«, sagte er und bemühte sich, ruhig zu erscheinen. »Das Programm...«

»...sollte nicht als starres Schema aufgefasst werden«, fiel ihm der Mechaniker unbekümmert ins Wort.

Auch Nyland drängte: »Der Impfstoff kann Menschenleben retten.«

»Auf jeden Fall muss Venturellis Vorschlag gründlich diskutiert werden«, sagte Pawel Fock.

»Das ist doch Zeitverschwendung!« Helo wandte sich brüsk ab, besann sich aber. »Berufen wir also eine Bordversammlung ein!«

Drittes Kapitel

 

 

Ben Pearson saß neben Pawel Fock, Venturelli und Nyland im Club und wartete auf die Gefährten. Er war ein wenig aufgeregt. Wenn die Besatzung Venturellis Vorschlag genehmigte, konnte der Impfstoff einige Monate früher angewendet werden. Der Konvent würde sofort alle notwendigen Maßnahmen in die Wege leiten und die großen Laboratorien auf Hawaii mit der Herstellung der chemischen Verbindung beauftragen. Nicht nur die an D32 Erkrankten, sondern alle Venussiedler mussten geimpft werden. Wenn es die Besatzung genehmigte...

Pearson zuckte plötzlich zusammen. War es denn überhaupt möglich, die Raumsonde...

»Die Sonde wird doch von interplanetaren Kursmaschinen abgefangen, bevor sich die Anziehung der äußeren Planeten störend auf die Flugbahn auswirkt«, wandte er sich hastig an Pawel Fock. »Werden die Maschinen an Ort und Stelle sein, wenn die Sonde früher als geplant eintrifft?«

»Auf jeden Fall. Sie strahlt Signale aus, die Erde, Mars und Venus, außerdem die interplanetaren Stationen Sol eins bis dreizehn empfangen werden. Und selbst wenn die Abfangmaschinen nicht rechtzeitig zur Stelle sind, brauchen wir nichts zu befürchten. Spezielle Korrekturraketen lenken die Sonde in eine elliptische Bahn um die Sonne. Sie kann dann jederzeit mühelos geborgen werden.«

Pearson warf einen verstohlenen Blick auf Venturelli und lehnte sich zurück. Vor dem jungen Chefmechaniker gab er Wissenslücken nicht gerne zu. Er hatte ihn als Sechzehnjährigen in den Venussümpfen kennengelernt und fühlte sich noch jetzt als väterlicher Freund und Ratgeber. Aber er musste auf der Hut sein, denn Venturelli nahm jede Gelegenheit wahr, den Spieß umzudrehen und zu beweisen, dass er, der Biologe, im kosmischen Raum unerfahren sei und eine väterliche Aufsicht durch ihn, den Jüngeren, brauche.

Aber Venturelli schien den kurzen Wortwechsel mit Pawel Fock gar nicht bemerkt zu haben. Er zeichnete irgendwelche Figuren auf ein Blatt Papier und kritzelte Zahlenkolonnen auf ein anderes.

Als erster der Gefährten, die von Helo Ryk geweckt worden waren, betrat der Arzt Holm Ferguson den Club. Er gab Pearson bewegt die Hand. »Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass Sie so schnell zum Ziel kommen, Ben. Vor einigen Tagen sagten Sie mir noch, dass wenig Aussicht bestehe, die Versuche mit D32 bis zum Start der Sonde abzuschließen...« Und mit einem strengen Unterton in der Stimme: »Wahrscheinlich haben Sie wieder pausenlos gearbeitet, die Ruhezeiten nicht eingehalten. Ich werde Sie nachher gründlich untersuchen, und spätestens morgen beginnen Sie eine längere Schlafkur.«

Pearson lachte. »Was halten Sie von Wechselbädern? Bringen Sie lieber unseren jungen Chefmechaniker ins Bett.«

In kurzen Abständen trafen nun die übrigen Besatzungsmitglieder ein. Zuletzt kam Helo Ryk.

»Ich bitte Sie, über folgendes Problem zu beraten«, sagte er ohne Einleitung und schilderte die Situation, die sich nach Pearsons Entdeckung ergeben hatte. »Pawel Fock und Venturelli schlagen vor, die beiden Sonden zu koppeln. Ich möchte zunächst meine Bedenken vorbringen.

Programmgemäß haben wir die Sonden Nummer eins bis zehn gestartet. Sie werden den Inneren Kreis über den Verlauf der Expedition und über die bisher gewonnenen Erkenntnisse unterrichten. Mit Nummer elf ist die ganze Serie abgeschlossen. Nummer zwölf bildet insofern eine Ausnahme, als sie weniger über den Flug der Tolu als vielmehr erste Einzelheiten über die Sternengruppe Alpha Centauri, unser Forschungsobjekt, mitteilen soll, also das, was den Inneren Kreis eigentlich interessiert.

