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ARKLAND

Wanderung im Heute

von

Holger M. Pohl

Arkland

Wanderung im Heute

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Holger M. Pohl

© 2019 Verlag Torsten Low
Rössle-Ring 22
86405 Meitingen/Erlingen

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Alle Rechte vorbehalten.

Cover:
Timo Kümmel

Lektorat und Korrektorat:
S. Kempin, T. Low

eBook-Produktion:
Cumedio Publishing Services – www.cumedio.de

ISBN (Buch):978-3-940036-43-8
ISBN (mobi):978-3-940036-55-1
ISBN (ePub):978-3-940036-56-8

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Inhalt

1

Sorrent aus Shalin:

Über den Landspalter bis an die Grenze

Es war Nacht geworden. Sorrent saß in seinem Haus und beschäftigte sich mit den Büchern, die Jar-Genorel ihm gebracht hatte. Zwar verstand er die Sprache nicht, doch es waren viele Abbildungen darin und Sorrent betrachtete diese mit Interesse. Sie zeigten Szenen aus Jiihl, Zeichnungen von technischen Dingen, die er kennengelernt hatte, allerdings keine Schiffe oder Flugscheiben. Ab und zu sah er auch Abbildungen von Boten, die eine größere Bedeutung für Jiihl zu haben schienen.

Nach einiger Zeit klopfte es. Sorrent legte das Buch, das er gerade durchblätterte, weg, stand auf und öffnete die Tür. Es war Jar-Genorel.

»Ein sehr später Besuch.« Sorrent trat überrascht zur Seite, um den Boten eintreten zu lassen.

Jar-Genorel nickte und betrat den Wohnraum. Sein Gesicht zeigte eine ungewöhnlich ernste Miene.

Als Sorrent die Tür wieder geschlossen hatte und zu dem Boten getreten war, begann dieser ohne Umschweife: »Ich weiß, Sorrent, dass du unsere Stadt wieder verlassen willst.«

Der Shaliner lächelte. »Daraus habe ich nie ein Geheimnis gemacht.«

»Das ist richtig«, gab Jar-Genorel zu. »Allerdings hast du bislang weder einen Versuch unternommen noch hast du versucht, mich auszuhorchen, welche Wege es geben könnte.«

»Hätte es einen Sinn gehabt?«

Der Bote schüttelte lächelnd den Kopf. »Nein«, gestand er. »Wir wissen aber, dass der Krieger der Welt nach einer solchen Möglichkeit sucht und dass ihr hin und wieder miteinander sprecht. Sein Tun blieb uns so wenig verborgen wie dein Nichtstun.«

»Ihr habt uns beobachtet.« Sorrents Stimme verriet, dass es sich um eine Feststellung und nicht um eine Frage handelte.

»Natürlich«, gab Jar-Genorel unumwunden zu. »Wir und die Baumeister müssen wissen, was in Jiihl vor sich geht. Enroc Mendolla ist seit sehr, sehr langer Zeit der erste Krieger der Welt, der unsere Stadt betreten hat. Er ist etwas Außergewöhnliches. Außer den Baumeistern weiß keiner mit einem Krieger der Welt umzugehen. Aber die Baumeister geben uns keine hilfreichen Hinweise.« Sorrent horchte auf. Ein leiser Vorwurf schwang in Jar-Genorels Stimme mit. »Auch für uns war die Begegnung mit einem von jenen, die die Weißen Könige vernichtet haben, etwas ganz Besonderes.«

Der Shaliner konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass Jar-Genorel eigentlich etwas ganz anderes von ihm wollte, aber nicht wusste, wie er es sagen sollte. Deshalb fragte er freiheraus: »Was willst du, Jar-Genorel? Du bist nicht hier, um mir das zu sagen.«

Der Bote sah ihn nachdenklich an, schließlich nickte er entschlossen. »Du hast recht, Sorrent. Du kennst mich mittlerweile lange und gut genug. Ich bin in der Tat nicht deswegen hier.«

»Weshalb dann?«, fragte Sorrent erneut.

»Weil ich dir helfen will.«

Sorrent hob die Augenbrauen. »Mir helfen? Wobei?«

»Dabei, aus Jiihl zu entkommen und ins Westküstenland zurückzukehren!«

Für einen Moment war der Shaliner sprachlos, dann fragte er: »Warum?«

Er sah Jar-Genorel an, dass dieser mit sich rang und nach Worten suchte. »Weil ich der Meinung bin, dass du jemand bist, der ganz sicher nicht mit den Geheimnissen, die er hier entdeckt hat, etwas Böses im Schilde führt«, gab der Bote schließlich zur Antwort.

»Das ist aber nicht der einzige Grund?«, vermutete Sorrent.

»Nein. Es gibt noch andere.«

»Und die sind?«

Jar-Genorel zögerte mit der Antwort. »Es gibt zwei wesentliche Gründe«, begann er schließlich. »Der eine Grund ist der, dass wir, die Boten, vielleicht endlich beginnen sollten, uns als Teil des ARKLANDs zu sehen und nicht nur als Diener der Baumeister. Oh ja, es ist eine Partnerschaft, doch die Baumeister haben vor uns genauso Geheimnisse, wie wir sie vor unseren Besuchern haben. Der andere Grund ist …« Jar-Genorel zögerte, fuhr dann aber fort: »Der andere Grund ist der, dass man dir Dinge verschwiegen hat.« Er dachte kurz nach. »Die Krieger der Welt stellen eine Gefahr für deine Heimat dar. Doch die Gefahr ist weit größer, als der Baumeister dir gegenüber zugeben will. Wir wissen zwar nicht alles, doch genug, um das beurteilen zu können. Hin-Tarufal hat dies den Baumeistern auch sehr deutlich gesagt. Doch diese sind der Meinung, dass die Krieger zu gegebener Zeit von ihnen besiegt werden können. Ihre Forschungen seien sehr weit gediehen, da sie das Problem seit langer Zeit kennen. Aber nicht alle Boten sind davon überzeugt. Ich etwa glaube es nicht.

Sie haben die Krieger der Welt erschaffen und zahlreiche andere Dinge. Ihnen sollte daher schon seit langer Zeit bekannt sein, wie die Krieger der Welt getötet werden können. Doch entweder wissen sie es dennoch nicht oder sie wollen es nicht wissen.« Der Bote äußerte damit ähnliche Überlegungen, wie Sorrent sie bereits selbst angestellt hatte. »Ich verehre die Baumeister, doch sie sind für mich manchmal nicht weniger rätselhaft als für dich und ich bin nicht immer mit dem einverstanden, was und wie sie entscheiden. Wenn ich sie besser verstehe, dann liegt das daran, dass ich sie länger kenne. Doch wir Boten sollten nicht alles widerspruchslos hinnehmen, was sie von uns erwarten. Bislang sind wir gut damit gefahren, so zu handeln. Aber die Zeiten ändern sich. Was gestern noch richtig war, muss es heute nicht mehr sein. Vielleicht nicht alle, doch eine Vielzahl von uns Boten ist sich dessen bewusst.« Er machte eine Pause, als er erwartete, dass der Shaliner etwas sagen wollte, doch Sorrent schwieg. Schließlich fuhr Jar-Genorel fort: »So wie in deinem Fall. Wenn wir ARKLAND-Bewohner nicht wieder gehen lassen, so hat das seine guten Gründe, die ich nachvollziehen kann und mit denen ich einverstanden bin. Im ARKLAND herrschen Neid und Missgunst und es werden um geringere Dinge Krieg geführt als um Baumeister-Technik. Doch du kommst aus dem Westküstenland. Für dich sind Baumeistergeheimnisse nicht erstrebenswert. Es besteht keine Gefahr, dass du etwas mitnimmst oder dir Wissen aneignest, um es dazu zu verwenden, dir Macht und Reichtum zu verschaffen. Ich sehe keinen Grund, dich hier festzuhalten.«

