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Werner J. Egli

wurde in Luzern, Schweiz, geboren und lebt heute als freier Schriftsteller in Tucson (USA) und in Egg bei Zürich. Seine erfolgreichen und in viele Sprachen übersetzten Jugendbücher wurden unter anderem mit dem Friedrich-Gerstäcker-Preis, mit dem Preis der Leseratten (ZDF) und mit dem Jugendbuchpreis der Ausländerbeauftragten des Senats Berlin ausgezeichnet. Egli wurde für den Hans-Christian-Andersen-Preis nominiert, die international höchste Auszeichnung für Jugendliteratur.

Unter www.aravaipa.ch ist der Autor auch im Internet zu finden.

Werner J. Egli

Irgendwo am Rande der Nacht

Roman

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Für Lara Naïma -
Du hast den Kreis geschlossen.

eISBN 978-3-03864-225-1

Copyright © 2019 by ARAVAIPA–Verlag,

ARAVAIPA im Internet: www.aravaipa.ch

Inhalt

Tote, die leben

Ein Fremder kommt

Müll im Kopf

Wege, die niemlas enden

Mit Nicole zu schlafen

Die alten Haudegen

Zu zweit allein sein

Der längste Tag

Irina

Das Gesicht des Mondes

Der Schuss

Spaß am Töten

Geisterfahrt

Das Echo meines Namens

Schmerzen, die nie vergehen

Der Geruch des Glücks

Ein schändliches Erbe

Nicht im Dunkeln sterben

Die Schuld

Abschied

Am Rande der Nacht

Zurück in die Dunkelheit

Ein Fremder geht

Tote, die leben

Sagen wir es mal so: Ich will nicht, dass irgendjemand dorthin geht und womöglich auf die Leiche stößt und sie ausbuddelt, nur weil ich geschrieben habe, wie das Kaff heißt und wo sich dieser Forst befindet, in dem alles passiert ist. Darauf kann ich nämlich gut verzichten, dass einer anfängt Nachforschungen anzustellen. Deshalb gebe ich dem Kaff einen anderen Namen: Neudorf. Und ich sag nur, dass es sich in Deutschland befindet. Irgendwo an der Ostgrenze. Drüben, das ist Tschechien. Mehr sage ich nicht zu den Örtlichkeiten. Alles andere ist passiert, so wie ich es erzähle. Wichtig ist, dass ich niemandem irgendwas vorlügen will. Oder mich besser machen, als ich bin. Das habe ich nicht nötig. Was geschehen ist, ist geschehen. Schlamm drüber, könnte man sagen. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Schlamm drüber.

Ich schreibe das hier alles nur auf, weil Irina schwanger ist. „Dein Sohn soll mal wissen, wer er ist“, hat sie gesagt. „Nicht wie du und ich.“ Und dann hat sie mir einen Kuss gegeben und mich umarmt und ich habe gedacht, wir kommen von irgendwo her und wir gehen irgendwo hin und irgendwann werden sie uns vielleicht schnappen und was dann übrig bleibt, ist das hier, was ich in diese alte Schreibmaschine tippe, und ich brauche dann nicht viel zu reden und irgendwas zu erklären, weil alles da drinsteht, in diesen Zeilen. Wie nah Gut und Böse beim Menschen zusammenliegen, irgendwo dort drin, wo sich die Seele befindet und das Herz und all das andere Zeug, das zu den Innereien gehört.

Und wenn ich einmal nicht mehr bin, zu müde zum Leben oder so was, dann ist das ein Vermächtnis für meinen Sohn: Im richtigen Moment die richtige Entscheidung treffen, dazu braucht es hauptsächlich Glück!

Ich bin keiner, dem das leicht fällt, irgendwas aufzuschreiben. War ich nie. Nicht in der Schule und auch jetzt nicht. Aber Irina sagt: „Schreib so, wie du redest, und das wird unser Sohn verstehen.“

So wie ich rede, das habe ich gleich mal rausgefunden, kann ich überhaupt nicht schreiben. Wenn ich so schreiben würde, wie ich rede, würde ich nicht mal eine einzige Seite vollschreiben können, weil ich erstens selten viel rede und zweitens oft mitten in einem Satz aufhöre, weil mir einfällt, dass sowieso niemand wissen will, was ich denke.

Irina gefällt das gar nicht. „Du bist wichtig“, sagt sie manchmal. „Mir bist du wichtig. Sie sagt aber auch, mit einem, der viel quatscht, könnte sie nie zusammen sein, auch nicht, wenn sie ein Kind von dem hätte, und ich frage mich natürlich, wie sie von einem ein Kind kriegen könnte, mit dem sie ohnehin nicht zusammen sein wollte.

Zum Beispiel der, mit dem sie zusammen war, als alles anfing. Mit dem wollte sie damals nicht zusammen sein. Und trotzdem war sie mit ihm zusammen. So ist das eben manchmal im Leben: Man hat was, will aber was ganz anderes.

