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T. Stern

A Devil's Toy 4

Antonio & Leraje





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Titel

Anmerkung

 

Die Hölle ist nach traditionellen Vorstellungen des Christentums ein Ort der Qual, an welchen Übeltäter nach dem Tod gelangen, bevölkert von Dämonen und dem Teufel. In modernen christlichen Glaubenslehren ist diese Vorstellung allerdings in verschiedener Weise modifiziert oder auch ganz fallen gelassen worden. Andere Religionen und Kulturen hatten bzw. haben teilweise ähnliche Vorstellungen eines jenseitigen unwirtlichen Ortes der Verdammnis.



(Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Hölle )


Handlung

 

Antonio De Santis. 29 Jahre. Seit 6 Monaten Dämonenjäger.

Klingt verrückt? Ich habe mich gerade mal vorgestellt.

Wirklich verrückt wäre es, wenn ich euch erzählen würde, dass ich verflucht bin und deswegen mit jemandem zusammenarbeiten muss, der mir immer wieder vor Augen führt, dass er mich lieber tot als lebendig an seiner Seite wüsste.

Wenn wir uns nicht die Köpfe einschlagen, dann üben wir den Beischlaf aus. Sinnvoll ist anders – ich weiß!

Aber ey, ich kröne die ganze Sache jetzt: Er ist ein Dämon.

Sein Name: Leraje.

Unrealistisch? Das hättet ihr schon bei dem Wort „Dämonenjäger“ denken müssen.

Wenn ich euch jetzt sage, dass ausgerechnet er und ich den Untergang der Welt verhindern müssen … ja, DAS ist unrealistisch – aber eine Tatsache.

Und als hätte ich noch nicht genug Stress, fällt mir so kurz vor dem Untergang der Welt ein, dass ich diesen nervigen, sadistischen, fiesen, gemeinen Kerl eigentlich ganz gern hab.

Ich hab ja auch sonst keine Probleme.

Vorwort

 

Mit „A Devil’s Toy 4: Antonio & Leraje“ geht es weiter. Wieder unter dem Banner Fantasy, wieder geht es um die Hölle und deren Bewohner. Noch immer ein sehr interessantes Themengebiet und wie immer haben meine kleinen Tagträumereien die Handlung bestimmt.

Der vierte Band widmet sich wie sein Vorgänger – Band 3 – nicht rein der Lust. Vielmehr beginnt hiermit der eigentliche Fantasy-Akt der Reihe. Wer es also bis hierher geschafft hat, der kommt nun in den Genuss von mehr als Sex und Drama.

In meiner Hölle herrschen meine Regeln und ebenso verhält es sich bei der Welt, in der A Devil's Toy spielt.

Die mir eigenen Macken wird es natürlich auch wieder geben. Mein schräger Humor, diverse Ausschweifungen der gedanklichen Tiefe und ganz gewiss auch den ein oder anderen zig wiederholten Gedankengang.

Es ist Fantasy … man möge also ein wenig den Drang nach Realität beiseiteschieben und zur Kenntnis nehmen: Ich möchte hiermit weder eine Religion noch ihre gläubigen Anhänger diskreditieren.

 

Ich wünsche euch ein höllisch heißes Lesevergnügen, Spaß und Freude mit Antonio & Leraje.

Danksagung

 

Tausend Dank an Energy-Drinks & Kaffee!

 

Zutiefst herzlicher Dank wieder mal an die Elite-Gruppe, die mir in der Arbeitsgruppe zur Seite standen und die ich mit ein paar Teaser-Readings beehren durfte. Habt vielen Dank für eure Zeit, euer Engagement, für Worte, Lob und anregende Kritik, viele Lacher und noch mehr wunderschöne Momente.

Auch Traude Promont darf nicht fehlen, denn erneut hat sie den Kampf gegen mein Chaos aufgenommen. Dabei – weniger überraschend – einige Nerven gelassen.

Wie immer gilt, sollten es Fehler ins Buch geschafft haben, nehme ich diese auf meine Kappe. Insofern da noch Platz ist.

Katerliche Katernasenstupser geht diesmal vor allem an die Fantasy-Pusher raus. Jene, die mich seit geraumer Zeit ermutigen der Realität gänzlich die Mittelkralle zu zeigen, egal wie viele letztlich ihr Fehlen anprangern. Love to you!