Sorrent ahnte, wie sich der Bote fühlen musste. Ganz sicher handelte er nicht mit dem Einverständnis der anderen Boten oder gar dem der Baumeister. Jar-Genorel wurde, wenn er ihm half, in den Augen seines Volkes zum Verräter. ›Wie ich‹, dachte Sorrent. ›Auch in mir sieht man einen Verräter an Shalin, obwohl ich das, was ich tue, zum Wohle Shalins tue. So wie Jar-Genorel es für sein Volk tun will.‹

Sorrent wusste dennoch nicht, was er vom dem halten sollte, was Jar-Genorel ihm gerade angeboten hatte. Er glaubte nicht, dass der Bote ihn belog, dennoch kam es überraschend für ihn.

Jar-Genorel schien das zu bemerken. »Ich kann mir denken, dass es dich überrascht, wenn ich dir meine Hilfe anbiete. Sei dir sicher, es fällt mir nicht leicht.«

»Und wie sollen wir entkommen?«

»Hör zu …«

 

Es war erstaunlich einfach gewesen. Sie hatten den Platz mit den gelandeten Flugscheiben verlassen und dunkel vorgefunden. Lediglich die Sterne am wolkenlosen Himmel über Jiihl spendeten ein wenig Licht, das aber gerade ausreichte, Umrisse zu erkennen. Doch der Bote kannte sich aus und kam ohne viel Licht zurecht. Zielstrebig steuerte er auf das andere Ende des Feldes zu.

Sorrent hatte seine Bedenken gehabt, als Jar-Genorel ihm sein Vorhaben auseinandergesetzt hatte, doch seine Einwände waren widerlegt worden.

»Gibt es keine Wachen?«, hatte er den Boten gefragt.

»Nein, das ist nicht nötig«, war Jar-Genorels Antwort gewesen. »Es gibt Maßnahmen, die verhindern, dass außer uns Boten jemand die Flugscheiben benutzen kann.«

»Maßnahmen?«

Statt sofort zu antworten, hatte der Bote eine Metallscheibe aus seiner Tasche gezogen und sie Sorrent hingehalten. Der Shaliner hatte sie in die Hand genommen und betrachtet. Sie war rund, etwa zehn Zentimeter im Durchmesser und sehr dünn. Auf beiden Seiten waren feine Linien zu erkennen. »Was ist das?«, hatte er gefragt.

»Eine Art Schlüssel. Ohne ihn ist es nicht möglich, eine Flugscheibe zu starten. Niemand weiß, woraus diese Scheiben bestehen oder wie man sie herstellt, nicht einmal die Baumeister. Sie werden an einem Ort in Jiihl aufbewahrt, der dir oder einem anderen Besucher nicht zugänglich ist.«

Sorrent kannte solche Orte. Die Werft, wo die Baumeister-Schiffe gebaut wurden, war einer davon. Ein anderer befand sich in der Nähe der großen Versammlungshalle.

»Wird es nicht auffallen, wenn er fehlt?«, hatte er weiter wissen wollen.

Jar-Genorel hatte den Kopf geschüttelt. »Nicht so schnell und sicher nicht mehr diese Nacht. Morgen früh, ja. Doch bis dahin sollten wir schon weit weg sein.«

»Und die Flugscheibe? Irgendjemand wird den Start bemerken. Das Gebäude der Baumeister ist nicht weit vom Landefeld entfernt.«

Jar-Genorel hatte die Schultern gehoben. »Sie werden den Start sicher bemerken, aber sich nicht darum kümmern. Sie werden annehmen, dass Hin-Tarufal jemanden in der Nacht losgeschickt hat. Sie interessieren sich nicht für jede Einzelheit unseres Tuns.«

Wieder einmal hatte Sorrent bei diesen Worten daran gedacht, wie merkwürdig nachlässig die Baumeister und Boten in manchen Dingen waren. Einerseits wussten sie über so viel Bescheid, was im ARKLAND vor sich ging. Andererseits schienen sie aber wenig darauf zu achten, was in der direkten Umgebung ihrer Stadt geschah. Sie verließen sich auf Maßnahmen, die sie schützen sollten. Sicher hatten sie dafür ihre Gründe, dennoch … Dem Shaliner wurde erneut bewusst, wie wenig er nach wie vor über die Baumeister und ihre Boten wusste.

»Angenommen, es ist so einfach, wie du es darstellst, Jar-Genorel, und wir können tatsächlich entkommen, müssen wir dann nicht damit rechnen, dass man uns verfolgt? Die Baumeister haben sehr deutlich gemacht, dass sie mich nicht gehen lassen wollen.« Er erinnerte sich noch gut daran, was Nuran-So-Neris gesagt hatte.

Der Bote hatte genickt. »Sie werden uns verfolgen – morgen. Es ist an uns, dafür zu sorgen, dass sie uns nicht finden.« Seine nächsten Worte bestätigten jedoch Sorrents Vermutung, dass der Bote sich seiner Sache nicht völlig sicher war: »Wir müssen aufbrechen, wenn du es wirklich willst. Es wird nicht einfach sein und es gibt vielleicht Gefahren, die wir nicht vorhersehen können. Jede Minute, die wir nun noch zögern, Sorrent, kostet uns wertvollen Vorsprung.«

Der Shaliner hatte daraufhin wortlos die wenigen Dinge zusammengepackt, die er mitnehmen wollte. Er überlegte kurz, ob er auf das Schwert verzichten sollte, dass er zusammen mit Frumin gekauft hatte, doch dann entschied er sich, es mitzunehmen. Vielleicht konnte es ihm doch wertvolle Dienste leisten, auch wenn er nicht besonders gut damit umgehen konnte.

Ehe sie aus dem Haus gegangen waren, hatte er dem Boten noch eine letzte Frage gestellt. »Was ist mit Enroc Mendolla?«

»Was soll mit dem Krieger der Welt sein?«

»Wird er uns begleiten?«

»Nein!« Dieses eine Wort kam mit einer Bestimmtheit, die den Shaliner auf weitere Fragen verzichten ließ.

Über enge Gassen und schmale Treppen, die nur spärlich beleuchtet waren, hatten sie die Ebene oberhalb der Stadt erreicht, wo sich das große achteckige Gebäude der Baumeister und das Landefeld der Flugscheiben befanden. Sie waren unterwegs niemandem begegnet.

Sie kamen schließlich an den Rand des Feldes und zu einer kleinen Flugscheibe. Sie war um einiges kleiner als jene, die Sorrent vor ein paar Wochen zusammen mit Jar-Genorel und anderen Boten nach Jiihl gebracht hatte. Als sie schon fast bei dem uralten Fluggerät der Weißen Könige waren, löste sich eine Gestalt aus dem schwarzen Schatten der Maschine. Für einen Augenblick zögerte Sorrent weiterzugehen.