Dass sie kein Kind von ihm gekriegt hat, das ist genauso ein Glück wie dass wir uns überhaupt je begegnet sind. Hätte gut passieren können: ein Kind von ihm, meine ich. Geschlafen hat sie nämlich mit ihm. Weiß ich.

Boris hieß er. Ihr Freund. Ein übler Kerl. Zuhälter. Drogendealer. Wahrscheinlich hatte er in seiner Karriere als Verbrecher ein paar Leute umgenietet. Behauptete er jedenfalls.

Seine Leiche hat man bis heute nicht gefunden, glaube ich. Wir haben sie im Forst verscharrt. Selbst wenn ich wollte, den Platz, wo wir sie verscharrt haben, den würde ich wahrscheinlich nicht mehr finden. Weil alles ganz schnell gehen musste. Hin, Loch buddeln, rein mit Boris und weg. Und zwar so schnell wie möglich. Natürlich am Ende noch Erde drauf und Blätter, dass alles so aussah, wie es rundherum aussah. Da bleibt einem keine Zeit, sich irgendwas einzuprägen, einen besonderen Baum oder was, nach dem man sich später mal orientieren könnte. Ein Später sollte es sowieso nicht geben. Ich wollte nur, dass dem alten Präger, der die Pacht in diesem Teil des Waldes hat, beim Vorbeipirschen nicht irgendwas auffiel. Nur wenn dem sein Hund, der Max, was roch, dann hätte es passieren können, dass der Präger, der den Wald besser kannte als jeder andere in der Gegend, etwas bemerkt hätte. Aber das Loch, das wir gebuddelt hatten, war mindestens anderthalb Meter tief und wir hatten eine Plastikfolie über Boris gelegt und das ist übrigens das Bild, das sich mir eingeprägt hat, sodass ich es heute noch deutlich genug sehen kann, dieses Gesicht unter der Folie, mit den offenen Augen und dem aufgerissenen Mund, so als wäre er dabei, unter dem Plastik zu ersticken, obwohl er schon stundenlang tot gewesen war.

Wer die Kugel abgefeuert hat, die ihn traf, das wissen höchstens die anderen. Ist auch egal, wer es war, Hauptsache, die Kugel hat nicht Irina getroffen, die in dem Moment, als es geschah, Boris beschwichtigen wollte. Da hat‘s geknallt und die Kugel traf Boris und er fiel hin, als hätten sich auf einen Schlag alle Knochen in seinem Leib in Nichts aufgelöst. So fiel er hin, wabbelig wie eine von diesen Marionetten, wenn plötzlich einer die Schnüre durchtrennt, an denen sie hängt.

Das geht mir nie mehr aus dem Sinn. Irina hat mir schon oft gesagt: „Vergiss es!“, aber wie könnte ich das, weil ich so was noch nie gesehen hatte, außer im TV, aber da denkt man nicht, dass der nie mehr aufsteht.

Die Irina, die hat gleich gewusst, jetzt ist nichts mehr zu machen, und sie ist davongerannt und ich hinterher und wir sind so lange gelaufen, bis wir nicht mehr weiterlaufen konnten, und da haben wir uns in einem Maisfeld einfach hingeschmissen. Und die Krähen sind aufgeflattert, als wir durch das Feld rannten, und als wir dalagen, mittendrin und umgeben von den Maispflanzen, da war über uns der Himmel und die Wolken und die Krähen und ich dachte, das hast du doch auf dem Bild gesehen, das dieser große Künstler, von Goch oder wie der heißt, gemalt hat, der sich später das Ohr absäbelte, weil ihm niemand seine Bilder abkaufen wollte. Aber ich habe das Bild seither noch einmal gesehen, in einem Buch über berühmte Maler, und jetzt weiß ich, dass es ein Weizenfeld war, das er gemalt hat, und kein Maisfeld.

Im Wald haben sie unsere Namen gerufen. Irina! Irina! Und Mike. Das ist mein Name: Micha. Aber sie haben Mike gerufen, weil sie mich alle als Mike kannten.

Keine Ahnung, warum sie uns im Maisfeld nicht aufgestöbert haben. Manchmal denke ich, sie hatten Angst, dass ich einen von ihnen mit der Pistole erwischen würde. Aber die hatte ich beim Laufen verloren. Ich habe sie erst wieder auf dem Rückweg gefunden. Zufällig. Es war nämlich schon Nacht, als wir uns trauten das Maisfeld zu verlassen und zurückzugehen. Das heißt, ganz schön durch die Dunkelheit geschlichen sind wir und zusammengezuckt bei jedem Geräusch und dann stieß ich mit dem Schuh gegen die Knarre, die auf dem Weg lag. Ich steckte sie mir in die Hose, gab Irina die Hand und wir tasteten uns den Pfad entlang bis zur kleinen Lichtung mit der Forsthütte und da lag er noch immer, dort, wo er hingefallen war, mit merkwürdig verrenkten Gliedern, und niemand hatte ihn angerührt und auch in der Hütte war niemand drin und Irina sagte, dass die Wildschweine kämen und ihn fressen würden, und deshalb sollten wir ihn begraben.