 

Und wie eh und je – lieber Leser – natürlich dir, für deine Unterstützung. <3

 

 

1

 

Die Luft im Raum ist zum Schneiden dick, deutlich spürbar die Anspannung aller Anwesenden. Diese muss ich nicht mal sehen können, um zu wissen, dass ihre ernsten Blicke auf mir lasten, als wäre ich der Leibhaftige in Person.

„Ihre Aufgabe besteht darin, die Subjekte auszuschalten. Wir erteilen Ihnen die Erlaubnis, die humanen Wesen A und B zu eliminieren und die bereits hervorgerufenen übernatürlichen Kreaturen zu entfernen. Wie Sie das anstellen, bleibt Ihnen überlassen.“

Wie ich das anstelle, bleibt also mir überlassen?, murmle ich gedanklich vor mich hin. Nur weil man der Sache einen anderen Namen gibt, macht es die Absicht nicht besser. Mir ist bewusst, dass ich die übernatürlichen Kreaturen ebenso eliminieren soll. Zumindest, wenn es nach den Hochheiligen geht. Sie würden es halt nur nicht so formulieren. Aus guten Gründen, wohlgemerkt.

„Enttäuschen Sie uns nicht, Mister De Santis!“, grollt die Stimme abschließend und ich verdrehe nur innerlich die Augen.

Nach außen hin gebe ich mich reserviert, verneige mich kurz, drehe dem hohen Gremium den Rücken zu und verlasse die Halle.

Enttäuschen Sie uns nicht!, äffe ich die zuletzt vernommene Stimme wortlos nach, grummle vor mich hin. Ein einfaches Viel Erfolg wäre zur Abwechslung ja auch mal nett. Aber man darf eben nicht zu viel von dem alten Gesocks erwarten. Am besten man erwartet überhaupt nichts, das hält das Maß der Enttäuschung gering.

Wirklich ernstgenommen fühle ich mich noch immer nicht von den sogenannten Hochheiligen. Übel nehme ich es ihnen nicht wirklich. Schließlich nehme ich diese Gruppierung alter Männer mit der Denkweise aus dem vorletzten Jahrhundert auch nicht so recht ernst. Wer es tut, selbst schuld, denn der scheint mental ebenso an alten Werten zu klammern, die schon lange hinfällig sind. Nur, wer fragt schon mich? Einen jungen Mann, der mit offenen Augen durch die Welt geht und das wahre Übel schon lange beim Namen nennen kann.

Man muss kein Genie sein, um zu erkennen, womit diese eingeschworene Gemeinschaft wirklich ein Problem hat: mit der Wahrheit. Mit Fortschritt und Weiterentwicklung. Den zeitlich angebrachten Lehren des Lebens.

Warum mache ich das alles eigentlich, wenn ich mit diesen verklemmten Käuzen nicht klarkomme?

Ach ja, da war ja was. Die Last der Bürde der Vergangenheit.

Der Jahrhunderte alte Fluch, den keiner meiner Vorfahren bisher abschütteln konnte. Verdammnis hat viele Gesichter. Das, welches mir auferlegt wurde, ist bittersüß.

Mein Name ist Antonio De Santis. Ich bin – man halte sich fest – Dämonenjäger. Allerdings keiner von denen, die durch die Häuser laufen und armen Leuten Geld für nicht erbrachte Dienste abknöpfen, indem sie erzählen, der Marder, der im Dachgebälk seine Jungtiere großzieht, sei ein gefährlicher Dämon. Wäre ich so einer ... wäre mein Leben einfach.

Um das wahre Ausmaß meiner Karriere zu erfassen, müsste man verstehen, was es mit den De Santis auf sich hat.

Die Kurzversion?

Die De Santis unterstehen seit über fünfhundert Jahren den Hochheiligen. Diese haben sich im Laufe dieser Zeit bereits mehrfach neue Namen gegeben. Von Orden der heiligen Ritter bis hin zu Gemeinschaft der Lichtkrieger oder gar Bund der Himmelsrose. Einfallsreichtum hin oder her, jeder mit einem Funken Grips konnte erahnen, dass es immer dieselbe Organisation war, die dahintersteckte. Auf jeden Fall mussten meine Vorfahren immer loyal und ergeben für sie arbeiten.

Und die Hochheiligen waren stets sehr bemüht, die De Santis nicht zu verlieren. Sie taten alles, um unsere Dienste für sich beanspruchen zu können. Ob auf legalem Weg, was sehr selten war, oder auf illegalem Weg, was dagegen schon beinahe normal wurde. Bestechung, Erpressung, Knebelverträge, Enteignung, Kindesentführung und, und, und. Die Liste der Verbrechen dieses Kartells ist länger, als mir lieb sein kann.