»Keine Sorge«, beruhigte Jar-Genorel ihn mit leiser Stimme, »das ist Nia-Faribal.«

Der Shaliner war überrascht. »Sie begleitet uns?« Natürlich kannte er die Frau, die mit Jar-Genorel zusammenlebte, doch er hatte nicht erwartet, sie hier vorzufinden.

»Ja«, kam die Antwort des Boten. Er war sehr einsilbig geworden, seit sie Sorrents Gästehaus verlassen hatten. Machte ihm sein Verrat bereits zu schaffen?

»Es ist alles vorbereitet und an Bord«, begrüßte Nia-Faribal sie mit gedämpfter Stimme, als sie an der Flugscheibe angekommen waren. »Ihr seid spät dran und wir sollten sofort aufbrechen.«

»Sorrent hatte Fragen«, gab Jar-Genorel entschuldigend zur Antwort.

»Für Fragen ist später Zeit.« Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und stieg als Erste über die kleine Rampe an Bord, gefolgt von ihrem Gefährten. Sorrent betrat die Flugscheibe als Letzter.

Jar-Genorel ging zu dem Kasten in der Mitte der Flugscheibe und wenig später hoben sie kaum spürbar vom Boden ab. Langsam schwebten sie vom Landefeld weg. Sie waren unterwegs. Zurück ins Westküstenland, wie Sorrent hoffte.

 

Jar-Genorel hatte, nachdem sie die unmittelbare Nähe Jiihls verlassen hatten, die Flugscheibe beschleunigt und sie an Höhe gewinnen lassen. Noch war es dunkel, doch im Osten war bereits ein schmaler, heller Streifen zu sehen, der den neuen Morgen ankündigte. Der Shaliner hatte sich in Flugrichtung an der Reling niedergelassen. Ihr Weg führte nach Süden.

Seit sie gestartet waren, hatte keiner von ihnen ein Wort gesprochen. Nun aber kam der Bote auf Sorrent zu und ließ sich neben ihm nieder. Nia-Faribal hatte die Steuerung übernommen.

»Warum tust du das? Warum hilfst du mir?«, brach Sorrent schließlich das Schweigen.

»Das sagte ich dir bereits«, gab der Bote zurück.

Sorrent nickte. »Das hast du und du hast mir auch gute Gründe genannt, dennoch … ich denke, es waren nicht alle.«

Dazu sagte Jar-Genorel aber nichts.

»Was ist mit deiner Gefährtin. Weshalb kommt sie mit? Hat sie dieselben Gründe?«

Der Bote ließ sich Zeit mit der Antwort. »Nein, nicht dieselben«, erwiderte er schließlich, »aber ähnliche Gründe. Auch sie stellt Fragen, was die Baumeister betrifft.« Er machte eine kurze Pause. Für einen Augenblick hatte Sorrent das Gefühl, als wolle Jar-Genorel noch etwas mehr dazu sagen, doch stattdessen meinte er nur: »Vielen jungen Boten geht es so, aber die wenigsten würden tun, was ich getan habe.«

»Aber du hältst es für notwendig?«

»Ja.«

»Warum?« Sorrent versuchte im Halbdunkel der Dämmerung eine Regung im Gesicht des Boten zu erkennen, doch Jar-Genorels Miene blieb ausdruckslos. Vielleicht war aber in dem wenigen Licht auch nur nichts zu sehen.

»Du hast in der großen Halle gesagt«, begann der Bote schließlich, »dass die Isolation, in der dein Shalin verharrt, der Stadtburg den Untergang bringen wird. Ähnliches befürchte ich für Jiihl, für die Baumeister und uns Boten.«

»Aber ihr lebt doch nicht in der Isolation«, widersprach Sorrent.

»Nicht in derselben wie dein Shalin, aber in einer anderen Art. Wir wissen vieles, was im ARKLAND vor sich geht, aber wir wissen längst nicht alles. Vor allem wissen wir so gut wie nichts über das alltägliche Leben. Unsere Kenntnisse beschränken sich auf die großen, wesentlichen Dinge. Du hast mir von diesem Jungen erzählt, dem man die Hand abgehackt hat, erinnerst du dich?«

Sorrent nickte.

»Du hast gesagt, das Gesetz dieser Stadt ist so. Doch das ist uns unbekannt. Wie vieles andere auch. Wir leben nicht im ARKLAND, wir sind dort nur unterwegs und nie länger an einem Ort. In manchen Dingen weißt du besser Bescheid als wir.«

Sorrent hielt das für übertrieben, aber er verstand, was Jar-Genorel damit sagen wollte. »Vielleicht«, fuhr der Bote fort, »geschieht eines Tages etwas auf dem Land oder in einer der unbedeutenden Städte und wir erfahren zu spät oder gar nicht davon; etwas, was uns bedroht. Möglicherweise gelingt eines Tages doch einem unserer ›Gäste‹ die Flucht.« Er lachte leise auf. »Einem ›Gast‹ der gieriger ist als du, und er kehrt dann mit einer Armee zurück, die wir nicht aufhalten können. Und selbst wenn wir das erste Aufgebot aufhalten können, so ist unser Geheimnis entdeckt. Jiihl ist nicht länger verborgen und sicher. Andere werden kommen. Mehr werden kommen. Irgendwann werden wir sie nicht mehr aufhalten können. Jiihl, die Baumeister und wir Boten werden untergehen.«

Sorrent konnte den Boten verstehen, schließlich befanden sie sich beide in einer ähnlichen Lage. Weder in Shalin noch in einer der anderen Stadtburgen, wollte jemand die Notwendigkeiten eines Wandels erkennen. Am liebsten wäre es den Bewohnern der Stadtburgen gewesen, wenn alles beim Alten geblieben wäre. Doch das war nicht möglich. Darum hatte Sorrent getan, was er für Shalin als richtig erachtete, und überkommene Gesetze und Traditionen infrage gestellt. Er hatte mittlerweile erfahren, wie recht er damit gehabt hatte. Der Große Krieg, der vor tausend Jahren gewütet und der den Weißen Königen den Untergang gebracht hatte, war niemals zu Ende gewesen. Er hatte Atem geschöpft, eine Pause gemacht, geschlafen, nun war er wieder erwacht.

»Wohin fliegen wir?«, wechselte der Shaliner das Thema. Er wollte nicht weiter in Jar-Genorel dringen. Sorrent wusste, dass der Bote alleine mit seinen Zweifeln und Sorgen fertig werden musste. So wie er damit hatte fertig werden müssen, auch wenn er sich eingestand, dass es ihm immer noch nicht völlig gelungen war. Aber er glaubte an die Richtigkeit seines Handelns.

»Ins Westküstenland«, antwortete Jar-Genorel lächelnd, »aber ich nehme an, dass deine Frage so nicht gemeint war.« Es war noch heller geworden und Sorrent konnte jetzt erkennen, wie nachdenklich der Gesichtsausdruck des Boten war. Sein Alter war schwer zu schätzen, dennoch war der Shaliner sich sicher, dass sie nicht weit auseinander waren, was die Anzahl ihrer Lebensjahre betraf. Was aber Jar-Genorel älter wirken ließ, war die Tatsache, dass er kein behütetes Leben in einer Stadtburg führte, sondern viel im rauen ARKLAND unterwegs war. Das hatte in vielerlei Hinsicht seine Spuren hinterlassen.