Aber das wollte ich nicht. Wieso? Weil ich den Ganswirth kenne. Der ist kein Wirt, sondern er heißt nur so und ist in Neudorf der Polizist. Irgendwann, dachte ich, erfährt er, was dort draußen im Forst geschehen ist, und wenn er selbst bei den Ermittlungen nicht weiterkommt, dann bringt er irgendwelche Detektive und Spurensicherer von der Stadt raus zur Hütte und dann finden die nicht mal ‘ne Leiche. Aber Irina hat gesagt, das sei sowieso egal, weil bis dahin die Wildschweine die Leichenteile überallhin verschleppt hätten. Es half nichts, dass ich ihr sagte, der Metzger Präger, der ja auch Inhaber des Hotelrestaurants Hirschberg ist: „Beste Wildspezialitäten weit und breit!“, und dem auch der Disko Treff „Texas Star“ gehört, hätte in diesem Teil des Forsts die Jagd gepachtet, und es könne gut sein, dass er schon morgen hier vorbeikäme und irgendwelche Spuren entdecke.

Gerade deswegen, sagte sie, sei es besonders wichtig, den Leichnam noch in dieser Nacht verschwinden zu lassen, sonst würde man, falls der Präger oder sonst wer die Leiche zufällig in den nächsten Tagen fand, wahrscheinlich sogar mir die Tat in die Schuhe schieben. Und da sei es sowieso gescheiter, Boris zu begraben, weg von den Wildschweinen, und dann sei Ruhe.

Mir die Tat in die Schuhe schieben? Ich hab nur gedacht, Mann, die Irina hat womöglich Recht, weil ja einer von denen Boris umgebracht hat und dafür nicht zehn Jahre im Knast verbringen will. Also holte ich die Schaufel aus der Hütte und wir trugen Boris oder das, was von ihm übrig war, nämlich die sterbliche Hülle, hinaus in den Wald.

Erst als wir ziemlich weit von der Hütte weg waren, buddelte ich ein Loch und Irina betete für Boris, obwohl er ja ihr gegenüber ein ziemliches Schwein gewesen war. Und als das Loch ungefähr so tief war, wie ich es schon in Filmen gesehen hatte, zogen wir die Plastikfolie dicht an die Grube heran und hoben sie auf einer Seite an. Aber aus irgendeinem Grund wollte Boris freiwillig nicht in sein Grab hineinrutschen und wir mussten ihn von der Folie runterzerren, weil er daran festklebte. Zusammengekrümmt, wie er war, plumpste er wie ein Stück Holz, vielleicht ein Stück vom Wurzelstock eines Baumes, in die Grube hinein und da blieb er liegen, ziemlich verquer und überhaupt nicht so, wie einer, der tot ist, meiner Meinung nach in seinem Grab liegen sollte.

Ich hab‘s schon vorhin gesagt: Wie eine von diesen Marionetten sah er aus, da unten im Loch, und Irina leuchtete mit der Taschenlampe hinein und sagte: „So soll er nicht begraben sein.“ und da stieg ich hinunter und zerrte an ihm herum, bis er einigermaßen so dalag, dass sein Gesicht nach oben gerichtet war, und am Ende legte ich die Plastikfolie über ihn und Irina leuchtete ihm ins Gesicht, und das ist das Bild, das mir bis heute geblieben ist, dieses Gesicht hinter der Folie, den Mund offen, nicht weit aufgerissen, sondern nur halbwegs offen, und die Augen auch, so als hätte er ziemlich genau beobachtet, was wir mit ihm machten.

Sagen wir es mal so: Ich war Gott froh, als die Erde endlich auf ihn runterfiel.

Erde zu Erde, Staub zu Staub, Asche zu Asche.

Ich muss zugeben, verdammt froh war ich auch, dass ich mich nicht mehr mit ihm herumschlagen musste. Das heißt, in der Erinnerung, da stirbt so einer wie er weniger schnell als in der Wirklichkeit. Manchmal erscheint er mir heute noch im Traum und jedes Mal wache ich auf und Irina fragt dann: „Was ist, hast du wieder schlecht geträumt?“

Ich habe ihr nie gesagt, dass ich von ihm geträumt hatte, aber ich glaube, sie vermutete es, denn einmal sagte sie mir: „Er lässt dich nicht in Ruhe, stimmt‘s?“ Und ich wusste genau, wen sie damit meinte.

Ich war sicher, dass die Plastikfolie den Verwesungsgeruch nicht durch die Erde nach oben dringen lassen würde, und so konnte Max herumschnüffeln, wie er wollte, zu riechen würde er nichts kriegen außer dem guten alten Moder von verrottetem Holz und Blättern.