Dennoch dienen wir ihnen noch immer. Nicht ganz freiwillig, sei erwähnt.

Die genaue Überlieferung liegt nicht mehr vor, ist sie auf seltsame Weise abhandengekommen, wobei jedes Dokument, indem ein De Santis ewige Treue und Dienste schwor, natürlich noch vorhanden ist. Ein Schelm, wer Böses denkt.

Irgendwann hat wohl einer meiner Vorfahren gedacht, es wäre ja so knorke einen Dämon zu haben, mit dessen Hilfe man gegen die Höllenbrut vorgehen könne. Was er sich dabei dachte? Keine Ahnung. Wahrscheinlich konnte dieser Eine gar nicht denken. Jede Familie hat bekanntlich ein schwarzes Schaf.

Nun, dieser Eine ging einen Pakt mit dem Teufel ein, so sagt man. Nicht jeder Dämon, der auf der Erde wandelt, tut dies zurecht. Manche sind geflohen, um einer Strafe für etwaige Vergehen zu entgehen. Manche ist ein sehr dehnbarer Begriff. Es sind mehr, als man denkt. Die De Santis kämpften schon immer gegen Dämonen und so kam es, dass der Pakt geschlossen wurde, dass unsere Familie sich eben den Dämonen widmet, die verbotenerweise auf der Erde wandeln. Der Herrscher der Unterwelt, Satan, sprach Hilfe zu, indem er einen seiner hochrangigen Dämonen als Helfer an die Seite dieses Freiwilligen stellen würde. Soweit klingt das ja noch lustig ... ist es aber halt mittlerweile nicht mehr.

Früher waren die Menschen anders. Ihr Denken war ehrfürchtiger und begrenzter. Sie huldigten der Religion, beteten Gott an, gingen in die Kirche und lebten nach den heiligen Geboten. Doch mit dem Fortschritt kam die Entwicklung – und das ist auch, warum die alten Vögel da drin diesen nicht mögen. Denn das bedeutete auf kurz oder lang, dass die Neugier der Menschen sich entfaltete. Alsbald übten sich die Ersten in schwarzer Magie. Man, war das ein Chaos. Ich erinnere mich sehr gut an die Einträge in den alten Tagebüchern meiner Vorfahren, die schilderten, dass es überhandnehmen würde und die Kirche keinerlei Weg wüsste, um das ganze Übel einzudämmen, geschweige denn zu stoppen.

Die De Santis kämpften fröhlich weiter, immer einen dämonischen Helfer an der Seite, stets bemüht ihren Pakt zu erfüllen, sich ihrer Aufgabe eisern bewusst.

Die Hochheiligen scheinen bis heute nicht so recht zu wissen, ob sie die Generation der De Santis Dämonenjäger mögen oder verteufeln sollen. Wahrscheinlich mögen sie uns nicht wirklich, sondern sehen uns als notwendiges Übel, um das Böse in Schacht zu halten.

Lange Rede kurzer Sinn ... wie bereits erwähnt, mein Name ist Antonio De Santis – ich bin ein direkter Nachfahre des Irren, der vor besagten fünfhundert Jahren dachte, es wäre knorke mit dem Teufel einen Pakt zu schließen. Und das bedeutet ... richtig ... auch ich habe einen höllischen Helfer an meiner Seite.

Wobei mir der mehr graue Haare beschert, als dass er mir hilft. Gut, vielleicht liegt das auch noch ein bisschen daran, dass wir erst seit gut sechs Monaten zusammenarbeiten. Insofern man da überhaupt von einer Zusammenarbeit sprechen kann.

Wer jetzt denkt, es wäre geil ein Dämonenjäger zu sein, dem möchte ich gleich mal nahelegen, dass die Ausbildung dazu keine übliche ist. Wir sprechen hier schließlich von einer Tätigkeit, die gefährlich, brutal und extrem fordernd ist. Man benötigt Wissen, welches über Jahrhunderte gesammelt wurde. Praktiken, die zu lernen oftmals Jahre dauert.

Es ist also nicht zu verwechseln mit einem drei Wochen Kurs, in dem man lernt, ahnungslosen verängstigten Menschen weiszumachen, dass Rumpeln auf dem Dachboden wäre ein gefährlicher Dämon und kein Marder.