»Wahrscheinlich werden die Baumeister und Hin-Tarufal denken«, fuhr der Bote fort, »dass wir uns nach Süden wenden. Zwar ist der Landspalter überall gleich hoch, aber es ist Sommer und daher werden Eis und Schnee dort nicht so reichlich sein wie im Winter. Genau darum werden wir uns bald nach Norden wenden.«

»Du willst über den Dideon Lehort hinwegfliegen?«

»Nicht direkt über, wenn es sich vermeiden lässt. Ich weiß zum einen nicht, wie hoch die Flugscheiben fliegen können. Zum anderen wollen wir nicht entdeckt werden. Es gibt Schluchten, die in das Massiv hineinführen und durch die wir fliegen können. Ich glaube zwar nicht, dass sie bis ins Westküstenland reichen. Doch je weniger wir über die Gipfel des Gebirges fliegen, desto sicherer sind wir vor Entdeckung.«

»Und dann?«

Jar-Genorel lachte leise. »Dann? Sag du es mir! Kein Bote weiß über das Westküstenland Bescheid. Du bist dort zu Hause.«

Sorrent dachte einen Augenblick nach, dann fragte er: »Weshalb fliegen wir nicht im Norden um den Dideon Lehort herum?« Er nannte das gewaltige Gebirgsmassiv bei dem Namen, den er sein Leben lang kannte. Hier, im ARKLAND, wurde es auch oft ›Landspalter‹ genannt. Ein Name, der durchaus eine treffende Umschreibung war.

»Du hast sicher schon Gerüchte und Geschichten darüber gehört, dass es dort oben … gefährlich ist.«

Sorrent erinnerte sich, in den Alten Aufzeichnungen darüber gelesen zu haben, doch die Chroniken waren nicht sehr ausführlich, was diese Gefahren betraf. Es gab Andeutungen, Hinweise, mehr nicht. »Gehört habe ich davon«, bestätigte er daher, ohne dem Boten zu sagen, wo er von diesen Gefahren gehört hatte, »doch ich weiß nicht, was genau ich darunter verstehen soll. Ich weiß nicht einmal, ob diese Geschichten wahr sind oder einfach nur Legenden.«

»Sie sind wahr«, versicherte Jar-Genorel. »Wir Boten haben dort oben mehr als ein Schiff verloren. Darum wurde vor langer Zeit von den Baumeistern verboten, noch einmal einen Versuch zu unternehmen. Und daher werden auch wir nicht versuchen, im Norden um den Landspalter herum zu fliegen.«

Im Osten ging die Sonne auf und Sorrent konnte die zerklüfteten Steilwände des Gebirgsmassivs nun immer deutlicher erkennen, auch wenn sie noch ein ganzes Stück davon entfernt waren. Noch flogen sie parallel zum Dideon Lehort in südlicher Richtung und er wollte Jar-Genorel gerade fragen, wann der Bote ihre Flugrichtung ändern würde, als dieser sich an seine Gefährtin wandte. »Du kannst den Kurs jetzt wechseln, Nia.«

Die junge Frau nickte und betätigte die Kontrollen. Wenige Augenblicke später verlor das Fluggerät aus der Zeit der Weißen Könige an Fahrt und zugleich an Höhe. Sie hielten nun direkt auf den Dideon Lehort zu.

»Warum erst nach Süden?«, nahm Sorrent ihr Gespräch wieder auf. »Hätten wir uns von Jiihl nicht gleich in die Richtung wenden können, die du jetzt anstrebst?«

»Das hätten wir tun können«, bestätigte der Bote, »doch es ist möglich, dass man uns gesehen hat. Wir Boten sind oft im Norden des ARKLANDs unterwegs. Nicht nur mit Flugscheiben, sondern auch auf Pferden, manche sogar zu Fuß. Wenn Hin-Tarufal uns folgt, und daran besteht für mich kein Zweifel, dann wird er wahrscheinlich Auskünfte einholen, wenn er auf andere Boten stößt. Wenn … falls sie uns gesehen haben, dann können sie ihm berichten, dass eine kleine Flugscheibe in Richtung Süden flog.« Er stand auf. »Nun ist jedoch die Gefahr, dass man uns sieht, sehr viel geringer geworden. Wir haben den Bereich verlassen, in dem welche aus meinem Volk in der Regel unterwegs sind.«

»Dennoch kann man uns noch entdecken.«

Jar-Genorel nickte. »Diese Gefahr besteht, doch es ist unwahrscheinlich.« Er zeigte zum Dideon Lehort. »Wir werden seinen Fuß bald erreichen, noch tiefer gehen und an ihm entlang nach Norden fliegen.«

»Du hast dir deinen Plan lange und reiflich überlegt.«

»Lange – nein, dazu hatte ich nicht die Zeit, nachdem ich mich entschieden hatte. Reiflich …« Jar-Genorel hob die Schultern. »Ob es reiflich war, Sorrent aus Shalin, kann ich dir jetzt noch nicht sagen. Die Zeit wird das zeigen.« Ehe Sorrent etwas darauf erwidern konnte, drehte er sich um und ging zu Nia-Faribal. Die beiden Boten begannen in ihrer Sprache zu flüstern, die nur sie verstanden.

 

Eine Stunde mochte vergangen sein, als sie den Fuß des Dideon Lehort erreichten. Sorrent war dem mächtigen Gebirgszug auf dieser Seite noch nie so nahe gewesen. Nahezu senkrecht stiegen seine zerklüfteten Wände empor.

Interessiert und aufmerksam betrachtete er diese Seite des Dideon Lehort. Sie unterschied sich in einigen Dingen von den Felswänden drüben im Westküstenland.

Der offensichtlichste Unterschied bestand darin, dass es auf dieser Seite nicht das Felsband gab, das im Westküstenland auf etwa halber Höhe des Gebirges über dessen gesamte Länge von Süden nach Norden verlief. Oberhalb dieses Bandes, einem breiten, ebenen Sims gleich, lagen in regelmäßigen Abständen die Stadtburgen. Der Sims stellte eine Art Verbindungsweg zwischen ihnen dar. Von ihm gingen die Wege hinauf zu den Stadtburgen, die am Ende von Schluchten lagen, und von ihm gingen die Niedergänge hinab auf die Ebene des Westküstenlands.

Der zweite wesentliche Unterschied waren die Schluchten. Im Westküstenland gab es sie nur oberhalb des Simses. Unterhalb war die Wand des Dideon Lehort eine nahezu glatte, durchgehende Mauer über seine gesamte Länge. Hier, im ARKLAND hingegen, begannen diese Schluchten bereits am Fuß des Gebirges und schienen tief und gewaltig zu sein. Außerdem gab es hier ein hügeliges Vorland vor dem Massiv, während drüben im Westküstenland die Wände fast übergangslos aus der Ebene emporstiegen.

Bewuchs war an den steilen Wänden so gut wie keiner zu entdecken, lediglich hier und da klammerten sich Büsche in Spalten fest. Doch ab einer gewissen Höhe hörte auch das auf. Ab da war es nur noch kahler Fels.