Vielleicht darf ich den Sachverhalt etwas überspitzt so formulieren: Angenommen, wir haben – nachdem Sonde Nummer zwölf planmäßig gestartet ist – eine Havarie, kehren nicht mehr zurück, so bleiben dem Inneren Kreis unsere Informationen über die Sternengruppe, so hatte die Expedition doch einen gewissen Erfolg. Aber sie war umsonst, vergebliche Mühe, wenn wir weder die Sonde planmäßig starten noch selbst zurückkehren.«

»Richtig, sehr richtig!«, stimmte Hirano, der Astronom, lebhaft zu. »Das Dreifachgestirn Alpha Centauri muss erforscht werden. Die Menschheit erwartet neue astronomische und astrophysikalische Erkenntnisse von uns. Es geht um einen gesellschaftlichen Auftrag! Wir sollten ihn erfüllen und alles beiseitelassen, was uns davon abhält!«

»Nein, so darf es eben nicht sein!« Pawel Fock sprang auf. »Unsere Expedition darf nicht als Selbstzweck betrachtet werden. Unsere Forschungsergebnisse werden die Wissenschaft bereichern, aber jetzt, in diesem Augenblick, haben wir die Möglichkeit – und ich meine die Pflicht! –, uns unmittelbar nützlich zu machen, den Venussiedlern zu helfen.«

Hirano gab sich nicht geschlagen. »Scharen von Wissenschaftlern, das Mikroben-Institut auf Hawaii und die Zweigstellen auf der Venus waren damit beschäftigt, ein Serum gegen D32 zu entwickeln. Liegt nicht die Vermutung nahe, dass man dort längst zu den gleichen Ergebnissen gekommen ist wie Kollege Pearson?«

»Jeder von uns hofft, dass es so ist, aber wir haben keine Gewissheit. Und wenn ich mir vorstelle, dass Pearsons Impfstoff auch nur ein Menschenleben rettet, dann betrachte ich unsere Expedition – im Gegensatz zu Ihnen, Helo – schon jetzt nicht mehr als vergeblichen Aufwand, auch wenn wir Alpha Centauri nicht erreichen sollten, sondern aus irgendeinem Grunde umkehren müssten.«

Pearson verfolgte die Diskussion mit Unbehagen. Irgendwie fühlte er sich schuldig. Er hätte schneller arbeiten, den Impfstoff einige Monate früher, bis zum Start der zehnten Sonde herstellen müssen. Andererseits konnte er Hirano nicht begreifen. Menschenleben standen auf dem Spiel. Mussten in einem solchen Falle Informationen über Schwerefelder und Strahlungsverhältnisse, Trabanten und die Struktur der Materie des Alpha Centauri nicht zurückstehen?

Wie würden sich die Gefährten entscheiden? Kommodore Ryk schien von Pawel Focks Worten beeindruckt. Holm Ferguson – er sprach gerade – unterstützte Pawel ohne Vorbehalt. Auch Nyland, Norris, Foster und Jan Mayen nickten zustimmend. Aber Venturelli schien völlig abwesend. Er hatte doch vorgeschlagen, die Sonden zu koppeln. Warum äußerte er sich nicht? Er zeichnete und kritzelte Zahlen, als ginge ihn die ganze Angelegenheit nichts an.

Dieses seltsame Verhalten verwirrte Pearson. Er versuchte herauszufinden, was der Chefmechaniker da kritzelte, und achtete kaum noch auf die Diskussion. Aber Venturelli verdeckte die Blätter mit seinen Händen und lächelte nichtssagend.

»Kommen wir also zu technischen Einzelheiten!« Sven Rogers tiefe Stimme unterbrach Pearsons Grübelei. Technische Einzelheiten? Er sah überrascht auf. Der Atomphysiker stand vor einer Tafel und entwarf mit wenigen Kreidestrichen einen schematischen Querschnitt der Raumsonde. Die Gefährten hatten Notizbücher aufgeschlagen.

»Es erscheint mir unvorteilhaft und beinahe leichtsinnig, den zweiten Treibsatz später zu zünden«, erklärte Sven Roger. »Erfahrungsgemäß weichen die Sonden von der vorgeschriebenen Bahn ab, wenn sie unseren Leitstrahl verlassen, das heißt nach einem bis anderthalb Lichtjahren. Der Fehler ist allerdings so geringfügig, dass sie immer noch in den Anziehungsbereich der Sonne und der großen Planeten Saturn und Jupiter gelangen.

Diesmal aber liegen die Verhältnisse anders. Wird der zweite Treibsatz gezündet, nachdem die Sonde schon abgewichen ist, so vergrößert sich der Fehler um ein mehrfaches, der neue Schub wirkt nicht längs der gewünschten Geraden, sondern auf einer unerwünschten Flugbahn...

Wir müssen den zweiten Treibsatz also zünden, solange wir die Sonde noch mittels Leitstrahl lenken können. Am besten wäre natürlich, wir zündeten ihn zusammen mit dem ersten. So erreichten wir eine sehr hohe Anfangsgeschwindigkeit. Aber dabei tritt wieder eine andere Frage auf...«

»Nämlich die, ob unsere Startrampe solchen Anforderungen gewachsen ist!«, rief Hirano. »Und gerade das möchte ich bezweifeln. Aber noch mehr: Wird die Tolu nicht zu Schaden kommen? Gut, gut, das Oberdeck ist als Startbahn konstruiert, besonders gehärtet, isoliert und so weiter. Aber ein doppelter Treibsatz verlangt doppelt hohe Sicherungsmaßnahmen. Denken Sie an die Strahlung, den Feuerschweif, die Verbrennungsgase...«

»Sie dürfen sich beruhigen, es wird nichts geschehen.« Venturelli lächelte spöttisch. Er erhob sich von seinem Platz, ein paar Blätter in der Hand, und lief mit langen Schritten durch den Club. »Andere Leute können nämlich auch denken!«, sagte er bissig, als er an Hirano vorbeikam.

Venturelli fuhr mit einem Schwamm über die Tafel, löschte Sven Rogers Sonderquerschnitt aus und deutete mit wenigen Strichen die Schleusenhalle an und ein Gebilde, das wie eine ausgestreckte Hand aussah und durch die äußeren Schotten weit in den freien Raum hinausragte.