Auch ist es mit drei Jahren nicht getan. Die Hierarchie der Hölle alleine benötigt schon fast zwei Jahre. Selbst dann hat man nur an der Oberfläche gekratzt. Beschwörungsformeln und diverse Tränke, Wässerchen und Balsame, Waffen und Munition, Kampf und allgemeines Training ...

All das ist kein Urlaub.

Um es bildlicher zu formulieren: Ich begann die Ausbildung mit zehn Jahren. Nach fünfzehn Jahren Theorie, unzähligen Stunden an Training und Vorbereitung, durfte ich mit fünfundzwanzig in den praktischen Teil wechseln. Das dauerte erneut ganze dreieinhalb Jahre. Erst vor sechs Monaten – ich bin wie gesagt mittlerweile neunundzwanzig Jahre alt – wurde mir der Titel Dämonenjäger zugesprochen.

Nein, nicht jeder Dämonenjäger hat einen höllischen Helfer. Wie weiter oben erwähnt, ist das nichts Reguläres. Ich würde auch davon abraten, so einen Pakt zu schließen, denn die Nachwirkungen davon werden euch eure Nachfahren in fünfhundert Jahren noch übel nehmen. Ich spreche da aus Erfahrung.

So viel dazu. Ehe sich jetzt einer beschwert, es wäre zu ausführlich gewesen – glaubt mir, das war die Kurzfassung. Noch kürzer ging nun wirklich nicht. Ich hab schon einige wichtige Aspekte weggelassen, sonst würden wir hier in drei Tagen noch stehen.

Dazu habe ich aber leider keine Zeit, denn mein nächster Auftrag ruft. Ich darf die werten alten Säcke ja nicht enttäuschen. Warum ich sie beleidige? Nun, ich huldige ihnen ja nicht. Die De Santis sind keiner Kirche oder Religion zugewandt. Sie sind einfach nur Dämonenjäger. Einst waren meine Vorfahren religiös, aber ein gewisser Vorfall hat uns aus den Gotteshäusern vertrieben. Keine Sorge, den muss ich nicht schildern, das habe ich bereits getan.

Wir gelten als unerwünscht in Gottes Haus. Schließlich huldigte einer unserer Vorfahren dem Herrscher der Unterwelt und schloss einen Pakt mit diesem. Wir dienen der Hölle und wir arbeiten mit Dämonen zusammen. Blah, Blah, Blah.

Das hindert sie allerdings nicht, unsere Dienste in Anspruch zu nehmen. Seit Jahrhunderten – erneut erwähnt.

Doppelmoral beherrschen sie recht gut. Immerhin etwas.

Ich für meinen Teil streite nicht ab, dass es Gott gibt, denn ich weiß, dass es den Teufel gibt. Nur stelle ich keinen von beiden über den anderen. Gut und Böse müssen beide existent sein, sonst bestünde kein Gleichgewicht, welches es zu halten gilt.

Zwar leiste ich gewisse Dienste dem Teufel gegenüber, dennoch tue ich das gleiche auch für die Gotteshäuser. So gesehen sorge ich für Gleichgewicht. Auf meine Art.

Nicht jeden Dämon, den ich beseitigen soll, eliminiere ich. Das entscheide ich immer ganz nach Umstand. Manche sind unfreiwillig hier. Nicht jeder ist geflohen und versucht, einer Strafe für diverse Vergehen in der Unterwelt zu entgehen. Es kann sehr viele Ursachen haben, weshalb ein höllisches Wesen auf der Erde ist.

Ich bedenke stark, dass die Dämonen, um die es hierbei geht, freiwillig hier sind. Sobald humane Subjekte beteiligt sind, spricht man eher von gerufenen oder beschworenen Dämonen. Man glaubt nicht, wie weit verbreitet es ist, dass Menschen sich der höllischen Magie zuwenden und Hilfe erhoffen. Nur selten für das Gute, versteht sich von selbst.

Höchstwahrscheinlich handelt es sich hierbei wieder mal um eine Beschwörung, in der unwissende Idioten Dämonen herbeirufen, ohne einen blassen Schimmer über die Folgen und Konsequenzen zu haben. Nicht jeder Dämon, den sie rufen, ist ihnen wohlgesonnen. Wer sich nicht intensiv mit der Dämonologie befasst hat, der macht schnell Fehler. Und ein kleiner Fehler, sei es in der Übersetzung oder beim Siegel eines Dämons, kann fatale Auswirkungen haben.

Vor drei Monaten hat eine Frau aus Versehen, statt einem kleinen Quälgeist, eine Geißel des Fegefeuers beschworen. Ihr Fehler: Das Siegel war falsch, weil sie den Namen verwechselte.