Sie änderten erneut den Kurs und flogen dann in sehr niedriger Höhe nach Norden. Dabei folgten sie dem Verlauf des Massivs durch dessen Hügellandschaft an seinem Fuß. Jar-Genorel hatte wieder das Steuer übernommen und konzentrierte sich auf das in ihrer Flugrichtung liegende Gelände. Ständig wechselte er dabei die Höhe, flog regelrecht die Konturen der Hügellandschaft ab. Nia-Faribal stand aufmerksam an seiner Seite.

Sorrents Gedanken beschäftigten sich während des Fluges auch mit der Flugscheibe selbst. Er hatte diese Geräte zum ersten Mal hier im ARKLAND tatsächlich gesehen, Bilder und Beschreibungen kannte er jedoch schon aus den Alten Aufzeichnungen. Die Beschreibungen waren jedoch sehr vage und hatten kaum Einzelheiten genannt. Sie erklärten weder, wie eine Flugscheibe funktionierte, noch gaben sie andere Details, etwa über den Antrieb, preis. Doch er war sich sicher, dass solche Aufzeichnungen existieren mussten. Das nächste Mal würde er in den Katakomben eingehender danach suchen. ›Das nächste Mal‹, dachte er mit einer gewissen Traurigkeit. Würde es denn ein nächstes Mal geben? Würde es überhaupt noch eine Stadtburg geben, in die er zurückkehren konnte? Er hatte das Gefühl, dass es bereits zu spät und der Krieg im Westküstenland längst in vollem Gange war. Diese Befürchtung kam ihm immer wieder und er wusste, dass er darauf nur Antwort bekommen konnte, wenn er so schnell als möglich ins Westküstenland zurückkehrte.

Er erhob sich und ging die wenigen Schritte bis zu dem kastenförmigen Pult, an dem die beiden Boten standen und von dem er wusste, dass darin die Kontrollen untergebracht waren, die das Fluggerät steuerten. »Könnt ihr mir Fragen zu den Flugscheiben beantworten?«, wollte er wissen.

Ohne in der aufmerksamen Beobachtung der Landschaft vor ihnen nachzulassen, erwiderte Jar-Genorel: »Sofern wir es vermögen, werden wir dir Auskunft geben.«

»Unsere Geschwindigkeit ist nicht sehr hoch, aber dennoch müsste ich Fahrtwind spüren.« Bereits auf ihrem Flug nach Jiihl war ihm das aufgefallen, doch damals, vor ein paar Wochen, hatte es andere und wichtigere Dinge gegeben, die ihn interessiert hatten. Er gestand sich auch ein, dass er damals von den überraschenden Ereignissen ein wenig überrollt worden war.

»Ich kann dir nicht sagen, wie es geschieht, dazu fehlt mir das Wissen. Selbst die Baumeister werden dir diese Frage nicht beantworten können, so sehr sie sich auch mit diesen Artefakten aus der Zeit der Weißen Könige beschäftigt haben«, erklärte der Bote, »doch ich kann dir sagen, was geschieht.« Er sah kurz auf und blickte den Shaliner aus seinen grauen Augen an. »Sobald eine Flugscheibe startet, erscheint es einem, als ob etwas … Unsichtbares den Wind abhält. Wie ein Schild, den man nicht sehen kann. Wir vermuten, dass es mit den Begrenzungen zu tun hat, die ausfahren, wenn der Start erfolgt ist. Zumindest ist es so, dass man bei beschädigten Flugscheiben, bei denen sich diese Reling nicht ausfahren lässt, auch nicht mehr vor dem Wind geschützt ist. Sie werden nur noch für kurze und langsame Flüge rund um Jiihl eingesetzt. Zudem schützt dieser Schild auch vor der Kälte, die der Fahrtwind mit sich bringt. Bald jedoch werden wir in Gebiete kommen, in denen dieser Schutz alleine nicht mehr ausreicht.«

Die Antwort befriedigte den Shaliner nicht, doch er ahnte, dass Jar-Genorel ihm keine bessere geben konnte. »Und die Baumeister wissen auch nicht mehr?«, vergewisserte er sich dennoch.

Der Bote nickte mit dem Kopf. »Nein, wie ich schon sagte. Viele Artefakte der Weißen Könige sind auch ihnen in ihrer Bedeutung verschlossen. Ein paar wenige Geheimnisse konnten sie enträtseln und verwenden diese Erkenntnisse für den Bau ihrer Schiffe und anderer Dinge, die du in Jiihl gesehen hast. Die Technik und das Wissen der Weißen Könige übersteigt aber in aller Regel ihr Können und Wissen.«

»Haben die Baumeister das gesagt?«

Jar-Genorel nickte.

»Glaubst du ihnen?«

Der Bote sah auf und blickte ihn einige Augenblicke nachdenklich an, dann richtete er seinen Blick wieder nach vorne in Flugrichtung. »Ich ziehe manches von dem, was sie sagen, in Zweifel, wie du weißt«, sagte er dann. »Vielleicht auch diese Aussage. Vielleicht halten sie tatsächlich Wissen zurück.« Er wollte noch etwas anfügen, doch Nia-Faribal legte ihm die Hand auf den Arm und zeigte zum Dideon Lehort. »Dort!«

Sorrents Blick folgte ihrem ausgestreckten Arm. Eine große und verhältnismäßig breite Schlucht schnitt in den Landspalter ein; eine Schlucht, wie sie schon etliche passiert hatten. Er konnte an diesem Einschnitt in den Dideon Lehort nichts Außergewöhnliches entdecken.

»Was ist dort?«, wollte er daher wissen.

»Wir kennen diese Schlucht«, gab die junge Frau zur Antwort. »Sie führt tief in den Landspalter hinein und steigt dabei beständig sanft an.«

»Bis zum Gipfel?«

»Nein. Sie endet vor einer Wand, doch noch kein Bote hat gesehen, was oberhalb dieser Wand ist.«

Die Flugscheibe änderte erneut ihren Kurs und steuerte auf den Eingang der Schlucht zu. Wenig später tauchten sie in das Halbdunkel zwischen den steil und nahezu senkrecht aufragenden Felswänden ein.

 

Nia-Faribal hatte wieder das Steuer übernommen und Jar-Genorel stand zusammen mit Sorrent am Bug. Der Einschnitt in den Dideon Lehort verlief nicht geradlinig, sondern wand sich wie ein Aal in das Gebirgsmassiv hinein. Das einzige Licht kam von einem schmalen Himmelsband hoch über ihnen.

»Wie lange wird es dauern, bis wir das Ende der Schlucht erreichen?«, wollte der Shaliner von dem Boten wissen.

»Nicht lange«, gab Jar-Genorel ihm Auskunft. »Wir werden bald da sein.«

Sie flogen gemächlich weiter und die Wände der Schlucht glitten an ihnen vorbei. Nach und nach traten die Wände näher zusammen. Außerdem konnte Sorrent feststellen, dass der Boden der Schlucht sanft, aber stetig anstieg, ganz so, wie Nia-Faribal es vorhergesagt hatte. Es wurde zudem zunehmend heller, da mit dem Ansteigen des Bodens auch ihre Flughöhe bezogen auf das ARKLAND zunahm und aus dem schmalen Himmelsband ein breiter Ausschnitt wurde. Ihre Höhe über dem Boden der Schlucht blieb hingegen dieselbe.

Schließlich erreichten sie das Ende des Einschnitts in die Felswand des Dideon Lehort und die Flugscheibe verharrte vor einer senkrechten Wand in der Schwebe. Sorrent schätzte, dass es noch rund hundert Meter vom Boden der Schlucht bis zur Oberkante der Steilwand waren.