Wir haben dann noch unsere Sachen aus der Hütte geholt und sind abgehauen. Irina und ich. Nichts wie weg. Durch den Forst zur Grenze. Und weiter nach Russland. Zu meinem Vater konnte ich nicht. Nicht mit Irina und nicht nachdem, was geschehen war. Das hätte keine drei Tage gedauert, bis die uns dort geschnappt hätten. Da gehen sie zum Nachschauen doch immer zuerst hin. Zu den Verwandten. Das ist immer so in den Tatort Krimis. Oder früher beim Derrick. „Komm, knöpfen wir uns mal seine Verwandten vor“, sagt der Kommissar und schon geht‘s los, zu zweit unauffällig im zivilen BMW Dienstwagen, dann an die Tür klopfen, jemand fragt: „Wer ist da?“, und der Assistent des Kommissars sagt: „Kriminalpolizei!“, und Schwups sind sie drin in der Wohnung und stellen den Verwandten jede Menge verfängliche Fragen, wobei der eine immer ganz ruppig tut und der andere nett. Manchmal sind sie sogar zu dritt und dann späht einer immer mit Sperberaugen in der ganzen Wohnung herum von wegen Spuren oder gar versteckte Tatwaffe.

Zu mir in die Bude konnten wir auch nicht. Ich wäre zwar gern noch einmal zurückgegangen und hätte ein paar meiner Sachen geholt.

Das Bild von meiner Mutter zum Beispiel. Das, wo sie auf dem Fahrrad sitzt und ganz merkwürdig guckt. Das war mein Lieblingsbild von ihr. Ich hoffe nur, dass mein damaliger Chef, der Herr Brodsky, das Bild in einen Karton tut, zusammen mit meinen anderen Sachen und sie für mich aufhebt, weil er denkt, einmal kommt der Junge zurück und holt seine Sachen. Der hat Platz in seinem Haus. Hatte sich vor einigen Jahren ein neues gebaut. Auf Wunsch seiner Frau. Eine Villa in der neuen Siedlung. Früher, da wohnten die Brodskys ziemlich einfach in dem Bau, in dem ich meine Bleibe für die Zeit hatte, die ich für den Chef arbeitete. Das Haus steht grad neben der Halle, wo die Tanks gewaschen werden. Brodsky Tank und Siloreinigung steht dort über dem großen Hallentor

Da habe ich gearbeitet. Aber als das mit Boris geschah, fingen gerade meine drei Wochen Urlaub an. Geplant war eigentlich Ibiza, da war ich noch nie, und ich hab das mit dem Flug, das Buchen und so, immer hinausgezögert, obwohl mein Chef, der Carl Brodsky, zweimal für mich im Reisebüro „Travel Plus“ angerufen hat, wo er immer seine Alles inklusive-Ferienreisen bucht. „Ein Tapetenwechsel würde dir gut tun“, hat er mir gesagt. „Mal weg von hier. Deine Träume ausleben, Mike.“

Sagen wir es mal so: Manchmal dachte ich, ich will mal einen Tapetenwechsel und nur am Strand liegen in der prallen Sonne und mich am Abend besaufen und so, aber dann hatte ich wieder keinen Bock, überhaupt irgendwas zu machen. So kam es, dass ich keinen Flug mehr kriegte und kein Hotelzimmer, nicht einmal Last Minute, und eigentlich war ich froh, dass ich daheim bleiben konnte, obwohl ich gerne weggefahren wäre, aber nicht nach Ibiza.

Wohin ich gerne gefahren wäre, das war damals mein Geheimnis. Heute kann ich‘s ja sagen. Ich wäre am liebsten nach Russland gefahren. Ich wusste nur nicht genau, wohin in Russland. Russland ist nicht gerade Liechtenstein oder so was. Russland ist Russland. Riesengroß. Wenn man sich das auf der Landkarte mal anschaut, kann man sich direkt vorstellen, wie leicht es ist, sich in Russland zu verlaufen, besonders für einen, der sich nicht auskennt.

Irgendwo in Russland lebte meine Mutter. Das wusste ich. Ich wusste zwar nicht, warum ich es wusste, aber ich wusste es. Beweise gab‘s natürlich keine. Nicht einmal Anhaltspunkte, aber so was spürt man tief drin, ob die Mutter noch lebt oder nicht. Auch wenn sie alle sagten: „Deine Mutter ist in Russland gestorben.“

Jetzt bin ich in Russland. Mit Irina. Und vielleicht finde ich sie doch noch irgendwann. Vielleicht auch nicht. Jetzt, wo ich Irina habe und sie schwanger ist, denke ich nicht mehr so oft an meine Mutter. Früher, da war das anders. Früher dachte ich jede Nacht an sie. Und manchmal auch am Tag, wenn ich arbeitete und die Chromstahl Tanks auf den Lastzügen auswusch und sauber machte.