»Ich habe folgenden Plan: Wir verlegen die Startrampe vom Oberdeck auf die Endpunkte eines Trägers, sodass sie, sagen wir, achtzig bis hundert Meter vom Schiffskörper entfernt ist. Wir nehmen das künstliche Gravitationsfeld weg und transportieren die Sonde auf die Rampe. Aus hundert Meter Entfernung dürfte jeder Raketenstart, auch mit einem drei- und vierfachen Treibsatz, gefahrlos für die Tolu sein, denn dazwischen liegt leerer, materiefreier Raum, der weder Temperaturen noch irgendwelche Druckwellen leitet... Zufrieden, Hirano?«

Viertes Kapitel

 

 

»Bitte Uhrenvergleich!« In den Bordlautsprechern ertönte Kommodore Ryks Stimme. »Es ist jetzt sechs Uhr zwei Minuten. Norris, Nyland und Venturelli, Sie gehen zu Pearson in die Schleusenhalle, alle anderen nehmen ihre Plätze ein. Sechs Uhr vierzig Minuten nimmt Hirano das Schwerefeld weg...«

Der glänzende Raumkörper lag auf der Startrampe. Er war genau sechzig Meter lang und maß vier Meter fünfzig im Durchmesser. Das hatte Pearson zuerst festgestellt. Viel mehr konnte er auch nicht entdecken, denn die Sonde unterschied sich kaum von ihren Vorgängerinnen. Sie war eben nur um ein Drittel länger und wirkte deshalb noch graziler, zerbrechlicher. Und auf ihrem Bug leuchteten statt eines Kennzeichens zwei: AS 11/AS 12 TOLU EXPEDITION. Pearson war ein wenig enttäuscht. Er wusste selbst nicht warum, aber er hatte sich etwas Großartiges, Außergewöhnliches vorgestellt.

Nun wartete er auf die Gefährten. Über einen großen Bildschirm konnte er die Steuerzentrale beobachten. Gerade schaltete Kommodore Ryk die Deckenbeleuchtung aus. Die roten, grünen und gelben Kontrolllämpchen, die magischen Augen der Rechenmaschinen und die Geräteskalen brachten ein fahles Dämmerlicht hervor. Pawel Fock und Sven Roger lehnten über einem Schaltpult, ganz im Hintergrund zeichnete sich die hagere Gestalt des Astronomen ab.

Als Venturelli, Nyland und Norris in die Schleusenhalle kamen, wurde Pearson aufgeregt. Nur noch wenige Minuten bis zum Start! War die Anlage überhaupt erprobt worden? Funktionierte sie? Nur ein winziger Konstruktionsfehler, und die Sonde würde vom Kurs abweichen oder gar auseinanderbrechen! Er war Biologe und kein Raketenspezialist, aber er wusste, dass hin und wieder Fehlstarts vorkamen.

»Ziehen Sie die Skaphander an und prüfen Sie die Sprechverbindung!«, rief Helo Ryk aus der Steuerzentrale.

Pearson kroch in seinen Raumanzug und schloss den Helm. »Pearson Empfang!«, meldete er.

»Venturelli Empfang.«

Die anderen meldeten sich ebenfalls.

»Befestigen Sie die Halteseile! Nyland, die Mittelschotten schließen!«

Der Mechaniker drückte auf einen Knopf. Mit leisem Surren schoben sich die durchsichtigen Mittelschotten zwischen den äußeren und den inneren Hallenraum, riegelten die Sonde und die vier Kosmonauten hermetisch vom inneren Raumschiff ab. Vakuumpumpen begannen die Luft abzusaugen.

»Pearson, sobald die Rampe ausgefahren ist, verbinden Sie die Schneidbrenner mit den Gasbehältern. Achten Sie auf die Farben, der Sauerstoff ist grün gekennzeichnet, der...«

»Schon gut, schon gut; ich werde wohl noch die Behälter unterscheiden können.«

»Achtung, es ist sechs Uhr fünfundzwanzig. Raumsonde klar, Nyland?«

»Klar.«

»Öffnen Sie die äußeren Schotten, Venturelli«, befahl Helo Ryk.

Pearson erlebte nicht zum ersten Male einen Sondenstart. Aber diesmal wollte er alles möglichst genau und vollständig sehen. Er schaltete einen Außenschirm ein und richtete ihn auf das Mittelschiff. Er hatte nun den Eindruck eines Beobachters, der sich im freien Raum befand. Gerade öffnete sich die mattschimmernde Haut der Tolu, und während die Schotten immer weiter auseinanderrückten, kam die Plattform zum Vorschein, die wie auf einer ausgestreckten Hand die von Scheinwerfern angestrahlte gleißende Sonde trug. Der schwenkbare Arm verlängerte sich zusehends und drehte dabei die Sonde, bis sie parallel zum Schiffskörper lag. Je weiter sie sich nun entfernte, desto mehr ähnelte sie einem langgestreckten, blitzenden Kristall auf samtschwarzem Hintergrund. Dieses Bild überwältigte Pearson. Er vergaß seinen Auftrag.

»Die Schneidbrenner anschließen, Ben!«, mahnte Helo Ryk.