»Wir wissen nicht, was uns oben erwartet«, erklärte Jar-Genorel. »Wie ich schon sagte: Noch niemand aus meinem Volk ist je so weit vorgedrungen. Es wird wahrscheinlich nicht anders aussehen, als auf den Gipfeln der anderen Gebirge im ARKLAND. Eis, Schnee und Fels werden vorherrschen. Dennoch dürfen wir nicht vergessen, dass der Landspalter die Grenze zwischen dem Westküstenland und dem ARKLAND darstellt.«

»Du rechnest mit einer Gefahr?«

Jar-Genorel hob die Schultern. »Ich weiß es nicht, doch wir sollten vorbereitet sein.«

Sorrent fragte sich, worauf sie sich vorbereiten sollten, da sie nicht wussten, was sie erwartete. Aber er gestand sich auch ein, dass Jar-Genorel und Nia-Faribal sich diesseits des Dideon Lehort um vieles besser auskannten als er. Die wenigen Wochen, die er hier war, waren nichts im Vergleich zu den Jahren, die die Boten bereits hatten Erfahrung sammeln können. Im Westküstenland würde es anders sein, zumindest wenn es um die Stadtburgen ging. Dort kannte Sorrent sich aus und die Boten nicht.

»Ich bin bereit«, erklärte er schließlich.

Jar-Genorel nickte und ging zu einer der halbkugelförmigen Erhöhungen neben der Steuerkonsole. Er öffnete sie und holte drei Pakete heraus. Eines gab er Nia-Faribal, die beiden anderen brachte er mit zurück zu Sorrent.

»Was ist das?«, fragte der Shaliner, als der Bote ihm eines der Pakete reichte.

»Kleidung, die uns vor der Kälte schützen wird«, antwortete Jar-Genorel.

Sorrent sah zu, wie der Bote sein Paket öffnete. Darin befanden sich eine Jacke mit Kapuze, eine Hose, Handschuhe und eine Art von Stiefel. Das Material war dünn und Sorrent konnte sich nicht vorstellen, wie es sie vor der Kälte schützen sollte. Er schaute dem Boten zu, wie dieser sich zuerst die Hose, dann die Jacke über seine Kleidung anzog. Die Stiefel und Handschuhe legte Jar-Genorel beiseite.

Nun öffnete auch der Shaliner sein Bündel und zog sich die Hose und Jacke ebenfalls an. Zu seiner Überraschung spürte er sofort den schützenden und wärmenden Effekt der dünnen Kleidung.

Jar-Genorel lachte leise, als er das verblüffte Gesicht des Shaliners sah. »Es ist ein ähnliches Material, wie es die Baumeister auch für die Segel ihrer Schiffe benutzen«, erklärte er. »Leicht und fast nicht zu zerstören. Es dient vielen Zwecken.«

Sorrent nickte. Der Stoff war tatsächlich sehr leicht und trug sich angenehm. Er behinderte nicht und störte nicht im Geringsten, wenn man ihn über der normalen Kleidung trug. »Nun bin ich wirklich bereit!«

Der Bote lächelte und gab seiner Gefährtin ein Zeichen. Wenige Augenblicke später begann die Flugscheibe senkrecht die Steilwand entlang emporzusteigen.

 

Das Bild, das sich ihnen bot, als sie die Kante erreichten und ein Stück darüber emporstiegen, war imposant und beeindruckend. So weit das Auge reichte, erstreckte sich in alle Richtungen eine Landschaft aus Eis, Schnee und abgeschliffenem Fels, die aussah als seien die Wellen eines Meeres in der Kälte erstarrt: eine Hochebene auf dem Gipfel des Dideon Lehort. Aus dieser Ebene heraus ragten vereinzelt steile Zacken, doch diese beeinträchtigten den Eindruck eines beinahe ebenen Plateaus nur wenig.

Von Norden nach Süden erstreckte sich ein Wolkenband, in dem manche der Berggipfel verschwanden. Sorrent hatte es von der BURAZIN aus schon gesehen. Es schien immer über dem Dideon Lehort zu stehen. Mal war es breit und kräftig, mal schmal und schwach. Man musste sich in einer bestimmten Entfernung vom Gebirge befinden, damit man es sehen konnte. Sorrent hatte es zum ersten Mal bemerkt, als er nach Regan geritten war. Von Shalin aus war es nicht zu sehen.

Er drehte sich um und blickte nach Osten. Sein Blick konnte dem Verlauf der Schlucht, durch die sie gekommen waren, gut folgen. Er war überrascht, wie nahe sie doch noch am ARKLAND waren.

Im Westen dagegen verschwand das Weiß der welligen Ebene in der Ferne im Dunst. Ein Ende der eisigen Hochfläche war nicht in Sicht.

Eine Zeit lang ließen die Boten der Baumeister und der Shaliner das Bild auf sich wirken. Es war eine unbekannte Landschaft, die vor ihnen lag, und sie wussten nicht, was sie erwartete.

»Es ist windig«, stellte Jar-Genorel neben ihm fest. Er zeigte auf Schneeverwehungen, die im Wind tanzten. An Bord der Flugscheibe spürte man jedoch nichts davon. Der unsichtbare Schild hielt den Wind ab und die Flugscheibe selbst stand bewegungslos in der Luft.

»Und es ist kalt«, fügte Sorrent hinzu. Ihr Atem kondensierte beim Ausatmen zu kleinen Wolken.

»Wir können weiter«, wandte sich Jar-Genorel schließlich an seine Gefährtin, »aber fliege nicht zu schnell. Wir haben es zwar eilig, dennoch ist dies eine unbekannte Gegend.« Nachdenklichkeit lag in seinem Ton, vielleicht auch Sorge. Der Ort, den sie nun betraten, war ihnen allen fremd; Sorrent ebenso wie den beiden Boten.

Ein paar Augenblicke später begann die Flugscheibe langsam in Richtung Westen zu schweben.

 

Nia-Faribal ließ das Fluggerät der Weißen Könige mit gemächlicher Geschwindigkeit vorwärts gleiten. Die eintönige Landschaft unter ihnen ließ keinen sicheren Schluss zu, wie hoch ihre Geschwindigkeit wirklich war, doch Sorrent hielt sie nicht für sehr hoch. Natürlich war er ungeduldig, doch auf ein paar Stunden mehr oder weniger kam es nun nicht mehr an. Es war erstaunlich, dass er mit dem Schiff und zu Land mehrere Monate von Shalin nach Jiihl gebraucht hatte und nun innerhalb eines halben Tages dorthin zurückkehren würde. In ein paar Stunden würde er im Westküstenland sein und nur wenig später in Shalin. Zumindest war das seine Hoffnung.

Seiner Schätzung nach hatten sie noch nicht einmal ein Viertel der Strecke zur anderen Seite zurückgelegt, als plötzlich ein Ruck durch die Flugscheibe ging. Im letzten Augenblick konnte er sich mit beiden Händen an der Reling festhalten, sonst wäre er zu Boden gestürzt.

»Was war das?«, rief er den beiden Boten am Steuerpult zu, als er sich von seiner Überraschung erholt hatte.