Ein Fremder kommt

Angefangen hat es mit Harry. Dass es Irina gab, wussten wir damals alle noch nicht.

Es war ein Freitag, als Harry die Straße entlangkam. Kurz vor Feierabend. Ab dann hatte ich Urlaub. Vier Wochen. Ich stand oben auf der Gangway eines Tanklasters, dessen Tank wir eben in der Halle mit heißem Wasser ausgespült hatten, ganz oben an einem der vier Einfüllstutzen des Tanks. Die Sonne schon tief überm Bernauer Rücken, hinter dem Fluss, von dem ich in der Ferne nur die große Schleife sehen konnte.

Ich sah ihn schon, als er noch ziemlich weit entfernt war, und zuerst erkannte ich ihn nicht. Ich beobachtete ihn, während ich mit einem Putzlappen den Chromstahl Handgriff des Deckels abwischte. Erst als er stehenblieb und die Mütze vom Kopf nahm, erkannte ich ihn. Harry Krüger. Ich hatte ihn einige Male in Neudorf gesehen und Anna hatte mir gesagt, dass er sich mit den Jungs angefreundet hatte, die sich um Jürgen Krauss scharten und mit denen ich nichts zu tun haben wollte.

Ich sah, wie er sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn wischte. Ein schwülheißer Tag neigte sich dem Ende entgegen. Der Chromstahl Tank, an dem ich arbeitete, war noch immer warm, obwohl der gesamte hintere Teil bereits im Schatten der großen Halle stand.

Krüger setzte die Mütze wieder auf. Er schien nicht in Eile zu sein. Zu Fuß hatte ich ihn noch nie auf der Landstraße gesehen. Eigentlich kam nur ganz selten jemand zu Fuß vorbei, so weit außerhalb von Neudorf. Bei der Einfahrt zu unserem Hof blieb er stehen. Schaute sich um wie einer, der nicht genau weiß, ob er dableiben oder weitergehen soll. Dann blickte er zu mir herauf.

„He“, sagte er. „Gibt es wenigstens ein bisschen Wind dort oben?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Mücken“, sagte ich und verscheuchte einige dieser ekligen Biester, die um meinen Kopf herumtanzten.

Er klaubte eine Zigarettenschachtel aus dem linken Ärmel des T-Shirts. Lucky Strike. Holte sich eine raus, zündete sie an. Mit ‘nem Streichholz.

„Willst du eine?“

Bevor ich ihm eine Antwort geben konnte, flog die Schachtel auf mich zu. Ich fing sie mit der linken Hand. In der rechten hatte ich ‘nen Putzlappen.

Die polierten Chromstahldeckel an einem Milchtank mussten immer ganz sauber sein. Keine Abdrücke auf dem Metall von meinen Spezialschuhen. Nicht mal Fingerabdrücke an den Chrombügeln wollte der Chef sehen. „Zufrieden mit einer Arbeit bin ich erst, wenn ich nicht sehen kann, dass einer sie gemacht hat.“ Weiß der Teufel, wo der Chef in seinem Kopf solche Sprüche entwickelte.

Ich war fertig mit der Arbeit. Alles blitzblank sauber. Ich machte den Deckel zu und stieg die Leiter hinunter. Erst als ich unten stand, im langen Schatten der Halle, nahm ich einen Glimmstängel aus der Schachtel.

Er beobachtete mich. Nur so. Nicht wie einer, der was erwartet.

Ich zündete die Zigarette mit meinem Feuerzeug an, das mir Anna zum Geburtstag geschenkt hatte, obwohl sie wusste, dass ich eigentlich kein starker Raucher war. Trotzdem, ich trug es seither immer bei mir, und als ich es herausnahm um die Zigarette anzuzünden, das war genau der Moment, als der Chef aus dem Büro kam. Hut auf, wie immer. „Der liegt mal im Sarg mit dem Hut auf dem Kopf“, sagte seine Frau einmal, als ich ins Büro kam und sie da war und sauber machte.

„Feierabend!“, rief er mir zu. „Deine Lohntüte liegt auf dem Schreibtisch, Michael. Mach dir ‘nen schönen Urlaub.“

Mein Chef ging hinüber zu seinem Wagen. Audi. Achter-Serie. Obwohl, das A8-Schild hatte er nicht dran. Angeben, das war nicht seine Sache. Die Leute im Ort mochten ihn. „Einer von uns“, sagten sie. „Einer, der weiß, was es heißt, jeden Tag seine Leistung zu bringen. Was hat er denn, was wir nicht haben? Vielleicht sein Häuschen auf Mallorca. Aber sonst? Frau. Sohn. Küchengarten hinterm Haus, mit Rote Beete und Blumenkohl und ein paar Stachelbeerbüschen.“ Seine Frau hieß Barbara. Tüchtig wie er. Kam jede Woche zweimal zum Saubermachen ins Büro. Obwohl, eine Putzfrau, die hätten sie sich leisten können, aber sparsam waren sie eben auch.