Aber wer bin ich, die Menschen zu warnen, ihre Finger lieber von dieser gefährlichen Materie zu lassen.

Nichts, aber auch wirklich gar nichts rechtfertigt es, einen Dämon zu beschwören und dessen Dienste für sich in Anspruch zu nehmen. Ausnahmen bestätigen die Regel. Aber auch hierbei fragt mich ja mal wieder keiner und ich möchte mir nicht anmaßen, den Verstand eines Vorfahren meiner Blutlinie von vor Jahrhunderten anzuzweifeln. Wobei DAS wenigstens noch angebracht wäre.

Seufzend verlasse ich den Hauptsitz der Hochheiligen und atme entspannt die frische Luft ein. Immer wieder eine Wohltat aus dem Muff der alten Kathedrale zurück ins Freie zu können.

Auch wenn mir der Genuss nicht lange gegönnt wird. Die Zeit drängt, denn ich weiß ja, dass ich die werten Schrumpelköpfe da drin nicht enttäuschen darf.

Tief atme ich durch, setze mich in Bewegung und steuere gezielt meinen Wagen an.

Kaum eingestiegen, werfe ich einen flüchtigen Blick in den Rückspiegel auf die Hinterbank und murre: „Wir haben einen neuen Auftrag.“

 

 

2

 

Stunden später ist das Ziel erreicht. Meinen Wagen in sicherer Entfernung geparkt, habe ich mich die restlichen hundert Meter herangeschlichen.

„Eine alte Kirche“, stelle ich fest, als ich die Ruinen des Gebäudes erkennen kann, in welchem sich die Misere anbahnt, die ich verhindern soll.

„Blasphemie“, säuselt es spöttisch neben mir.

Mit einem Murren ziehe ich eine Augenbraue hoch und lasse meinem Nebenmann einen skeptischen Blick zukommen: „Dich stört das bestimmt als Letzten.“

„Stimmt“, schmettert er knapp ab und setzt sich schon in Bewegung, steuert den Eingang an. Na ja, eher das, was ich als solchen vermute. Die sichtbaren, alten Steinmauern sind gut über die Hälfte eingestürzt. Den Hauptturm kann man nur noch erahnen. Dach besitzt das ganze Konstrukt schon lange keins mehr. Langsam, aber sicher hat die Natur sich den einst vom Menschen gestohlenen Raum wieder zurückerobert. Oder sie ist fleißig dabei, genau das zu tun.

Den angrenzenden Friedhof zumindest kann man unter dem ganzen Gestrüpp und den umgefallenen Bäumen, welche die Grabsteine unter sich begraben haben, nur noch vermuten.

„Sei vorsichtig!“, ermahne ich meinen Begleiter, den das natürlich mal wieder überhaupt nicht kümmert. Es würde mich aber auch eher wundern, würde er zur Abwechslung auch mal Wert auf das legen, was ich ihm sage. So ist er aber nicht. Mein Dämon macht, was er will – und verpasst mir damit graue Haare! Er genießt es sogar!

Leise schleiche ich entlang der Mauer und halte mich im Schatten verborgen. Ich bin derjenige, der hier gefährlich lebt. Mich könnten sie sehen. Meinen Helfer nicht. Dämonen sind geschickte Jäger und somit weiß er, wie er sich anschleichen muss, um nicht entdeckt zu werden. Ganz abgesehen davon, dass seine Fähigkeiten natürlich nicht zu übertreffen sind. Schon gar nicht durch ein Paket verrottendes Fleisch, wie er mich gerne liebevoll nennt. Wer jetzt vermutet, mein Dämon hätte keine sonderlich gute Meinung über mich ... der liegt richtig.

Dämonen denken im Allgemeinen nicht schlecht über Menschen, denn diese dienen überwiegend als Nahrungsquellen und sind der Schutz des Erhalts der Unterwelt. Dämonenjäger jedoch sind ein ganz anderes Thema. Denn diese jagen ihresgleichen und ... man kann es sich denken.

Ganz langsam und mucksmäuschenstill schleiche ich mich durch das alte Gemäuer, folge den steinigen Stufen hinab in die modrigen Gewölbe der einstigen Katakomben.

Die Luft ist stickig, geschwängert von dem Geruch nach Kräutern und Schwefel. Sie sind mitten im Ritual. Wahrscheinlich ist das Tor schon offen und sie erwarten den beschworenen Dämon bereits.