Ausgerechnet jetzt. Jeden Moment konnte die Sonde starten! Pearson wandte sich um. Wo lagen denn nun die verflixten Brenner wieder? Ach, die waren ja mit der Plattform ausgefahren worden. Nur die Gasschläuche sollte er anschließen. Hastig zog er die armdicken, dutzendfach verstärkten Kabel zu den Gasbehältern. Sauerstoff ist grün gezeichnet, erinnerte er sich. Aber welche Farbe hat doch... Er war plötzlich wie vor den Kopf geschlagen. Eine ganze Batterie gleich aussehender Behälter stand vor ihm. Und er hatte die Kennfarbe vergessen!

»Fünfzehn... vierzehn«, zählte Kommodore Ryk.

Noch vierzehn Sekunden bis zum Start!

»Dreizehn... zwölf...«

Kurz entschlossen öffnete Pearson den Deckel des nächsten Behälters. Aber er hatte Pech – destilliertes Wasser. Auch im zweiten und dritten: Wasser.

»Neun... acht...«

Da, das war der richtige Behälter: rote Stahlflasche. Her mit dem Kabel! Ein paar Gewindedrehungen... Fertig! Als Helo Ryk die dritte Sekunde ansagte, stand Pearson wieder vor dem Bildschirm.

Die Öffnung in der Haut der Tolu hatte sich bis auf einen schmalen Spalt geschlossen.

»Achtung, ich nehme das Schwerefeld weg!« Hiranos Stimme.

»Sechs Uhr einundvierzig... Start!«

Eine grelle Stichflamme schoss aus dem Heck der Sonde, wuchs, blähte sich auf. Noch lag die Sonde ruhig. Jetzt erhob sie sich ein wenig, schwebte über der Plattform – und stürzte mit ungeheurer Geschwindigkeit in den Raum hinaus. Wenige Sekunden später war sie nur noch ein winziges, flackerndes Pünktchen, das immer mehr zusammenschrumpfte.

Vorbei.

Pearson schwitzte am ganzen Körper. Hatte ihn jemand bei den Behältern beobachtet? Anscheinend nicht. Aber Venturelli sah ihn so merkwürdig an. »Los, vorwärts, gehen wir schweißen«, sagte Pearson forsch, um dem Chefmechaniker zuvorzukommen.

»Sachte, sachte, Ben. Erst müssen ja wohl die Schotten geöffnet werden. Und dann gehen wir schneiden, nicht schweißen.«

Als sich die Luke öffnete, schritten sie zu viert in den freien Raum hinaus, nur durch die magnetischen Sohlen der Skaphander mit dem Steg verbunden. Die Startrampe war völlig zerstört worden. Armdicke Metallträger ragten als zerschmolzene und wieder erstarrte, unförmige Gebilde aus einem Wust von zerfetzten Kabeln und geknickten halbzölligen Platten. Scharfkantige Schlackenstücke mussten aus dem Weg geräumt werden.

Nach knapp achtzig Schritten beugte sich Venturelli, der an der Spitze gegangen war, zur Seite, öffnete eine in den Träger eingelassene Klappe, zog die Schneidbrenner heraus und verteilte sie. Den letzten gab er Pearson. »Bin mächtig gespannt, wo Sie die Kabel angeschlossen haben.«

»Ich wünschte, aus Ihrem Brenner käme Nitroglyzerin«, zischte Pearson. »Müssen Sie immer tratschen wie ein altes Weib?«

»Aber Ben, was ist nur mit Ihnen los?« Der Mechaniker lächelte. »Reichen Sie mir doch mal Ihre Hand!«

Pearson, der nichts Arges vermutete, streckte den rechten Arm aus, und ehe er sich dessen versah, hatte ihn der Mechaniker gepackt. Der Biologe stand nun frei im Raum, unter sich die bodenlose Tiefe.

»Wenn ich Sie jetzt loslasse, landen Sie in zehntausend Jahren vielleicht im Indischen Ozean!«, rief Venturelli.

Aber Pearson hatte sich bereits gefangen. »Lassen Sie gefälligst den Unsinn, Sie Kind«, brummte er, wütend über seine eigene Unsicherheit.

Nachdem sie die sperrigen Teile abgetrennt und auf die Rampe gelegt hatten, begaben sich die vier Kosmonauten auf den Rückweg zur Schleusenhalle. Pearson hatte die Schotten fast erreicht, als er mehrere kopfgroße Gegenstände vor sich auftauchen sah. »Meteoriten!«, konnte er gerade noch rufen, dann verspürte er einen harten Schlag und wurde seitlich über den Steg geschleudert. Er hatte das Gefühl, unendlich lange zu fallen. Dann verlor er die Besinnung.

Er wusste nicht, wie lange dieser Zustand gedauert hatte, als er mit einem dumpfen Druck in der Schläfengegend erwachte. Etwas Feuchtwarmes tropfte von seiner Stirn. Er wollte es wegwischen, konnte aber die Arme nicht bewegen. Erst als er ein schnarrendes Geräusch dicht an seinen Ohren vernahm, wurde ihm klar, dass er Kopfhörer trug und in einem Skaphander steckte. Da fiel ihm der Sturz ein. Jemand rief seinen Namen. Er öffnete die Augen und sah schräg über sich den matt schimmernden Leib der Tolu.

»Ben, wo sind Sie? Hören Sie mich?«, schnarrte es in den Kopfhörern. Er erkannte Venturellis besorgte Stimme.