Felix Brodsky war der Sohn. Ziemlich verquerer Typ. Computerfreak. Total vernetzt. Bei dem vergehen wohl keine zwei Stunden am Tag, ohne dass er am PC hockt und im Internet rumsurft und sich irgendwelche dämlichen Spiele runterlädt und wahrscheinlich auch Pornozeug, dieser Wichser. Arroganter kleiner Bastard. Tat immer so, als wären ihm durchs Internet alle Geheimnisse der Menschheit jederzeit zugänglich. „Geh mal in den Forst und bau dir ‘ne Hütte!“ Das sagte ihm mein Chef so oft, dass es im Dorf rumging. „Geh mal in den Forst und bau dir ‘ne Hütte!“ Niemand lachte. Alle dachten, der Junge solle das wirklich mal tun. Im Forst ‘ne Hütte bauen. So ein Schwachsinn. Der hat doch seinen PC. Da ist alles drin. Ruck, zuck ist einer ein Held, der alles rundherum kaputtschlägt, inklusive irgendwelche Bösewichte. So was macht stark im Kopf. Im Forst ‘ne Hütte bauen, das ist was für Pfadfinder.

Bevor der Herr Brodsky, mein Chef, einstieg, blickte er sich noch mal nach mir um.

„Hast du dich nun entschieden von wegen Ibiza, Michael?“ Ich schüttelte den Kopf.

Er stieg ein und fuhr davon.

Krüger sah ihm nach. „Cooles Auto?“

Ich hob die Schultern. Ich machte mir nicht viel aus Autos. Schon mehr aus Motorrädern. Ich träumte von einer alten 750er BMW.

„Was war das von wegen Ibiza?“

„Ich wollte da meinen Urlaub verbringen.“

„Ibiza?“ Er lachte. „Das ist doch nur was für Strandheinis.“

Ich warf ihm die Lucky Strike Schachtel zu. Er fing sie und schob sie unter den T-Shirt Ärmel. Jetzt fiel mir die Tätowierung auf. Ein Stück davon wurde sichtbar. Es waren irgendwelche ineinander verschlungene Ornamente. Wahrscheinlich irgendwelche Stammeszeichen oder so was. Maori. Die leben in Neuseeland.

„Panne“, sagte er. „Meine Karre steht etwa drei Kilometer von hier.“

Ich wusste, dass seine Karre ein uralter Saab war, ein Schrottauto von Hankel, Fahrzeugverwertung und Abschleppdienst, an dem er selbst herumgebastelt hatte, bis es einigermaßen lief. Seit Monaten fuhr er damit in der Gegend herum. Ich hatte den Saab schon einige Male im Forst gesehen, wenn ich mit dem Rad unterwegs war.

Harry Krüger betrachtete den Tank, von dem ich eben heruntergestiegen war, und dann mich. Schätzte mich ab. Ich musste mir Mühe geben, nicht unwillkürlich den Kopf einzuziehen.

„Saubere Arbeit“, sagte er nach einer Weile. „Das wünsch ich mir manchmal. Eine saubere Arbeit.“

Es hörte sich an, als wollte er demnächst bei Hankel aufhören. Nur, mein Chef hätte ihn nie eingestellt. Nicht jetzt, wo er mich hatte. Ich war zuverlässig und pünktlich. Und ich reklamierte nie. Außerdem war er hochzufrieden mit meiner Arbeit. Am Anfang, da gab es natürlich immer wieder etwas zu beanstanden. So ‘nen Tank oder ein Silo sauber zu machen, das muss eben gelernt sein. Der Letzte, der hier arbeitete, hat es nie gelernt. Dreimal ist in einem der Tanks, die er geputzt hatte, die Milch sauer geworden. So was darf nicht ein einziges Mal passieren und bei ihm, da ist es gleich dreimal passiert. Natürlich musste ihn der Chef feuern.

Jetzt war ich da. Ich hab‘s gelernt. Ich meine, man kann das nicht lernen wie einen richtigen Beruf, aber ich hab begriffen, worum es bei diesem Job geht. Um Sauberkeit. Innen und außen. „Junge, du bist gut“, hatte mir mein Chef schon einige Male gesagt. „Ende des Jahres kriegst du einen besseren Lohn.“

„Zu Fuß brauch ich noch glatt ‘ne Stunde bis zu Hankels“, sagte Harry Krüger. „Du hast keinen Wagen, stimmt‘s?“