»Wir wissen es nicht«, antwortete Jar-Genorel mit Unsicherheit in der Stimme. »Die Kontrollen zeigen nichts Ungewöhnliches.«

Wieder ging ein Ruck durch die Flugscheibe, kräftiger als zuvor. Sorrent sah das Unverständnis in den Blicken der beiden Boten. Sie arbeiteten an den Kontrollen und wirkten ein wenig hilflos.

Ein erneuter Ruck durchfuhr das Fluggerät und Sorrent bemerkte, wie sich ihre Vorwärtsbewegung noch weiter verringerte und die Flugscheibe zu sinken begann. Er sah über die Reling hinunter. Erst langsam, dann immer schneller kam ihnen die weiße Ebene entgegen.

»Wir stürzen ab«, stellte er mit ruhiger Stimme fest.

»Wir sehen es«, erwiderte Jar-Genorel, »doch es ist kein Absturz. Etwas zwingt uns zur Landung.«

»Etwas?« Sorrent drehte sich um und sah den Boten fragend an.

»Wir können nicht sagen, was es ist«, gab Nia-Faribal anstelle ihres Gefährten zurück. Jar-Genorel war mit den Kontrollen beschäftigt. »Die Flugscheibe reagiert nicht mehr auf unsere Befehle.«

Sorrent wandte seinen Blick wieder der näher kommenden Oberfläche zu. »Es ist gleich so weit«, rief er über die Schulter zurück. Er hoffte, dass ihr Aufprall nicht zu heftig sein würde, stemmte die Beine gegen den Boden und umklammerte die Reling so fest er konnte.

Dann geschah es. Noch war ihre Vorwärtsbewegung nicht völlig zum Stillstand gekommen und beim ersten Aufprall wurden sie wie ein flacher Stein auf der Wasseroberfläche wieder in die Höhe geschleudert. Mehrfach hüpften sie über die Schneelandschaft, wobei sie beständig langsamer wurden. Wahrscheinlich wären sie dadurch auch endgültig und sicher zum Stillstand gekommen, wäre nicht ein von Schnee und Eis versteckter Felsen gewesen. Ein heftiger Ruck ging durch die Flugscheibe und sie wurde herumgewirbelt. Sorrent hörte Metall reißen, dann kamen sie abrupt zum Halt. Der Shaliner konnte seine Umklammerung der Reling nicht aufrechterhalten und stürzte. Die Reling bewahrte ihn vor einem Sturz von der Flugscheibe, doch der Aufprall war so heftig, dass es ihm die Luft aus den Lungen presste. Ihm wurde schwarz vor Augen und er verlor das Bewusstsein.

 

Als Sorrent aus seiner kurzen Bewusstlosigkeit erwachte, spürte er zwei Dinge. Es war nicht mehr einfach nur kalt, sondern er spürte den eisigen Luftzug, der über die Flugscheibe strich. Ein Zeichen, dass der unsichtbare Schild, der sie bislang vor dem Wind geschützt hatte, erloschen war. Zum anderen registrierte er einen stechenden Schmerz an seiner Stirn. Er berührte die schmerzende Stelle und als er die Hand zurückzog, sah er, dass die Fingerspitzen blutig waren. Er musste sich bei seinem Sturz verletzt haben.

Vorsichtig versuchte er aufzustehen. Es gelang ihm ohne Schwierigkeiten. Anscheinend war die Wunde an der Stirn die einzige Verletzung, die er davongetragen hatte. Außer dem stechenden Schmerz, der bereits nachließ, hatte er keine Beschwerden.

Sorrent sah sich um. Jar-Genorel und seine Gefährtin lagen regungslos neben den Steuerkontrollen. Er konnte nicht erkennen, ob sie verletzt waren. Dafür bemerkte er, dass die Flugscheibe schräg lag. Nicht sehr, doch genug, dass es ihm auffiel. Allerdings konnte er keine Schäden entdecken, lediglich ein Behälter ähnlich dem, aus dem Jar-Genorel die Schutzanzüge genommen hatte, war aufgesprungen und hatte seinen Inhalt über die Oberfläche der Flugscheibe verstreut.

Langsam und vorsichtig ging Sorrent zu den Boten und ließ sich neben ihnen auf die Knie sinken. Beide atmeten regelmäßig, waren also noch am Leben. Nia-Faribal hatte eine große Beule auf der linken Stirnseite, bei Jar-Genorel konnte er jedoch keine Verletzung entdecken. Sorrent hoffte, dass sie bald aus der Bewusstlosigkeit erwachen würden.

Er kehrte an die Reling zurück. Sie war immer noch ausgefahren, was ihn überraschte. Hatte Jar-Genorel nicht gemeint, dass das Wirken des unsichtbaren Schildes und die Reling in Zusammenhang standen? Wenn der Wind sie trotz ausgefahrener Reling erreichte, konnte das nur bedeuten, dass es einen Schaden in der Maschinerie der Flugscheibe gab. ›Hoffentlich keine irreparable Beschädigung!‹, ging es ihm durch den Kopf.

Er hörte ein leises Stöhnen und drehte sich um. Jar-Genorel war dabei, sich aufzurichten und die Blicke des Boten und des Shaliners trafen sich.

»Du bist verletzt«, stellte Jar-Genorel fest.

»Es ist nicht schlimm und der Schmerz lässt bereits nach. Wie geht es dir?«

Der Bote stand langsam auf und bewegte die Arme und Beine. »Ich denke, es ist alles in Ordnung.«

In diesem Augenblick erwachte auch Nia-Faribal. Ihr Gefährte beugte sich zu ihr hinab und betrachtete ihre Beule. »Wie fühlst du dich?«, fragte er.

Es dauerte einen Augenblick, bis sie antwortete. »Ich habe Kopfschmerzen, Jar, aber das ist alles.«

Der Bote half ihr auf. Einen Moment schwankte sie, doch dann stand sie sicher und betastete ihre Stirn. Sie verzog ihr Gesicht, doch sie winkte ab, als sie Jar-Genorels sorgenvolle Miene sah. »Das vergeht wieder«, versicherte sie.

»Gibt es eine Erklärung für unseren Absturz?«, wollte Sorrent wissen.

»Ich weiß es nicht«, gestand der Bote. »Wir haben die Kontrolle über die Flugscheibe verloren und dann ging es sehr schnell. Was wir auch versucht haben, es war erfolglos. Etwas hat uns zu dieser sehr harten Landung gezwungen.«

»Oder jemand«, fügte Nia-Faribal hinzu. Sie massierte sich die Schläfen, darauf bedacht, die Beule nicht zu berühren, und versuchte auf diese Art und Weise den Kopfschmerz zu vertreiben.

»Du meinst …?« Sorrent sah sie zweifelnd an. Wer konnte eine Flugscheibe zur Landung zwingen? Selbst dem Wissen der Baumeister war diese Technologie der Weißen Könige verschlossen.