„Hat es geklappt?“, fragt eine männliche Stimme und ich lausche neugierig. Vielleicht erhalte ich vorab ein paar nützliche Informationen, was mir in wenigen Augenblicken ein paar Sekunden erspart, die ich nutzen müsste, um diese selbst zu sammeln.

„Es muss geklappt haben!“ Diese Stimme gehört einer Frau und klingt ziemlich angespannt. Wahrscheinlich geht der guten Dame gerade der Arsch auf Grundeis. Zu Recht!

Einen Dämon zu beschwören ist nichts für Laien. Es fasziniert mich immer wieder, wie viele Menschen sich als fähig erachten. Als wäre ein Dämon ein süßes Haustier. Nur sind diese Wesen keine kleinen Hundewelpen, Meerschweinchen oder Kaninchen. Jedes Raubtier ist schön anzusehen, doch sollte man nicht vergessen, wie gefährlich es ist. Aber da poche ich vergebens auf den gesunden Menschenverstand. Der ist bei manchen im Laufe der Evolution anscheinend verkümmert oder gänzlich abhandengekommen. Den meisten selbsternannten Dämonenbeschwörern ist nicht mal klar, dass das, was sie sehen, nicht der wahre Dämon ist, sondern nur ein Abbild, welches das menschliche Auge verträgt. Würde die Höllenbrut ihr wahres Aussehen offenbaren, wäre es das sichere Todesurteil für jeden Menschen. Der Schreck über diese Monstrosität lähmt den ganzen Körper. Man würde einfach tot umfallen. Aber wer bin ich, der ich mich mit diesem Thema in fünfzehn Jahren ausführlichster Theorie befassen musste?

Vorsichtig spitzle ich ums Eck und erfasse die Situation.

Bisher waren es nur zwei Stimmen, aber natürlich stehen da mehr als zwei Personen. War klar. Untertäniges Fußvolk darf nicht fehlen. Die Hälfte davon hat keine Ahnung, was sie hier soll, die anderen denken, es wäre ihre Bestimmung hier zu sein.

„Vielleicht brauchen wir doch ein Opfer?“

Ach Herrgott! Nicht auch noch solche Idioten, die wirklich denken, es wäre eine tolle Idee, einen Dämon mit dem Blut einer Jungfrau zu rufen. Damit rufen sie alles, aber sicher keinen der gelisteten Dämonen, die für solcherlei Spielchen zu begeistern sind.

Menschenblut oder gar ein Menschenleben als Opfer ruft höchstens die Verdammten. Die sind übrigens ein ganz anderes Kaliber.

Die werten Dämonenbeschwörer haben davon aber natürlich – trotz zweiwöchigem Kurses bei Vater Luziano, dem lebenden Nachfahren Luzifers – keine Ahnung. Wie sie auch nicht wissen, dass ein Anbeten Luzifers sinnlos ist, wenn man den Beistand der Hölle wünscht. Da ist nach wie vor Satan für zuständig. Luzifer ist nicht der Herrscher der Unterwelt. Irrglaube. Oder aber einfach ... falsche Überlieferung.

Im Moment bahnen sich bei mir Kopfschmerzen an. Die geballte Ladung wahrer Intelligenz trifft auf den Wunsch, einen Dämon als Kuscheltier zu haben. Mit welchen Ambitionen auch immer die Damen und Herren hier eine Ausgeburt der Unterwelt heraufbeschwören wollen, sei dahin gestellt. Wahrscheinlich geht es wieder mal um ein und dasselbe leidige Thema. Macht. Macht über alles und jeden. Hach ... wenn die Leute doch nur mal das Kleingedruckte lesen würden, ehe sie so einen Affenzirkus veranstalten, dann wüssten sie, dass kein Dämon so bekloppt wäre, ihnen Macht zu verleihen. Es sei denn, sie haben Pech, erwischen einen Verdammten oder gar einen Abtrünnigen ... dann hoffe ich allerdings, sie haben schnelle Beine. Die Situation ist gespickt von Ironie und mein Sarkasmus wächst gerade über sich selbst hinaus.