„Nein.“

„Hat mir deine Freundin gesagt. Die Anna.“

Ich glaube, ich wurde rot. Mist, ich wollte nicht, dass jemand über Anna redete, schon gar nicht er. Obwohl, ich kannte ihn überhaupt nicht. Ich wusste nur, dass er sich manchmal mit einigen der Jungs aus Neudorf in einer verlassenen Jagdhütte traf, die windschief auf einer kleinen Lichtung stand. Feierten dort Partys. Manchmal ballerten sie mit irgendwelchen Knarren herum. Er und diese Jungs besaßen alle Knarren. Einmal, ich kann mich nicht mehr genau erinnern, ob Harry auch dabei war, kam es zu einer Schießerei zwischen ihnen und irgendwelchen Typen, die von drüben kamen, von jenseits der Grenze. Es stand in allen Zeitungen, weil Hubert, einer der Söhne unseres Dorfpolizisten Ganswirth, durch einen Streifschuss am Arm verletzt worden war. Und sogar das Regionalfernsehen kam her und wollte für eine Dokumentarsendung über Neonazis in Deutschland allerhand über die Jungs wissen, ob sie was mit der NPD zu tun hätten und warum man in Neudorf antisemitische Tendenzen tolerieren würde. Da sind dann die meisten Leute im Ort schweigsam geworden, nicht weil sie Dreck am Stecken hatten, sondern weil es sich bei den meisten um ganz gewöhnliche Bürger handelte wie zum Beispiel die Brodskys, den Felix eingeschlossen, die einfach ihr Leben in Frieden verbringen wollten und davor Angst hatten, dass jemand von den Medien herkam und aus einer Mücke einen Elefanten machte.

Natürlich muss ich aus der heutigen Sicht dazu auch sagen, dass ich mit diesen Jungs damals nicht unbedingt in Verbindung gebracht werden wollte, weil ich ungefähr wusste, welch Geistes Kinder die waren.

„Übrigens, dein Chef, das ist ein Ausländer, stimmt‘s?“

„Weiß ich nicht?“

„Brodsky? Klingt nach Ausländer.“

Ich hob die Schultern. „Und?“

„Ich arbeite nicht für Ausländer.“

Ich lachte, als hätte er soeben einen schlechten Witz gemacht. Weiß der Geier, warum ich lachte. Vielleicht, weil mich die Art, wie er es sagte, derart beeindruckte, dass sie mich verlegen machte.

„Keine Ahnung, wo mein Chef her ist, aber mit seinem Sohn bin ich schon zur Schule gegangen.“

„Felix Brodsky, das Computer Genie?“ Er warf die Zigarettenkippe auf den Boden und zertrat sie mit dem Absatz seines Schuhs, als hätte sich Felix Brodsky eben in einen hässlichen Käfer verwandelt. „Ziemlich arrogantes Arschloch, stimmt‘s? Meint, seine Scheiße stinkt nicht.“ Er blickte sich auf dem Hof um, als suche er irgendwas. Als er mein Rad entdeckte, das neben dem Eingang zum Büro an der Wand lehnte, fragte er mich, wem es gehöre.

„Mir.“

„Wo wohnst du?“

„Hier.“

„Hier? Wo hier?“

„Hinter der Halle. Dort ist ein kleines Haus. Kannst du von hier aus nicht sehen.“

„Leihst du mir dein Rad?“

Im ersten Moment wollte ich Nein sagen, aber das Wort kam mir nicht über die Lippen. Keine Ahnung, wieso ich es ihm nicht sagen konnte. Bei jedem anderen, der hergekommen wäre und mein Rad ausleihen wollte, hätte ich es gesagt. „NEIN! Ich leih mein Rad niemandem aus“, hätte ich gesagt. Aber bei ihm, da ging das nicht. Ich war eigentlich schon dabei, Nein zu sagen, aber dann nickte ich stattdessen. Weiß der Teufel, wieso ich nur nickte. Dieses Rad war mein Rad! Es bedeutete mir viel. Nicht nur, weil es ein besonderes Rad war, mit einem leichten Leichtmetallrahmen und bester Ausrüstung. Ich hatte mir das Geld dafür zusammengespart. Am Mittag hatte ich es sauber gemacht, die Kette frisch geschmiert. Später wollte ich noch in die Kiesgrube, auf meiner persönlichen Rennstrecke meine Runde abstrampeln. Und dann in die Stadt. Vielleicht ins Kino. Oder einfach nur so. Mal die Straße runter und hoch. Mal sehen, was die andern taten. Die Mädchen. Anna. Vielleicht eine Pizza bei Luigi.

„He, Mann, das ist Klasse. Vergess ich dir nie.“

„Ich brauch‘s später noch“, sagte ich schnell.

„Hast du später was vor?“

„Ja. Ich fahr in die Stadt und treff mich mit Freunden.“

Mit Freunden. So leicht kommen einem irgendwelche Lügen über die Lippen. Ich hatte keine Freunde. Nicht hier draußen und auch nicht in der Stadt. Mit Eric und Horst kam ich gut zurecht, aber Freunde, das war was anderes.