»Hallo, Ben, wo sind Sie? Melden Sie sich doch!«

»Schreien Sie nicht so, ich bin nicht taub«, knurrte Pearson ärgerlich. Ausgerechnet Venturelli. Der würde ihn nachher schön aufziehen. »Ich hänge direkt unter Ihnen, wenn Sie gestatten.«

»Unter mir?«, fragte der Chefmechaniker hörbar erleichtert. »Wir dachten schon, es sei Ihnen etwas zugestoßen.«

»Zum Teufel, ein Meteorit hat mich erschlagen. Vielleicht haben Sie nun endlich die Güte und fangen mich wieder ein.«

»Nicht nötig, Ben. Sie sind ja angeseilt. Haben Sie einen Augenblick Geduld. Hirano schaltet eben das Schwerefeld wieder ein.«

Als Pearson kurze Zeit später in der Schleusenhalle stand, starrte er verwundert um sich. Eissplitter unterschiedlicher Größe waren über den ganzen Boden verstreut.

»Ihre Meteoriten, Ben«, erklärte Nyland. »Ich frage mich bloß, woher sie kommen.«

In Pearson dämmerte eine Ahnung. »Ich könnte mich ohrfeigen«, gab er kleinlaut zu. »Vorhin, als ich die Kabel anschließen wollte, habe ich nicht gleich den richtigen Behälter gefunden. Im ersten, zweiten und dritten war destilliertes Wasser. In der Eile habe ich sie wohl nicht wieder verschlossen.«

»Als Hirano das Schwerefeld wegnahm, machte sich das Zeug selbständig, gefror aber gleich. Einige von diesen Splittern sind gegen die Wände geprallt und von da hübsch durch die Luke nach draußen gewandert«, folgerte Venturelli. »Was Ihnen da an den Kopf geflogen ist, Ben, war ein solider Eisbrocken. Stellen Sie sich vor, er hätte Ihren Skaphander durchschlagen, dann wären Sie jetzt eine gefrorene Mumie!«

  Stimmen aus dem All

 

Erstes Kapitel

 

 

Unschlüssig ging Helo Ryk in seinem Zimmer auf und ab. Bald würden die Centauren erreicht sein, dann musste eine Parabel geflogen, das Raumschiff beschleunigt werden. Bis dahin sollte er schlafen.

Schlafen?

Er war nicht müde.

Er nahm ein Buch aus dem Regal, blätterte, überflog Formeln, Skalen, Skizzen, legte es wieder zurück, nahm wahllos ein zweites – Poetische Betrachtungen über den Raum – von einem unbekannten Dichter der alten Zeit. Helo lächelte.

Er schlug die erste Seit auf.

»Allgegenwärtige Unendlichkeit: Am fernen Horizont, wo sich zerrissene Gebirge aufbäumen, ist sie ebenso unerreichbar wie auf dem Grund der Lotosblume vor dir... Denn was siehst du? Einen feingeschwungenen Kelch, dessen Weiß morgen im Sumpf faulen wird. Vergänglich... Und über dir? Stahlblauer Himmel, eintönig in seiner Wiederkehr. Grenzen... Aber es gibt ein Tor in die Unendlichkeit. Du kennst es!«

Helo hatte plötzlich das Verlangen, die Sterne zu sehen. Er nahm die Lichtfilter von den Bullaugen und setzte sich in einen Sessel. Dünne Kristallfäden drangen in das Arbeitszimmer, zeichneten weiße Kringel auf Fußboden und Regale.

Er sah sich auf dem Raumflughafen in Rhodesien. Die hell angestrahlten Betonbahnen verloren sich nach Osten hin in den Schatten der Tropennacht. Draußen ragte der Dschungel. Das Institut, das Rechenzentrum und die Parkanlagen mit ihren Sprungfontänen und hellen Marmorstatuen waren wie von einem matten Glanz überzogen.

Nacht – Tor in die Unendlichkeit. Sie schlägt Brücken zu den entferntesten Welteninseln, vorbei am engen Kreis der Planeten. Sirius, der weiße Doppelstern, alles überragende klassische Schönheit...

Mit acht Jahren kannte Helo Ryk alle Legenden, in denen menschliche Phantasie ihr Netz um die Sterne knüpfte. Aber erst später, als er mit Tabellenbüchern, astronomischen Einheiten und dem Teleskop umzugehen wusste, fühlte er jene beunruhigende Sehnsucht, die ihn immer wieder an das Okular trieb. Zuerst hatte ihn die blaue Wega in ihren Bann gezogen, dann das Kreuz des Südens.

Als junger Pilot zwischen Erde und Venus glaubte Helo, die letzte Sprosse des Glücks erreicht zu haben. Doch er fühlte sich bald eingeengt, begrenzt durch die genau festgelegten Flugrouten. Wenn er hinter dem Schaltpult seiner Kursmaschine saß, die fast selbständig ihr Ziel anflog, spürte er Kräfte in sich brachliegen, die nach Betätigung drängten. Dazu kamen die vorgeschriebenen Ruhezeiten von mehreren Tagen zwischen jedem Einsatz. Hatte er so lange studiert, um ins Sanatorium zu gehen?

Und von Woche zu Woche wurde der Wunsch stärker, eine Arbeit zu finden, die ihn ganz ausfüllen könnte. Er bewarb sich um eine Stellung als Mechaniker in den äquatorialen Sümpfen der Venus, aber da drängten sich Hunderte andere, junge Menschen wie er selbst, die darauf brannten, mit der nackten Natur zu ringen.

Gab es keinen Platz für ihn?

Er stellte sich diese Frage oft; und einmal, es war in einem Sanatorium am Mittelmeer, stellte er sie einem Urlaubsgefährten, einem bekannten Biologen. Er hatte schon seit Tagen beobachtet, dass sich der Biologe – statt zu baden und zu promenieren, wie es die Vorschriften verlangten – mit Büchern, die er unter dem Jackett versteckte, in eine abgelegene Fischerhütte stahl.