Natürlich musste ich diesen Auftrag wieder erwischen. Ich bin so langsam am Limit meines Verständnisses für die Inkompetenz der Menschheit angelangt. Wirklich. Es gibt keine Gattung, die so leichtgläubig und dämlich ist. Beherrscht von zwei absoluten Kontrahenten. Maßloser Dummheit und sich entfaltender Intelligenz. Kollidieren beide Welten, ist immer einer der Doofe. Ich muss sicher nicht erwähnen, dass es in den Augen der Dummen immer die Schlauen sind. Kein Wunder. Die Dummen wissen ja nicht mal, dass sie dumm sind. Intelligenz fängt übrigens dann an, wenn man sich vor Augen führt, wie wenig man über die Welt weiß. Aber auch nur meine Gedanken dazu.

„Wir nehmen einfach dein Blut, Archibald!“, knurrt die Frauenstimme.

„Aber Jessabelle! Das kannst du nicht ernst meinen!“

Irgendwer, lass Hirn regnen. Selbst ich habe die Ironie aus den Worten der Lady herausgehört. Archibald anscheinend nicht. Er ist also einer der weniger schlauen Fraktion, um es mal freundlich zu formulieren.

„Kein Dämon kann so verzweifelt sein, das Blut eines Dösbaddels zu wollen!“, grummelt sie genervt.

Reizend. Mensch, die Dame hat ja gute Laune. Nun, dann will ich ihr einen Grund geben, dass ihre Laune noch besser wird.

Mit einem deutlich hörbaren Räuspern gebe ich mich zu erkennen, verlasse die Deckung meines Verstecks und zeige mich. Ich muss nicht erwähnen, dass die Freude in ihren Gesichtern zwiegespalten ist. Die einen sehen mich nicht verstehend an, die anderen erkennen immerhin, dass ich nicht zum Kaffeetrinken da bin.

„Ein Jäger!“, entfährt es ihr scharf und ich beobachte, wie einige sofort zurückweichen, während andere hervortreten, als wollten sie mich zu einem Duell herausfordern.

Was an dem Wort Jäger haben sie nicht verstanden? Ach, ja. Gut, ich hatte kurzzeitig meine eigene These vergessen. Die Fraktion der Dummen meldet sich auch mal zu Wort ... mehr oder weniger.

„Du kannst uns nicht aufhalten!“, zischt sie in meine Richtung und ich ziehe beide Augenbrauen hoch, mustere das offenstehende Portal – aus dem noch immer kein Dämon kommt.

„Gamigin wird erscheinen!“, bekräftigt ihr Nebenmann überzeugt.

Gamigin? Was wollen die denn mit einem Marquis der Unterwelt? Oder geht es eher um die dreißig Legionen, die er befehligt? Stellt sich mir aber dennoch die sinnvolle Frage: Was wollen sie mit dem Marquis und dessen dreißig Legionen?

Ohne mich beirren zu lassen, trete ich näher an den Ort des Übels heran. Bald schon bin ich nah genug, um mehr erkennen zu können.

Hach. Das sind ja wahre Intelligenzbolzen, mit denen ich es zu tun habe.

„Ihr wollt also Gamigin rufen?“, erkundige ich mich einfach mal und richte einen prüfenden Blick zu den beiden Leitern der Lachnummer hier. Kopf der Bande ist wohl die Dame, ihr männlicher Begleiter eher ein hirnloser Schoßhund. Der Rest der Anwesenden ... keine Ahnung, weshalb die da sind.

„Das geht dich nichts an!“, zischt die werte Lady in meine Richtung.

„Gamigin wird nicht erscheinen. Das steht fest“, lasse ich sie wissen und grinse überheblich. Warum? Weil ich etwas weiß, was diese beiden Individuen nicht wissen.

„Er wird erscheinen! Und dann wird er dich töten!“, faucht mich ihr männlicher Begleiter an und schnaubt die Luft aus wie ein wütendes Kind.

Beschwichtigend hebe ich die Hände und schüttle leicht den Kopf, mache eine kleine Grimasse und ziehe die Luft durch die Zähne ein, ehe ich darauf eingehe: „Nein. Wird er nicht. Marquis Gamigin. In der dämonischen Hochkultur schreibt man ihn nicht mit den simplen Zeichen der Hölle. Als Marquis steht ihm der Name in der alten Schrift der Gehenna zu. Demnach: Ihr habt seinen Namen falsch geschrieben.“