„Ich bring‘s in‘ner Stunde zurück.“

„Okay.“

Er ging zu meinem Rad und stieg auf. „Übrigens, mein Name ist Harry. Harry Krüger.“ Er lachte. „Nicht Hardy. Vergiss das nicht. Nicht Hardy Krüger.“

„Okay!“, sagte ich. „Ich bin Mike.“

„Weiß ich.“

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren fuhr er auf meinem Rad davon. Die Sonne war jetzt weg. Der Himmel hatte eine merkwürdig verschleierte Farbe. Wie ein unreifer Apfel oder so was. Keine Ahnung, was das bedeutete. Schlechtes Wetter oder was. Ich schaute Harry Krüger nach, bis ich ihn nicht mehr sehen konnte. Dann wollte ich nach hinten gehen, zum Anbau, wo meine Bude ist, aber irgendwie kam ich mir plötzlich ziemlich einsam vor und ich blieb stehen und wartete, dass er zurückkommen würde.

So ein Gefühl hatte ich schon lange nicht mehr. Das war wie bei Mutter. Als sie wegging. Nur war ich da ein kleiner Hosenscheißer, und hatte keine Ahnung von nichts. Ich wusste nicht, dass sie nicht mehr zurückkommen würde. Ich wusste nur, dass in diesem Moment, als sie wegging, irgendetwas anders war als sonst, wenn sie weggegangen war. Irgendetwas. Aber mein Vater war damals da und sagte: „Hehe, Junge, die kommt schon wieder.“ Und er nahm mich auf den Arm und ich winkte meiner Mutter hinterher, aber sie winkte nicht zurück.

So was bleibt einem in der Erinnerung, egal, ob man das will oder nicht.

Und jetzt stand ich da und war so allein wie nie zuvor, obwohl ich schon die ganze Zeit allein war. Ich schaute mich auf dem Hof um. Drei Milchlaster standen nebeneinander auf dem Platz. Sie waren alle drei bereit abgeholt zu werden. Blitzblank, die polierten Chromstahldeckel. Ich hatte an diesem Nachmittag insgesamt vierzehn Laster durch die Waschanlage gebracht. Da muss man aufpassen, dass die Fahrer so in die Halle fahren, dass man von oben die Düsenköpfe durch die Einfüllstutzen runterlassen kann. Die hängen nämlich an Hochdruckschläuchen. Wenn sie mal im Tank drinhängen, dann heißes Wasser marsch! Volle Kanne! So ein Chromstahltank wird mit Hochdruck ausgewaschen. Vollautomatisch. Die Düsenköpfe drehen sich an den herunterhängenden Schläuchen. So einfach ist das, aber man muss zuverlässig arbeiten, sonst geht bestimmt was schief und schon wird später die Milch sauer oder es entwickeln sich Salmonellen oder was.

Manchmal streunten Katzen hier rum. Und einen der Hunde vom Autofriedhof der Gebrüder Hankel hatte ich auch schon in der Nähe gesehen. Misstrauischer Köter. Keine Ahnung, was das für ‘ne Rasse ist. Rottweiler oder so was. Wurde mir immer unheimlich zumute, wenn ich den sah. Aber jetzt wünschte ich mir, ich hätte ihn irgendwo gesehen.

Ich gab mir innerlich einen Ruck, hob den zertretenen Zigarettenstummel vom Boden auf, warf ihn bei der Halle mit meiner Kippe in die Mülltonne und ging zum Büro. Die Tür war auf. Auf dem Schreibtisch lag meine Lohntüte. Ich nahm sie an mich und überprüfte die Zahlen, die mein Chef draufgeschrieben hatte. Es waren extra hundert Euro aufgeführt. Feriengeld stand dort in einer altmodischen, aber akribisch genauen Handschrift. Mit einem herzlichem Gruß von Frau Brodsky. Das mit den hundert Euro war nicht ausgemacht. Aber so war mein Chef. Legt einfach mal hundert Euro dazu und tat, als wäre seine Frau auf die Idee gekommen, mir extra Feriengeld zu geben.

Ich verließ das Büro und schloss die Tür mit dem Schlüssel ab, den mir der Chef gegeben hatte. Er vertraute mir. Er wusste, dass ich ihn nie beklaut hätte. Und dass ich nicht in den Geschäftspapieren herumschnüffelte.

Ich ging um die riesige Wellblechhalle herum. Hinten, im Anbau eines kleinen Wohnhauses, der früher einmal eine Tankstelle gewesen war, befand sich meine Bude. Schlafkammer, Wohnraum, Küche, Toilette mit Dusche. Im Wohnhaus wohnte niemand mehr, seit die Brodskys umgezogen waren. Erinnerte mich immer ein bisschen an das Haus hinter „Bates‘ Motel“ in Psycho, nur dass das Haus nicht auf einem Hügel stand und ein Riegelbau war.

In meiner Bude roch es merkwürdig. Das alte Gemäuer in der Küche sog die Feuchtigkeit tief aus dem Boden. Mein Chef sagte mir, bevor ich einzog, dass die Bude abgerissen und neu gebaut werden müsste.