Die junge Frau hob die Schultern. »Ich kann es dir nicht sagen, Sorrent. Doch wir befinden uns auf dem Dideon Lehort. Niemand weiß, was wir hier vorfinden werden. Oder wen.« Eine seltsame Art von Trotz stand plötzlich in ihrem schmalen Gesicht. »Oder kannst du uns etwas darüber sagen?«

Der Shaliner schüttelte den Kopf. »Ich weiß so wenig darüber wie du, Nia-Faribal«, antwortete er wahrheitsgemäß. »Auch für mich ist das alles neu.«

»Dann ist alles möglich«, versetzte die Frau. »Ein Jemand ebenso wie ein Etwas.«

»Wir dürfen nicht spekulieren«, schaltete Jar-Genorel sich ein. »Es kann alles sein oder nichts. Möglicherweise auch nur ein Defekt an einer alten Maschine.« Doch sein Tonfall verriet, dass er zumindest an das Letztgenannte nicht glaubte. Jar-Genorel trat an den Rand der Flugscheibe, dort, wo sie dem Boden am nächsten war. »Wir sollten als Erstes nachschauen, was es an offensichtlichen Schäden gibt. Möglicherweise wird dann jede Suche nach anderen Schäden sinnlos. Unsere Landung war hart und ich habe Metall reißen gehört, ehe ich das Bewusstsein verlor.« Er schaute sich um und sah seine Stiefel, die er vorhin zur Seite gestellt hatte. Durch die harte Landung waren sie über die Oberfläche der Flugscheibe geschleudert worden. Er ging die paar Schritte und zog sie an. »Ihr solltet eure Stiefel auch anziehen. Der Boden draußen wird kalt sein.«

Sorrent und Nia-Faribal folgten seinem Rat und wenig später waren sie bereit.

Jar-Genorel trat an die Kontrollen und machte sich daran zu schaffen. Doch er schüttelte den Kopf. »Ich kann keine Rampe ausfahren«, meldete er dann. »Wir müssen auf anderem Weg von der Flugscheibe auf den Boden kommen.« Er kam zu ihnen an den Rand der Flugscheibe zurück. »Ich glaube, dass wir gefahrlos springen können«, versicherte er nach einem prüfenden Blick. »Es ist nicht sehr hoch. Auch die Rückkehr an Bord wird kein Problem sein.«

Wenig später standen sie auf dem erstaunlich festen Schnee und begannen das Fluggerät langsam zu umrunden.

Anfangs entdeckten sie keine Schäden, doch dann kamen sie an die ihrer Ausstiegsstelle gegenüberliegende Seite. Dort war es wegen der Schräglage der Flugscheibe möglich, einen Blick auf deren Unterseite zu werfen. Und so entdeckten sie, dass tatsächlich ein Teil des Unterbodens aufgerissen war. Allerdings machte der Schaden keinen schweren Eindruck.

»Es sieht schlimmer aus, als es ist. Anscheinend ist nur die Verkleidung aufgerissen«, erklärte Jar-Genorel. »Ich weiß, dass der Antrieb noch einmal besonders geschützt ist. Ich glaube nicht, dass er Schaden genommen hat.« Erleichterung schwang in der Stimme des Boten mit. »Ich denke, dass einem Start nichts im Wege stehen sollte. Technisch gesehen, meine ich.«

Sie beendeten ihren Rundgang und kehrten zur Ausstiegsstelle zurück. Weitere Schäden an der Flugmaschine hatten sie auf ihrem Rundgang nicht entdecken können. Nacheinander stiegen sie an Bord und Jar-Genorel trat an die Steuerkonsole. Mit gespannter Erwartung sah Sorrent ihm zu, wie er an den Schaltern und Knöpfen hantierte, doch wieder geschah nichts. Weder wurden sie gegen den eisigen Wind abgeschirmt noch ertönte der singende Ton des Antriebs. Die Flugscheibe rührte sich nicht.

»Es ist zwecklos«, gab der Bote schließlich auf und trat zurück. »Alles scheint in Ordnung, doch es erfolgt keine Reaktion. Als ob die Flugscheibe meine Befehle zwar annimmt, sie aber nicht ausführen kann.« Er sprach von dem Fluggerät fast wie von einem lebenden Wesen.

»Du meinst, jemand hindert sie daran?«, vergewisserte sich Sorrent.

»Jemand oder etwas«, bestätigte Jar-Genorel.

»Aber wer? Oder was?«

Jar-Genorels Blick richtete sich auf den Shaliner. »Ich kann es dir nicht sagen«, meinte er zögernd.

»Aber du hast eine Vermutung?«, schloss Sorrent aus dem Zögern und dem Tonfall, mit dem der Bote das sagte.

Es dauerte ein paar Augenblicke, bis Jar-Genorel antwortete. »Ja, die habe ich.« Er machte eine kurze Pause und fuhr dann fort: »Die Flugscheiben wurden von den Weißen Königen gebaut. Mit diesen Geräten kamen ihre Beauftragten immer wieder ins ARKLAND. Nur so war der Landspalter zu überqueren. Vielleicht haben sie sich abgesichert; für den Fall, dass einmal eine verloren geht und in die Hände der ARKLAND-Völker fällt. Eine Art Sicherheitsmechanismus, der verhindern soll, dass jemand, der nicht von ihnen beauftragt ist, damit ins Westküstenland gelangen kann.«

»Das ist reine Spekulation«, widersprach Nia-Faribal und machte eine abwehrende Handbewegung, »Vorhin hast du noch gesagt, dass ich nicht spekulieren soll und nun tust du es selbst.« Ein Vorwurf schwang in der Stimme der Frau mit.

»Über Dinge, die wir nicht kennen, sollten wir nicht spekulieren, Nia. Dieser Meinung bin ich auch weiter. Allerdings sind wir mit den Flugscheiben vertraut, anders als mit der Ebene auf dem Landspalter. Ich denke deshalb schon, dass wir über die Technik der Flugscheibe spekulieren könnten.«

Sorrent spürte die plötzliche Spannung zwischen den zwei Boten.

»Es ist trotzdem eine sehr weit hergeholte Spekulation, Jar«, verlieh Nia-Faribal ihren Zweifeln noch einmal Ausdruck. »Dieser Schutzmechanismus müsste uralt sein. Wieso sollte er heute noch funktionieren?«

»Er mag uralt sein, Nia, doch vergiss bitte eines nicht: Auch die Flugscheiben funktionieren noch und auch sie sind sehr alt – tausend und mehr Jahre«, gab Jar-Genorel zurück. »So wie sie heute noch arbeiten, so kann das auch für diesen Schutzmechanismus gelten.« Er winkte ab, als seine Gefährtin noch etwas sagen wollte. »Aber es ist müßig, darüber nachzudenken. Wir sollten wirklich nicht spekulieren, auch nicht über die Flugscheiben. Es hilft uns im Augenblick nicht, wir haben andere Probleme.«

Sorrent hielt, anders als Nia-Faribal, Jar-Genorels Gedanken für keine Spekulation. In ihrem Kern durften sie den Tatsachen entsprechen. Die Weißen Könige hatten alles getan, um das Westküstenland sicher zu machen. Warum also kein Schutzmechanismus, der verhinderte, dass eine Flugscheibe in den falschen Händen unerwünscht ins Westküstenland zurückkehrte?

»Du könntest trotzdem recht haben«, pflichtete er dem Boten bei und erntete dafür einen verärgerten Blick von Nia-Faribal. »Nehmen wir also an, es ist so, wie du vermutest, dann haben wir in der Tat ein Problem: Wir können mit der Flugscheibe weder weiter Richtung Westen noch können wir mit ihr ins ARKLAND zurück. Was also tun?«

Enroc Mendolla:

Von Nord nach Süd mit uralter Technik

Er wurde von lauten Rufen wach. Es waren aufgeregte und herrische Töne in einer Art, die er in Jiihl noch nicht gehört hatte.