»Ich beneide Sie, Kollege Pearson«, hatte er ihn angesprochen. »Ihr Beruf muss sehr interessant sein, da Sie selbst im Sanatorium arbeiten. Ich...«

Der Biologe fuhr erschrocken zusammen.

»Machen Sie nicht solchen Lärm! Wer sind Sie, was wollen Sie?«

Helo erklärte es ihm.

»Reden Sie doch nicht dauernd von Arbeit, Sie machen ja die Pflegerinnen aufmerksam«, sagte Pearson. »Kommen Sie, wir gehen ein Stückchen hinunter zum Strand, wo uns niemand hört.«

Er sei auf Anweisung des Konvents hier, weil er es sich nicht angewöhnen könne, die – seines Erachtens – völlig überflüssigen Erholungstage einzuhalten, hatte er dann erklärt. Ein gewisser Holm Ferguson, Mitglied der Welthygienekommission, habe ihn in den Venussümpfen aufgesucht und herausgefunden, dass er seit Monaten pausenlos arbeite. Der Arzt habe ihm schließlich einen Zwangsurlaub am Mittelmeer aufgebrummt, viel Gymnastik, ausgedehnte Spaziergänge und Bäder empfohlen. Er denke aber gar nicht daran, seine Zeit mit Atemübungen und Bocksprüngen zu vergeuden, solange er das Geheimnis um die Mikrobe D32 nicht gelüftet habe.

Ob er ihm nicht eine Stelle als Mechaniker in den Venussümpfen verschaffen könne, fragte Helo.

»Als Mechaniker?« Pearson blieb verwundert stehen. »Ich denke, Sie sind Pilot? Besuchen Sie die Raumflugakademie, studieren Sie Mathematik, Kybernetik, Astrophysik... Bald werden wir Flugtechniker brauchen, die etwas mehr können als nur eine Kursmaschine steuern. Der Konvent plant große Projekte. Möchten Sie die Centauren besuchen oder den Sirius? Sie haben doch alle Chancen, junger Mann... Eine Mechanikerstelle? Langeweile? Nanu...«

Helo hatte selbst schon daran gedacht, die Raumflugakademie zu besuchen, aber der Gedanke war ihm vermessen erschienen. Nur die besten und erfahrensten Piloten wurden dort aufgenommen.

»Komplexe? Kein Selbstvertrauen? Nun werden Sie mir aber unsympathisch! Machen Sie doch wenigstens einen Versuch!«

Einige Monate später war Helo Zögling der Akademie, und in wenigen Jahren erklomm er Stufe um Stufe bis zum Kommodore.

Da schienen sich neue Tore zu öffnen, die Unendlichkeit lag vor ihm, und eine Stimme lockte aus den Tiefen des Kosmos. Er hörte sie, wie sie alle Piloten vernahmen, in der ewigen Nacht zwischen Start und Landung, wenn das blaue Licht der Wega erstrahlte oder der Silberschein des Andromedanebels in unerreichbare Fernen wies. Schon mancher von ihnen war diesem Wahn erlegen, jagte seine Kursmaschine an dem vorbestimmten Ziel, der Venus oder dem Mars, vorbei und musste von den Überwachungsstationen durch Leitstrahl eingefangen werden. Raumkrankheit nannten die Ärzte dieses seltsame Phänomen, gegen das noch kein Medikament erfunden war.

Helo stand auf und schob die Lichtfilter über die Bullaugen. Er würde diesem Wahn nicht zum Opfer fallen. Stimmen aus dem Kosmos? Unsinn, Einbildung!

Man musste es halten wie Ben Pearson und die anderen. Man musste beharrlich seine Aufgaben erfüllen und durfte sich nicht ablenken lassen. Für ihn durfte es nur das Programm geben, und laut Programm hatte er jetzt zu schlafen.

Helo stellte die Poetischen Betrachtungen über den Raum nicht in das Regal zurück. Er schob das Buch unter einen Stapel alter Manuskriptblätter. Er wollte es nicht mehr anrühren. Er zog sich aus und schaltete den mechanischen Hypnotiseur ein. Aber bevor er einschlief, stiegen Erinnerungen an sternklare Nächte aus seinem Unterbewusstsein, Kristallfaden tanzten vor seinen Augen, und es schien ihm, als wisperte draußen vor den Bullaugen eine zarte Stimme.

Er hörte sie noch im Traum.

»Achtung, Zentrale... Helo Ryk, Zentrale...«

Aufdringliche Laute quälten den Erwachenden, hämmerten in seinem Gehirn.

»Zentrale... Helo Ryk, Helo Ryk...«

Er versuchte, sie abzuwehren, kroch unter die Schlafdecke, presste die Hände auf die Ohren. Umsonst.

»Achtung, Zentrale ruft Helo Ryk. Kommodore, nehmen Sie Verbindung auf!« Das war Venturellis Stimme! Immer noch schlaftrunken, sprang Helo aus dem Bett. Verbindung aufnehmen? Wieso?

Er tastete nach dem Schalter. Auf der milchigen Scheibe erschien die Zentrale mit dem Steuerautomaten. Der Chefmechaniker saß im Hintergrund und sprach mit Sadko, dem Funker.