Tja. Da gucken sie blöd. Ich sagte ja, es ist nicht so einfach wie viele denken. Dämonen gibt es bereits seit Jahrtausenden. Auch ihre Geschichte unterteilt sich in viele Epochen. Zwar ist der Herrscher der Unterwelt immer der Eine, aber die Ränge seiner Untertanen haben sich geändert. So auch die Aufteilung der Hölle. Als sie zu voll wurde, baute man halt an. Gehenna, einst der Palast seiner teuflischen Hoheit, ist mittlerweile der Kern des Fegefeuers. Die Verdammten leiden dort auf ewig. Natürlich ließ man die Geschichte dieses Ortes nicht zurück. Das führte dazu, dass zum Beispiel die alte Schrift der Unterwelt noch immer existiert. Allerdings zählt sie nicht mehr zum Allgemeinwissen. Nur wenige haben es sich im Laufe der Neuzeit verdient, dass man ihren Namen in der alten Schrift schreibt. So eben auch Gamigin. Ein Marquis. Und die sind sehr eigen. Sehr, sehr, sehr eigen. Das könnt ihr mir glauben. Ich weiß, wovon ich spreche. Wirklich. Vertraut mir.

„Ich dachte, du weißt, wie das geht, Jessabelle.“

Ob es so schlau ist, diese Frage zu stellen, lass ich mal dekorativ im Raum stehen. Anscheinend ist Archibald lebensmüde und möchte direkt durch das noch immer offene Portal in die Hölle befördert werden.

„Das weiß ich auch, du Idiot! Der will uns nur verunsichern!“, erwidert Jessabelle und hält weiterhin an ihrem Irrglauben fest, sie wüsste, was sie tut.

Das Problem ist nicht, dass die Gute mir nicht glaubt, sondern, dass das Portal noch immer geöffnet ist. Zu lange offenstehende Übergange aus der Unterwelt in die irdischen Gefilde wirken wie Magneten für die Verdammten oder Abtrünnige. Sie suchen ständig nach einer Möglichkeit, ihrer Hölle zu entkommen. Egal zu welchem Preis. Die Verfluchten sind nicht ohne. Nettigkeit ist nichts, was man ihnen zuschreiben kann. Nicht grundlos sind sie, was sie sind. Also, um hier ein Blutbad zu verhindern, muss ich schleunigst dafür sorgen, dass das Portal geschlossen wird. Ansonsten erhalten die alten Gewölbe hier bald einen neuen Anstrich. In blutrot wohlgemerkt. Nicht jedermanns Farbe.

„Steht hier nicht so dumm herum! Schaltet ihn aus!“, befiehlt sie erbost und ich atme tief durch. Es hätte ja auch echt mal friedlich ablaufen können. So zur Abwechslung mal. Aber nein! Es ist mir ja nicht gegönnt. Auf geht es! Ringelrangelreihe mit der Kindergruppe spielen.

Ich werde sofort angegriffen. Von zwei Männern. Ziemlich plump. Aber zwei auf einmal könnten durchaus nicht ohne sein.

„Here we go“, trällere ich und wende mich der Meute zu, nehme Kampfposition ein und warte nicht wirklich lange. Die beiden Kerle stürmen auf mich zu. In ihren Gesichtern lese ich deutlich, dass sie mir den Arsch aufreißen wollen. Uh.

Angreifer Nummer eins schalte ich aus, indem ich ihm den Ellenbogen auf den Kopf schmettere. Dem Zweiten verpasse ich dezent die Faust aufs Näschen. Vor Schmerz ächzend taumelt er zurück und presst sich beide Hände an seine stark blutende Nase. Tja, hätte ich sie vorwarnen sollen? Was denken die bitte, lernt man als Dämonenjäger? Natürlich ist man auf Kämpfe vorbereitet. Ich hoffe allerdings, dass ich hier ohne Waffengebrauch durchkomme. Es ist immer schwer, mit den Hochheiligen zu diskutieren, warum man Menschenleben genommen hat. Stellt sich mir die sinnvolle Frage, wieso sie ihren eigenen ausgebildeten Jägern den Umgang mit Waffen lehren, wenn sie nicht genau wüssten, dass diese zum Einsatz kommen. Die wenigsten Angreifer lassen sich besiegen, indem man ihnen zeigt, dass man eine Waffe hat. Die zücken eher die ihren und scheuen nicht, diese einzusetzen.

Mein Vater sagte immer: Lieber sie, als du!

Daran halte ich mich. Vor allem nach seinem tragischen Ableben. Hätte er nur geschossen – wäre er wahrscheinlich noch am Leben. Wenn er sich nicht vorher totgesoffen hätte, versteht sich. Tragische Geschichte, die hier gerade nichts zu suchen hat.

Die nächsten Pappnasen steuern auf mich zu. Siehe da, was sie in ihren Händen halten. Es sind keine Schokoriegel, so viel kann ich verraten.