»Was gibt’s, Venturelli?«

»Ah, Sie sind aufgewacht, Kommodore. Einen Moment bitte.« Venturelli nahm einige Papiere und trat vor den Aufnahmespiegel, sodass er Helo voll ins Gesicht blicken konnte. »Wir empfangen seit einigen Tagen unbekannte Radiowellen aus der Gruppe Alpha Centauri. Die Intensität wird bei konstantem Anwachsen um null Uhr fünfzehn die siebente Größenklasse erreichen... Da Ihre Ruhezeit von drei Wochen sowieso abgelaufen ist, wollte ich Sie gleich informieren.«

»Danke, ich komme.«

Helo nahm schnell noch ein Bad, um die letzten Folgen des Dauerschlafs zu überwinden. Das Wasser, mit prickelndem Sauerstoff angereichert und durch eine mechanische Anlage in vibrierende Bewegung versetzt, lockerte seine Muskeln und brachte das Blut in Wallung.

Radiowellen aus der Centauren-Gruppe? Das war nichts Besonderes. Alle möglichen Sterne und Spiralnebel Wenden Wellen verschiedenster Länge aus. Aber der Mechaniker hatte von unbekannten Wellen hoher Intensität gesprochen. Sie erreichten in wenigen Stunden die siebente Größenklasse?

Das bedeutete, sie waren ganz plötzlich entstanden, sonst hätte man sie schon vor Wochen und Monaten empfangen müssen.

Ein phantastischer Gedanke stieg in ihm auf. Jenes Wispern und Rufen, das er im Schlaf gehört hatte... Die geheimnisvolle Stimme aus dem All... Helo zog sich an und begab sich in die Zentrale: Er bemühte sich, ruhig zu erscheinen. Sollten die Gefährten erkennen, dass er in Phantasien schwelgte?

Aber er spürte, dass in Venturelli etwas Ähnliches vorging. Er bat Sadko um einen kurzen, sachlichen Bericht. Der Funker nannte Fakten, erklärte Einzelheiten! »Als ich die Wellen erstmalig feststellte, gehörten sie noch der fünften Größenklasse an, jetzt haben sie fast die siebente erreicht. Ich frage mich nur, aus welchem Grunde ich früher nichts bemerkt habe.«

»Vielleicht ein Defekt am Empfänger?«

»Wir haben alles überprüft, die Anlage arbeitet einwandfrei.«

»Hm, sonderbar.«

»Es wird sich um Signale handeln, um Funkzeichen!«, rief Venturelli ungeduldig.

Helo zwang sich zu einem überlegenen Lächeln. »Wie kommen Sie darauf?«

»Es gibt keine andere Erklärung. Der Sender arbeitet nicht kontinuierlich, sondern periodisch. Die letzte Periode begann vor acht Tagen. Und er bewegt sich mit großer Geschwindigkeit auf uns zu, deshalb das rasche Anwachsen der Intensität.«

»Lassen sich die Koordinaten Ihres Senders bereits feststellen?«

»Mit einem relativ hohen Unsicherheitsfaktor«, antwortete Sadko. »Das Dreifachgestirn Alpha Centauri liegt noch dicht beisammen, die ersten Berechnungen ergaben nur, dass die Sendequelle südöstlich Proxima existiert.«

»Es geht nicht um irgendwelche, sondern um rhythmisch modulierte Radiowellen«, sagte Venturelli mit Nachdruck. »Ich schlage deshalb vor, wir setzen alle geeigneten Automaten für die Entschlüsselung ein.«

»Nun gut, ich bin einverstanden.« Helo nickte. Stand das große Ereignis bevor, von dem er immer geträumt hatte? Welcher Art war es? Näherte sich etwa ein Raumschiff?

Wenn ja, wo kam es her? Vom Sirius, von der blauen Wega? Wie sahen die Wesen aus, die es steuerten?

Helo setzte sich an einen Rechentisch, um die Arbeit des Steuerautomaten zu kontrollieren, entdeckte, dass Pawel Fock diese Aufgabe schon erledigt hatte, war froh darüber. Er nahm eine andere Arbeit in Angriff, brach sie ab. Er konnte sich nicht konzentrieren. Die Ungewissheit lastete auf ihm. Er erhob sich und verließ die Zentrale, kletterte über eine Wendeltreppe in das Bordobservatorium.

Hirano saß vor dem großen Teleskop.

»Sie beobachten die Centauren?«

Der Astronom nickte, schwieg.

»Was halten Sie von den Radiowellen?«, fragte Helo ohne Umschweife.

Hirano beugte sich über das Okular. »Ich hoffe, dass sich die Besatzung keinen Illusionen hingibt.«

Helo runzelte die Brauen. »Wie meinen Sie das?«

»Laut Programm haben wir das Dreifachgestirn zu umfliegen. Auch ein Planet darf uns nicht davon abhalten...«

»Moment! Illusionen, Programm, Planet? Lassen Sie doch mal das Okular in Ruhe und drücken Sie sich bitte etwas deutlicher aus!«, rief Helo unbeherrscht.

Der Astronom schwieg lange. Dann sagte er: »Ich halte es für möglich, dass die Radiowellen von einem Trabanten des Proxima ausgehen. Und warum? Weil wir sie ganz plötzlich und mit hoher Intensität empfangen haben. Die Sendequelle war bisher durch Proxima verdeckt und ist nun südöstlich aufgetaucht, kommt auf uns zu. Ein Planet, der auf seiner elliptischen Bahn um den Zentralkörper das Perihel gerade durchlaufen hat und nun dem Aphel zustrebt, verhält sich ebenso.«

»In der Tat, es könnte sich um einen Planeten handeln«, sagte Helo nachdenklich. »Und was hat das mit unserem Programm zu tun?«

Hirano lächelte spöttisch. »Ich habe den Eindruck, einige Besatzungsmitglieder möchten nun das Programm abändern und den Planeten anfliegen. Venturelli zum Beispiel...

Aber das kommt gar nicht in Frage. Der Auftrag des Konvents lautet: Umkreisung der Gruppe Alpha Centauri. Erst wenn alle Beobachtungen abgeschlossen und alle Probleme gelöst sind, dürfen wir an eine Landung denken.«

»Natürlich, Sie haben ja recht. Aber Sie sprachen von einigen Besatzungsmitgliedern. Wer ist denn außer Venturelli der Meinung, dass wir den Planeten – wenn es einen solchen gibt – anfliegen sollten?«

Der Astronom zögerte. »Ich glaube – Pawel Fock«, sagte er gedehnt.

Helo rief die Steuerzentrale und teilte Sadko mit, dass er nach den Hecktriebwerken sehen wolle. Dort wurden unter Pawel Focks Leitung neue Brennkammerwände eingesetzt. Dann begab er sich auf das Oberdeck und legte einen Skaphander an. Nachdem er die Sicherungsleine eingeklinkt und den selbsttätigen Temperaturregler eingeschaltet hatte, öffnete er eine Luke und trat in den freien Raum hinaus.

Sekundenlang war er geblendet. Scheinwerfer hatten die matt schimmernde Außenhaut der Tolu in eine gleißende Fläche verwandelt.

Helo stellte sich mit gegrätschten Beinen auf die Luke, sprang ein wenig in die Höhe und schoss eine Salve aus der Rückstoßpistole ab. Auf einen Beobachter hätten die Folgen dieses Experiments einen grandiosen Eindruck gemacht. Helo glitt, wie von einer unsichtbaren Hand getragen, über die spiegelglatte Fläche, ohne sie jedoch zu berühren. Nach etwa hundert Metern feuerte er eine Bremssalve in die entgegengesetzte Richtung und kam kurz vor dem Heck zum Stehen.

Die zweite Schicht arbeitete an den mächtigen Austrittsdüsen der Triebwerke. Helo schaltete den Sprechfunk ein und bat Pawel Fock zu sich. Eine silbrige Gestalt löste sich vom Rand der mittleren Düse, blieb einige Minuten unsichtbar und saß plötzlich als klobiges Ungeheuer neben Helo.

»Ich begrüße Sie unter den Lebenden, Kommodore«, schnarrte es und wackelte mit dem Kopf. »Drei Wochen haben Sie im Dauerschlaf gelegen, wenn ich mich recht erinnere?«

»Ich wollte mich nach dem Stand der Arbeiten erkundigen«, erklärte Helo etwas unsicher. »Wie lange haben Sie noch zu tun?«

»Wir verschweißen gerade die letzte Wand. Aber«, Pawel Fock blickte Helo forschend ins Gesicht, »ich nehme an, Sie sind aus einem anderen Grund gekommen.«

»Der Sendequelle wegen. Hirano tippt auf einen Planeten. Seine Ansicht leuchtet mir ein. Aber... das Programm abändern, Pawel?«

Der Mathematiker schien nicht zu verstehen. »Was meinen Sie mit abändern

Kommodore Ryk berichtete nun von Hiranos Befürchtungen. Pawel Fock lachte auf. »Der Astronom ist misstrauisch geworden. Weil wir die Sonde unplanmäßig gestartet haben, glaubt er, wir könnten eines Tages das ganze Programm über den Haufen werfen. Er arbeitet doch seit Jahren an einer interessanten und originellen Theorie über die Entstehung von Doppelsternen. Mithilfe dieser Theorie will er auch die Entstehung des Dreifachgestirns Alpha Centauri erklären, braucht aber noch eine Menge Fakten, um Endgültiges sagen zu können. Und er kann sie nur erhalten, wenn wir das System umkreisen... Verstehen Sie jetzt, warum er so ängstlich ist? Und was mich betrifft«, fuhr der Mathematiker schmunzelnd fort, »ich habe nie daran gedacht, das Programm aufzugeben. Im Gegenteil. Aber Venturelli sieht schon einen Planeten mit phantastischen, hochkultivierten Bewohnern vor sich. Ich sagte zu ihm: Warum sollen wir mühselige Forschungen treiben? Landen wir doch einfach auf dem Trabanten, und holen wir uns Auskunft bei Ihren Wesen... Ich glaube nun fast, Hirano hat diesen Scherz für bare Münze genommen.«

Seit geraumer Zeit wehrte sich der Steuerautomat gegen ein Gravitationsfeld, das vom System der Centauren ausging und immer größere Bahnabweichungen hervorrief. Der Automat überprüfte die gespeicherten Tabellenwerte, setzte Korrekturraketen ein und brachte die Tolu auf den alten Kurs. Umsonst. Nun begann er zu beschleunigen.

Die Expeditionsleitung verfolgte den ungleichen Kampf mit größter Aufmerksamkeit. Laut Programm war Proxima Centauri, die naheste Sonne des Dreigestirns, in relativ geringem Abstand zu tangieren. Aber im Raum südöstlich gab es eine Sendequelle. Man musste mit der Existenz von Materie, vielleicht von Planeten rechnen, und mit der augenblicklichen Geschwindigkeit in ein unbekanntes Materiefeld zu rasen konnte Selbstmord bedeuten.

richtigen